BAG: Anfechtung einer Betriebsratswahl - Differenz zwischen Stimmzetteln und Stimmabgabevermerken
Das BAG hat mit Urteil vom 12.6.2013 - 7 ABR 77/11 - entschieden: Nach § 12 Abs. 3 WO gibt die Wählerin oder der Wähler bei der Wahl ihren oder seinen Namen an und wirft den Wahlumschlag, in den der Stimmzettel eingelegt ist, in die Wahlurne ein, nachdem die Stimmabgabe in der Wählerliste vermerkt worden ist. § 12 Abs. 3 WO ist eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren iSd. § 19 Abs. 1 BetrVG. Befinden sich bei der Stimmenauszählung mehr Stimmzettel in der Wahlurne als Stimmabgaben in der Wählerliste vermerkt waren, ist dies entweder darauf zurückzu-führen, dass Wahlvorstand bzw. Wahlhelfer es unterlassen haben, von Wahlberech-tigten abgegebene Stimmen zu vermerken, oder darauf, dass die Stimmabgaben nicht Wahlberechtigter zugelassen wurden. In beiden Fällen ist § 12 Abs. 3 WO verletzt. Durch den Stimmabgabevermerk in der Wählerliste wird verhindert, dass nicht zur Wahl berechtigte Personen eine Stimme abgeben oder Wahlberechtigte mehrfach wählen, etwa durch Briefwahl und zusätzlich an der Urne. Ein Abgleich der Anzahl abgegebener Stimmen mit der Zahl der Stimmabgabevermerke ermöglicht außerdem die Kontrolle, ob über die von Wahlberechtigten abgegebenen Stimmen hinaus weitere Wahlumschläge in die Wahlurne geworfen wurden. Die Stimmabgabe kann auch in einer elektronisch geführten Wählerliste vermerkt werden. Zur Vermeidung einer mehrfachen Stimmabgabe in verschiedenen Wahllo-kalen muss dabei sichergestellt sein, dass der Eintrag in der elektronisch geführten Wählerliste zugleich in den anderen Wahllokalen sichtbar ist. Nach § 2 Abs. 4 Satz 4 WO muss sichergestellt sein, dass Änderungen der Wählerliste nur von den Mitglie-dern des Wahlvorstands vorgenommen werden können. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, wenn andere Mitarbeiter des Arbeitgebers, wie zB die Systemadmi-nistratoren, oder entsprechend beauftragte Externe ohne Mitwirkung und Kontrolle des Wahlvorstands auf das elektronische Dokument zugreifen können. Eine spätere Ergänzung oder Berichtigung der Stimmabgabevermerke ist von der Wahlordnung nicht vorgesehen. Der Nachweis der Stimmabgabe kann nicht auf andere Weise als durch die nach § 12 Abs. 3 WO in Anwesenheit des Wählers oder in Fällen schriftlicher Stimmabgabe nach § 26 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WO in öffentli-cher Sitzung anzubringenden Stimmabgabevermerke geführt werden, insbesondere nicht durch die Befragung von Zeugen. Aus der in § 19 WO normierten Pflicht des Betriebsrats, die Wahlakten mindestens bis zur Beendigung seiner Amtszeit aufzubewahren, ist zwar grundsätzlich auch der Anspruch Berechtigter zur Einsichtnahme in die Wählerliste mit den Stimmabgabe-vermerken abzuleiten. Über die Einsichtnahme in Wahlunterlagen zum Zwecke der Prüfung hinaus besteht aber keine Möglichkeit zur Ermittlung der Stimmabgabe durch eine Auswertung von Protokollierungsdateien, die bei Verwendung von elekt-ronischen Wählerlisten erstellt wurden. Der Senat lässt dabei dahinstehen, ob und wie die Grundsätze zur Einsichtnahme in „Wahlakten“ bei elektronischen Wählerlis-ten gelten.