BAG: Anrechnung von Leistungen auf einen Mindestlohnanspruch
Das BAG hat mit Urteil vom 16.4.2014 – 4 AZR 802/11 - entschieden: 1. Durch die AbfallArbbV hat der Verordnungsgeber den Anwendungsbereich des Mindestlohntarifvertrags für die Branche Abfallwirtschaft nicht erweitert. Der Geltungsbereich nach § 1 AbfallArbbV - „Abfälle im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes“ entspricht inhaltlich dem in § 2 Abs. 2 des Mindestlohntarifvertrags festgelegten betrieblichen Geltungsbereich.
2. Allein das Sortieren verschiedener Sorten von Altpapier stellt keine stoffliche Verwertung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG dar, welche die Abfalleigenschaft entfallen lässt. Es fehlt an der Gewinnung von Stoffen, deren Eigenschaften mit denen der zu substituierenden Primärrohstoffe identisch oder vergleichbar sind, wodurch abfalltypische Gefahrenlagen ausscheiden.
3. Bei der Erfüllungswirkung von Leistungen des Arbeitgebers auf Mindestlohnansprüche des Arbeitnehmers ist darauf abzustellen, welche (Gegen-)Leistung des Arbeitnehmers durch die Leistung des Arbeitgebers ihrem Zweck nach vergütet werden soll. Besteht zwischen dem Zweck der tatsächlich erbrachten Leistung und dem Zweck des tariflichen Mindestlohns, den der Arbeitnehmer als unmittelbare Leistung für die zu verrichtende Tätigkeit begehrt, eine funktionale Gleichwertigkeit, ist die erbrachte Leistung auf den zu erfüllenden Anspruch anzurechnen.
4. Die Richtlinie 96/71/EG enthält keine eigene inhaltliche Bestimmung des Mindest-lohns. Nach der Rechtsprechung des EuGH bestimmt sich nach den Rechtsvorschriften und den nationalen Gepflogenheiten des Mitgliedsstaates, ob Zulagen und Zuschläge Bestandteil eines tariflich geregelten Mindestlohns sind.
5. Nach den Regelungen des Mindestlohntarifvertrags für die Branche Abfallwirtschaft ist ein angemessener Zuschlag für während der Nachtzeit geleistete Arbeits-stunden kein Bestandteil des vereinbarten Mindestlohns. Erbringt ein Arbeitnehmer unter den besonderen Bedingungen der Nachtarbeit seine Arbeitsleistung, kann der vom Arbeitgeber geleistete angemessene Zuschlag i. S. d. § 6 Abs. 5 ArbZG nicht auf den Mindestlohnanspruch angerechnet werden.
6. Vom Arbeitgeber erbrachte „vermögenswirksame Leistungen“ i. S. d. Fünften VermBG können nicht auf einen Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers angerechnet werden, weil ihr Zweck der langfristigen Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand nicht funktional gleichwertig mit dem des Mindestlohns ist.