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Arbeitsrecht
03.01.2020
Arbeitsrecht
LAG Baden-Württemberg: Außerordentliche Kündigung wegen falscher Rechnung unwirksam

LArbG Baden-Württemberg, Urteil vom 8.8.20193 Sa 6/19

Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2020-61-1

Leitsatz

Eine als Leiterin Public Relations/Pressesprecherin bei einem im Premium-Segment tätigen Bekleidungsunternehmen angestellte Arbeitnehmerin kann bei Fehlen anderweitiger Anhaltspunkte gem. § 670 BGB analog davon ausgehen, dass die für eine Änderung des von ihr mit hierfür zur Verfügung gestellten finanziellen Mitteln der Arbeitgeberin erworbenen Kleides anfallenden Kosten von der Arbeitgeberin getragen werden, wenn die Änderung des Kleides erforderlich ist, damit die Arbeitnehmerin es auf einem von der Arbeitgeberin veranstalteten Event tragen kann, dessen Betreuung zu den arbeitsvertraglichen Aufgaben der Arbeitnehmerin zählt.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten, eines Unternehmens der Modebranche, vom 24. April 2018, die der Klägerin am 25. April 2018 zuging. Die Klägerin hat außerdem einen Weiterbeschäftigungsantrag gestellt.

Die am XX. XX 1973 geborene, ledige und keinen Unterhaltspflichten unterliegende Klägerin war bei der Beklagten, die mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt, seit 1. Juni 2013 auf der Grundlage des Anstellungsvertrags vom 30. April 2013/27. Oktober 2014 (Bl. 9 bis 13 der ArbG-Akte) zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 8.489,00 EUR als Leiterin Public Relations/Pressereferentin tätig.

Am 22. Februar 2018 nahm die Klägerin für die Beklagte ein von der Beklagten im K. in B. veranstaltetes Event wahr. Zuvor hatte sie am gleichen Tag ein Kleid der Marke [Name der Beklagten] in das mit der Beklagten zusammenarbeitende Schneideratelier L. gebracht und es dort ändern lassen. Die Beklagte stellte der Klägerin - wie auch anderen Mitarbeitern - regelmäßig ein Budget „Kleidergeld“ zur Verfügung, mit dem sie Kleider aus der Kollektion der Beklagten erwerben konnte. Aus diesen Mitteln hatte die Klägerin dieses Kleid gekauft, das sie am 22. Februar 2018 im Atelier L. ändern ließ und sodann bei dem Event im K. trug. Das Atelier L. veranschlagte für die Änderungen in der Rechnung vom 24. Februar 2018 (Bl. 40 der ArbG-Akte) einen Betrag von 192,50 EUR, den es abzüglich eines [Name der Beklagten]-Rabattes schließlich auf einen Gesamtbetrag von 69,02 EUR (58,00 EUR netto zzgl. Mehrwertsteuer) bezifferte. Diese Rechnung reichte die Klägerin bei der Beklagten zur Begleichung ein. Die bei der Beklagten hierfür zuständige Mitarbeitern B. schloss aus dem Vermerk auf der Rechnung, wonach die Klägerin selber das Kleid in das Schneideratelier gebracht habe, dass es sich wohl um eine Privatrechnung handele und die Klägerin übersehen habe, dass die Rechnung ein Kleid von ihr selbst betraf. Deshalb vermerkte Frau B. handschriftlich auf der Rechnung „war Kleid von [Initialen der Klägerin]“ und ließ die Rechnung unbeglichen der Klägerin zukommen. Diesen Vermerk radierte die Klägerin aus, hakte handschriftlich den Betrag von 69,02 EUR ab und brachte unter dem Haken den Vermerk „[…]“ an. Diese Abkürzung steht für die Abteilung „Communications“ und das Kürzel der Klägerin. Weiterhin vermerkte die Klägerin handschriftlich „Kleid für S.". Für das Event am 22. Februar 2018 hatte die Beklagte als „VIP“ die Schauspielerin A. S. engagiert, die sich hierfür ca. eine Woche zuvor im Store der Beklagten in B. ein Kleid ausgesucht hatte, das keiner Änderungen bedurfte. Frau B. ging auf Grund des Vermerk „Kleid für S.“ davon aus, dass das Kleid von Frau S. geändert werden musste, weshalb sie die Rechnung zur Zahlung durch die Beklagte freigab und der Betrag am 27. Februar 2018 von der Beklagten ausgeglichen wurde. Von diesem Vorgang erhielt der Geschäftsführer S. der Beklagten im Rahmen eines Gesprächs mit Frau B. in der Kalenderwoche 16 Kenntnis. Mit Schreiben vom 24. April 2018 (Bl. 14 der ArbG-Akte) erklärte die Beklagte die außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung zum 31. Juli 2018 des zwischen den Parteien begründeten Arbeitsverhältnisses, wogegen die Klägerin am 27. April 2018 Kündigungsschutzklage erhob.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 16. November 2018 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Die Beklagte habe eine durch die Klägerin begangene schwerwiegende Pflichtverletzung, die den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigen würde, nicht begründet. Die Klägerin habe vorgetragen, sie sei davon ausgegangen, dass die Kosten für die Änderung des Kleides von der Beklagten getragen würden. Es sei bei der Beklagten üblich, dass Kleideränderungen für Events der Beklagten auch von der Beklagten bezahlt würden. Da sie das Kleid für ein Event der Beklagten benötigt und getragen habe, habe die Klägerin davon ausgehen dürfen, dass die Änderung auch von der Beklagten übernommen werde. Soweit die Beklagte vortrage, ihre Mitarbeiter könnten bei der Arbeit tragen, was sie wollten, erscheine dies im Zusammenhang mit dem öffentlichkeitsrelevanten Auftritt der Mitarbeiter im Bereich Public Relations realitätsfern. Es sei nicht vorstellbar, dass es im Interesse der Beklagten liege, von Mitarbeitern in der Öffentlichkeit bei entsprechenden Events repräsentiert zu werden, die nicht einmal selbst die Marke der Beklagten trügen.

Die Beklagte habe gegenüber dem Sachvortrag der Klägerin lediglich dargestellt, dass die Mitarbeiter regelmäßig ein sogenanntes Kleidergeld bekommen und verbilligt Kleidungsstücke einkaufen können, aber nicht, auf welcher Grundlage dies beruht, wann und in welcher Form die Mitarbeiter über welche konkreten Bedingungen und Regeln diesbezüglich informiert wurden und weshalb davon auszugehen wäre, dass die Klägerin diese Regeln kannte. Es fehle auch an Darlegungen, wer die Klägerin wann darüber informiert hat, dass die Kosten für Änderungen an Kleidungsstücken, die die Beklagte der Klägerin zum Teil auch kostenlos zur Verfügung stellt und die die Klägerin auf dienstlichen Events trägt, nicht von der Beklagten übernommen werden.

Etwas Anderes folge auch nicht daraus, dass die Klägerin zunächst ihren eigenen Namen entfernt und dann den Namen von Frau S. auf der Rechnung der Änderungsschneiderei vermerkt habe. Insofern sei für die Kammer nicht erkennbar, dass die Klägerin durch diese Vorgehensweise eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt habe.

Selbst wenn ein Pflichtenverstoß anzunehmen wäre, hätte vor Kündigungsausspruch nicht auf eine Abmahnung verzichtet werden können, um einerseits auf das Verhalten der Klägerin im Umgang mit den Kleidungsstücken der Marke der Beklagten positiv einzuwirken und andererseits das gegebenenfalls gestörte Vertrauen des Arbeitgebers in den Arbeitnehmer wieder aufzubauen.

Die ordentliche Kündigung sei aus den dargelegten Gründen nicht sozial gerechtfertigt.

Der Weiterbeschäftigungsanspruch ergebe sich aus den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Grundsätzen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands vor dem Arbeitsgericht wird auf dessen Urteil Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 17. Dezember 2018 zugestellte arbeitsgerichtliche Urteil am 10. Januar 2019 Berufung eingelegt und diese am 13. Februar 2019 begründet.

Sie trägt vor: Trotz des vorliegenden strafrechtlich als vollendeter Betrug anzusehenden Tatbestands, dass die Beklagte die Rechnung der Klägerin ausgeglichen habe, weil sie aufgrund derer falschen Angaben davon ausgegangen sei, dass die Änderung an dem Kleid der VIP S. notwendig und deshalb von der Beklagten zu übernehmen sei, habe das Arbeitsgericht eine schuldhafte Vertragsverletzung ausschließende Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe angenommen. Es hätte der Klägerin freigestanden, ihre Auffassung gegenüber der Beklagten kundzutun, dass diese für die Änderung des Kleides aufkommen müsse, weil sie es zu einem dienstlichen Anlass in ihrer Funktion als Mitarbeiterin des Bereichs Public Relations getragen habe. Stattdessen habe die Klägerin aber behauptet, dass das Kleid einer VIP der Beklagten geändert werden musste, weshalb die Beklagte die Kosten zu tragen habe. Wenn Mitarbeiter der Beklagten und insbesondere die Klägerin in ihrer Funktion im Public Relations-Bereich die Möglichkeit hätten, innerhalb ihres Budgets Kleidungsstücke bei der Beklagten zu entnehmen, so bedeute dies nicht, dass die Beklagte anschließend auch noch die Kosten für die Änderung solcher Kleidungsstücke übernehme. Natürlich seien alle Mitarbeiter gehalten, Kleidungsstücke auszusuchen, die ihnen auch passten. Die Beklagte könne nicht erkennen, dass Richtlinien oder Maßgaben zum Erwerb der Kleidungsstücke in irgendeiner Weise damit zusammenhingen, dass die Beklagte Änderungen an diesen Kleidungsstücken durch Änderungsschneidereien übernehmen müsse. Auch die Beklagte gehe davon aus, dass die Klägerin das Kleid ordnungsgemäß im Rahmen des ihr zustehenden Budgets erhalten habe. Nicht nachvollziehbar sei die Anforderung des Arbeitsgerichts, dass die Beklagte positiv darüber informieren müsse, dass sie Kosten für Änderungen der von Mitarbeitern ausgewählten Kleidungsstücke nicht übernehme, denn sie müsse in diesem Zusammenhang nicht über Kosten informieren, die sie nicht übernehme, sondern lediglich über das, was die Mitarbeiter positiv dürfen. Die Klägerin habe sich auch zu keiner Zeit vor der Kündigung darauf berufen, dass sie doch berechtigt gewesen sei, die ihr gehörenden Kleider auf Kosten der Beklagten zu ändern, wenn sie ihr nicht passten. Im Hinblick auf die Vorbildfunktion der Klägerin als leitende Mitarbeiterin stelle sich sogar die Frage, ob nicht bereits die wahrheitswidrige Angabe auf der Rechnung, es würde sich um die Änderung des Kleids einer VIP handeln, ausreichend sei, um eine Kündigung zu begründen. Die Erstattung von Geldbeträgen durch wahrheitswidrige Angaben zu erreichen, zeige doch anderen Mitarbeitern auf, dass es legitim sei, durch falsche Angaben gegebenenfalls berechtigte Kosten erstattet zu bekommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 16. November 2018

- 5 Ca 156/18 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt ergänzend vor: Da die Klägerin das von der Beklagten hergestellte Teil von dieser unentgeltlich und auch für repräsentative Zwecke wie das Event am 22. Februar 2018, das für die Beklagte von erheblicher Wichtigkeit gewesen sei, erhalten habe, handele es sich um Dienstkleidung. Da die Änderung des Kleides dienstlich veranlasst gewesen sei, sei die Klägerin davon ausgegangen, dass die Kosten hierfür ebenso dienstlich seien. Hierfür spreche auch der Rechtsgedanke des § 670 BGB. Kleidungsstücke seien bei der Beklagten, wie in anderen Modeunternehmen auch, häufig auf Kosten der Beklagten geändert worden. Es sei Sache der Beklagten, darzulegen und zu beweisen, dass sie keine Kosten für Änderungen von Kleidungsstücken in der Vergangenheit übernommen habe. Der Vermerk der Klägerin auf der Rechnung sei „unglücklich“ erfolgt; hierfür habe sie sich auch sofort entschuldigt. Jedenfalls wäre eine Abmahnung erforderlich gewesen, da ein solches Vorgehen bei einer eindeutigen Vorgabe auszuschließen gewesen wäre.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens in beiden Instanzen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte keinen Sachverhalt dargelegt hat, der sie zur außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung berechtigt hätte. Auch dem Weiterbeschäftigungsantrag war in leicht modifizierter Form stattzugeben.

A.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne von §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO eingelegt und begründet worden. Einer ausdrücklichen Befassung mit dem Weiterbeschäftigungsantrag in der Berufungsbegründung bedurfte es nicht, denn die Entscheidung über diesen hängt von der Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag unmittelbar ab (Düwell/Lipke/Maul-Sartori ArbGG 4. Aufl. § 66 Rn. 28).

B.

Die Berufung der Beklagten ist in der Sache unbegründet.

I.

Der Vorwurf der Beklagten, die Klägerin habe sich unberechtigterweise die Begleichung einer Rechnung über 69,02 EUR erschlichen, ist sachlich nicht zutreffend, weshalb die Beklagte hierauf weder eine außerordentliche noch eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien stützen kann.

1. Zu der Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für die Änderung eines Kleides zu übernehmen, das die Klägerin mit dem ihr zum Erwerb von Bekleidung aus der Kollektion der Beklagten zur Verfügung gestellten Budget erworben hat und das sie bei ihrer Tätigkeit auf einem von der Beklagten veranstalteten Event tragen möchte, ist im Arbeitsvertrag der Parteien nichts geregelt. Der Vortrag der Klägerin, bei der Beklagten seien „häufig“ Kleidungsstücke auf deren Kosten geändert worden, ist viel zu allgemein gehalten, um darauf schließen zu lassen, dass die Beklagte konkludent erklärt habe, auch im vorliegenden Fall für die Kosten der Änderung des der Klägerin gehörenden Kleides aufzukommen.

2. Die Klägerin konnte aber auch ohne ausdrückliche vertragliche Zusage der Übernahme von Kosten für solche Änderungen davon ausgehen, dass diese von der Beklagten zu tragen waren, wie sich aus Folgendem ergibt:

a) Hätte die Klägerin die Rechnung über 69,02 EUR zunächst aus eigenen Mitteln beglichen, hätte sie gegen die Beklagte einen entsprechenden Erstattungsanspruch gehabt, wie aus § 670 BGB analog folgt. Gem. § 670 BGB ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet, wenn der Beauftragte zum Zweck der Ausführung des Auftrags Aufwendungen macht, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf. § 670 BGB kann auf Arbeitsverhältnisse entsprechend angewendet werden (LAG Rheinland-Pfalz 6. Juni 2018 - 7 Sa 59/18 - juris). Die für die Erbringung der Arbeitsleistung notwendigen Betriebsmittel hat der Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen. Nur was zur selbstverständlichen Einsatzpflicht des Arbeitnehmers bei der Arbeit gehört, wird durch die Vergütungszahlung ausgeglichen (BAG 16. Oktober 2007 - 9 AZR 170/07 - BAGE 124, 210; 14. Oktober 2003 - 9 AZR 657/02 - AP BGB § 670 Nr. 32 = EzA BGB 2002 § 670 Nr. 1). Macht der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers Aufwendungen, die nicht durch die Vergütung abgegolten sind, ist der Arbeitgeber deshalb zum Ersatz dieser Aufwendungen verpflichtet (BAG 12. März 2013 - 9 AZR 455/11 - NZA 2013, 1086; 16. Oktober 2007 - 9 AZR 170/07 - a.a.O.). Was zur selbstverständlichen Einsatzpflicht eines Arbeitnehmers gehört, ist nach der geschuldeten Arbeitsleistung zu bestimmen (BAG 16. Oktober 2007 - 9 AZR 170/07 - a.a.O.). Für die Beurteilung des Merkmals „erforderlich“ im Sinne des § 670 BGB ist die Situation des Beauftragten im Zeitpunkt der Erbringung der Aufwendungen (subjektives Merkmal), und zwar vom Standpunkt eines nach verständigem Ermessen Handelnden (objektives Merkmal), maßgebend. Es kommt also nicht auf das tatsächliche Urteil und Verhalten des Beauftragten an, sondern darauf, was nach den besonderen Umständen des Einzelfalles vernünftigerweise aufzuwenden geboten war (BAG 21. August 1985 - 7 AZR 199/83 - AP BGB § 618 Nr. 19 = EzA BGB § 618 Nr. 5 = NZA 1986, 324).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Beklagte verpflichtet, die Kosten für die Änderung des von der Klägerin anlässlich des Events im K. am 22. Februar 2018 getragenen Kleides zu übernehmen. Denn die Klägerin konnte davon ausgehen, dass diese Änderung im Interesse der Beklagten lag und die Kosten für die Änderung waren im Fall der Klägerin auch weder durch die regelmäßige Monatsvergütung noch durch das gezahlte Kleidergeld mitabgegolten.

Zu den Hauptaufgaben der Klägerin gehörten nach dem Anstellungsvertrag die Pressearbeit und die Präsenz auf Events, die die Klägerin zu organisieren, umzusetzen und zu betreuen hatte (vgl. Bl. 13 der ArbG-Akte). Wenn die Beklagte vorträgt, dass es ihren Mitarbeitern freistehe, was für Kleidungsstücke sie während der Arbeitszeit tragen, es müssten keine Kleidungsstücke der Beklagten sein, so mag dies für die Mehrzahl der Arbeitnehmer zutreffen, jedoch kaum für eine Arbeitnehmerin in der Position der Klägerin. Jedenfalls konnte die Klägerin mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgehen, dass es arbeitgeberseitig zumindest gewünscht war, wenn nicht sogar eine entsprechende Verpflichtung ihrerseits bestand, zum Event am 22. Februar 2018 in aus der Produktion der Beklagten stammender Oberbekleidung, die sie mit dem „Kleidergeld“ der Beklagten erworben hatte, zu erscheinen und nicht im Kleid eines Textildiscounters oder eines Konkurrenten im Premium-Segment der Damenmode. Im Hinblick auf ihre Funktion als Organisatorin des Events und Ansprechpartnerin für die Medien durfte die Klägerin auch annehmen, dass sie, um den Werbeeffekt der mit beträchtlichem Aufwand durchgeführten Veranstaltung nicht zu gefährden, in einem gut sitzenden Kleid aus der aktuellen Kollektion der Beklagten erscheinen sollte. Immerhin wurde die Klägerin, wie aus den im Rechtsstreit vorgelegten Fotos ersichtlich, auf solchen Events mit der eingeladenen Prominenz abgelichtet, und diese Fotos sollten offenbar für Zwecke der Werbung Verwendung finden. Die Klägerin durfte auch davon ausgehen, dass es im wohlverstandenen Interesse der Beklagten lag, den unter Berücksichtigung des eingeräumten [Name der Beklagten]-Rabattes recht überschaubaren Betrag von 69,02 EUR (einschließlich Mehrwertsteuer) für die Änderung des Kleides zu investieren und dieses wieder für Veranstaltungen der Beklagten einsatzbereit zu machen. Ob die Klägerin weitere in den Rahmen des Events am 22. Februar 2018 passende Kleider der aktuellen Kollektion mit ihrem Kleidergeld erworben hatte, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls lag es aus Sicht eines verständigen Arbeitnehmers im Interesse der Beklagten, wenn die Klägerin die erworbenen Kleidungsstücke in möglichst breitem Umfang zum Einsatz brachte und nicht im Extremfall eine Saison lang bei allen von ihr betreuten Events im selben Kleid auflief. Überdies hätte sich, falls der - nicht mitgeteilte - Grund für den Anpassungsbedarf eine nachträglich eingetretene Figuränderung der Klägerin gewesen sein sollte, dieser Bedarf wahrscheinlich bei allen zur Verfügung stehenden Kleidungsstücken ergeben.

Zusammenfassend war die objektive Interessenlage der Parteien (zu deren Maßgeblichkeit siehe BAG 16. Oktober 2007 - 9 AZR 170/07 - BAGE 124, 210) so gestaltet, dass ein verständiger Arbeitnehmer Grund zur Annahme hatte, das beklagte Modeunternehmen wolle sich verpflichten, die Kosten des in Anspruch genommenen Schneiderateliers zu übernehmen. Diese waren der Höhe nach angemessen und die Änderung lag im Interesse der Beklagten, bei dem von ihr inszenierten Event angemessen repräsentiert zu werden.

Die Klägerin durfte auch davon ausgehen, dass die Beklagte die erforderlichen Aufwendungen in vollem Umfang übernehmen würde. Eine Minderung des Ersatzanspruchs im Hinblick auf die durch die Änderung auch verbesserte private Nutzungsmöglichkeit des Kleides kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil diese eine entsprechende - hier nicht vorliegende - einzelvertragliche oder kollektivrechtliche Vereinbarung voraussetzen würde (BAG 21. August 1985 - 7 AZR 199/83 - AP BGB § 618 Nr. 19 = EzA BGB § 618 Nr. 5). Im Übrigen lag eine rasche Wiederherstellung der Gebrauchstauglichkeit des Kleides vor allem in Interesse der Beklagten, da für ihre Zwecke nur ein Einsatz in der aktuellen Saison in Frage kam. Die Klägerin hat das am 22. Februar 2018 genutzte Kleid ja dann auch anlässlich eines Pressetermins im Rahmen der Schuhmesse G. S. in Düsseldorf im März 2018 nochmals getragen. Für die privaten Zwecke der Klägerin wäre gegebenenfalls auch in Frage gekommen, das Kleid ungeändert und damit nicht optimal passend zu tragen oder es in der Hoffnung aufzubewahren, dass es zu einem zukünftigen Zeitpunkt ohne Änderungen besser passen könnte.

3. Da die Klägerin wie dargelegt einen Aufwendungsersatzanspruch gehabt hätte, wenn sie die an sie gerichtete Rechnung des Ateliers beglichen hätte, konnte sie die Rechnung wie geschehen an die Beklagte mit der Bitte um Ausgleich weiterreichen. Eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung durch das Ansinnen, die Kosten der Änderung des am 22. Februar 2018 getragenen Kleides zu übernehmen, liegt nicht vor. Dies gilt unabhängig davon, ob die Klägerin die Rechtslage zutreffend einschätzte oder fälschlicherweise davon ausging, sie müsse die Änderungskosten aus eigener Tasche aufbringen. Denn wie bereits ausgeführt, kommt es nicht auf das tatsächliche Urteil des Beauftragten, sondern auf das nach den Umständen des Einzelfalles vernünftigerweise Gebotene an.

II.

Eine Pflichtverletzung der Klägerin ist darin zu sehen, dass sie die Rechnung des Schneiderateliers mit dem unrichtigen Vermerk „Kleid für S.“ einreichte und damit der Beklagten die Prüfung erschwerte, ob die Kosten für die Änderung von ihr zu tragen waren. Dieses Verhalten rechtfertigt allerdings weder eine außerordentliche noch eine ordentliche Kündigung ohne vorhergehende Abmahnung. Wie bereits ausgeführt wollte die Klägerin die Beklagte nicht zur Übernahme einer Privatrechnung veranlassen, sondern zum Ausgleich von im überwiegenden betrieblichen Interesse verursachten Kosten. Die Rechtswirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung - sei es im sogenannten Leistungs- oder im sogenannten Vertrauensbereich - setzt grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber das entsprechende Verhalten durch eine vorausgegangene einschlägige Abmahnung gerügt hat. Dieser Grundsatz manifestiert sich nunmehr auch in der gesetzlichen Vorgabe des § 314 Abs. 2 BGB (LAG Mecklenburg-Vorpommern 25. April 2007 - 3 Sa 294/06 - juris). Dies gilt bei Störungen im Vertrauensbereich jedenfalls dann, wenn es um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers geht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann (BAG 4. Juni 1997 - 2 AZR 526/96 - NZA 1997, 1281).

So liegt der Fall hier. Die Beklagte muss nicht befürchten, dass die Klägerin ihr künftig Privatrechnungen zum Ausgleich unterschieben werde. Es liegt nahe, dass sie den Vermerk angebracht hat, um der von ihr wohl schon erwarteten Diskussion um die Kostentragungspflicht zu entgehen. Ziel war aber die Übernahme von Kosten, zu deren Übernahme die Beklagte nach § 670 BGB analog verpflichtet war.

Der Beklagten steht es frei, gegenüber der Klägerin gegebenenfalls klarzustellen, dass sie zukünftig auch bei ihr trotz ihrer öffentlichkeitswirksamen Funktion als Leiterin der Abteilung Public Relations den für „normale“ Arbeitnehmer wohl geltenden Maßstab, wonach Änderungen der mit dem Kleidergeld erworbenen Kleidungsstücke nicht übernommen werden, anlegt. Es spricht alles dafür, dass die Klägerin dies zukünftig berücksichtigen würde und sich entweder dafür entscheiden würde, notwendig werdende Änderungen dennoch und dann auf eigene Rechnung durchzuführen oder sich anders zu behelfen, also beispielsweise in schlecht sitzendem Kleid bei Events zu erscheinen oder - soweit vorhanden - auf andere keiner Änderung bedürfende Kleidungsstücke zurückzugreifen. Die der Beklagten offensichtlich vorschwebende Konstellation - Verpflichtung zum öffentlichen Auftritt in tadellos sitzender Kleidung aus der Kollektion der Beklagten unter Übernahme eventuell anfallender Änderungskosten durch die Klägerin selbst -ist allerdings aus Rechtsgründen nicht möglich.

III.

Der Weiterbeschäftigungsantrag ergibt sich aus den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts im Beschluss vom 27. Februar 1985 (GS 1/84 - AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14) aufgestellten Grundsätzen. Die Berufungskammer hat die Tenorierung des Arbeitsgerichts insoweit geringfügig korrigiert, als die Weiterbeschäftigungspflicht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits, soweit er die ausgesprochenen Kündigungen betrifft, ausgesprochen wurde, und die Passagen „über den 25.04.2018 hinaus“ wegen der Unmöglichkeit der tatsächlichen Beschäftigung in der Vergangenheit, „in der Stelle Communications“ wegen inhaltlicher Unbestimmtheit und „zu unveränderten Bedingungen“ im Hinblick auf das der Beklagten zukommende Direktionsrecht nicht aufgenommen wurden.

C.

I.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

II.

Die Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht gegeben sind.

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