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Wirtschaftsrecht
23.07.2015
Wirtschaftsrecht
OLG München: Unzweckmäßige Parteivereinbarung über die Bildung des Schiedsgerichts lässt Wirksamkeit der Schiedsklausel generell unberührt

OLG München, Beschluss vom 1.10.2014 — 34 SchH 11/14

Volltext: BB-Online BBL2015-1812-1

unter www.betriebs-berater.de

Amtlicher Leitsatz

Vereinbarungen der Parteien zur Qualifikation des Schiedsgerichts und zu dessen Konstituierung, die sich möglicherweise als ungeeignet oder unzweckmäßig erweisen, bedingen regelmäßig weder die Unwirksamkeit der Schiedsklausel noch deren Undurchführbarkeit.(Rn.12)

§ 1029 ZPO, § 1032 Abs 2 ZPO, § 1035 ZPO

Sachverhalt

I.

Der Antragsteller will die Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gerichtlich festgestellt wissen.

Der Antragsteller war als Kommanditist Gesellschafter der Antragsgegnerin, eines Unternehmens, das als Gegenstand den Vertrieb und die Überwachung von elektrischen Anlagen aller Art hat. Deren einziger weiterer Kommanditist ist xxx, welcher auch Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ist. Mit Schreiben vom 13.6.2013 kündigte der Antragsteller seine Beteiligung zum 31.12.2013. Zu einer einvernehmlichen Abfindung des Geschäftsanteils kam es bisher nicht.

In § 19 des Gesellschaftsvertrages vom 29.11.2001 ist folgende Vereinbarung getroffen:

(1) Über alle Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern untereinander oder mit der Gesellschaft, welche diesen Vertrag, die Gesellschaft oder das Gesellschaftsverhältnis betreffen, entscheidet, soweit zulässig, unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges ein Schiedsverfahren. Als Schiedsrichter wird ein Berufskollege benannt. Sollte innerhalb 3 Wochen nach Aufforderung zum Benennen eines Schiedsrichters keine Einigung über die Person erzielt werden, wird Vorstand der TOS e.V. beauftragt einen zu nennen, der dann angenommen werden muss. Die Kosten des Schiedsrichters tragen die Gesellschafter im Verhältnis zu Ihren Kapitalanteilen.

(2) Künftig eintretende Gesellschafter erkennen diese Vereinbarung durch ihren Beitritt zur Gesellschaft ausdrücklich an.

Der Antragsteller beabsichtigt, einen Abfindungsanspruch gemäß § 17 des Gesellschaftsvertrages, insbesondere auf Auszahlung des Guthabens auf seinem Kapitalkonto in Höhe von mindestens 84.488,05 € gegen die Antragsgegnerin geltend zu machen.

Mit Schriftsatz vom 27.6.2014 hat der Antragsteller beim Oberlandesgericht beantragt, festzustellen, dass die im Gesellschaftsvertrag vom 29.11.2001 enthaltene Schiedsgerichtsvereinbarung unwirksam, hilfsweise undurchführbar sei. Er hat sodann klargestellt, dass keine Feststellungsklage (§ 256 ZPO), sondern ein Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO gewollt sei. Zur Begründung trägt er vor, dass bisher keine Einigung über ein zuständiges Schiedsgericht habe erzielt werden können. Insbesondere habe sich der in der Klausel bezeichnete Dritte (TOS e.V.: eine Technische Organisation von Sachverständigen auf den Gebieten der technischen Überwachung, des Umweltschutzes und des technischen Prüfwesens mit Sitz in Berlin) geweigert, einen Schiedsrichter zu benennen. Die getroffene Schiedsvereinbarung entbehre daher eines zur Entscheidung berufenen Schiedsgerichts und erweise sich damit als objektiv undurchführbar. Es bestehe Interesse an der Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens, da unsicher sei, in welchem Verfahrensweg er seine Ansprüche geltend machen könne.

Die Antragsgegnerin meint, die Schiedsklausel sei wirksam und der Antrag daher unbegründet.

Aus den Gründen

II.

9          Der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens (§ 1032 Abs 2 ZPO) ist zwar zulässig, aber unbegründet.

10        1. Di.e Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München folgt aus § 1062 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, § 1025 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 7 GZVJu vom 11.6.2012 (GVBl S. 295). Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Die anfängliche Falschbezeichnung des Antrags als „negative Feststellungsklage“ ist unschädlich, da der Antragsteller auf Hinweis klargestellt hat, dass – wofür schon die Adressierung an das sonst nicht erstinstanzlich zuständige Oberlandesgericht sprach - ein Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO gestellt werden sollte. Auch ist der beabsichtigte Inhalt der Schiedsklage – auf Schlüssigkeit kommt es hierbei nicht an - noch hinreichend dargetan.

11        2. Der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens ist unbegründet.

12        Die Parteien haben in § 19 (1) - erster Satz – des Gesellschaftsvertrags bestimmt, dass ein Schiedsgericht Streitigkeiten unter ihnen bzw. mit der Gesellschaft aus dem bezeichneten Vertrag unter Ausschluss staatlicher Gerichte („des ordentlichen Rechtsweges“) entscheiden soll. Dies beinhaltet, ohne dass es auf weitere Vereinbarungen zum Verfahren selbst ankommt, eine wirksame Schiedsklausel (Reichold in Thomas/Putzo ZPO 35. Aufl. § 1029 Rn. 3; Zöller/Geimer ZPO 30. Aufl. § 1029 Rn. 6 und 11). Der Umstand, dass sich die daneben getroffenen Vereinbarungen zur Qualifikation des Schiedsgerichts und zu dessen Konstituierung (Sätze 2 und 3 der Regelung) möglicherweise als ungeeignet oder unzweckmäßig erweisen, führt regelmäßig weder zur Unwirksamkeit noch zur Undurchführbarkeit der Schiedsklausel selbst. Denn zwischen der Vereinbarung eines Schiedsverfahrens und derjenigen über die Bildung des Schiedsgerichts (§§ 1034 ff. ZPO) ist zu unterscheiden eine Verknüpfung dergestalt, dass die eine nur wirksam sein solle, wenn sich die andere ihrerseits als gültig oder durchführbar erweist, ist nicht ersichtlich. Die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung setzt auch nicht voraus, dass die Parteien sich über die Modalitäten der Schiedsrichterbestellung verständigen. Fehlt eine Abrede, greifen die gesetzlichen Bestimmungen. Gleiches gilt, wenn die Parteien zwar eine solche Abrede zu den Bestellungsmodalitäten getroffen haben, diese aber nicht zum Ergebnis führt (vgl. BGH vom 18.6.2014, III ZB 89/13 bei Rn. 10, nach juris = WM 2014, 1880). Mit dem Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz vom 22.12.1997 (BGBl I S. 3224) hat der Gesetzgeber vielmehr verdeutlicht, dass die Schiedsvereinbarung grundsätzlich unabhängig von der Wirksamkeit oder Durchführbarkeit der sonstigen vertraglichen Vereinbarungen der Parteien über die Bildung des Schiedsgerichts ist. Der Bundesgerichtshof hält deshalb in seiner aktuellen Rechtsprechung auch „defekte“ Klauseln wie etwa über die Bildung des Schiedsgerichts (vgl. § 1034 Abs. 2 ZPO; BGH SchiedsVZ 2007, 163) oder über die Zuständigkeit eines nicht existierenden (institutionellen) Schiedsgerichts (BGH NJW 2011, 2977) weitestgehend aufrecht. Dies gilt zumal dann, wenn das geltende Recht (vgl. § 1035 Abs. 3 bis 5 ZPO) – etwa durch gerichtliche Unterstützung – die Konstituierung eines Schiedsgerichts ermöglicht, das zur Durchführung des Verfahrens nach derzeitigem Kenntnisstand nicht ersichtlich und unzweifelhaft außerstande ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Schiedsvereinbarung aus sonstigen Gründen im Hinblick auf die beabsichtigte Schiedsklage unwirksam oder undurchführbar ist, die Schiedsfähigkeit (§ 1031 Abs. 1 ZPO) fehlt oder der Gegenstand des beabsichtigten Schiedsverfahrens der Schiedsvereinbarung nicht unterfallen würde (§ 1032 Abs. 2 ZPO), sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

13        3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Für den Streitwert ist ein Bruchteil (ein Drittel) des Werts der beabsichtigten Schiedsklage festzusetzen (§ 3 ZPO i.V.m. § 48 GKG).

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