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Wirtschaftsrecht
19.12.2014
Wirtschaftsrecht
BGH: Vorsätzliches Organisationsverschulden eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens

BGH, Beschluss vom 27.11.2014 – III ZR 294/13

Leitsätze

a) Die Verjährungsvorschrift des § 37a WpHG aF ist auf vorsätzliche Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen nicht anwendbar.

b) Ein vorsätzliches Organisationsverschulden liegt vor, wenn ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen in Kenntnis seiner Verpflichtung zur Aufklärung es gleichwohl unterlassen hat, seine als Berater tätigen Mitarbeiter anzuweisen, die Kunden entsprechend aufzuklären (im Anschluss an Senatsurteil vom 30. Oktober 2014 – III ZR 493/13).

BGB § 276 Ba, Bc; WpHG aF § 37a

Aus den Gründen

1          Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

2          1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen ist, der die Beklagte zu einer objekt- und anlegergerechten Beratung verpflichtete. Der Umstand, dass die Beklagte zugleich über ihr namensgleiches Tochterunternehmen die Anlagegesellschaft beherrschte, steht dem nicht entgegen.

3          2. Im Rahmen der geschuldeten Beratung hatte die Beklagte ihre Mitarbeiter anzuweisen, die Anlageinteressenten über die Hauptaktionärin der B. AG vollständig und richtig zu informieren (dazu Senatsurteil vom 30. Oktober 2014 - III ZR 493/13, juris Rn. 26). Die Beteiligungsverhältnisse an der B. AG mussten wahrheitsgemäß dargestellt und die Anleger darüber informiert werden, dass die Beklagte selbst keine Aktien hielt.

4          3. Die zwischen der Beklagten und der B. AG bestehende Provisionsvereinbarung war ebenfalls offen zu legen.

5          a) Die Beschwerde verkennt, dass es im vorliegenden Fall nicht um den für den Anleger regelmäßig erkennbaren Interessenkonflikt geht, der sich daraus ergibt, dass der Anlageberater vom Anleger keinerlei Entgelt oder Provision erhält, sondern darauf angewiesen ist, sein Geld mit Leistungen von Seiten des Kapitalsuchenden zu verdienen (dazu Senatsurteile vom 15. April 2010 - III ZR 196/09, BGHZ 185, 185 Rn. 13 und vom 3. März 2011 - III ZR 170/10, NJW-RR 2011, 913 Rn. 20). Denn die Beklagte ist gegenüber den Anlageinteressenten als Hauptaktionärin der B. AG aufgetreten, die als Investorin im eigenen Interesse weitere Mitaktionäre suchte. Bei dieser Konstellation lag es für einen Anleger nicht auf der Hand, dass die ihn beratende Beklagte ihr Geld durch Provisionszahlungen der B. AG verdiente.

6          b) Die Provisionsvereinbarung war aber auch deshalb offen zu legen, weil sie dazu führte, dass das von der Beklagten (mittelbar) über ihre namensgleiche Tochtergesellschaft investierte Kapital in Form von Provisionen wieder an die Beklagte zurückfließen sollte. Dies widersprach den Angaben in dem so genannten Businessplan (S. 8), wonach sich die Projektpartner auch mit eigenen Mitteln dauerhaft an der B. AG beteiligten und die Beklagte zu diesem Zweck bereits 2.150.000 € Grundkapital einbezahlt hatte (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2014 aaO Rn. 25).

7          4. Aufzuklären war ferner darüber, dass die Aktien der B. AG, solange keine Börsennotierung vorlag, mangels eines funktionierenden (Zweit-)Markts faktisch unverkäuflich waren (vgl. OLG Stuttgart, WM 2008, 1368, 1370 f; siehe auch Senatsurteile vom 18. Januar 2007 - III ZR 44/06, NJW-RR 2007, 621 Rn. 16 und vom 20. Juni 2013 - III ZR 293/12, BeckRS 2013, 11581 Rn. 7, 10).

8          5. Die Frage, ob die von der B. AG ausgegebenen Aktien Wertpapiere im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG (in der zum Zeitpunkt des Aktienerwerbs maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998, BGBl. I S. 2708) darstellen (dazu Senatsurteil vom 30. Oktober 2014 aaO Rn. 34), ist nicht entscheidungserheblich. Die bis zum 4. August 2009 geltende Sonderverjährungsvorschrift des § 37a WpHG ist auf vorsätzliche Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen, die das Berufungsgericht hier rechtsfehlerfrei festgestellt hat, sachlich nicht anwendbar (Senatsurteil vom 30. Oktober 2014 aaO Rn. 31; BGH, Urteile vom 8. März 2005 - XI ZR 170/04, BGHZ 162, 306, 312 und vom 19. Dezember 2006 - XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 Rn. 20). Dabei kommt es, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, auf eine vorsätzliche Pflichtverletzung durch die für die Beklagte tätig gewordenen Berater nicht an. Denn die Beklagte trifft jedenfalls der Vorwurf vorsätzlichen Organisationsverschuldens, da sie es in Kenntnis ihrer Verpflichtung zur Aufklärung gleichwohl unterlassen hat, ihre Mitarbeiter anzuweisen, die Kunden über die Beteiligungsverhältnisse an der B. AG, die getroffene Provisionsvereinbarung und die stark eingeschränkte Fungibilität der Aktien wahrheitsgemäß zu informieren (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 – XI ZR 586/07, NJW 2009, 2298 Rn. 14).

9          Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

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