BAG: Ablösung - Betriebsvereinbarung - Betriebsübergang - dreistufiges Prüfungsschema - Tarifvertrag - Tarifvorbehalt - eingeschränkter Prüfungsmaßstab
Das BAG hat mit Urteil vom 22.10.2019 – 3 AZR 429/18 – wie folgt entschieden:
1. Für Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen gilt das Gebot der Rechtsquellenklarheit. Dieses schließt es aus, eine Betriebsvereinbarung auf Betriebsratsseite sowohl von einem örtlichen Betriebsrat als auch von dem Gesamtbetriebsrat abzuschließen (Rn. 55 ff.).
2. Bei der Ablösung einer Regelung zur betrieblichen Altersversorgung sind die Betriebsparteien bei Eingriffen in Versorgungsrechte an die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit, präzisiert durch das sog. dreistufige Prüfungsschema, gebunden. Abhängig davon, auf welcher Stufe in Besitzstände der Arbeitnehmer eingegriffen wird, sind zur Rechtfertigung des Eingriffs unterschiedlich gewichtete Gründe auf Arbeitgeberseite erforderlich. Dieses Schema findet auch im Fall eines Betriebsübergangs Anwendung, wenn eine Versorgungsordnung, die bislang im Veräußererbetrieb galt, durch eine beim Erwerber bereits vorhandene Gesamtbetriebsvereinbarung abgelöst wird, sowie im Fall des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB. § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ist teleologisch zu reduzieren, was dazu führt, dass eine Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung, die beim Erwerber gilt, eine solche beim Veräußerer geltende nur bei Wahrung des dreistufigen Prüfungsschemas ablöst (Rn. 61 ff.).
3. Zwingende und abschließend geregelte tarifvertragliche Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung, an die der Arbeitgeber gebunden ist, lösen grundsätzlich die Tarifsperre nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG aus und verdrängen Betriebsvereinbarungen mit gleichem Regelungsgegenstand. Bei einer verschlechternden Ablösung von Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung durch einen Tarifvertrag gilt nicht das vom Senat entwickelte dreistufige Prüfungsschema, sondern es gelten vor dem Hintergrund der Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) die allgemeinen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes, verbunden mit einem Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien. Dieser gegenüber sonstigen Ablösungen von Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung eingeschränkte Prüfungsmaßstab gilt allerdings nur dann, sofern in dem Tarifvertrag selbst eine Gesamtregelung zur betrieblichen Altersversorgung (Inhalt, Voraussetzungen und Umfang) erfolgt (Rn. 92 ff.).
4. Lässt ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Regelungen durch eine Betriebsvereinbarung zu, sind die Betriebsparteien zum Abschluss einer solchen Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG berechtigt. Die Betriebsparteien sind allerdings an die Vorgaben des Tarifvertrags gebunden. Ein Verstoß hiergegen führt zur (Teil-)Unwirksamkeit der entsprechenden betrieblichen Regelung (§ 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG; Rn. 117).