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Wirtschaftsrecht
20.04.2011
Wirtschaftsrecht
BGH: Zur konkludenten Genehmigung einer im Einzugsermächtigungsverfahren vorgenommenen Kontobelastung

BGH, Urteil vom 1.3.2011 - XI ZR 320/09

leitsätze

a) Bei der Frage, ob eine konkludente Genehmigung einer im Einzugsermächtigungs-lastschriftverfahren vorgenommenen Kontobelastung vorliegt, ist der durch norma-tive Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens des Konto-inhabers maßgeblich (im Anschluss an das Senatsurteil vom 20. Juli 2010 - XI ZR 236/07, WM 2010, 1546, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

b) Ist eine Belastungsbuchung vom Schuldner genehmigt worden, scheidet ein unmit-telbarer Bereicherungsanspruch der Schuldnerbank gegen den Lastschriftgläubi-ger aus. Der Bereicherungsausgleich vollzieht sich in diesem Fall entsprechend den allgemeinen Grundsätzen innerhalb der jeweiligen Leistungsverhältnisse (im Anschluss an das Senatsurteil vom 11. April 2006 - XI ZR 220/05, BGHZ 167, 171).

BGB §§ 133 B, 684 Satz 2

sachverhalt

Die Klägerin, kontoführende Bank des insolventen Unternehmens Auto B. , Inhaber S. K. , St. (nachfolgend: Schuldner), verlangt von der Beklagten, einer gesetzlichen Krankenkasse, die Erstattung von Sozial-versicherungsbeiträgen in Höhe von 2.719,47 €, die die Beklagte am 15. April 2004 im Einzugsermächtigungslastschriftverfahren von dem Konto des Schuld-ners eingezogen hat.

Der Schuldner unterhielt seit dem 13. August 1999 ein Girokonto bei der Klägerin, das als Kontokorrentkonto mit quartalsweisem Rechnungsabschluss geführt wurde; die Geltung u.a. der Nr. 7 AGB-Banken aF war vereinbart. Am 15. April 2004 zog die Beklagte im Einzugsermächtigungslastschriftverfahren von diesem Konto Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 2.719,47 € ein.

Mit Beschluss des Amtsgerichts A. vom 18. Mai 2004 wurde über das Vermögen des Schuldners die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Die-ser schrieb die Klägerin am gleichen Tag an und teilte ihr u.a. mit, dass er et-waigen Genehmigungen von noch nicht genehmigten Lastschrifteinzügen nicht zustimme. Daraufhin schrieb die Klägerin dem Schuldnerkonto den streitgegen-ständlichen Lastschriftbetrag wieder gut.

Mit der vorliegenden Klage begehrt sie unter dem rechtlichen Gesichts-punkt der ungerechtfertigten Bereicherung im Wege der Nichtleistungskondikti-on diesen Betrag von der Beklagten heraus. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2.719,47 € nebst Zin-sen zu zahlen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt die Be-klagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

aus den gründen

6          Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

7          I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im We-sentlichen ausgeführt:

8          Der Klägerin stehe gegen die Beklagte aus ungerechtfertigter Bereiche-rung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, § 818 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Er-stattung des mittels Einzugsermächtigungslastschriftverfahren erhaltenen Be-trages in Höhe von 2.719,47 € zu. Die Beklagte habe diesen Betrag in sonstiger Weise auf Kosten der Klägerin, die ihn an den Insolvenzverwalter des Schuld-ners zurückgezahlt habe, ohne Rechtsgrund erlangt. Die Klägerin könne ihren Anspruch direkt gegen die Beklagte geltend machen.

9          Die Belastung des Schuldnerkontos sei mangels Genehmigung des Schuldners nicht wirksam geworden, daher sei auch die Forderung der Beklag-ten trotz Gutschrift auf ihrem Konto noch nicht erfüllt gewesen. Die Beklagte habe nicht nachweisen können, dass der Schuldner die streitgegenständliche Lastschrift vor dem Widerspruchsschreiben des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 18. Mai 2004 genehmigt habe. In dem bloßen Schweigen des Schuldners und dessen Weiternutzung des Kontokorrentkontos könne ebenso wenig eine konkludente Genehmigung gesehen werden wie in der Erstellung eines Bei-tragsnachweises für Sozialversicherungsbeiträge gegenüber einer gesetzlichen Krankenkasse. Auch die Genehmigungsfiktion des § 7 Abs. 3 AGB-Banken aF habe nicht eintreten können. Gemäß § 7 Abs. 4 AGB-Banken aF habe der streitgegenständlichen Lastschrift bis zu sechs Wochen nach Zugang des zum Quartalsende zu erstellenden Rechnungsabschlusses widersprochen werden können. Vorliegend datiere das Schreiben des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 18. Mai 2004, mithin noch innerhalb dieser Frist. Die Klägerin habe die entsprechende Lastschrift zurückgebucht, so dass sie nunmehr Erstattung von der Beklagten verlangen könne.

10        II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Mangels ausreichender Feststellungen zum Fehlen einer konkludenten Genehmigung der Lastschriftbuchung durch den Schuldner kann ein Bereicherungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte derzeit nicht bejaht werden.

11        1. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass auf der Grundlage der für die streitige Lastschrift geltenden Genehmigungsthe-orie die im Einzugsermächtigungsverfahren erfolgte Lastschriftbuchung vor der Genehmigung durch den Schuldner nicht insolvenzfest war. Wenngleich ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt Belastungsbuchungen nicht aus eigenem Recht genehmigen kann, so ist er doch in der Lage, die Ge-nehmigung des Schuldners und den Eintritt der Genehmigungsfiktion zu verhin-dern, indem er solchen Belastungsbuchungen widerspricht, die noch nicht ge-nehmigt sind (vgl. u.a. Senatsurteil vom 20. Juli 2010 - XI ZR 236/07, WM 2010, 1546 Rn. 11, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; ferner Senatsurteil vom 23. November 2010 - XI ZR 370/08, WM 2011, 63 Rn. 13).

12        2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich aber eine konkludente Genehmigung durch den Schuldner nicht verneinen.

13        a) Eine konkludente Genehmigung kommt nach der neueren, nach Er-lass des Berufungsurteils ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere dann in Betracht, wenn es sich für die Zahlstelle erkennbar um regelmäßig wiederkehrende Lastschriften aus Dauerschuldverhältnissen, laufenden Geschäftsbeziehungen oder zum Einzug von wiederkehrenden Steuer-vorauszahlungen und Sozialversicherungsbeiträgen handelt. Erhebt der Schuldner in Kenntnis eines erneuten Lastschrifteinzugs, der sich im Rahmen des bereits genehmigten bewegt, gegen diesen nach einer angemessenen Überlegungsfrist keine Einwendungen, so kann auf Seiten der Zahlstelle die berechtigte Erwartung entstehen, auch diese Belastungsbuchung solle Bestand haben. Eine solche Annahme ist vor allem deshalb gerechtfertigt, weil die Zahl-stelle beim Einzugsermächtigungsverfahren in der derzeitigen rechtlichen Aus-gestaltung zwar einerseits - für den Kontoinhaber erkennbar - auf seine rechts-geschäftliche Genehmigungserklärung angewiesen ist, um die Buchung wirk-sam werden zu lassen, das Verfahren aber andererseits darauf ausgelegt ist, dass der Kontoinhaber keine ausdrückliche Erklärung abgibt. In einer solchen Situation sind an eine Genehmigung durch schlüssiges Verhalten keine zu ho-hen Anforderungen zu stellen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Konto - wie hier - im unternehmerischen Geschäftsverkehr geführt wird. In diesem Fall kann die Zahlstelle damit rechnen, dass die Kontobewegungen zeitnah nachvollzo-gen und überprüft werden (vgl. Senatsurteile vom 20. Juli 2010 - XI ZR 236/07, WM 2010, 1546 Rn. 48, vom 26. Oktober 2010 - XI ZR 562/07, WM 2010, 2307 Rn. 21, vom 23. November 2010 - XI ZR 370/08, WM 2011, 63 Rn. 16 und vom 25. Januar 2011 - XI ZR 171/09, WM 2011, 454 Rn. 20; auch BGH, Urteil vom 30. September 2010 - IX ZR 178/09, WM 2010, 2023 Rn. 13).

14        b) Nach diesen Grundsätzen kommt unter Zugrundelegung des Vortra-ges der Beklagten eine konkludente Genehmigung der streitgegenständlichen Lastschriftbuchung durch den Schuldner in Betracht. Die Beklagte hat vorgetra-gen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Forderung um Sozialversiche-rungsbeiträge für den Monat März 2004 handele, einer wiederkehrenden Leis-tung, deren Höhe jeweils vom Schuldner selbst - aufgrund der Regelung des § 28f Abs. 3 SGB IV rechtsverbindlich - erklärt werde. Diesem Vortrag hat das Berufungsgericht zu Unrecht keine Bedeutung beigemessen. Es wird in diesem Zusammenhang nach Zurückverweisung auch zu prüfen haben, ob - wie die Revision geltend macht - vergleichbare Lastschriften bereits zuvor vom Schuld-ner ausdrücklich, konkludent oder nach Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken aF geneh-migt worden sind. Entgegen seiner Ansicht kann eine konkludente Genehmi-gung nicht mit dem Argument verneint werden, dass die Klägerin den Wider-spruch des Insolvenzverwalters befolgt habe und damit wohl selbst vom Fehlen einer Genehmigung ausgegangen sei. Selbst wenn das zuträfe, stünde das der Annahme einer konkludenten Genehmigung des Schuldners nicht entgegen. Entscheidend ist auch bei einer konkludenten Genehmigung der durch normati-ve Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens des Er-klärenden (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl., § 133 Rn. 9, 11 mwN). Bei Vorliegen der oben (unter 2. a) genannten Umstände liegt daher eine konklu-dente Genehmigung des Kontoinhabers unabhängig davon vor, ob die konto-führende Bank subjektiv von einer Genehmigung ausgegangen ist oder nicht. Das Berufungsgericht hat zudem die Beweislast verkannt. Die Klägerin trägt als Bereicherungsgläubigerin die Beweislast dafür, dass der Schuldner vor dem Lastschriftwiderspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters die streitige Last-schrift nicht konkludent genehmigt hat (Senatsurteil vom 22. Februar 2011 - XI ZR 261/09, Umdruck S. 7 ff., zur Veröffentlichung bestimmt).

15        3. Mangels rechtsfehlerfreier Feststellung der fehlenden Genehmigung fehlt die Grundlage für den vom Berufungsgericht bejahten Bereicherungsan-spruch der Klägerin gegen die Beklagte.

16        a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vollzieht sich der Bereicherungsausgleich in Fällen der Leistung kraft Anweisung, etwa auf-grund eines Überweisungsauftrages, grundsätzlich innerhalb des jeweiligen Leistungsverhältnisses, also zum einen zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen und zum anderen zwischen dem Anweisenden und dem Anwei-sungsempfänger. Allerdings hat der Angewiesene ausnahmsweise einen unmit-telbaren Bereicherungsanspruch gegen den Anweisungsempfänger, wenn eine wirksame Anweisung fehlt. Diese bereicherungsrechtlichen Grundsätze gelten prinzipiell auch für die Zahlung mittels Lastschrift, so dass im Falle einer fehlen-den Genehmigung des Schuldners die Bank einen unmittelbaren Bereiche-rungsanspruch gegen den Zahlungsempfänger (Gläubiger) hat (vgl. Senatsur-teil vom 11. April 2006 - XI ZR 220/05, BGHZ 167, 171 Rn. 9, 10, 14, 16 ff. mwN).

17        b) Nach diesen Grundsätzen scheidet ein unmittelbarer Bereicherungs-anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus, wenn der Schuldner den Last-schrifteinzug genehmigt hat, was revisionsrechtlich zu Gunsten der Beklagten zu unterstellen ist. In diesem Fall liegt eine wirksame Anweisung des Schuld-ners vor, so dass für einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch außerhalb der Leistungsverhältnisse die dogmatische Grundlage fehlt. Der Bereiche-rungsausgleich vollzieht sich daher in diesem Fall entsprechend den allgemei-nen Grundsätzen innerhalb der jeweiligen Leistungsverhältnisse (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 11. April 2006 - XI ZR 220/05, BGHZ 167, 171 Rn. 9 mwN).

18        Hat der Schuldner die Lastschriftbuchung vor Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt genehmigt, geht dessen Versa-gung der Genehmigung ins Leere (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - IX ZR 37/09, WM 2010, 1543 Rn. 11 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgese-hen). In diesem Fall ist im Deckungsverhältnis bereits vor Bestellung des Insol-venzverwalters der Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin in Höhe des Last-schriftbetrages entstanden und die von ihr vorgenommene Belastungsbuchung des Schuldnerkontos mit Rechtsgrund erfolgt. Indem die Klägerin den Last-schriftbetrag dem Konto wieder gutschrieb, wollte sie ihrer girovertraglichen Pflicht zur Kontoberichtigung (vgl. dazu van Gelder in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 58 Rn. 57 mwN) nachkommen, die aber wegen der zuvor konkludent erteilten Genehmigung nicht bestand.

19        Sollte die Klägerin mit der Gutbuchung des Lastschriftbetrages auf dem Schuldnerkonto lediglich ein bei ihr bestehendes Debet des Schuldners zurück-geführt haben, so ist dadurch kein Auszahlungsanspruch des Insolvenzverwal-ters entstanden (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2002 - IX ZR 125/02, WM 2002, 2408, 2409; van Gelder, aaO, § 59 Rn. 6 mwN). Dann kann sie im Wege der Berichtigung das Debet wieder auf die ursprüngliche Höhe setzen und ihren Darlehensrückzahlungsanspruch in ursprünglicher Höhe im Insolvenzverfahren weiterverfolgen. Hat die Klägerin demgegenüber nicht lediglich das Debet auf dem Schuldnerkonto zurückgeführt, sondern tatsächlich Auszahlungen an den vorläufigen Insolvenzverwalter vorgenommen, so muss sie ihren Bereiche-rungsanspruch im Insolvenzverfahren geltend machen.

20        III. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird nach gegebenenfalls ergänzendem Vortrag der Parteien die fehlenden Feststellungen zu einer konkludenten Genehmigung zu treffen haben.

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