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Wirtschaftsrecht
21.10.2011
Wirtschaftsrecht
LG Erfurt: Vertragsstrafe in AGB bzw. Standardverträgen

LG Erfurt, Urteil vom 1.6.2011 - 10 O 1247/10

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe.

Die Klägerin schloss am 27.02.2004 mit dem Beklagten einen "Vertrag für Organisationsleiter". Nach § 1 Abs. 1 dieses Vertrages ist der Organisationsleiter ein selbständiger Handelsvertreter, der Produkte der Klägerin Im eigenen Namen und auf eigene Rechnung kauft und verkauft. Außerdem vermittelt er neue Beraterinteressenten, die ihrerseits Produkte der Klägerin im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erwerben und absetzen.

In § 11 des Vertrages ist ein Wettbewerbs- und Abwerbeverbot vereinbart. In § 11 Abs. 4 des Vertrages heißt es: "Für jeden nachgewiesenen Fall einer Verkaufs- oder Werbehandlung für ein Konkurrenzunternehmen im oben genannten Sinn verpflichtet sich der Orgaleiter zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 25.000,00 EUR an .... Weitere Schadensersatzansprüche der ... bleiben hiervon unberührt." In § 13 des Vertrages vereinbarten die Parteien eine Verjährungsfrist von 6 Monaten

Der Beklagte war in der Vertriebsebene der Klägerin weit oben eingegliedert. Er erzielte im Jahre 2009 einen umsatzabhängigen Bonusbetrag von 25.473,73 €. Des Weiteren erhielt er einen Jahresbonus in Höhe von 4.872,00 €.

Der Beklagte hat mit Schreiben vom 01.05.2010 den Orgaleitervertrag mit der Klägerin vom 27.02.2004 fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt. Er führte am 09.05.2010 zwischen 11.00 Uhr und 14:00 Uhr im Hotel ... von ... für das Konkurrenzunternehmen ... das von ... betrieben wird, ein Infoseminar durch.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Regelung über die Vertragsstrafe in § 11 Abs. 4 des Vertrages sei wirksam. Der Beklagte habe durch die Veranstaltung vom 09.05.2010 die Vertragsstrafe von 25.000,00 € verwirkt. Eine Gesamtschau, die insbesondere die Stellung des Beklagten im Unternehmen der Klägerin und die Höhe seiner Provision im Vorjahr berücksichtige, ergebe, dass der Betrag von 25.000,00 € nicht übersetzt sei.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 25.000,00 € zuzüglich Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, § 11 Abs. 4 des Vertrages sei wegen Verstoß gegen § 305 Abs. 2 S.2 BGB und § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Außerdem erhebt er die Einrede der Verjährung.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 25.000,00 € gemäß § 11 Abs. 4 des Vertrages vom 27.02.2004. Denn diese Klausel über das Vertragsstrafenversprechen, bei der es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB handelt, ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Gemäß § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist zwar grundsätzlich zulässig. Auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr unterliegt die Vertragsstrafenklausel aber der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Eine gegen Treu und Glauben verstoßende Benachteiligung des Vertragspartners kann auch in der unangemessenen Höhe der Vertragsstrafe liegen. Eine zulässige Ausgestaltung einer nach Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarten Vertragsstrafe lässt sich allerdings nicht allgemein gültig bestimmen. Sie ist vielmehr am doppelten Zweck der Vertragsstrafe auszurichten. Diese soll einerseits als Druckmittel den Schuldner anhalten, seiner vertraglichen Verpflichtung ordnungsgemäß nachzukommen, andererseits soll sie den Gläubiger in den Stand versetzen, sich bei Verletzung der sanktionierten Vertragspflichten bis zur Höhe der Vertragsstrafe ohne Einzelnachweis schadlos zu halten. Die Druckfunktion erlaubt zwar eine spürbare Vertragsstrafe; sie muss sich aber an den in Betracht kommenden Auswirkungen orientieren. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Höhe der Vertragsstrafe ist unter Anlegung eines generellen überindividuellen Maßstabes zu prüfen, ob berechtigte und schützenswerte Interessen des Gläubigers die Festlegung einer Vertragsstrafe in der betreffenden Höhe angemessen erscheinen lassen. Dabei muss die Höhe der Vertragsstrafe in einem angemessenen Verhältnis zum möglichen Schaden stehen (OLG Hamm, MDR 1984, 404; OLG München, Urteil vom 29.07.2010, Az.: 23 U 5643/09; Thüringer OLG, Urteil vom 26.11.2008, Az.: 7 U 329/08; LAG Hamm, Urteil vom 03.11.2006, Az.: 7 Sa 1232/06; jeweils zitiert nach juris).

Bei der Höhe der Vertragsstrafe ist nach der objektiven Schwere des Verstoßes und dem Grad des Verschuldens zu differenzieren (OLG München, NJW-RR 1995, 1181; LAG Hamm, aaO.). Eine Klausel über eine Vertragsstrafe in einer bestimmten Höhe für jede Begehungsform und jede denkbare Art eines Wettbewerbsverstoßes stellt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB dar (OLG München, Urteil vom 29.07.2010, aaO.).

Außerdem muss die Regelung über die Vertragsstrafe eine Obergrenze für den Fall mehrerer Verstöße vorsehen (OLG München, NJW-RR 1995, 1181; LAG Hamm, aaO.).

Eine hier in § 11 Abs. 4 des Vertrages vorgesehene Vertragsstrafenhöhe von 25.000,00 € für jeden nachgewiesenen Fall einer Verkaufs- und Werbehandlung für ein Konkurrenzunternehmen stellt eine unangemessene Benachteiligung des Beklagten im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB dar. Denn in dieser Klausel wird nicht nach der objektiven Schwere der Vertragsverletzung und dem Grad des Verschuldens des Orgaleiters differenziert. Vielmehr ist danach bei jeder Begehungsform und jeder denkbaren Art eines Wettbewerbsverstoßes eine Vertragsstrafe in Höhe von 25.000,00 € verwirkt. Nach dem Wortlaut der Klausel in § 11 Abs. 4 des Vertrages ist eine Vertragsstrafe auch bei einem leichten Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot verwirkt. Eine Klausel, die jede Differenzierung hinsichtlich der Schwere des Verstoßes vermissen lässt und auch bei leichten Verstößen grundsätzlich eine Vertragsstrafe von 25.000,00 € vorsieht, ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, da die Vertragsstrafe nicht in einer Relation zu dem zu erwartenden Schaden steht (vgl. OLG München, Urteil vom 29.07.2010, aaO.). Ferner ist in § 11 Abs. 4 des Vertrages keine Obergrenze der Vertragsstrafe im Falte mehrerer Verstöße gegen das Wettbewerbs verbot vorgesehen. Dies kann dazu führen, dass im Falle mehrerer Verstöße der Provisionsverdienst des Beklagten für mehrere Jahre in einem seine Existenz vernichtenden Umfang aufgezehrt wird.

Eine geltungserhaltende Reduktion von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH und der Oberlandesgerichte nicht möglich.

Da die Klägerin im Rechtsstreit unterlegen ist, hat sie gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten zu tragen.

Das Urteil ist gemäß § 709 S. 1 und 2 ZPO vorläufig vollstreckbar.

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