BAG: Allgemeine Geschäftsbedingungen - Vertragsstrafe - Auslegung - unangemessene Benachteiligung - Transparenzgebot - Höhe der Vertragsstrafe - Übersicherung - ergänzende Vertragsauslegung
Das BAG hat mit Urteil vom 17.3.2016 – 8 AZR 665/14 – wie folgt entschieden:
1. Nach § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB sind bei der Anwendung auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Dies führt dazu, dass § 309 Nr. 6 BGB auf arbeitsvertragliche Vertragsstrafeabreden nicht anwendbar ist und sich eine Unwirksamkeit der Vertragsstrafevereinbarung nur aus § 307 BGB ergeben kann, wobei hier allerdings zum Schutz des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen ist.
2. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führt nicht gleichsam automatisch zu deren Intransparenz iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Lässt sich jedoch eine Bestimmung unschwer so formulieren, dass das Gewollte klar zu erkennen ist, führt eine Formulierung, bei der das Gewollte allenfalls durch eine umfassende Auslegung ermittelbar ist, zu vermeidbaren Unklarheiten.
3. Eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB kann auch aus der Höhe der Vertragsstrafe folgen. Wird die Vertragsstrafe verwirkt, wenn der Mitarbeiter das Arbeitsverhältnis außerordentlich kündigt, ohne dass ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt, sind die Kündigungsfristen, die im Fall einer fristgemäßen Kündigung einzuhalten sind und die für diesen Zeitraum zu zahlende Vergütung relevante Abwägungsgesichtspunkte zur Feststellung der Angemessenheit der Höhe der Vertragsstrafe. Eine Vertragsstrafe, die höher ist als die Arbeitsvergütung, die für die Zeit zwischen der vorzeitigen tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist an den Arbeitnehmer zu zahlen gewesen wäre, ist deshalb nur ausnahmsweise angemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dies kann nur angenommen werden, wenn das Interesse des Arbeitgebers den Wert der Arbeitsleistung, der sich in der bis zum Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist geschuldeten Arbeitsvergütung niederschlägt, aufgrund besonderer Umstände typischerweise und generell übersteigt.
4. Die gesetzlichen Vorschriften der §§ 305 ff. BGB missbilligen bereits das Stellen inhaltlich unangemessener Allgemeiner Geschäftsbedingungen, nicht erst deren unangemessenen Gebrauch im konkreten Einzelfall. Unwirksam sind deshalb auch solche Klauseln, die in ihrem Übermaßanteil in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, das sich im Entscheidungsfall nicht realisiert hat.
5. Eine ergänzende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen setzt voraus, dass der Regelungsplan der Parteien infolge der durch die Unwirksamkeit einer Vertragsklausel entstandenen Lücke einer Vervollständigung bedarf. Dies ist dann der Fall, wenn ohne eine Ergänzung des Vertrages keine angemessene, den typischen und schutzwürdigen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung zu erzielen ist. Der Wegfall der Klausel muss demnach den Verwender über Gebühr benachteiligen und umgekehrt dessen Vertragspartner in einem Maße begünstigen, das durch dessen schutzwürdige Interessen nicht mehr gerechtfertigt ist.