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Arbeitsrecht
23.05.2019
Arbeitsrecht
BAG: Ablösung von normativ geltenden Tarifverträgen beim Betriebsübergang - Verschlechterungsverbot - Vorabentscheidungsverfahren - Antragsgrundsatz

Das BAG hat mit Urteil vom 23.1.2019 – 4 AZR 445/17 – wie folgt entschieden:

1. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung stellt gegenüber einem tarifvertraglichen Anspruch einen anderen prozessualen Streitgegenstand dar. Stützt sich der Kläger nach seinem Vorbringen nur auf einen der zugrunde liegenden Lebenssachverhalte, verstößt das Gericht gegen den Antragsgrundsatz nach § 308 Abs. 1 ZPO, wenn es über den anderen Streitgegenstand entscheidet. Die Verletzung des Antragsgrundsatzes ist von Amts wegen zu berücksichtigen (Rn. 17 ff.).

2. Schließen die Tarifvertragsparteien einen Änderungstarifvertrag zu einem nachwirkenden Tarifvertrag, der nur Teile davon neu regelt, ist - wenn es an anderen besonderen Anhaltspunkten für einen abweichenden Willen fehlt - regelmäßig davon auszugehen, dass der gesamte Tarifvertrag insgesamt wieder in Kraft gesetzt werden soll (Rn. 31).

3. Eine Ablösung von beim Betriebsveräußerer durch Tarifvertrag normativ geregelten Rechten und Pflichten nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB erfolgt grundsätzlich unabhängig davon, ob der andere Tarifvertrag, der beim Erwerber unmittelbar und zwingend für die Arbeitsvertragsparteien gilt, für die übergegangenen Arbeitnehmer günstigere oder ungünstigere Arbeitsbedingungen als beim Veräußerer vorsieht (Rn. 34).

4. Eine solche Ablösung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ist jedenfalls dann mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar, wenn der beim Betriebserwerber geltende Tarifvertrag keine auf einen Betriebsübergang bezogenen Regelungen enthält und daher weder zum Ziel noch zur Folge hat, dass sich die Arbeitsbedingungen für die übergegangenen Arbeitnehmer allein aufgrund des Betriebsübergangs verschlechtern. Aus Art. 3 Abs. 3 RL 2001/23/EG ergibt sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kein allgemeines Verschlechterungsverbot (Rn. 37 ff.).

5. Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV ist nicht erforderlich. Die unionsrechtliche Zulässigkeit der Ablösung von Kollektivvereinbarungen ist für den vorliegenden Fall im Sinne eines „acte éclairé“ geklärt. Aus den Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in den Rechtssachen „Scattolon“ und „Unionen“ folgen keine vernünftigen Zweifel (Rn. 48).

6. Weist das Landesarbeitsgericht einen Hauptantrag ab und gibt dem Hilfsantrag statt, fällt der Hauptantrag, wenn nur die andere Partei sich gegen die Stattgabe des Hilfsantrags wendet, nicht beim Rechtsmittelgericht an. Der Kläger ist gehalten, selbst ein Rechtsmittel gegen die Abweisung des Hauptantrags einzulegen (Rn. 55).

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