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Wirtschaftsrecht
11.01.2018
Wirtschaftsrecht
OLG Köln: Verschmelzung der STRABAG AG freigegeben

OLG Köln, Beschluss vom 14.12.201718 AktG 1/17; rkr.

ECLI:DE:OLGK:2017:1214.18AKTG1.17.00

Volltext: BB-Online BBL2018-66-1

unter www.betriebs-berater.de

Sachverhalt

I.

Die Antragstellerin ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft, deren Grundkapital in Höhe von 104,78 Mio. EUR in ebenso viele auf den Inhaber lautende Aktien eingeteilt ist. Sie bildet einen eigenständigen Teilkonzern innerhalb des T T Konzerns mit Sitz in W/Österreich. Der Vorstandsvorsitzende der T T Dr. C ist zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Antragstellerin und satzungsmäßig berufener Leiter der Hauptversammlung. Hauptaktionär der Antragstellerin war die T T und ist nunmehr die J Liegenschaftsverwaltung AG (nachfolgend: J AG, eine Tochtergesellschaft der T T, mit einem Anteil am Grundkapital von angeblich 93,63%.

Auf Antrag der Antragsgegnerin zu 1) und 5) wurde – soweit für das vorliegende Verfahren von Interesse – die Tagesordnung zu der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 04.07.2014 um die Punkte „Geltendmachung von Ersatzansprüchen gemäß § 147 Abs. 1 Satz 2 AktG unter anderem gegen frühere und gegenwärtige Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat der Antragstellerin und der T T“ sowie „Bestellung eines besonderen Vertreters gemäß § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG“ ergänzt. Im Rahmen der Generaldebatte äußerte ein Vertreter der T T rechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der Anträge. Diese machte sich der damalige Aufsichtsratsvorsitzende der Antragstellerin nach juristischer Beratung zu Eigen und ließ die Anträge in seiner Eigenschaft als Versammlungsleiter nicht zu. Für die Hauptversammlung der Antragstellerin vom 19.06.2015 stellten die Antragsgegnerinnen zu 1 und 5 erneut ein Ergänzungsverlangen mit den genannten Tagesordnungspunkten. Ferner wurde angeregt, für die Behandlung dieser Punkte gemäß § 122 Abs. 3 Satz 2 AktG durch das Gericht einen Vorsitzenden der Hauptversammlung zu bestimmen. Nachdem der Vorstand der Antragstellerin erklärt hatte, dem Ergänzungsverlangen trotz bestehender Bedenken gegen die Zulässigkeit der angekündigten Anträge stattgeben zu wollen, wurde der Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung für erledigt erklärt. Mit Beschluss vom 01.06.2015 lehnte das Amtsgericht Köln den Antrag auf gerichtliche Bestimmung eines besonderen Versammlungsleiters für die ergänzten Tagesordnungspunkte ab. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerinnen zu 1) und 5) bestimmte der Senat mit Beschluss vom 16.06.2015 (18 Wx 1/15, veröffentlicht AG 2015, 716-717) den nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin, Rechtsanwalt Dr. W, zum Versammlungsleiter der Hauptversammlung vom 19.06.2015, soweit die Behandlung der sich auf ihr Ergänzungsverlangen beziehenden Tagesordnungspunkte betroffen war.

In der Hauptversammlung am 19.06.2015 ließ Dr. W sodann über die von der Aktionärsminderheit unterbreiteten Beschlussvorschläge im Sinne des § 147 AktG abstimmen und stellte anschließend unter Hinweis auf ein für die T T als damaliger Mehrheitsaktionärin geltendes Stimmverbot gemäß § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG fest, dass Ansprüche gegen die Mehrheitsaktionärin wegen verschiedener Geschäfte der Antragstellerin geltend gemacht werden sollten und dass Rechtsanwalt Dr. I, der Streithelfer der Antragsgegner, insofern zum besonderen Vertreter der Antragstellerin bestellt werde. Vorschläge hinsichtlich der Geltendmachung von Ansprüchen auch gegen den Aufsichtsrat und den Vorstand der Antragstellerin wurden hingegen abgelehnt, weil hier auch die Stimmen der Mehrheitsaktionärin berücksichtigt wurden.

Dagegen erhoben sowohl die T T als damalige Mehrheitsaktionärin als auch die Antragsgegnerin zu 1) Klage (91 O 30/15 und 91 O 31/15 LG Köln). Ungeachtet dessen richtete der Streithelfer der Antragsgegner in seiner Eigenschaft als besonderer Vertreter der Antragstellerin umgehend ein Informationsverlangen an deren Vorstand, welches abschlägig beschieden wurde. Auf die Berufung des Streithelfers der Antragsgegner änderte der Senat durch Urteil vom 15.12.2015 (18 U 149/15, veröffentlicht in AG 2016, 254-257) die den Antrag zurückweisende Entscheidung des Landgerichts Köln vom 22.09.2015 (91 O 38/15) und verpflichtete die Antragstellerin im Wege einer einstweiligen Verfügung, dem besonderen Vertreter näher bezeichnete Unterlagen und Informationen zugänglich zu machen.

Mit zwei Urteilen vom 14.01.2016 hat das Landgericht Köln der Anfechtungsklage der T T stattgegeben (91 0 30/15) und die Anfechtungs- und positive Beschlussfeststellungsklage der Antragsgegnerin zu 1) abgewiesen (91 O 31/15). Nachdem hiergegen die jeweils unterlegene Partei Berufung eingelegt hatte, verband der Senat beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander. Durch Urteil vom 09.03.2017 (18 U 19/16, veröffentlicht in AG 2017, 351-361) hat der Senat die Anfechtungsklage der T T unter Aufhebung der gegenteiligen Entscheidung des Landgerichts (91 U 30/15) ab- und die gegen die Abweisung ihrer Anfechtungs- und positive Beschlussfeststellungsklage durch das Landgericht (91 O 31/15) gerichtete Berufung der Antragsgegnerin zu 1) zurückgewiesen. Hiergegen haben sich die T T und die Antragsgegnerin zu 1) mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision gewandt. Die Rechtsmittel sind noch beim Bundesgerichtshof (II ZR 94/17) anhängig.

Die Antragsgegnerinnen und Antragsgegner zu 2) bis 4) und 6) bis 9) sind neben den Antragsgegnerinnen zu 1) und 5) Aktionäre der Antragstellerin und wenden sich wie diese mit ihren unter dem Aktenzeichen 91 O 13/17 LG Köln verbundenen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen vom 21., 22. und 24.04.2017 gegen einen Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom 24.03.2017 (TOP 1), mit dem der Ausschluss der Minderheitsaktionäre und die Übertragung ihrer Aktien auf die J AG beschlossen worden ist. Bei der vom Hauptaktionär festgelegten Barabfindung ist der Sonderwert, der in den vom Streithelfer der Antragsgegner verfolgten Ersatzansprüchen liegen könnte, mit Null Euro bemessen worden. Die Antragsgegner haben gegen den Beschluss Widerspruch zu notariellem Protokoll erklärt. Sie rügen, die von den Aktionären in der Hauptversammlung erbetenen Auskünfte seien nicht ordnungsgemäß erteilt, die vom Versammlungsleiter verfügten Beschränkungen der Redezeit seien unverhältnismäßig gewesen, der Übertragungsbericht und dessen Prüfung sei mangelhaft, die Stimmrechtsmitteilung der Hauptaktionärin sei fehlerhaft. Überdies meinen sie, der gefasste Beschluss über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre durch Übertragung ihrer Aktien auf die Hauptaktionärin gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung sei ein schwerer Rechtsmissbrauchs, der rechtlich keine Beachtung verdienen könne.

Der Streithelfer der Antragsgegner machte im April 2017 vor dem Landgericht Köln (22 O 169/17) in seiner Eigenschaft als besonderer Vertreter der Antragstellerin aus einer Vielzahl von Geschäftsvorfällen zwischen der Gesellschaft und ihr nahestehenden Unternehmen auf rund 217,5 Mio. EUR bezifferte Ersatzansprüche gegen die T T und deren Vorstandsvorsitzenden Dr. C, den Aufsichtsratsvorsitzenden der Antragstellerin, klageweise geltend und beantragte überdies Feststellung der Ersatzpflicht für weiteren Schaden der Gesellschaft. Die Konzernobergesellschaft und deren Vorstandsvorsitzender stellen eine solche dem Grunde nach in Abrede.

Die Antragstellerin, die in diesem Verfahren zunächst allein durch den Vorstand vertretene war und ihr Gesuch auf Zurückweisung der Nebenintervention zurückgenommen hat, hält die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen für offensichtlich unbegründet. Außerdem nimmt sie unter Hinweis auf die gebotene Umsetzung des Ausschlusses mit näherer Begründung ein vorrangiges wirtschaftliches Interesse am alsbaldigen Wirksamwerden des angefochtenen Beschlusses in Anspruch. Die von den Antragsgegnern gerügten Rechtsverstöße wögen nicht besonders schwer.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

festzustellen, dass die Erhebung der beim Landgericht Köln unter dem Aktenzeichen 91 O 13/17 verbundenen Klagen der Antragsgegner der Eintragung des Beschlusses der außerordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom 24.03.2017 zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre und zur Übertragung ihrer Aktien auf die J Liegenschaftsverwaltung AG der Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister des satzungsmäßigen Sitzes der Antragstellerin nicht entgegenstehen.

Die Antragsgegner beantragen,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegner halten ihre Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen für zulässig und begründet. Sie meinen, ein vorrangiges Vollzugsinteresse der Antragstellerin liege nicht vor.

Die Antragsschrift, in der nur der Vorstand als gesetzlicher Vertreter der Antragstellerin angegeben war, ist den Antragsgegnern zu 1) und 5) am 01.08.2017 (GA II 461 f.); dem Antragsgegner zu 4) am 02.08.2017 (GA II 463), den Antragsgegnern zu 7) bis 9) am 01.08.2017 (GA II 464), der Antragsgegnerin zu 3) am 03.08.2017 (GA II 465), den Antragsgegnern zu 6) am 03.08.2017 (GA II 468). Der Antragsgegnerinnen zu 8) und 9) haben mit Schriftsatz vom 07.08.2018 (GA II 478 ff.), eingegangen am 08.08.2017, Bescheinigungen der L L über die Inhaberschaft an Aktien im Nennwert von mehr als 1.000 Euro im Original (GA II 481-484) eingereicht, nachdem am 07.08.2017 vorab per Fax eine Kopie eingegangen war (GA II 470 ff.). Die Antragsgegnerinnen zu 1) und 5) haben am 08.08.2017 Bestätigungen des Bankhauses O (GA II 493) über die Inhaberschaft von 9.995 Stückaktien (Antragsgegnerin zu 1) und der I U & C AG (GA II 494) über die Inhaberschaft von 18.519 Stückaktien vorlegt (GA II 491 ff.), nachdem am 07.08.2017 vorab per Fax eine Kopie eingegangen war (GA II 485 ff.). Die Antragsgegner zu 6) haben mit Schriftsatz vom 17.08.2017 (GA II 502 ff.), eingegangen per Fax am selben Tag (GA II 491 ff.) und am 21.08.2017 im Original, in Kopie eine Bescheinigung der E Bank über die Inhaberschaft von mindestens 200 Stückaktien eingereicht (GA II 504) und am 23.08.2017 (GA II 506 f.) das Original der Bescheinigung nachgereicht. Der Antragsgegner zu 4) hat am 28.08.2017 (GA II 510 f.) eine Bankbescheinigung über die Inhaberschaft von mindestens als 500 Stückaktien im Original übermittelt (GA II 510a), nachdem am 23.08.2017 vorab eine Kopie übermittelt worden war (GA II 508 f.). Der Antragsgegner zu 2), 3) und 7) haben keine Bescheinigung über die Inhaberschaft an Aktien der Antragstellerin vorgelegt.

Der Senat hat im Termin vom 28.09.2017 zu erkennen gegeben, dass er auch für den Fall der Behebung des Vertretungsmangels (dazu unten II.1.) zur Zurückweisung des Antrags neige, soweit dieser sich gegen die Antragsgegner zu 1), 5), 8) und 9) richte, weil er die Annahme von Rechtsmissbrauch nicht für fernliegend und deshalb die erhobenen Klagen nicht für offensichtlich unbegründet halte, ihm das Vollzugsinteresse der Antragstellerin, ihrer Hauptaktionärin und der Konzernobergesellschaft nicht vorrangig erscheine und eine Freigabe auch wegen der besonderen Schwere des Rechtsverstoßes nicht in Betracht komme. Daraufhin hat sich die J AG mit Erklärung vom 09.10.2017 (GA IV 1155 ff.) unwiderruflich, aber auflösend bedingt durch eine Abweisung ihres in diesem Verfahren gestellten Antrags zugunsten der Antragsgegner und aller Minderheitsaktionäre, die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Handelsregistereintragung des Squeeze-out-Beschlusses im Sinne von § 62 Abs. 5 Satz 7 UmwG Aktionäre der Antragstellerin sind, unter Verzicht auf den Zugang einer Annahmeerklärung verpflichtet, „den sich aus der Geltendmachung der bezifferten Ersatzansprüche maximal ergebenden Sonderwert in einem etwaigen Spruchverfahren bei der Überprüfung der Barabfindung anzuerkennen (also zugunsten der Minderheitsaktionäre wirtschaftlich ein volles Obsiegen des besonderen Vertreters im Schadenersatzprozess zu unterstellen)“ und das Spruchgericht „zur Einbeziehung dieses Sonderwerts bei dem zu ermittelnden Abfindungsbetrag als zwischen den Parteien des Spruchverfahrens unstreitig aufzufordern“ (Abschnitt G Ziffer 1.1). Für den Fall, dass dieses den „sich maximal ergebenden Sonderwert“ nicht berücksichtigen sollte, hat sich die J AG unter den beschriebenen Voraussetzungen verpflichtet, „die bezifferten Ersatzansprüche wie einen Sonderwert zusätzlich zu dem vom Gericht festgesetzten Betrag in die Berechnung der Abfindung einzubeziehen“. Der danach zu zusätzlich zu zahlende Abfindungsbetrag soll mit rechtskräftigem Abschluss des Spruchverfahrens bzw. gleichzeitig mit einer vom Gericht rechtskräftig festgesetzten Zuzahlung zur Auszahlung fällig werden (Abschnitt G Ziffer 1.2). Für diesen Erhöhungsbetrag hat die D AG eine auf den Betrag von 14 Mio. EUR begrenzte Gewährleistungserklärung abgegeben (GA IV 1160 f.). Die Antragsgegner und ihr Streithelfer halten den Antrag aus prozess- und materiell-rechtlichen Gründen für nicht berücksichtigungsfähig. Nach ihrer Auffassung bieten die abgegebenen Erklärungen überdies keinen Anlass für eine von der im Termin vom 28.09.2017 geäußerten Senatsansicht abweichende Beurteilung.

Mit Schriftsatz vom 22.11.2017 hat die Antragstellerin ihren Antrag, den Antragsgegnern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (GA I 4), „zurückgenommen“ und sich gegenüber den Antragsgegnern zu 1), 4), 5), 8) und 9) und gegenüber dem Streithelfer der Antragsgegner zur Erstattung derjenigen außergerichtlichen Kosten verpflichtet, die zu erstatten gewesen wären, wenn der Freigabeantrag zurückgewiesen worden wäre. Für den Fall, dass der Senat den Antragsgegnern gleichwohl die Kosten des Verfahrens auferlege, hat die Antragstellerin erklärt, gegenüber den Antragsgegnern zu 1), 4), 5), 8) und 9) und gegenüber dem Streithelfer der Antragsgegner keinen Kostenerstattungsantrag stellen zu wollen.

Mit Beschluss vom 04.12.2017 hat der Senat die mündliche Verhandlung wiedereröffnet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Aus den Gründen

II.

Nachdem der Senat zur Meidung der Verletzung des Anspruchs der Antragstellerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) die mündliche Verhandlung wiedereröffnet hat, um ihr nicht nachgelassenes Vorbringen auf die erst im Termin vom 28.09.2017 erteilten gerichtlichen Hinweise berücksichtigen zu können, war ihr Gesuch, festzustellen, dass die von den Antragsgegnern erhobenen Anfechtungsklagen der Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses vom 24.03.2017 in das Handelsregister nicht entgegen steht, nicht nur nach § 62 Abs. 5 Satz 8 UmwG i.V.m. §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG statthaft, sondern auch im Übrigen zulässig und in der Sache begründet.

1. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass in der Antragschrift nur der Vorstand als gesetzlicher Vertreter der Antragstellerin angegeben war und nicht auch der Aufsichtsrat.

a) Nach der Senatsrechtsprechung (vgl. die nicht veröffentlichten Beschlüsse vom 18.12.2015 – 18 U 158/15 und 07.02.2014 – 18 U 219/13) wird die Antragstellerin im Freigabeverfahren allerdings ordnungsgemäß vom Vorstand und vom Aufsichtsrat vertreten. Mag auch der hier einschlägige § 319 Abs. 6 AktG – wie § 246a AktG – keine ausdrückliche Regelung im Sinne etwa einer sinngemäßen Anwendung des für das Hauptsacheverfahren geltenden § 246 Abs. 2 Satz 2 AktG enthalten, liegt insofern doch mit Rücksicht auf die Vorstellungen des Gesetzgebers eine planwidrige Regelungslücke vor, die der Interessenlage entsprechend durch eine analoge Anwendung derjenigen Bestimmungen zu schließen ist, die für das Hauptsacheverfahren Anwendung finden. Denn mit dem durch Art. 1 Nr. 45 ARUG eingeführten § 319 Abs. 6 Satz 2 AktG, hat der Gesetzgeber sicherstellen wollen, dass die für das Hauptsacheverfahren erteilte Prozessvollmacht auch für das Freigabeverfahren gilt und dort eine Zustellung an den im Hauptsacheverfahren bevollmächtigten Rechtsanwalt erlaubt. Damit hat er missbräuchliche Verzögerungen durch Beschränkung der Prozessvollmachten auf die Hauptsacheverfahren und deshalb erforderliche Auslandszustellungen vermeiden wollen (vgl. die Einzelbegründung zu § 246a, § 319 AktG-RegE ARUG, BT-Drucks. 16/11642, S. 40 f. und 43). Das gilt auch für die Antragstellerseite und dieses gesetzgeberische Ziel ließe sich nicht erreichen, wenn die Aktiengesellschaft im Hauptsacheverfahren nach § 246 Abs. 2 Satz 2 AktG von ihrem Vorstand und vom Aufsichtsrat gesetzlich vertreten würde, im Freigabeverfahren aber nur durch ihren Vorstand, weil dann bei der Erteilung der Vollmacht im Hauptsacheverfahren einerseits und im Freigabeverfahren andererseits unterschiedliche Personen zur gesetzlichen Vertretung der Aktiengesellschaft aufgerufen wären und weil Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam im Hauptsachverfahren nicht wirksam eine im Freigabeverfahren allein vom Vorstand zu erteilende Vollmacht erteilen könnten. Soll das unter anderem in § 319 Ab. 6 Satz 2 AktG zum Ausdruck kommende Ziel des Gesetzgebers erreicht werden, Verzögerungen durch verschiedene Bevollmächtigungen zu verhindern, muss nicht nur die Wirkung einer Prozessvollmacht des Hauptsacheverfahrens auf das Freigabeverfahren erstreckt werden, sondern muss auch die gesetzliche Vertretung in den beiden Verfahren einheitlich gehandhabt werden, so dass die Prozessvollmacht im Hauptsachverfahren von demjenigen Organ erteilt wird, das auch im Freigabeverfahren zur Bevollmächtigung aufgerufen ist. Dementsprechend findet § 246 Abs. 2 Satz 2 AktG im Freigabeverfahren nicht nur aus systematischen Gründen analoge Anwendung (ebenso OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.01.2004 – 16 W 63/03, zitiert nach juris, Rn. 2; Dörr in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Auflage 2015, § 246a Rn. 9; Gehle in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 7, 5. Auflage 2016, § 9 Rn. 108; anders dagegen OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.04.2009 – 5 W 8/09, zitiert nach juris, Rn. 21; OLG Bremen, Beschluss vom 01.12.2008 – 2 W 71/08, zitiert nach juris, Rn. 20; Schatz, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage 2014, § 246a Rn. 14).

b) Für den Streitfall ist die vollmachtlose Verfahrensführung seitens des Vorstands der Antragstellerin durch den Aufsichtsrat wirksam genehmigt worden.

Die im Zusammenhang mit der Verfahrensführung erforderliche Willensbildung des Aufsichtsrats erfolgt durch ausdrücklichen Beschluss nach § 108 Abs. 1 AktG. In dessen Entscheidungsbefugnis fällt auch die der Erteilung einer Verfahrensvollmacht vorgelagerte Frage, ob überhaupt ein Verfahren nach § 62 Abs. 5 Satz 8 UmwG i.V.m. §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG eingeleitet werden soll. Der in einem hierüber gefassten Beschluss zum Ausdruck kommende einheitliche oder mehrheitliche Wille der abstimmenden Aufsichtsratsmitglieder stellt den Willen des Aufsichtsrats dar. Dieser Willensbildungsvorgang kann nicht durch die Entscheidung eines Aufsichtsratsmitglieds oder des Aufsichtsratsvorsitzenden ersetzt werden (BGH, Beschluss vom 14.05.2013 – II ZB 1/11, MDR 2013, 858-859, zitiert nach juris, Rn. 22).

Letzteres ist hier auch nicht geschehen. Der Aufsichtsratsvorsitzende hat – wie aus der Vollmachturkunde vom 28.09.2017 (GA IV 1149) und dem unter dem 18.10.2017 erstellten Protokoll über die Beschlussfassung mittels fernmündlicher Stimmabgabe gemäß § 11 Abs. 5 der Satzung der Antragstellerin (GA IX 1244) zu ersehen ist – die bereits zuvor vom Vorstand mit der Sache betrauten Rechtsanwälte beauftragt, nachdem er zuvor eine Mehrheitsentscheidung des Aufsichtsrats herbeigeführt hat.

2. Der Freigabeantrag hat gegenüber allen Antragsgegnern Erfolg.

a) Im Hinblick auf die Antragsgegner zu 2), 3), 4), 6) und 7) ist dem Freigabeantrag schon nach § 62 Abs. 5 Satz 8 UmwG i.V.m. §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG stattzugeben.

aa) Danach ist ein Freigabebeschluss zu erlassen, wenn der Antragsgegner nicht binnen einer Woche nach Zustellung des Antrags durch Urkunden nachgewiesen hat, dass er seit Bekanntmachung der Einberufung einen anteiligen Betrag von mindestens 1.000 EUR hält. Diesen Anforderungen haben die Antragsgegner zu 2), 3), 4), 6) und 7) nicht genügt. Sie haben das in § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 AktG genannte Quorum nicht bzw. nicht rechtzeitig nachgewiesen. Der Senat hält auch für diese Vorschrift an den zu § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG gemachten Ausführungen in dem Beschluss vom 23.01.2012 (18 U 323/11, veröffentlicht unter BeckRS 2012, 03266) fest, wonach die Nachweispflicht unabhängig davon besteht, ob die Antragstellerin das Erreichen des Quorums durch die Antragsgegner bestritten hat (vgl. zum Meinungsstand Hüffer/Koch, AktG, 12. Auflage 2016, § 246a Rn. 20e).

bb) Der im Termin vom 28.09.2017 (GA IV 1144) von dem Antragsgegner zu 4) vertretenen Auffassung, eine später erfolgte Genehmigung der Verfahrensführung wirke hinsichtlich der in § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 AktG bezeichneten Frist nicht auf den Zeitpunkt, zu dem der Antrag auf Freigabe zugestellt worden sei, zurück, kann nicht gefolgt werden. Nach dieser Vorschrift wird die Frist zur Erfüllung der Nachweispflicht mit Zustellung des Antrags in Gang gesetzt. Die Frage des Fristbeginns überlässt das materielle Recht mithin dem Prozessrecht. Wenn also nach den Bestimmungen des Prozessrechts der Freigabeantrag gültig angebracht worden ist, tritt auch die materiell-rechtliche Wirkung des § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 AktG ein, und zwar ohne Unterschied, ob die Verfahrenshandlung von vornherein wirksam war, oder ob sie erst nachträglich mit rückwirkender Kraft wirksam geworden (siehe hinsichtlich der Voraussetzungen einer Hemmung der Verjährung zur Rückwirkung der Behebung des Verfahrensmangels BGH, Urteil vom 07.07.1960 – VIII ZR 215/99, MDR 1961, 313-314, zitiert nach juris, Rn. 42). Nach § 89 Abs. 2 ZPO ist im Prozess ein Handeln ohne Vertretungsmacht rechtlich möglich. Durch die Genehmigung seitens des Vertretenen erlangt es gegen ihn volle Wirksamkeit. Die Genehmigung wirkt mithin auf den Zeitpunkt der Handlung zurück (§ 89 Abs. 2 ZPO). Die Partei muss die gesamte, nicht nur eine ihr etwa nachteilige Prozessführung, gegen sich gelten lassen; das Wort "gegen" umfasst hier auch eine für die Partei vorteilhafte Prozessführung (BGH, Urteil vom 07.07.1960 – VIII ZR 215/99, MDR 1961, 313-314, zitiert nach juris, Rn. 42). Mithin ist die Frist des § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 AktG auch dann wirksam in Gang gesetzt worden, wenn den die Antragstellerin vertretenden Rechtsanwälten Vollmacht zunächst nur durch den Vorstand erteilt war, weil der Aufsichtsrat, wie hier urkundlich belegt ist, nachträglich, aber mit rückwirkender Kraft, die Verfahrensführung der Bevollmächtigten der Antragstellerin genehmigt hat.

b) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist dem Freigabeantrag im Hinblick auf die Antragsgegner zu 1), 5), 8) und 9) nicht schon nach §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 AktG in Verbindung mit § 62 Abs. 5 Satz 8 UmwG zu entsprechen.

aa) Auch unter Berücksichtigung der unter dem 09.10.2017 von der J AG und der D AG abgegebenen Erklärungen sind deren Anfechtungsklagen weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet im Sinne von § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 3 AktG. Die Annahme der Antragsgegner zu 1), 5), 8) und 9), der von der außerordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin am 24.03.2017 gefasste Beschluss über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre durch Übertragung ihrer Aktien auf die Hauptaktionärin gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung sei wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig gewesen, ist – worauf der Senat im Termin vom 28.09.2017 hingewiesen hat und woran er festhält – nicht unvertretbar. Dabei wird nicht übersehen, dass § 62 UmwG i.V.m. §§ 327a ff. AktG einem Mehrheitsaktionär, dem Aktien der Gesellschaft in Höhe von 90% des Grundkapitals "gehören", die Ausschließung einer Restminderheit von 10% im Interesse einer effizienten Unternehmensführung erlaubt, und für sich genommen ein Missbrauch weder darin gesehen werden kann, dass ein Mehrheitsaktionär das Ziel verfolgt, sich verbliebener Minderheitsaktionäre zu entledigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.08.2000 – 1 BvR 68/95 und 1 BvR 147/97, AG 2001, 42-44, zitiert nach juris, zitiert nach juris, Rn. 26; BGH, Urteil vom 16.03.2009 – II ZR 302/06, AG 2009, 441-446, zitiert nach juris, Rn. 12), noch durch die vorherige Formumwandlung der übernehmenden Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft belegt wird (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 14.06.2012 – 11 AktG 1/12, AG 2012, 639-643, zitiert nach juris, Rn. 42 ff.). Rechtsmissbrauch ist hingegen anzunehmen, wenn der vom Gesetzgeber angenommene Zweck einer Beschlussmöglichkeit entfremdet und stattdessen ein anderweitig aufgestelltes Verbot unterlaufen wird, oder wenn die beabsichtigte Maßnahme in ihrer Benachteiligung der Minderheit über das vom Gesetz vorgesehene Maß hinausgeht (Grunewald in: Lutter, UmwG, 5. Auflage 2014, § 62 Rn. 50; ähnlich OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.02.2006 – 12 W 185/05, AG 2006, 249-258, zitiert nach juris, Rn. 93).

bb) Daran gemessen indizieren die Umstände des Streitfalles die Annahme von Rechtsmissbrauch.

(1) Anlass und Verlauf der Auseinandersetzungen zwischen der Antragstellerin und den Antragsgegnerinnen zu 1) und 5) einerseits und der Antragstellerin und dem Streithelfer der Antragsgegner andererseits legen nahe, dass mit der Verschmelzung und dem Squeeze-Out maßgeblich (auch) die Verfolgung der klageweise geltend gemachten Schadenersatzansprüche nach §§ 311, 317 Abs. 1 und 3 AktG gegenüber der T T und deren Vorstand Dr. C in Höhe von rund 217,5 Mio EUR vereitelt werden sollte. Organe einer Gesellschaft, die auf eine andere Gesellschaft verschmolzen wird, verlieren ihre Funktion. Das Erlöschen eines Rechtsträgers im Zuge seiner Verschmelzung auf einen anderen Rechtsträger führt zum Erlöschen der Ämter der Organe. Auch das Amt des besonderen Vertreters erlischt mit der Verschmelzung des übertragenden Rechtsträgers auf einen anderen Rechtsträger (BGH, Beschluss vom 18.06.2013 – II ZA 4/12, AG 2013, 634, zitiert nach juris, Rn. 3 mit weiteren Nachweisen). Besteht – wie hier – zwischen dem von der Mehrheitsaktionärin und den Minderheitsaktionären geführten Streit über die Bestellung des besonderen Vertreters sowie zwischen dem besonderen Vertreter und der Antragstellerin geführten Streit über die Ausübung von dessen Informationsrechten und der mit einem Squeeze-Out verknüpften nachfolgenden Verschmelzung ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang, stellt das ein beweiskräftiges Indiz dafür dar, dass der angestrebte Ausschluss der Minderheitsaktionäre vor allem das Ziel verfolgt hat, die von dem besonderen Vertreter eingeleitete Rechtsverfolgung zu unterlaufen. Die Antragstellerin hat dieses Indiz nicht entkräftet.

Nicht ins Gewicht fällt zunächst, dass die Aufgabe, Schadensersatzansprüche für den erloschenen übertragenden Rechtsträger geltend zu machen, nach der Verschmelzung den Organen des übernehmenden Rechtsträgers obliegt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 18.06.2013 – II ZA 4/12, AG 2013, 634, zitiert nach juris, Rn. 3 mit weiteren Nachweisen). Danach können die an die Stelle des besonderen Vertreters tretenden vertretungsberechtigten Organe der J AG den vor dem Landgericht Köln angestrengten Rechtsstreit (22 O 169/17) zwar fortsetzen. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass es zu einer Klagerücknahme (§ 269 ZPO), einer Erledigung des Verfahrens (§ 91a ZPO), einem Versäumnisurteil (§ 330 ZPO) oder einem Verzichtsurteil (§ 306 ZPO) kommt (vgl. dazu Nietsch, ZGR 2011, 589, 633), mit der Folge, dass es die T T als (damalige) Hauptaktionärin der Antragstellerin in der Hand hätte, durch den Squeeze-out die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die Durchsetzung (auch) gegen sie gerichteter Ersatzansprüche in Höhe von rund 217,5 Mio. EUR zu verhindern.

Dass der Ausschluss der Minderheitsaktionäre nach § 327a AktG im Belieben des Mehrheitsaktionärs steht und keiner besonderen Rechtfertigung bedarf (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 16.03.2009 – II ZR 302/06, AG 2009, 441-445, zitiert nach juris, Rn. 14 ff.), ist zwar für sich genommen ebenso richtig, wie der Einwand der Antragstellerin, das Interesse und die Initiative der Muttergesellschaft, die Konzernstruktur zu ordnen und zu vereinfachen und die Unternehmensleitung zu vereinheitlichen, seien als legitim anzuerkennen (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 07.08.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263-288 „Feldmühle", zitiert nach juris, Rn. 61 ff.; BVerfG, Beschluss vom 27.04.1999 – 1 BvL 1613/94, BVerfGE 100, 289-313, zitiert nach juris, Rn. 46 ff.; OLG Hamburg, Beschluss vom 14.06.2012 – 11 AktG 1/12, AG 2012, 639-643, zitiert nach juris, Rn. 38). All dies steht aber der durch den engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen dem von der Mehrheitsaktionärin und den Minderheitsaktionären geführten Streit über die Bestellung des besonderen Vertreters sowie dem zwischen dem besonderen Vertreter und der Antragstellerin geführten Streit um die Ausübung von dessen Informationsrechten einerseits und dem mit der Verschmelzung beabsichtigten Squeeze-out andererseits indizierten Annahme nicht entgegen, der vom Gesetzgeber angenommene Zweck einer solchen Beschlussmöglichkeit werde entfremdet und stattdessen die Tätigkeit des besonderen Vertreters unterlaufen. Entsprechendes gilt für die ohne weiteres ersichtlichen, organisatorischen Erleichterungen, die mit dem verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out verbunden sind. Dass sich damit Vorbereitungen für aufwändige Hauptversammlungen mit Publikum und eine Börsennotierung erübrigen, schließt ebenso wie eine intendierte Vereinfachung der Konzernstruktur nicht aus, dass mit der Maßnahme vor allem andere Ziele verfolgt werden.

Der Antragstellerin kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als sie ausführt, die Annahme, wonach der vom Gesetzgeber angenommene Zweck eines verschmelzungsrechtlichen Squeeze-outs entfremdet und die Tätigkeit des besonderen Vertreters vereitelt werden solle, liege schon deshalb fern, weil die auf (rund) 17,5 Mio. Euro bezifferten Gesamtkosten der Verschmelzung den für den Fall eines vollständigen Obsiegens des besonderen Vertreters auf (rund) 13,9 Mio. Euro bezifferten zusätzlichen Ausgleich für den von den Minderheitsaktionären hinzunehmenden Verlust deutlich überstiege (Seite 27 des Schriftsatzes der Antragstellerin vom 20.09.2017). Denn eine Entfremdung des vom Gesetzgeber angenommenen Zwecks der Beschlussmöglichkeit kommt nicht erst dann in Betracht, wenn die wirtschaftlichen Nachteile des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-outs bei konzernweiter Betrachtung die dadurch verursachten Vorteile überwiegen, sondern ist bereits dann denkbar, wenn damit die Feststellung des unterbliebenen Nachteilsausgleichs als haftungsbegründendes Tatbestandsmerkmal im Sinne des § 317 Abs. 1 Satz 1 AktG vereitelt werden soll.

(2) Dass im Rahmen eines umwandlungsrechtlichen Squeeze-out gemäß § 62 Abs. 5 Satz 8 UmwG i.V.m. § 327f Satz 1 AktG eine Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses nicht darauf gestützt werden kann, dass der Hauptaktionär (hier: die J AG) mit dem Ausschluss der Minderheitsaktionäre (hier: der Antragsgegner) einen Sondervorteil zu Gunsten eines Dritten (hier: der T T) und zu Lasten der Gesellschaft (hier: der Antragstellerin) oder der Minderheitsaktionäre zu erlangen gesucht habe, steht der Annahme von Rechtsmissbrauch nicht zwingend entgegen (anders wohl OLG Frankfurt, Urteil vom 26.08.2009 – 23 U 69/08, AG 2010, 368-376, zitiert nach juris, Rn. 73).

Dass das Gesetz einen Squeeze-out mit dem Ziel der Erlangung eines Sondervorteils grundsätzlich nicht verbietet oder missbilligt, hindert für den Fall, dass ein Sondervorteil in Gestalt der Befreiung der Muttergesellschaft des Hauptaktionärs von auf §§ 311, 317 AktG gestützten Ansprüchen in Betracht zu ziehen ist, nicht, einen Rechtsmissbrauch zumindest dann in Betracht zu ziehen, wenn der Squeeze-out mit dem Ziel der Erlangung eines Sondervorteils gerade in einem Zeitpunkt gesucht wird, in dem die Inanspruchnahme durch einen gemäß § 147 AktG bestellten besonderen Vertreter droht.

Zwar gibt es Stimmen in Rechtsprechung (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 26.08.2009 – 23 U 69/08, AG 2010, 368-376, zitiert nach juris, Rn. 73 und Beschluss vom 05.11.2007 – 5 W 22/07, AG 2008, 167-172; LG Düsseldorf, Beschluss vom 04.03.2004 – 31 O 144/03, ZIP 2004, 1755-1758, zitiert nach juris, Rn. 28 f.) und Schrifttum (Grunewald: in Münchener Kommentar zum AktG, 4. Auflage 2015, § 327a Rn. 29; Schnorbus: in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Auflage 2015, § 327f Rn. 21), die die Annahme von Rechtsmissbrauch schlechthin für ausgeschlossen halten, wenn der Squeeze-out dazu dienen soll, die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen zu verhindern. Diese Auffassung erscheint zwar vertretbar, zwingend ist sie indes nicht.

Dass die gerichtliche Anfechtung eines Übertragungsbeschlusses gemäß § 327f Satz 1 AktG nicht darauf gestützt werden kann, der Hauptaktionär oder dessen Anteilseigner suche einen Sondervorteil zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre (§ 243 Abs. 2 AktG), und die Überprüfung der Angemessenheit der Abfindung dem Spruchverfahren überantwortet worden ist (§ 327f Satz 2 AktG), kann für eine hier nicht auszuschließende Vereitelung begründeter Schadenersatzansprüche als Folge des umwandlungsrechtlichen Squeeze-outs dazu führen, das ein im Anfechtungsverfahren ergehendes abweisendes Urteil auf die Überprüfung der Angemessenheit im Spruchverfahren verweist (vgl. etwa LG Düsseldorf, Beschluss vom 04.03.2004 – 31 O 144/03, ZIP 2004, 1755-1758, zitiert nach juris, Rn. 28 f.). Auf der anderen Seite kann der im Spruchverfahren ergehende Beschluss darauf verweisen, dass Schadensersatzansprüche gemäß § 317 AktG im Spruchstellenverfahren allenfalls dann berücksichtigt werden können, wenn sie unstreitig oder rechtskräftig festgestellt wären (so OLG Celle, Beschluss vom 19.04.2007 – 9 W 53/06, AG 2007, 865-867, zitiert nach juris, Rn. 17; OLG Stuttgart, Beschluss vom 04.02.2000 – 4 W 15/98, AG 2000, 428432, zitiert nach juris, Rn. 35), woran es vorliegend aber gefehlt hat. Im Ergebnis würde den Minderheitsaktionären so im Anfechtungsverfahren wie im Spruchverfahren die Möglichkeit genommen, dass der von ihnen erhobene Einwand der mit dem Squeeze-out bezweckten Vereitelung von Schadenersatzansprüchen geprüft wird. Für den Streitfall kann ein solcher Verfahrensausgang nicht ausgeschlossen, auch wenn von dem für das Spruchverfahren zuständigen Oberlandesgericht Düsseldorf Schadensersatzansprüche aus § 317 AktG, die der Gesellschaft am Bewertungsstichtag zustehen, in der Vergangenheit bei der Bestimmung der angemessenen Barabfindung nach §§ 12, 13 UmwG berücksichtigt worden sind (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.1990 – 19 W 9/88, AG 1991, 106-109, zitiert nach juris, Rn. 67 und 70).

Der Senat kann offenlassen, ob das mit den aufgezeigten Unwägbarkeiten von Anfechtungs- und Spruchverfahren für die Minderheitsaktionäre verbundene Risiko der Beeinträchtigung ihrer vermögensrechtlichen Stellung mit den Anforderungen effektiven Rechtsschutzes in Bezug auf das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 30.05.2007 – 1 BvR 390/04, NJW 2007, 3268-3271; Beschluss vom 09.12.2009 – 1 BvR 1542/06, NZG 2010, 902-905) vereinbar ist. Jedenfalls dann, wenn sich – wie hier – nach den Umständen aufdrängt, dass die Verschmelzung funktionswidrig eingesetzt worden ist, um die Rechte der Minderheitsgesellschafter missbräuchlich zu schmälern, erscheint ein höheres Schutzniveau geboten. Dem Rechnung tragend muss aus dem Gedanken der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht zumindest solange ausnahmsweise ein Verschmelzungshindernis angenommen werden, als Bedenken gegen die Eignung des Spruchverfahrens zur Berücksichtigung von Schadenersatzansprüchen nach § 317 AktG nicht ausgeräumt sind und im Zeitpunkt der Beschlussfassung auch keine andere Abhilfe geschaffen worden ist, mit der die gebotene Rücksichtnahme auf die Interessen der opponierenden Anteilsinhaber gewährleistet werden kann (vgl. hierzu auch Gehling: in Semler/Stengel, UmwG, 3. Auflage 2012, § 13 Rn. 24).

(3) Die Antragstellerin geht fehl, wenn sie meint, mit den unter dem 09.10.2017 von der J AG abgegebenen Erklärungen den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs entkräften zu können. Für die inhaltliche Prüfung des Beschlossenen ist die Rechtslage im Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses maßgeblich (vgl. dazu BGH, Urteil vom 15.12.2003 – II ZR 194/01, AG 2004, 204-205, zitiert nach juris, Rn. 11). Der beschlossene umwandlungsrechtliche Squeeze-out hat wegen der bei Beschlussfassung fehlenden Vorsorge dafür, dass die Minderheitsaktionäre im Spruchverfahren mit dem von ihnen erhobenen Einwand, der Squeeze-out bezwecke die Vereitelung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen die Mehrheitsaktionärin, gebührend gehört zu werden, objektiv so sehr gegen die Gebote der Rücksichtnahme verstoßen, dass hieraus auf den unzulässigen Beweggrund des Rechtsmissbrauchs geschlossen werden muss. Die von der J AG unter dem 09.10.2017 abgegebenen Erklärungen vermögen daran nichts zu ändern. Zum einen geben sie subjektiver Hinsicht nur bedingt Aufschluss über eine fehlende unlautere Absicht der Mehrheitsaktionärin bei Fassung des klageweise angegriffenen Beschlusses. Zum anderen sind sie mit Rücksicht auf die Hinweise des Senats im Termin vom 28.09.2017 augenscheinlich von dem Interesse bestimmt ist, die Wirksamkeit des umwandlungsrechtlichen Squeeze-out auch dann zu erhalten, wenn sich die gegen den Beschluss gerichteten Klagen später als erfolgreich erweisen sollten.

c) Entgegen der Ansicht der Antragsgegner und ihres Streithelfers führen die Erklärungen der J AG vom 09.10.2017 aber dazu, dass der Antrag auf Freigabe des angefochtenen Beschlusses nunmehr in § 62 Abs. 5 Satz 8 UmwG i.V.m. §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 3 AktG eine ausreichende Grundlage findet.

aa) Nach § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 AktG ergeht der Freigabebeschluss, wenn das alsbaldige Wirksamwerden des angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses vorrangig erscheint, weil die vom Antragsteller dargelegten wesentlichen Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Antragsgegner überwiegen, es sei denn, es liegt eine besondere Schwere des Rechtsverstoßes vor. Die danach gebotene Interessenabwägung bestimmt sich nach Maßgabe des Sach- und Streitstandes der letzten mündlichen Verhandlung und erfordert eine Abwägung des rein wirtschaftlichen Interesses der einzelnen Antragsgegner – nicht der Aktionärsgemeinschaft – unter Außerachtlassen der gerügten Rechtsverstöße gegen die Unternehmensnachteile und die Nachteile der übrigen Aktionäre (vgl. BT-Drucks 16/13098, Seite 60 f.). In die Abwägung sind dabei nicht nur diejenigen Nachteile einzubeziehen, die infolge eines Aufschubs der Eintragung drohen, sondern auch sogenannte Nichteintragungsnachteile, d.h. solche Nachteile, die mit einem Erfolg der Nichtigkeits- und Anfechtungsklage und der daraus folgenden Nichteintragung einhergingen. Denn abzuwägen ist nicht nur das Interesse an der alsbaldigen Durchführung der Maßnahme und somit am Ausschluss eines Verzögerungsschadens, sondern auch das Interesse an der Vermeidung von Nachteilen, die durch den Erfolg der Anfechtungsklage überhaupt entstehen. Dementsprechend sind in die Interessenabwägung nach § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 3 AktG alle nicht vernachlässigbaren rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteile eines Erfolges der Nichtigkeits- und Anfechtungsklage einzubeziehen, also etwa auch die Kosten einer Wiederholung der Hauptversammlung (vgl. BT-Drucks. 15/5092, Seite 29 sowie Senatsbeschluss vom 05.05.2014 – 18 U 28/14, AG 2015, 39-40, zitiert nach juris, Rn. 24 mit weiteren Nachweisen). Mit Rücksicht darauf mag ein Interesse des Hauptaktionärs an der Vereinfachung von Entscheidungsabläufen zwar für sich betrachtet in der Regel nicht genügen. Jedoch kann dies anders sein, wenn mit der angestrebten Vereinfachung nicht unerhebliche Kosteneinsparungen verbunden sind. Auf eine Eilbedürftigkeit des beschlossenen Ausschlusses kommt es jedenfalls nicht an (anders Hüffer/Koch, AktG, 12. Auflage 2016, § 327e Rn. 3b mit weiteren Nachweisen). Daran gemessen gilt folgendes:

(1) Die Antragstellerin hat nachvollziehbar und – durch eidesstattliche Versicherungen der Syndikusanwältin X (Anlage AS12, GA I 434 ff.) sowie der Mitglieder des Vorstands der J AG J2 und S (AO Antragsschrift III, Anlage AS18 und AS 21) unterlegt – glaubhaft vorgetragen, dass die Nichteintragung des Übertragungsbeschlusses Kosten in Höhe von rund 370 TEUR jährlich, mithin rund 1,48 Mio. Euro für die nächsten vier Jahre wegen der durchzuführenden Hauptversammlungen (Antragsschrift, Seite 181, GA I 181) und in Höhe von jährlich 49 TEUR, mithin 196 TEUR für die nächsten vier Jahre im Zusammenhang mit der Börsennotierung (Antragsschrift, Seite 183 f., GA I 183 f.) zur Folge hätte. Außerdem hat sie – durch die eidesstattliche Versicherung des Mitglieds des Vorstands der J AG J2 (AH Antragsschrift, Anlage AS18) unterlegt – plausibel dargetan, dass die Eintragung des Übertragungsbeschlusses zu jährlichen Einsparungen von Kosten für die Erstellung des Jahres- und Konzernabschlusses sowie den Abhängigkeitsbericht in Höhe von rund 170 TEUR, mithin in Höhe von rund 680 TEUR für die nächsten vier Jahre führen werde (Antragsschrift, Seite 182 f., GA I 182 f.). Schließlich lässt sich den – durch die eidesstattliche Versicherung des Mitglieds des Vorstands der J AG J2 (AH Antragsschrift, Anlage AS18) unterlegten – glaubhaften Ausführungen der Antragstellerin entnehmen, dass Verlustvorträge der J AG mit Erträgen der Antragstellerin die Jahre 2017 bis 2020 betreffend verrechnet werden könnten und daraus über den Zeitraum der nächsten vier Jahre in Abhängigkeit der Ergebnisentwicklung der anderen Teilkonzerne eine Steuerersparnis von bis zu 24 Mio. EUR ermöglicht würde (Antragsschrift, Seite 173 ff., GA I 173 ff.).

(2) Grund für die zu erwartenden Einsparungen sind zunächst die ohne weiteres ersichtlichen, organisatorischen Erleichterungen, die mit der beschlossenen Übertragung verbunden sind. So erübrigen sich im Falle einer Eintragung umfangreiche Vorbereitungen für aufwändige Hauptversammlungen mit Publikum, und Beschlüsse können kurzfristig sowie insgesamt mit minimalem Aufwand gefasst werden. Umfangreicher und fristgebundener Informationen von Minderheitsaktionären bedarf es nicht mehr, und das Risiko, von Minderheitsaktionären mit Nichtigkeits- und Anfechtungsklagen in Anspruch genommen zu werden, entfällt. Mit dem umwandlungsrechtlichen Squeeze-out wird sich für die Antragstellerin die Erstellung eines Jahresabschlusses, eines Konzernabschlusses sowie eines Abhängigkeitsberichts erübrigen. Schließlich erübrigt sich eine Börsennotierung und werden mit der Übertragung alle Maßnahmen in diesem Zusammenhang entbehrlich.

(3) Seitens der Antragsgegner zu 1), 5), 8) und 9) steht dem das Interesse an dem Gegenwert ihrer Minderheitsbeteiligung gegenüber, die ihnen wegen ihres vergleichsweise geringen Umfangs keinen nennenswerten inhaltlichen Einfluss auf Entscheidungen der Antragstellerin vermittelt. Hinzu kommt, dass das kapitalisierte Interesse durch die angemessene Barabfindung geschützt ist, also allenfalls eine bei der Bemessung der Barabfindung nicht berücksichtigte gänzlich unkonkrete Chance der Antragsgegners zu 1), 5), 8) und 9) auf künftige Gewinne aus den gehaltenen Minderheitsbeteiligungen betroffen ist.

(4) Mit dem Erhalt der bankgarantierten Abfindung, die im Fall der Freigabe des umwandlungsrechtlichen Squeeze-out aufgrund der Erklärungen der J AG vom 09.10.2017 nunmehr unabhängig vom Ausgang eines Spruchverfahrens unter Einbeziehung des vollen Gegenwerts der von dem Streithelfer der Antragsgegner klageweise geltend gemachten und auf rund 217,5 Mio. EUR bezifferten Ersatzansprüche zu bemessen ist, ist der Entzug der Teilhaberechte an der Antragstellerin wertmäßig abgegolten.

Dabei wird nicht übersehen, dass die Verpflichtungserklärung der J AG, aus dem Minderheitsaktionäre zusätzliche Ansprüche herleiten können, lückenhaft ist.

Sie geht in Abschnitt G Ziffer 1.2. als selbstverständlich von dem Fall aus, dass das Spruchgericht einen Abfindungsbetrag festsetzt, von dem ausgehend ein zusätzlich zu zahlender Abfindungsbetrag berechnet werden kann, regelt aber nicht den Fall, dass eine solche Festsetzung unterbleibt, weil das Spruchgericht den Antrag mit der Begründung zurückweist, die von dem Hauptaktionär festgelegte Barabfindung sei angemessen. Für diesen Fall wird die in der Verpflichtungserklärung vorgesehene Verfahrensweise undurchführbar, ohne dass dafür eine Auffangregelung getroffen wäre.

Die J AG hat indes eine (zusätzliche) Abfindung zugesagt, deren Höhe den Sonderwert, der in den auf 217,5 Mio. Euro bezifferten Ersatzansprüchen liegen könnte, einbeziehen soll. Dabei soll diese nach der Intention der Erklärung von der Berücksichtigung des Sonderwerts durch das Spruchgericht unabhängig sein und – wie die in getroffene Regelung in Abschnitt G Ziffer 1.2 verdeutlicht – ausgehend von dem durch das Spruchgericht festgesetzten Betrag berechnet werden. Nicht ausgeschlossen ist indes, dass es zu einer solchen Festsetzung durch das Spruchgericht nicht kommt, wenn der Unternehmenswert je Aktie die von dem Hauptaktionär festgelegte Barabfindung unterschreitet. Damit liegt eine planwidrige Regelungslücke vor, weil die J AG bei Abgabe der Verpflichtungserklärung die vorbezeichnete Möglichkeit nicht bedacht und deshalb auch keine den dann nicht greifenden Mechanismus in Abschnitt G Ziffer 1.2 ersetzende Regelung getroffen hat.

Die damit vorhandene planwidrige Lücke ist auf dem Wege ergänzender Auslegung zu schließen. Dabei ist darauf abzustellen, was bei einer angemessenen Abwägung ihrer und der Interessen der Minderheitsaktionäre nach Treu und Glauben vereinbart worden wäre, wenn bei Abgabe der Verpflichtungserklärung der von der J AG nicht geregelte Fall bedacht worden wäre. Dabei kommt zum Verständnis dessen, was Treu und Glauben entspricht, den Wertungen, die in Abschnitt G Ziffer 1.2 zum Ausdruck gefunden haben, entscheidende Bedeutung zu.

Im gegebenen Fall hätte die J AG, wenn sie die Möglichkeit einer unterbleibenden Festsetzung des Abfindungsbetrages durch das Spruchgericht bedacht hätte, bei redlichem Verhalten Sorge getragen, dass den Minderheitsaktionären eine zusätzliche Abfindung gewährt wird, wobei der vom Spruchgericht nicht berücksichtigte Sonderwert zusätzlich zu dem Betrag in die Berechnung einzubeziehen ist, der sich ergeben hätte, wenn ein unterhalb der vom Hauptaktionär festgelegten Barabfindung liegender Betrag festgesetzt worden wäre. Nach der Regelung in Abschnitt G Ziffer 1.2 steht den Minderheitsaktionären eine nach dem Wert ihrer Beteiligung zu bemessende zusätzliche Abfindung zu, wenn der vom Spruchgericht festgesetzte Abfindungsbetrag ohne Berücksichtigung des Sonderwerts von 217,5 Mio. Euro den vom Hauptaktionär festgelegten Betrag übersteigt. (*) Anstelle einer Abfindung haben die Parteien zugunsten der in den Ruhestand tretenden Partner eine Altersversorgung in Gestalt einer Rentenzahlung vereinbart. Dann aber muss nach dem zum Ausdruck gekommenen Erklärungswillen den Minderheitsaktionären erst recht eine zusätzliche Abfindung zustehen, wenn ohne Berücksichtigung des Sonderwerts ein Abfindungsbetrag festgesetzt werden könnte, der niedriger ist als die vom Hauptaktionär festgesetzte Barabfindung.

Selbst wenn der Auffassung der Antragsgegner zu folgen wäre, wonach ihnen mit Rücksicht auf weitere (noch) unbezifferte Ersatzansprüche, die Gegenstand des Feststellungsantrags sind, eine höhere Abfindung zustehen könnte, ist zu berücksichtigen, dass sich deren Berechtigung derzeit dem Grunde und der Höhe nach nicht einmal ansatzweise verifizieren lässt. Hinzu kommt, dass den Minderheitsaktionären der in bezifferten Ersatzansprüchen verkörperte Gegenwert auch dann anteilig zufließt, wenn sich die von dem Streithelfer der Antragsgegner erhobene Klage als völlig unbegründet erweisen sollten. Nach alledem muss davon ausgegangen werden, dass Wertausgleich ganz überwiegend erfolgt.

bb) Dafür, dass dem Vollzugsinteresse der Antragstellerin und ihrer Aktionäre an der alsbaldigen Umsetzung des umwandlungsrechtlichen Squeeze-out die Freigabe hindernde besonders schwere Rechtsverstöße entgegen stehen, bietet der Vortrag der Antragsgegner und ihres Streithelfers keine ausreichende Grundlage (mehr). Die für die besondere Schwere des Rechtsverstoßes zugrunde zu legenden Tatsachen haben die Anfechtungskläger, nicht die Gesellschaft, glaubhaft zu machen. Dass ein Rechtsverstoß zur Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses führt, begründet nicht zwingend dessen besondere Schwere im Sinne von § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 3 AktG. Erforderlich sind vielmehr Sachverhalte, in denen elementare Aktionärsrechte - etwa durch absichtliche Verstöße gegen Gleichbehandlungsgebot oder Treuepflicht - so massiv verletzt worden sind, dass sie durch Schadenersatz nicht angemessen ausgeglichen werden können (vgl. BT-Drucksache 16/11642, Seite 41 sowie Senatsbeschlüsse vom 13.01.2014 – 18 U 175/13, ZIP 2014, 263-268, zitiert nach juris, Rn. 27 und vom 05.05.2014 – 18 U 28/14, AG 2015, 39-40, zitiert nach juris, Rn. 29 und Henssler/Strohn/Drescher, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 2016, AktG, § 246a Rn. 9f). Daran gemessen gilt folgendes:

(1) Der Einwand, der Übertragungsbeschluss sei nicht mit der erforderlichen Mehrheit zustande gekommen, weil für von der Hauptaktionärin gehaltene Aktien wegen nicht ordnungsgemäßer Erfüllung der Meldepflichten nach § 21 WpHG gemäß § 28 WpHG ein Stimmrechtsverbot bestanden habe, ist – seine Berechtigung einmal unterstellt – nicht geeignet, einen Rechtsverstoß aufzuzeigen, dessen negative Folgen für die Antragsgegner nicht durch Geldleistung ausgeglichen werden können. Dem angegriffenen Übertragungsbeschluss steht seitens der Antragsgegner lediglich ein betragsmäßig auf den Verkehrswert der Aktien begrenztes ökonomisches Interesse entgegen, das einerseits im Rahmen der angemessenen Barabfindung Berücksichtigung findet und andererseits für den Fall der Rechtswidrigkeit des Beschlusses durch einen Schadenersatz ohne weiteres kompensiert werden könnte (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 05.05.2014 – 18 U 28/14, AG 2015, 39-40, zitiert nach juris, Rn. 31).

(2) Der Senat kann offenlassen, ob Frage- und Informationsrechte der Minderheitsaktionäre durch Beschränkung des Rederechts und/oder unzureichende Beantwortung in rechtswidriger Weise verletzt worden ist und ob eine solche Rechtsverletzung den Nichtigkeits- und Anfechtungsklagen im Hinblick auf § 243 Abs. 4 Satz 2 AktG zum Erfolg verhelfen könnte. Denn auch insoweit vermag der Senat keine Interessen der Antragsgegner zu erkennen, die nicht durch die angemessene Barabfindung bzw. hilfsweise im Wege des Schadenersatzes abgedeckt werden könnten (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 05.05.2014 – 18 U 28/14, AG 2015, 39-40, zitiert nach juris, Rn. 33 f.). Die von den Antragsgegnern gerügte Verletzung ihres Auskunftsrechts hinsichtlich der Herleitung, Plausibilität und Angemessenheit des Barabfindungsangebots sowie hinsichtlich des Prüfungsberichts ist von dem Anfechtungsausschluss des § 327f AktG erfasst. Insoweit sind die Antragsgegner auf das Spruchverfahren verwiesen (vgl. BGH, Urteil vom 16.03.2009 – II ZR 302/06, AG 2009, 441-446, zitiert nach juris, Rn. 36 mit weiteren Nachweisen).

(3) Dass – wie ausgeführt – die Gesamtumstände bei Fassung des Übertragungsbeschlusses vom 24.03.2017 für die Annahme von Rechtsmissbrauch sprechen, steht der Freigabe nicht mehr entgegen. Rechtsmissbrauch mag zwar im Regelfall einen besonders schweren Rechtsverstoß begründen. Für das Ausmaß des Verstoßes ist aber nicht nur zu fragen, ob es sich um ein gezieltes Vorgehen handelt, das die Minderheit im Vergleich zur Mehrheit ungleich trifft, sondern auch zu berücksichtigen, ob die Minderheit schwerwiegende wirtschaftliche Nachteile erleidet, die sich nicht auf andere Weise ausgleichen lassen (BT-Drucksache 16/11462, Seite 41). Nachdem durch die Erklärungen der J AG vom 09.10.2017 für eine solche Kompensation gesorgt ist, erscheint das rechtsmissbräuchliche Vorgehen der Mehrheit nicht mehr so krass rechtswidrig, dass eine Eintragung des Übertragungsbeschlusses und seine Durchführung „unerträglich“ wären. Denn eine Neufassung des Beschlusses unter Einschluss der unter dem 09.10.2017 abgegebenen Garantien würde dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nicht ausgesetzt sein und den Fehler des Erstbeschlusses nicht wiederholen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 327e Abs. 2, Abs. 1 Satz 2, 319 Abs. 6 Satz 2 AktG, §§ 91 Abs. 1, 100, 101 ZPO. Das Prozessrecht hat zwingende Vorschriften über die prozessuale Kostentragungspflicht aufgestellt, und das Gericht hat über die Kosten regelmäßig von Amts wegen (§ 308 Abs. 2 ZPO) und gemäß den gesetzlichen Vorschriften zu entscheiden. Die Parteien können nicht das Gericht zum Erlass davon abweichender Kostenentscheidungen verpflichten (vgl. BGH, Beschluss vom 14.07.1969 – X ZR 40/65, MDR 1970, 46, zitiert nach juris, Rn. 8 mit weiteren Nachweisen). Diesem Grundsatz würde es zuwiderlaufen, wenn der Senat bei seiner Kostenentscheidung die Erklärungen der Antragstellerin vom 22.11.2017 berücksichtigen würde.

5. Der Streitwert wird unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalles, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen auf 500.000 EUR festgesetzt, §§ 319 Abs. 6 Satz 2, § 327e Abs. 2, 247 Abs. 1 Satz 1 AktG.

Am 18.12.2017 erging folgender Berichtigungsbeschluss:

Der Senatsbeschluss vom 14.12.2017 wird wegen offenbarer Unrichtigkeit (§ 319 ZPO) dahingehend berichtigt, dass auf Seite 23 der Satz

„Anstelle einer Abfindung haben die Parteien zugunsten der in den Ruhestand tretenden Partner eine Altersversorgung in Gestalt einer Rentenzahlung vereinbart.“ (*)

gestrichen wird.

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