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Wirtschaftsrecht
09.01.2014
Wirtschaftsrecht
OLG Koblenz: Vollstreckbarer Anspruch nach § 887 ZPO

OLG Koblenz, Beschluss vom 02.01.2014 - 3 W 648/13


Amtliche Leitsätze


Der nach § 887 ZPO zu vollstreckende Anspruch muss in der Verpflichtung bestehen, eine vertretbare Handlung vorzunehmen, die weder in einer Geldzahlung noch in der Herausgabe oder Leistung von Sachen oder Abgabe einer Willenserklärung besteht (in Anknüpfung an BGH, Urteil vom 11.11.1994 - V ZR 276/93 - NJW 1995, 463, 464 = MDR 1995, 740 ff.). Es muss von dem Standpunkt des Gläubigers aus wirtschaftlich gleichgültig sein, durch wen die Handlung vorgenommen wird, und vom Standpunkt des Schuldners rechtlich zulässig sein, dass ein anderer als er selbst die Handlung vornimmt.


Hat sich die Schuldnerin verpflichtet, eine Lokomotive sachgerecht und vertragskonform für eine förmliche Abnahme durch einen beim Eisenbahnbundesamt beschäftigten, für eine Diesellok sachkundigen Sachverständigen bereit zu stellen und kommt sie dieser Verpflichtung nicht nach, kann der Gläubiger im Rahmen der Ersatzvornahme die entsprechenden Maßnahmen durch ein Drittunternehmen auf Kosten der Schuldnerin durchführen lassen.


ZPO §§ 569, 887, 894


Aus den Gründen


I.



Die Schuldnerin ist ein Betrieb, der sich mit der Herstellung, Wiederherstellung und Reparatur von Schienenfahrzeugen, insbesondere von Lokomotiven befasst. Der Gläubiger betreibt einen Handel mit Schienenfahrzeugen, vermietet und verchartert diese. Er ist unter anderem Eigentü­mer einer antiken Diesellokomotive Typ V 200 077, Hersteller Krauss-Maffei, München.



Unter dem 05.07.2005 schlossen die Parteien einen Werkvertrag ab, nach welchem die Schuld­nerin umfangreiche Leistungen an der Lokomotive gegen Entgelt ausführen sollte. Im Rahmen der Vertragsabwicklung kam es zu Streitigkeiten zwischen den Parteien, weshalb die Schuldne­rin den Gläubiger durch beim Landgericht Bad Kreuznach am 10.07.2009 eingegangener Klage auf Zah­lung von insgesamt 264.860,75 € nebst Zinsen in Anspruch nahm.



In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 14.05.2010 (GA 163) legten die Parteien den Rechtsstreit durch Ver­gleich bei. In diesem haben sie unter anderem folgendes vereinbart:



"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die streitgegenständliche Diesellokomotive des Typ V 200 017 auf Kosten des Beklagten nach Hattingen überführt wird. Die Über­führung hat bis zum 01.09.2010 zu erfolgen. Der Beklagte trägt sämtliche eisenbahn­technischen Voraussetzungen der Überführungsfahrt.



2. Für den Fall der Anlieferung der Diesellokomotive in Hattingen mit defektem Getriebe, verpflichtet sich die Klägerin, das bei ihr noch vorhandene Getriebe gegen das defekte Getriebe auszutauschen.



3. Die Klägerin verpflichtet sich, die Lokomotive sachgerecht und werkvertragskonform für eine förmliche Abnahme durch einen beim Eisenbahnbundesamt Beschäftigten, für Die­selloks sachkundigen Sachverständigen bereitzustellen. Ausgeschlossen hiervon sind Arbeiten, die aufgrund abgelaufener Fristen erforderlich sind. Soweit diese durchge­führt werden müssen, verpflichtet sich die Klägerin, diese gegen Nachweis von Materi­al und Lohn sowie auf gesonderten Auftrag des Beklagten durchzuführen.



4. Der Sachverständige für die förmliche Abnahme wird vom Eisenbahnbundesamt be­nannt. Der Beklagte wird sich hierzu mit dem Eisenbahnbundesamt in Verbindung set­zen und um Vorschlag eines Sachverständigen bitten, wobei möglichst der Referatslei­ter bzw. dessen Stellvertreter in dem dort für Dieselloks zuständigen Referat benannt werden sollte. Die Beauftragung des vom Eisenbahnbundesamt vorgeschlagenen Sach­verständigen erfolgt dann durch beide Parteien. Die Kosten für den Sachverständigen werden hälftig geteilt.



5. Der Sachverständige hat nach Prüfung eine Bestätigung anzufertigen, aus der sich die sachgerechte und werkvertragskonforme Bereitstellung der Lokomotive ergibt. Diese Bescheinigung ist von beiden Parteien zu unterzeichnen.



6. Der Beklagte verpflichtet sich, nach ordnungsgemäßer Abnahme folgende Rechnungen:


a) Rechnungs-Nr. 502090 vom 01.01.2008 über 64.692,63 € brutto


b) Rechnungs-Nr. 50801007 vom 09.01.2008 über 29.012,80 € brutto


c) Rechnungs-Nr. 50801008 vom 09.01.2008 über 59.300,- € brutto,


somit ein Gesamtbetrag von 153.005,43 € zu zahlen. Der vorgenannte Betrag ist bin­nen Monatsfrist nach erfolgter ordnungsgemäßer Abnahme fällig und zahlbar. Kommt der Beklagte mit der Zahlung in Verzug, ist der offene Betrag mit 8 % über dem Basiszinssatz seit Fälligkeit zu verzinsen."



Der Gläubiger lieferte der Schuldnerin die streitgegenständliche Lokomotive zur Reparatur mit de­fektem Getriebe an. Die Schuldnerin unterbreitete der Klägerin daraufhin unter am 03.09.2010 (Anlage A 2; GA 264 ff.) das Angebot, das Getriebe nach Beauftragung und Vorkassezahlung zum Preis von 33.088,75 € auszutauschen.



Der Gläubiger ist der Auffassung, nach der unter Ziffer 2. des Vergleichs zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung müsse die Schuldnerin den Austausch auf eigene Kosten vornehmen.



Die Schuldnerin ist gegenteiliger Auffassung, so dass die Austauschkosten von dem Gläubiger zu tragen seien.



Mit Antrag vom 12.08.2013 hat der Gläubiger die Schuldnerin auf Ersatzvornahme nach § 887 ZPO in Anspruch genommen und beantragt zu beschließen:



1. den Gläubiger (Beklagten) zu ermächtigen, die nach dem vollstreckbaren Vergleich des Landgerichts Bad Kreuznach vom 14.05.2010, Az.: 2 O 203/09, der Schuldnerin (Kläge­rin) obliegende Verpflichtung, das bei ihr befindliche Getriebe gegen das defekte Getriebe der Lokomotive V 200 017 auszutauschen durch einen vom Gläubiger zu beauftragenden Unternehmen vornehmen zu lassen.



2. die Schuldnerin (Klägerin) zu verpflichten, die für den Austausch des Getriebes entstehen­den voraussichtlichen Kosten in Höhe von 33.088,75 € an den Gläubiger (Beklagten) voraus zu zahlen.



Die Schuldnerin hat beantragt,



den Antrag des Beklagten (Gläubigers) auf Ersatzvornahme und Leistung eines Kosten­vorschusses vom 12.08.2013 zurückzuweisen.



Das Landgericht hat mit Beschluss vom 30.09.2013 (GA 291 ff.) den Gläubiger (Beklagten) ermächtigt, die nach dem vollstreckbaren Vergleich des Landgerichts Bad Kreuznach vom 14.05.2010, Az.: 2 O 203/09, der Schuldne­rin (Klägerin) obliegende Verpflichtung, das bei ihr befindliche Getriebe gegen das defekte Getriebe der Lokomotive V 200 017 auszutauschen, durch ein vom Gläubi­ger zu beauftragendes Unternehmen auf Kosten der Schuldnerin vornehmen zu lassen. Es hat ausgesprochen, dass die Schuldnerin die Vornahme der Handlung zu dulden hat. Insbesondere habe sie, sofern sie nicht die Ersatzvornahme selbst vornehme, die Durchführung der Arbei­ten durch Dritte am derzeitigen Standort der Lokomotive zu dulden. Zugleich ist die Schuldnerin verurteilt worden, auf die durch die Vornahme der Handlung durch den Gläubiger entstehenden voraussichtlichen Kosten einen Vorschuss von 33.088,75 € an den Gläubiger zu zahlen.



Hiergegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.




Die Schuldnerin trägt hierzu vor,



entgegen der Auffassung des Landgerichts sei aus dem Vergleich vom 14.05.2010 nicht zu entnehmen, dass sie, die Schuldnerin, verpflichtet sei, den Austausch des Getriebes auf eigene Kosten vorzunehmen. Aus der mangelnden Aufnahme einer Kostenregelung in dem Vergleich könne nicht im Umkehrschluss geschlossen werden, dass damit sie, die Schuldnerin, die Kosten für die durchzuführende Maßnahme zu tragen habe. Es sei der gesamte Verlauf des Rechtsstreits zu berücksichtigen. Sie, die Schuldnerin, habe bereits aus wirtschaftlichen Gründen auf ca. 100.000,00 € ihrer ursprünglichen Forderung verzichtet. Für eine Übernahme weiterer Kosten in Höhe von 30.000,00 € bestehe kein Grund. Ziffer 2. des Vergleichs enthalte eine Eventualklausel. Das Getriebe sollte nur von ihr gewechselt werden, falls die Diesellokomotive in Hattingen mit einem defekten Getriebe angeliefert werden würde. Die Getriebe der Diesellokomotive sollte im Rahmen eines Versicherungsschadens durch ein anderes Unternehmen in Stendal auf Kosten der Versicherung ausgetauscht werden. Sie, die Schuldnerin, habe davon ausgehen dürfen, dass die defekten Getriebe nicht auszutauschen seien. Dies sei der Grund gewesen, dass die Kostenübernahme zu ihren Lasten in dem Vergleich unterblieben sei. Zudem sei nicht einsichtig, warum sie allein diese Kosten zu tragen habe, da im Übrigen eine Kostenaufteilung im Vergleich geschlossen worden sei. Eine Zahlungspflicht hinsichtlich der Einbaukosten würde den Inhalt von Ziffer 6. des Vergleichs konterkarieren, wonach der Gläubiger zur Zahlung der dort aufgeführten Rechnung an sie, die Schuldnerin, verpflichtet sei, zumal nach den Vorstellungen der Parteien im Fall der Anlieferung auf ihr Werksgelände gerade sie, die Schuldnerin, aufgrund eigener technischer Möglichkeiten den Einbau bewerkstelligen sollte und nicht etwa ein drittes vom Gläubiger zu beauftragendes Unternehmen. Hinzu komme, dass die Parteien nach ihren Vorstellungen nicht berücksichtigt hätten, dass sich die Einbaukosten insoweit mindernd auf die Zahlungsverpflichtung des Gläubigers auswirkten. Unzulässig sei die Auferlegung der Duldungspflicht der Handlung.



Der Gläubiger beantragt,



die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.



Der Gläubiger trägt vor,



die Maßnahmen, die vorzunehmen seien, seien in dem Vergleich ausführlich dargelegt worden. Für den Fall der Anlieferung der Diesellokomotive mit defektem Getriebe habe die Schuldnerin das bei ihr noch vorhandene Getriebe gegen dieses auszutauschen. Gegenleistungen seien explizit vereinbart worden. Es sei seinerzeit erörtert worden, dass das Getriebe aktuell defekt sei und dass eine Übergabe der Lokomotive ggf. innerhalb der vereinbarten Zeit nicht möglich sei. Es habe keinen Grund gegeben, eine Kostenregelung aufzunehmen, da diese bezüglich des vorbeauftragten Unternehmens bereits geklärt gewesen sei. Zu einem Austausch des Getriebes im Werk der Klägerin hätte es nicht kommen müssen, wenn diese das bei ihr befindliche Getriebe, welches in ihrem, der Beklagten, Eigentum gestanden habe, herausgegeben hätte. Die Klägerin sei mehrfach aufgefordert worden, das Getriebe herauszugeben, so dass dieses in die Lokomotive hätte eingebaut werden können. Hätte die Klägerin das Getriebe nicht völlig zu Unrecht zurückbehalten, hätte ein Einbau für ihn, den Beklagten, sowie für die Klägerin kostenneutral erfolgen können. Es bestehe der Verdacht, dass die Klägerin die endgültige Instandsetzung der Lokomotive lediglich herauszögern möchte.



II.



Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist zulässig (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 30. Auflage 2014, § 887 Rn. 13), insbesondere gemäß § 569 ZPO fristgerecht eingelegt, aber nicht begründet.



Das Landgericht hat zu Recht dem Antrag nach § 887 ZPO entsprochen. Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann, so ist der Gläubiger von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners die Kosten die Handlung durchführen zu lassen.  Der zu vollstreckende Anspruch muss in der Verpflichtung bestehen, eine vertretbare Handlung vorzunehmen, die weder in einer Geldzahlung noch in der Herausgabe oder Leistung von Sachen (§ 887 Abs. 3 ZPO) oder Abgabe einer Willenserklärung (§ 894 ZPO) besteht (BGH, Urteil vom 11.11.1994 - V ZR 276/93 - NJW 1995, 463, 464 = MDR 1995, 740 ff.; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Auflage 2014, § 887 Rn.2; Thomas/Putzo-Seiler, aaO, § 887 1-2). Es muss von dem Standpunkt des Gläubigers aus wirtschaftlich gleichgültig sein, durch wen die Handlung vorgenommen wird, und vom Standpunkt des Schuldners rechtlich zulässig sein, dass ein anderer als er selbst die Handlung vornimmt ( Zöller/Stöber, aaO). Zutreffend führt das Landgericht aus, dass der Austausch des Getriebes der streitgegenständlichen Lokomotive  außer der Schuldnerin (Klägerin) auch durch einen anderen Fachbetrieb für Lokomotiven vorgenommen werden kann. Die Schuldnerin hat sich in dem Vergleich vom 14.05.2010 verpflichtet, den Austausch des Getriebes auf eigene Kosten vorzunehmen. Dem Wortlaut der Ziffer 2. des vorgenannten Vergleichs ist nicht zu entnehmen, dass der Gläubiger die Kosten für diese Maßnahme zu übernehmen hat. Das Landgericht hebt zu Recht hervor, dass die Parteien in dem vorgenannten Vergleich hinsichtlich der durchzuführenden Handlungen differenzierende Kostenregelungen getroffen haben. Daraus folgt in der Tat mangels detaillierter Regelung in Ziffer 2. des Vergleichs im Umkehrschluss, dass die Kosten für den Austausch des Getriebes die Schuldnerin zu tragen hat. Die Schuldnerin hat sich in Ziffer 3. des Vergleichs verpflichtet, die Lokomotive sachgerecht und vertragskonform für eine förmliche Abnahme durch einen beim Eisenbahnbundesamt beschäftigten, für eine Diesellok sachkundigen Sachverständigen bereit zu stellen. Für den Fall, dass im Rahmen der Durchführung dieser Arbeiten jedoch bestimmte zusätzliche Arbeiten aufgrund abgelaufener Fristen erforderlich würden, ist von den Parteien abweichend vereinbart worden, dass diese Arbeiten nur auf gesonderten Antrag der Gläubigerin gegen Kostenerstattung durchgeführt werden sollten. In Ziffer 4. des Vergleiches haben die Parteien für die Beauftragung eines Sachverständigen  eine gesonderte Kostentragungspflicht mit einer hälftigen Kostenverteilung vereinbart.



Die von der Schuldnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde hiergegen vorgebrachten Angriffe verfangen nicht. Entgegen der Auffassung der Schuldnerin ist die Regelung in Ziffer 2. des geschlossenen  Vergleichs eindeutig. Hat sich die Schuldnerin für den Fall der Anlieferung der Diesellokomotive in Hattingen mit defektem Getriebe verpflichtet das bei ihr noch vorhandene Getriebe gegen das defekte Getriebe auszutauschen, ergibt sich daraus, dass dies auf ihre Kosten zu erfolgen und im Falle einer Ersatzvornahme sie die Kosten zu tragen hat. Demgegenüber haben die Parteien in anderen Positionen des Vergleichs andere Kostenregelungen getroffen. Hätte die Schuldnerin das Getriebe nicht zurückbehalten, hätte ein Einbau für den Gläubiger kostenneutral erfolgen können.



Unbeachtlich ist der Vortrag der Schuldnerin, sie habe mit dem Abschluss des Vergleichs aus wirtschaftlichen Gründen auf ca. 100.000,00 € ihrer ursprünglichen Forderung verzichtet und sie wolle auf keinen Fall durch die Übernahme der Kosten in Höhe von ca. 30.000,00 € weitere Einbußen finanzieller Natur hinnehmen.



Die sofortige Beschwerde war aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.



Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.



Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren beträgt 33.088,75 €.


















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