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Wirtschaftsrecht
07.03.2024
Wirtschaftsrecht
BGH: Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs – Einwand eines Anerkennungsversagungsgrunds i. S. d. Art. V Abs. 1 UNÜ

BGH, Beschluss vom 21.12.2023 – I ZB 37/23

ECLI:DE:BGH:2023:211223BIZB37.23.0

Volltext: BB-Online BBL2024-577-2

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Amtliche Leitsätze

a) Dem im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs erhobenen Einwand eines Anerkennungsversagungsgrunds im Sinne des Art. V Abs. 1 UNÜ steht nicht entgegen, dass im Erlassstaat gegen den Schiedsspruch kein befristetes Rechtsmittel eingelegt wurde (Weiterführung von BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010 – III ZB 100/09, BGHZ 188, 1 [juris Rn. 9 bis 16] [BB 2011, 336]).

b) Der Überprüfung des Schiedsspruchs auf seine materielle Richtigkeit durch das staatliche Gericht steht das grundsätzliche Verbot der révision au fond entgegen. Eine unrichtige Rechtsanwendung ist für sich allein kein Grund, die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs zu verweigern. Dem staatlichen Gericht ist regelmäßig auch die Nachprüfung der vom Schiedsgericht vorgenommenen Beweiswürdigung untersagt.

ZPO § 1059 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, § 1060 Abs. 2 Satz 3, § 1061 Abs. 1; UNÜ Art. V, VII

Abs. 1

Sachverhalt

A. Die Antragstellerin mit Sitz in der Volksrepublik China erwarb von der in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Antragsgegnerin mit Vertrag vom 10. Februar 2015 eine Produktionslinie für die Warmverzinnung von Kupfer- und Kupferlegierungsbändern (im Folgenden: Hauptvertrag), hinsichtlich derer die Parteien am 1. Dezember 2014 eine Technische Spezifikation unterzeichnet hatten.

Der Hauptvertrag enthält in Ziffer 14.2 eine Schiedsklausel zugunsten eines Schiedsgerichts der Internationalen Chinesischen Schiedskommission für Wirtschaft und Handel (China International Economic and Trade Arbitration Commission - CIETAC) mit Schiedsort in Shanghai unter Geltung der Verfahrensordnung der CIETAC (CIETAC-Rules). Die Antragsgegnerin sollte die Anlage installieren und in Betrieb nehmen. Der Gesamtpreis belief sich auf 4,45 Mio. €. Die Zahlungsbedingungen sahen Zahlungen von 20 % bei Vertragsunterzeichnung, 60 % bei Lieferung der Ausrüstung und 20 % nach der Inbetriebnahme und Abnahme vor. Die Antragstellerin zahlte die ersten beiden Tranchen von insgesamt 3,56 Mio. €; die Schlusszahlung in Höhe von 20 % leistete sie nicht.

In der Zeit zwischen 2017 und 2019 verhandelten die Parteien streitig über die Schlusszahlung. Am 22. September 2018 unterzeichneten sie drei Sitzungsprotokolle, in denen die Aufgaben festgelegt wurden, die von jeder Partei vor der Abnahme der Anlage abgeschlossen werden sollten. Diese Sitzungsprotokolle wurden nicht umgesetzt.

Mit Schreiben vom 11. Dezember sowie 24. Dezember 2019 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass der Vertragszweck nicht habe erfüllt werden können, da die Produktionslinie nicht zur massenhaften Herstellung mangelfreier Produkte in der Lage sei. Sie forderte die Antragsgegnerin auf, über die Rückzahlung eines Teils der geleisteten Zahlungen zu verhandeln oder an einer gemeinsamen Abnahme teilzunehmen. Die Antragsgegnerin beantwortete das erste Schreiben nicht inhaltlich; auf das zweite Schreiben gab sie weder eine Antwort noch ergriff sie Abhilfemaßnahmen. Am 15. Juni 2020 führte die Antragstellerin die Abnahme gemäß den Anforderungen der von den Parteien unterzeichneten Technischen Spezifikation selbst durch und ließ den Vorgang von einem Notar auf Video aufzeichnen.

Mit ihrer nachfolgend erhobenen Schiedsklage begehrte die Antragstellerin zuletzt eine Minderung des für die Anlage vereinbarten Gesamtpreises sowie Schadensersatz. Die Antragsgegnerin widersprach im Schiedsverfahren der von der Antragstellerin vorgelegten "notariellen Abnahmeurkunde". Sie beanstandete insbesondere, diese enthalte keine Bewertung über die Kompetenz des Bedienpersonals, deren Bedeutung in der Verzinnungsproduktionslinie nicht zu unterschätzen sei.

Mit Schiedsspruch vom 10. Dezember 2021 gab das Schiedsgericht der Schiedsklage im Wesentlichen statt.

Die Antragstellerin hat die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs beantragt. Das Oberlandesgericht hat den Antrag zurückgewiesen und festgestellt, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist (OLG Köln, Beschluss vom 8. Mai 2023 - 19 Sch 34/22, juris). Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, deren Zurückweisung die Antragsgegnerin beantragt.

Aus den Gründen

8          B. Das Oberlandesgericht hat angenommen, der Antrag auf Vollstreckbarerklärung sei nach § 1025 Abs. 4, § 1061 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit dem New Yorker Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 (UNÜ) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Schiedsspruch könne aber nicht für vollstreckbar erklärt werden, weil ihm Versagungsgründe im Sinne des Art. V UNÜ entgegenstünden. Das Schiedsgericht habe das rechtliche Gehör der Antragsgegnerin dadurch verletzt, dass es sich zum Beweis der Nichtabnahmefähigkeit der Anlage auf die unter Ausschluss der Antragsgegnerin vorgenommene notarielle Beurkundung der Abnahme gestützt habe, ohne eine entsprechende Sachkunde aufzuweisen oder den deshalb eingeschränkten Beweiswert des Videos zu berücksichtigen und ohne den Vortrag der Antragsgegnerin zur erforderlichen Bedienkompetenz zu berücksichtigen. Ob weitere Versagungsgründe wie von der Antragsgegnerin geltend gemacht vorlägen, könne daher offenbleiben.

 

9          C. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde der Antragstellerin ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO statthaft und wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt (§ 575 ZPO). Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Mit der vom Oberlandesgericht gegebenen Begründung kann die beantragte Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nicht abgelehnt werden.

 

10        I. Nach § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ), das aufgrund des Zustimmungsgesetzes (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG) des Bundestags innerhalb der deutschen Rechtsordnung im Rang eines Bundesgesetzes steht (BGBl. II 1961 S. 121).

 

11        1. Nach Art. V Abs. 1 Buchst. b Fall 3 UNÜ darf die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs auf Antrag der Partei, gegen die er geltend gemacht wird, versagt werden, wenn sie den Beweis erbringt, dass sie ihre Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht hat geltend machen können. Nach Art. V Abs. 2 Buchst. b UNÜ darf die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs auch versagt werden, wenn die zuständige Behörde des Landes, in dem die Anerkennung und Vollstreckung nachgesucht wird, feststellt, dass die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs der öffentlichen Ordnung dieses Landes widersprechen würde.

 

12        Von dem Versagungsgrund des Art. V Abs. 1 Buchst. b Fall 3 UNÜ werden insbesondere Fälle der Verletzung des Anspruchs der Parteien auf Gewährung rechtlichen Gehörs erfasst (vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. Januar 2009 - III ZB 83/07, SchiedsVZ 2009, 126 [juris Rn. 7]; zu § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b ZPO vgl. BeckOK.ZPO/Wilske/Markert, 51. Edition [Stand 1. Dezember 2023], § 1059 Rn. 41 mwN). In einer solchen Verletzung liegt regelmäßig auch ein Verstoß gegen den ordre public im Sinne des Art. V Abs. 2 Buchst. b UNÜ (vgl. OLG München, Beschluss vom 25. April 2022 - 34 Sch 32/19, juris Rn. 39; MünchKomm.ZPO/Adolphsen, 6. Aufl., Art. V UNÜ Rn. 26; Wolff in ders., New York Convention, 2. Aufl., Art. V Rn. 539; zu § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 2016 - I ZB 99/14, NJW-RR 2016, 892 [juris Rn. 23]).

 

13        2. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) erfordert, dass das Schiedsgericht das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht. Zudem müssen die Parteien Gelegenheit haben, sich zu allen tatsächlichen Erwägungen zu äußern, auf die die Entscheidung des Schiedsgerichts gegründet werden soll. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Schiedsgericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2020 - I ZB 11/20, IHR 2023, 91 [juris Rn. 21] mwN; Beschluss vom 21. April 2022 - I ZB 36/21, SchiedsVZ 2023, 59 [juris Rn. 19]). Liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, ist einem Schiedsspruch die Anerkennung zu versagen, wenn die Entscheidung des Schiedsgerichts auf dieser Verletzung beruhen kann (vgl. BGH, SchiedsVZ 2009, 126 [juris Rn. 7]; SchiedsVZ 2023, 59 [juris Rn. 20] mwN; Wolff in ders. aaO Art. V Rn. 517a und 539).

 

14        II. Mit der vom Oberlandesgericht gegebenen Begründung kann die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nicht versagt werden. Die (konkludente) Auffassung des Oberlandesgerichts, die Antragsgegnerin sei im Vollstreckbarerklärungsverfahren mit der Rüge einer Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs durch das Schiedsgericht nicht ausgeschlossen, wird nur zum Teil von seinen Feststellungen getragen (dazu C II 1). Mit Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde zudem gegen die Begründung, mit der das Oberlandesgericht angenommen hat, das Schiedsgericht habe das Gehörsrecht der Antragsgegnerin verletzt (dazu C II 2).

 

15        1. Die Antragsgegnerin ist mit ihrer im Vollstreckbarerklärungsverfahren erhobenen Rüge, das Schiedsgericht habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, im Grundsatz nicht ausgeschlossen. Teilweise mit Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde allerdings, die (konkludente) Annahme des Oberlandesgerichts, die Antragsgegnerin sei mit ihrer Gehörsrechtsrüge nicht deswegen präkludiert, weil sie diese im Schiedsverfahren nicht geltend gemacht habe, werde nicht von seinen Feststellungen getragen (dazu C II 1 a). Der Umstand, dass die Antragsgegnerin im Erlassstaat des Schiedsspruchs kein Aufhebungsverfahren angestrengt hat, führt dagegen nicht zu einer Präklusion (dazu C II 2 b).

 

16        a) Das Oberlandesgericht ist - ohne dies auszusprechen - davon ausgegangen, die Antragsgegnerin sei mit ihrer Rüge einer Gehörsrechtsverletzung durch das Schiedsgericht im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht mangels einer entsprechenden Rüge im Schiedsverfahren ausgeschlossen. Diese Annahme des Oberlandesgerichts wird nur teilweise von seinen Feststellungen getragen.

 

17        aa) Nach den von den Parteien vereinbarten CIETAC-Rules kann eine Partei eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, die sie nicht unverzüglich und eindeutig schriftlich rügt, später nicht mehr geltend machen.

 

18        (1) Nach Art. 10 der CIETAC-Rules wird davon ausgegangen, dass eine Partei auf ihr Einspruchsrecht verzichtet, wenn sie weiß oder hätte wissen müssen, dass eine Bestimmung oder ein Erfordernis dieser Schiedsgerichtsordnung nicht beachtet worden ist und sie dennoch an dem Schiedsverfahren teilnimmt oder es fortsetzt, ohne unverzüglich und ausdrücklich schriftlich Einspruch gegen diese Nichteinhaltung zu erheben. Zu den Bestimmungen der Schiedsgerichtsordnung in diesem Sinne zählt Art. 35 Abs. 1 Satz 2 der CIETAC-Rules, wonach das Schiedsgericht unter allen Umständen unparteiisch und fair handelt und beiden Parteien angemessen Gelegenheit gibt, ihre Argumente vorzutragen.

 

19        (2) Eine Präklusionsregelung, wie sie Art. 10 der CIETAC-Rules darstellt und nach der eine Partei eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, die sie nicht unverzüglich rügt, später nicht mehr geltend machen kann, können die Parteien einer Schiedsvereinbarung im Grundsatz wirksam vereinbaren (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Mai 2017 - I ZB 1/16, SchiedsVZ 2017, 317 [juris Rn. 23 bis 25]). Einer Partei ist es allerdings nur dann verwehrt, eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs durch das Schiedsgericht, die sie nicht unverzüglich gerügt hat, später geltend zu machen, wenn sie die Möglichkeit hatte, diese Verletzung unverzüglich zu rügen, und zudem die Möglichkeit bestand, diese Verletzung zu heilen (BGH, SchiedsVZ 2017, 317 [juris Rn. 26]).

 

20        bb) Soweit das Oberlandesgericht einen Gehörsrechtsverstoß angenommen hat, weil das Schiedsgericht den Vortrag der Antragsgegnerin zur erforderlichen Kompetenz des Personals für die Bedienung der Anlage inhaltlich nicht verarbeitet habe, hätte es bereits an einer Möglichkeit der Antragsgegnerin gefehlt, eine etwaige Gehörsrechtsverletzung im Schiedsverfahren selbst zu rügen. Ihr Einwand ist unstreitig im Schiedsverfahren erörtert worden; dass das Schiedsgericht in seiner Entscheidung auf die Frage der Bedienkompetenz nicht eingegangen ist, ergab sich für die Antragsgegnerin jedoch erst aus dem Schiedsspruch.

 

21        cc) Soweit das Oberlandesgericht dagegen mit Blick auf die technische Komplexität der Anlage sowie die fehlende Darlegung einer Expertise des Schiedsgerichts oder des Notars ausgeführt hat, das Schiedsgericht habe spätestens in Verarbeitung des diesbezüglichen Einwands der Antragsgegnerin einen Sachverständigen hinzuziehen müssen, und damit (wohl) davon ausgegangen ist, die Antragsgegnerin habe die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Schiedsverfahren beantragt, zumindest die fehlende Expertise des Schiedsgerichts gerügt, macht die Rechtsbeschwerde mit Recht geltend, dass nicht ersichtlich ist, woraus sich ein solcher Antrag oder eine solche Rüge ergeben soll. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung folgt insbesondere aus den vom Oberlandesgericht zitierten Passagen des Schiedsspruchs (Anlage Ast. 1 [deutsche Übersetzung], S. 21 Ziffer 8 und 9) nicht, dass die Antragsgegnerin im Schiedsverfahren mehrfach darauf hingewiesen habe, die Videoaufnahme der "notariellen Abnahme" könne nur unter Hinzuziehung fachkundiger Hilfe ausgewertet werden.

 

22        b) Der Rüge der Antragsgegnerin, das Schiedsgericht habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, steht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin in der Volksrepublik China als Erlassstaat kein befristetes Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch eingelegt hat.

 

23        aa) Nach § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung (aF) war der Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs abzulehnen, wenn der Schiedsspruch rechtsunwirksam war, wobei für die Frage der Wirksamkeit - vorbehaltlich einer anderen Bestimmung durch Staatsverträge - das für das Schiedsverfahren geltende Recht maßgeblich sein sollte. Im Gegensatz dazu bestimmte § 1041 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aF, dass die Aufhebung eines inländischen Schiedsspruchs beantragt werden konnte, wenn diesem ein gültiger Schiedsvertrag nicht zugrunde lag. Gestützt darauf, dass § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aF nicht auf einen gültigen Schiedsvertrag, sondern auf die Rechtswirksamkeit des Schiedsspruchs abstellte, hat der Bundesgerichtshof unter dem bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Verfahrensrecht in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BGH, Urteil vom 26. Juni 1969 - VII ZR 32/67, BGHZ 52, 184 [juris Rn. 13]; Urteil vom 7. Januar 1971 - VII ZR 160/69, BGHZ 55, 162 [juris Rn. 36 und 58]; Urteil vom 10. Mai 1984 - III ZR 206/82, NJW 1984, 2763 [juris Rn. 20] mwN; Beschluss vom 23. Mai 1991 - III ZR 90/90, juris Rn. 3) darauf verwiesen, dass zu dem die Rechtswirksamkeit des ausländischen Schiedsspruchs bestimmenden ausländischen Recht auch das Verfahrensrecht gehört und deshalb der Einwand einer fehlenden oder nicht wirksamen Schiedsvereinbarung, soweit er im Ausland mit einem fristgebundenen Rechtsbehelf hätte geltend gemacht werden können, aber nicht geltend gemacht wurde, im inländischen Verfahren der Vollstreckbarerklärung nicht mehr vorgebracht werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - III ZB 100/09, BGHZ 188, 1 [juris Rn. 5]; zusammenfassend Merkt in Festschrift Stürner, Bd. II, 2013, S. 1303, 1306 bis 1308 mwN).

 

24        Für die weiteren in § 1044 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO aF aufgeführten Fälle, in denen als Gründe für die Ablehnung eines Antrags auf Vollstreckbarerklärung ein Verstoß gegen den ordre public (Nr. 2), eine fehlende ordnungsgemäße Vertretung (Nr. 3) sowie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Nr. 4) genannt wurden, lehnte der Bundesgerichtshof dagegen eine allgemeine Präklusionswirkung immer schon ab (zu § 1044 Abs. 2 Nr. 4 ZPO aF vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 1990 - III ZR 56/89, IPRspr 1990, 508 [juris Rn. 7]; Urteil vom 14. Mai 1992 - III ZR 169/90, NJW 1992, 2299 [juris Rn. 10]). Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aF galt die Präklusionswirkung für Einwendungen gegen den Schiedsspruch nur, soweit diese lediglich einen Fehler nach dem Recht des Schiedsverfahrenslands betrafen, nicht aber auch, soweit sie unter die in § 1044 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO aF aufgeführten Fälle zu subsumieren waren (vgl. BGHZ 188, 1 [juris Rn. 8]).

 

25        bb) Seit der Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts durch das Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3224) bestimmt § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO, dass sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem New Yorker Übereinkommen vom 10. Juni 1958 richtet. Die Bestimmungen des Art. V Abs. 1 Buchst. a bis d, Abs. 2 Buchst. a und b UNÜ regeln die Gründe für eine Versagung der Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs. Einen Vorbehalt der Geltendmachung ausländischer Rechtsbehelfe gegen den Schiedsspruch enthalten weder § 1061 ZPO noch Art. V UNÜ. Im Rahmen des durch das nationale Recht in Bezug genommenen New Yorker Übereinkommens kann deshalb der Einwand eines Anerkennungsversagungsgrunds nicht unter Hinweis auf eine unterlassene Geltendmachung befristeter Rechtsbehelfe im Ausland zurückgewiesen werden (zur Rüge der fehlenden [wirksamen] Schiedsvereinbarung gemäß Art. V Abs. 1 Buchst. a UNÜ vgl. BGHZ 188, 1 [juris Rn. 10]; vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. März 2023 - I ZB 33/22, BGHZ 236, 277 [juris Rn. 44]).

 

26        cc) Allerdings bestimmt § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO, Art. VII Abs. 1 UNÜ, dass die Bestimmungen des Übereinkommens keiner beteiligten Partei das Recht nehmen, sich auf einen Schiedsspruch nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts oder der Verträge des Landes, in dem er geltend gemacht wird, zu berufen (sogenannte Meistbegünstigungsklausel). Dort enthaltene Präklusionsbestimmungen können deshalb die Verteidigungsmöglichkeiten eines Antragsgegners im inländischen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren beschränken (BGHZ 188, 1 [juris Rn. 11]). Die für innerstaatliche Schiedssprüche geltende Präklusionsregelung des § 1059 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO ist auf ausländische Schiedssprüche jedoch nicht anwendbar.

 

27        (1) Nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO kann ein inländischer Schiedsspruch aufgehoben werden, wenn der Antragsteller bestimmte Gründe, die den in Art. V Abs. 1 UNÜ für ausländische Schiedssprüche genannten Gründen entsprechen, begründet geltend macht. Der Aufhebungsantrag muss nach § 1059 Abs. 3 Satz 1 und 2 ZPO bei Gericht grundsätzlich innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Empfang des Schiedsspruchs eingereicht werden. An diese Frist knüpft § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO dergestalt an, dass im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des inländischen Schiedsspruchs die Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO - anders als die Aufhebungsgründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO - nicht zu berücksichtigen sind, wenn die in § 1059 Abs. 3 ZPO bestimmte Frist abgelaufen ist, ohne dass der Antragsgegner einen Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs gestellt hat (zur Rüge der fehlenden [wirksamen] Schiedsvereinbarung vgl. BGHZ 188, 1 [juris Rn. 14]).

 

28        (2) Diese Regelungen finden keine entsprechende Anwendung auf ausländische Schiedssprüche (aA Kühn, SchiedsVZ 2009, 53, 60; Wolff, LMK 2011, 318374; Merkt aaO S. 1303, 1314 f. und 1319 f.). Das von § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO in Bezug genommene Rechtsbehelfsverfahren (§ 1059 ZPO) kann auf ausländische Schiedssprüche nicht angewendet werden. Die Entscheidung, ob und unter welchen Voraussetzungen ein im Ausland ergangener Schiedsspruch aufgehoben und ob ein entsprechendes Rechtsmittel unbefristet oder nur innerhalb einer bestimmten Frist bei Gericht eingereicht werden kann, fällt nicht in die Zuständigkeit des deutschen Gesetzgebers. Gilt § 1059 ZPO aber auch im Rahmen des Art. VII Abs. 1 UNÜ nicht für ausländische Schiedssprüche, entfällt damit die Möglichkeit der Anknüpfung an die Präklusionsregelung in § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO (zur Rüge der fehlenden [wirksamen] Schiedsvereinbarung vgl. BGHZ 188, 1 [juris Rn. 15 f.]; vgl. auch BGHZ 236, 277 [juris Rn. 97]). An dieser Rechtsprechung ist auch hinsichtlich der anderen Anerkennungsversagungsgründe festzuhalten.

 

29        (3) Soweit kritisiert wird, wenn § 1060 ZPO über die Meistbegünstigungsklausel in Art. VII Abs. 1 UNÜ auf ausländische Schiedssprüche ausgedehnt werde, könnten nicht Teile dieser Regelung - namentlich § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO - deshalb für unanwendbar erklärt werden, weil sie formal nur für inländische Schiedssprüche gedacht seien (vgl. Wolff, LMK 2011, 318374; Merkt aaO S. 1303, 1314 f.; vgl. auch Voit in Musielak/Voit ZPO, 20. Aufl., § 1061 Rn. 20), wird verkannt, dass der Bundesgerichtshof die - vollständige - Nichtanwendbarkeit von § 1060 Abs. 2 ZPO mit dem dort in Bezug genommenen Aufhebungsverfahren (allein) für inländische Schiedssprüche gemäß § 1059 ZPO begründet (vgl. Steger, Die Präklusion von Versagungsgründen bei der Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, 2015, S. 157). Diese Regelung kann mangels Zuständigkeit des deutschen Gesetzgebers für die Aufhebung ausländischer Schiedssprüche nicht auf solche Schiedssprüche - auch nicht im Rahmen von Art. VII Abs. 1 UNÜ - übertragen werden. Damit aber gibt es keinen möglichen Anknüpfungspunkt für eine Anwendung der Präklusionsregelung des § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO, die gerade allein auf § 1059 ZPO und nicht auf ausländische Aufhebungsverfahren Bezug nimmt.

 

30        In Übereinstimmung damit hat der Senat entschieden, dass die Regelung des § 1060 Abs. 2 Satz 2 ZPO, wonach Aufhebungsgründe nicht zu berücksichtigen sind, soweit im Zeitpunkt der Zustellung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung ein auf sie gestützter Aufhebungsantrag rechtskräftig abgewiesen ist, ebenfalls nur auf inländische Aufhebungsverfahren Anwendung findet (vgl. BGHZ 236, 277 [juris Rn. 35 und 43 bis 50]).

 

31        (4) Die Unanwendbarkeit des § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO auf ausländische Schiedssprüche entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der davon ausging, eine Präklusion, wie sie § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO für inländische Schiedssprüche vorsehe, könne bei ausländischen Schiedssprüchen wegen der Vorrangigkeit des New Yorker Übereinkommens nicht vorgesehen werden (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts, BT-Drucks. 13/5274, S. 61).

 

32        (5) Eine entsprechende Anwendung von § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO auf ausländische Schiedssprüche hülfe zudem für Verstöße gegen den ordre public, die hier nicht nur, aber auch geltend gemacht werden, nicht weiter, weil § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO allein die Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO präkludiert, nicht aber die von Amts wegen zu berücksichtigenden Gründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, zu denen ein Verstoß gegen den ordre public zählt (aA Kröll, IPrax 2007, 430, 436 f.).

 

33        dd) Anerkennungsversagungsgründe können im Vollstreckbarerklärungsverfahren danach mangels Rechtsgrundlage auch nicht mit der Begründung präkludiert werden, die Parteien hätten am Schiedsverfahren teilgenommen und von einem inhaltlich einschlägigen (befristeten) Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch im Erlassstaat keinen Gebrauch gemacht (so zum Beispiel OLG Karlsruhe, SchiedsVZ 2012, 101 [juris Rn. 35 f.], dazu Kröll, IPrax 2007, 430, 434 bis 437; MünchKomm.ZPO/Adolphsen, 6. Aufl., Art. V UNÜ Rn. 12; Santomauro, SchiedsVZ 2016, 178, 189; ähnlich Voit in Musielak, ZPO, 20. Aufl., § 1061 Rn. 20).

 

34        (1) Ein damit einhergehender Vorrang des Rechtsbehelfs im Erlassstaat des Schiedsspruchs (dafür zum Beispiel Merkt aaO S. 1303, 1316 bis 1318) widerspricht dem Grundsatz der zweifachen Kontrolle von Schiedssprüchen. Die im Schiedsverfahren unterlegene Partei hat die Wahl, ob sie im Erlassstaat ein Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch einlegt oder sich gegen eine Vollstreckung im Vollstreckungsstaat wehrt (vgl. OGH, IPrax 2006, 496, 498 f.; Cour d'Appel de Québec, Entscheidung vom 11. März 2008 - Case No. 500-09-016097-057, 2008 QCCA 444 Rn. 32 f.; Solomon/Balthasar, International Commercial Arbitration, 2. Aufl., Part 2 B Rn. 195; Borris/Hennecke in Wolff aaO Art. V Rn. 67; Raeschke-Kessler in Prütting/Gehrlein, ZPO, 15. Aufl., § 1061 Rn. 37; Otto, IPRax 2012, 223, 225; vgl. auch Feldmann, Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung aus Schiedssprüchen, 2014, S. 159; Steger aaO S. 165 f., 268 f., 277; Schütze, RIW 2011, 417, 418).

 

35        (2) Gegen eine Präklusion von Versagungsgründen, wenn im Erlassstaat kein Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch eingelegt worden ist, spricht auch, dass die unterlegene Schiedspartei dafür legitime Gründe haben kann. Muss eine Partei keine Nachteile aus dem Schiedsspruch im Erlassstaat fürchten, etwa weil sie dort kein Vermögen hat, müsste sie ein kostenverursachendes Aufhebungsverfahren anstrengen, um einer Präklusion in einem nachfolgenden Vollstreckbarerklärungsverfahren in einem anderen Staat zu entgehen. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Parteien mit der Schiedsvereinbarung für einen bestimmten Schiedsort entschieden haben. Daraus folgt keine Verpflichtung der unterlegenen Schiedspartei, am Schiedsort gegen den ergangenen Schiedsspruch aktiv zu werden (zum Verbot widersprüchlichen Verhaltens, wenn im Erlassstaat nicht gegen den Schiedsspruch vorgegangen wird vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2008 - III ZB 97/06, SchiedsVZ 2008, 196 [juris Rn. 16]; aA Kröll, IPrax 2007, 430, 435 f.; Wolff, LMK 2011, 318374; Merkt aaO S. 1303, 1316 f.).

 

36        (3) Das gilt umso mehr, als die Partei nicht sicher sein kann, durch die Aufhebung (oder Suspendierung) des Schiedsspruchs im Erlassstaat die Vollstreckbarerklärung in anderen Staaten zu hindern. Zwar würde durch die Aufhebung des Schiedsspruchs ein nach Art. V Abs. 1 Buchst. e Fall 2 UNÜ beachtlicher Anerkennungsversagungsgrund geschaffen. Anerkennungsfreundlicheres (autonom-)nationales oder sich aus zwei- oder mehrseitigen Verträgen ergebendes Recht bliebe aber nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz des Art. VII Abs. 1 UNÜ unberührt (vgl. BGH, SchiedsVZ 2008, 196 [juris Rn. 16]).

 

37        Danach spricht auch der Umstand, dass ein ohne Erfolg durchgeführtes Aufhebungsverfahren im Erlassstaat keine Bindungswirkung für deutsche Gerichte hat und die im Schiedsverfahren unterlegene Partei nicht gehindert ist, sich im Vollstreckbarerklärungsverfahren vor dem Gericht des Vollstreckungsstaats noch einmal auf die Einwände zu berufen, die sie bereits im Aufhebungsverfahren im Erlassstaat des Schiedsspruchs geltend gemacht hat (vgl. dazu BGHZ 236, 277 [juris Rn. 35 und 43 bis 50]), dafür, dass das Absehen von einem Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch im Erlassstaat nicht zu einer Präklusion von Anerkennungsversagungsgründen im Vollstreckbarerklärungsverfahren führen kann.

 

38        2. Mit Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Annahme des Oberlandesgerichts, das Schiedsgericht habe das rechtliche Gehör der Antragsgegnerin in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

 

39        a) Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Verwertung der unter Ausschluss der Antragsgegnerin von der Antragstellerin vorgenommenen notariellen Videoaufzeichnung einer Abnahme durch das Schiedsgericht begegne durchgreifenden verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Bedenken. Bei der Videodokumentation handle es sich um eine streitige (Tatsachen-)Behauptung zur fehlenden Abnahmefähigkeit der Anlage, auf die das Schiedsgericht nach seiner rechtlichen Bewertung tragend abgestellt habe. Es hätte aber nicht allein aufgrund der Videoaufzeichnung auf die Fehlerhaftigkeit der Anlage schließen dürfen. Wegen ihrer technischen Komplexität, für deren Beurteilung weder eine Expertise des Schiedsgerichts noch des Notars dargelegt sei, hätte das Schiedsgericht von Amts wegen, spätestens aber in Verarbeitung des diesbezüglichen Einwands der Antragsgegnerin einen Sachverständigen zur Beurteilung des Inhalts der Videodokumentation hinzuziehen müssen. Das Schiedsgericht habe die Fehlerhaftigkeit der Anlage ohne Hinzuziehung technischer Expertise - auch zu der Frage, ob die Anlage von der Antragstellerin korrekt bedient worden sei - aufgrund des äußeren Erscheinungsbilds der gefertigten Produkte als bewiesen angesehen, was durch die Begründung auf den Seiten 23 bis 24 des Schiedsspruchs belegt werde. Damit habe sich das Schiedsgericht bei der Feststellung der Fehlerhaftigkeit der Anlage auf die protokollierte Videoaufzeichnung gestützt, ohne den unstreitigen Vortrag der Antragsgegnerin zur erforderlichen Kompetenz des Personals für die Bedienung der Anlage zu berücksichtigen.

 

40        Soweit die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 25. April 2023 weiter vorgetragen habe, sei es zwar zutreffend, dass die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen seien, dass bislang keine Abnahme der Anlage erfolgt sei. Die Gründe dafür seien aber streitig geblieben, weshalb eine Beweiserhebung zur Abnahmefähigkeit - jedenfalls nach Maßstab eines Zivilverfahrens - im Grunde schon nicht veranlasst gewesen sei. Wenn das Schiedsgericht aber eine Beweiserhebung vornehme, bedürfe es, sofern es nicht selbst die erforderliche Sachkunde besitze, ebenfalls der Hinzuziehung eines Sachverständigen.

 

41        Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

 

42        b) Die Rechtsbeschwerde macht mit Recht geltend, der vom Oberlandesgericht angenommenen Gehörsrechtsverletzung stehe bereits entgegen, dass das Schiedsgericht nicht - schon gar nicht tragend - auf die notarielle Videodokumentation über die von der Antragstellerin durchgeführte (fehlgeschlagene) Abnahme abgestellt hat. Das gilt sowohl für die vom Oberlandesgericht für erforderlich gehaltene Hinzuziehung eines Sachverständigen, als auch für die Nichtberücksichtigung des Vortrags der Antragsgegnerin zur erforderlichen Bedienkompetenz durch das Schiedsgericht.

 

43        aa) Das Schiedsgericht hat in dem von ihm festgestellten Sachverhalt den von der Antragstellerin ohne Teilnahme der Antragsgegnerin durchgeführten Abnahmeversuch zwar erwähnt und dazu ausgeführt, dass das Probeprodukt schwerwiegende Probleme aufgewiesen und keinesfalls den technischen Spezifikationen und den Abnahmekriterien entsprochen habe (Anlage Ast. 1 [deutsche Übersetzung], S. 24). Im Rahmen seiner nachfolgenden rechtlichen Würdigung hat das Schiedsgericht dann jedoch entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung nicht auf diese Feststellungen zurückgegriffen, sondern auf die Bestätigung beider Parteien abgestellt, nach der die Abnahme der Anlage nicht erfolgt sei, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen seien. Ausweislich des letzten Sitzungsprotokolls der Parteien vom 22. September 2018 habe die Antragsgegnerin mindestens acht Zubehörteile zur Nachrüstung bereitstellen und 13 Probleme lösen sollen. Entsprechende Abhilfemaßnahmen seien bis heute nicht vorgenommen worden, so dass die Produktionslinie die Voraussetzungen der Abnahme immer noch nicht erfülle. Die Antragsgegnerin habe in einer E-Mail vom 29. September 2018 darauf hingewiesen, dass die Produktionslinie nicht in der Lage sei, stabil und normal zu produzieren und von ihr nachgerüstet werden müsse. In einer E-Mail vom 7. Juni 2019 habe die Antragsgegnerin mitgeteilt, dass es bei der Produktionslinie keine Fortschritte mehr gegeben habe, eine weitere Tätigkeit ihrerseits aber davon abhängig gemacht, dass die Antragstellerin den 10 %igen Restbetrag bezahle.

 

44        Auf der Grundlage der oben genannten Beweise ist das Schiedsgericht zu der Feststellung gelangt, dass die Anlage es nicht schaffe, den Vertragsanforderungen entsprechende Produkte zu verarbeiten und herzustellen. Als die Antragstellerin nicht bereit gewesen sei, den Restbetrag im Voraus zu zahlen, habe die Antragsgegnerin die Durchführung der versprochenen Abhilfemaßnahmen über lange Zeit verzögert. In dem Wissen, dass die Produktionslinie operative und qualitative Probleme habe, habe die Antragsgegnerin keine weiteren Reparaturen oder Abhilfe durchgeführt (Anlage Ast. 1 [deutsche Übersetzung], S. 25 f.).

 

45        bb) Die Entscheidung des Schiedsgerichts beruht damit nicht auf seinen Feststellungen zur Videodokumentation des Abnahmeversuchs ohne Beteiligung der Antragsgegnerin, die das Schiedsgericht in seiner rechtlichen Würdigung nicht erwähnt hat, sondern allein darauf, dass die fehlende Abnahmefähigkeit wegen der Mangelhaftigkeit der Anlage zwischen den Parteien unter Berücksichtigung der Sitzungsprotokolle aus September 2018 sowie der E-Mails der Antragsgegnerin vom 29. September 2018 und 7. Juni 2019 im Ergebnis unstreitig sei und das Schiedsgericht insoweit von einem Verschulden der Antragsgegnerin ausgegangen ist. Für die Entscheidung des Schiedsgerichts kam es entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts deshalb nicht entscheidend darauf an, ob die Anlage bei der allein von der Antragstellerin durchgeführten Abnahme fachgerecht bedient worden ist. Es hatte auch keinen Anlass, zur Auswertung der Videoaufnahme einen Sachverständigen hinzuzuziehen.

 

46        cc) Diese fehlende Entscheidungserheblichkeit der Videodokumentation erkennt letztlich auch das Oberlandesgericht, wenn es unter Bezugnahme auf den von der Antragstellerin nach der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz - und entgegen seiner Annahme, bei der Videodokumentation handle es sich um eine streitige (Tatsachen-)Behauptung der Antragstellerin zur fehlenden Abnahmefähigkeit der Anlage (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 8. Mai 2023 - 19 Sch 34/22, juris Rn. 65) - ausführt, eine Beweiserhebung zur Abnahmefähigkeit sei im Grunde schon nicht veranlasst gewesen. Bei seiner Annahme, sofern das Schiedsgericht eine Beweiserhebung vornehme, bedürfe es einer Hinzuziehung eines Sachverständigen, verkennt es jedoch, dass eine - vom Schiedsgericht tatsächlich auch nicht vorgenommene - Beweiserhebung für die Entscheidung, wie bereits ausgeführt, nicht maßgeblich gewesen wäre.

 

47        dd) Der Senat kann diese Auslegung des Schiedsspruchs selbst vornehmen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist unbeschränkt dazu befugt, einen Schiedsspruch auszulegen; das gilt auch für einen ausländischen Schiedsspruch (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 1957 - VII ZR 204/56, BGHZ 24, 15 [juris Rn. 16]; Beschluss vom 8. November 2007 - III ZB 95/06, SchiedsVZ 2008, 40 [juris Rn. 14]; Beschluss vom 29. Januar 2009 - III ZB 88/07, BGHZ 179, 304 [juris Rn. 17] mwN; Beschluss vom 30. November 2011 - III ZB 19/11, [juris Rn. 8]; Beschluss vom 31. März 2016 - I ZB 76/15, SchiedsVZ 2016, 343 [juris Rn. 24]).

 

48        3. Die Rechtsbeschwerde macht weiter erfolgreich geltend, die Begründung des Oberlandesgerichts, mit der es von einer Gehörsrechtsverletzung durch das Schiedsgericht ausgegangen ist, verstoße gegen das Verbot der révision au fond.

 

49        aa) Im Verfahren vor dem staatlichen Gericht kommt eine Überprüfung des Schiedsspruchs auf seine materielle Richtigkeit nicht in Betracht, weil dies mit dem grundsätzlichen Verbot der révision au fond (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28. Januar 2014 - III ZB 40/13, SchiedsVZ 2014, 98 [juris Rn. 6]; Beschluss vom 12. Januar 2023 - I ZB 41/22, WRP 2023, 567 [juris Rn. 24] mwN) unvereinbar wäre. Eine unrichtige Rechtsanwendung ist für sich allein kein Grund, die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des (ausländischen) Schiedsspruchs zu verweigern. Fehlentscheidungen in der Sache sind bei Schiedssprüchen hinzunehmen (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 35. Aufl., § 1061 Rn. 38; OLG Saarbrücken, SchiedsVZ 2012, 47 [juris Rn. 38]), soweit nicht ein Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 BGB vorliegt. Danach ist dem staatlichen Gericht regelmäßig auch die Nachprüfung der vom Schiedsgericht vorgenommenen Beweiswürdigung untersagt (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 1. Dezember 2022 - 26 Sch 4/22, juris Rn. 109; vgl. auch Geimer/Hammer in Eberl, Beweis im Schiedsverfahren, § 10 Rn. 73).

 

50        bb) Das Oberlandesgericht ist zwar von diesen Grundsätzen ausgegangen, hat aber ungeachtet dessen den von ihm angenommenen Gehörsrechtsverstoß unter Verstoß gegen das Verbot der révision au fond nicht nur mit der Nichtberücksichtigung von Vortrag der Antragsgegnerin, sondern auch mit der unterlassenen Beweisaufnahme unter Hinzuziehung eines Sachverständigen begründet, ohne dass ersichtlich wäre, dass das Schiedsgericht insoweit ein erhebliches Beweisangebot in gehörswidriger Weise übergangen hätte. Dem Verbot der révision au fond widerspricht es auch, dass das Oberlandesgericht darauf abgestellt hat, das Schiedsgericht habe den "eingeschränkten Beweiswert" des Videos nicht berücksichtigt und eine Verwertung der dem Video zugrundeliegenden Tatsachenbehauptungen der Antragstellerin im Wege der Beweiswürdigung begegne "durchgreifenden verfahrensrechtlichen wie auch materiell-rechtlichen Bedenken".

 

51        D. Danach ist der angefochtene Beschluss auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil die Sache nach dem festgestellten Sachverhältnis nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Insbesondere hat das Oberlandesgericht die weiteren von der Antragsgegnerin geltend gemachten Versagungsgründe gemäß Art. V UNÜ bislang nicht geprüft.

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