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Wirtschaftsrecht
29.05.2015
Wirtschaftsrecht
OLG Frankfurt a. M.: Unlautere Werbung mit Spezialisierungshin-weisen eines Rechtsanwalts; missbräuchliche Mehrfachverfolgung

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 30.4.2015 – 6 U 3/14

Leitsätze

1. Der Vorwurf einer missbräuchlichen (§ 8 Abs. 4 UWG ) Mehrfachverfolgung bzw. Verfahrensspaltung lässt sich nicht allein damit begründen, dass zwei miteinander beruflich nicht verbundene Rechtsanwälte, vertreten durch denselben Prozessbevollmächtigten, in getrennten Verfahren gegen die als unlauter beanstandete Werbung eines weiteren Anwalts mit unterschiedlichen Unterlassungsanträgen vorgehen.

2. Die Werbeaussage eines Anwalts, er sei "spezialisierter Rechtsanwalt für Arbeitsrecht", ist irreführend, wenn dem Anwalt die Befugnis zur Führung des Titels "Fachanwalt für Arbeitsrecht" nicht verliehen worden ist und er auch nicht darlegen kann, sämtliche Voraussetzungen für die Verleihung dieser Befugnis zu erfüllen.

3. Sonstige Hinweise des Anwalts darauf, dass er sich auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisiert habe, können dagegen zulässig sein, wenn sie nach dem Gesamtzusammenhang vom angesprochenen Verkehr als Hinweis auf die schwerpunktmäßige Ausrichtung verstanden werden, ohne dass dies zwingend mit besonderen Kenntnissen einhergeht, die denen eines Fachanwalts entsprechen.

4. Ein in einer Anwaltskanzlei angestellter Rechtsanwalt ist für Wettbewerbsverstöße auf der Homepage der Kanzlei nur dann wettbewerbsrechtlich verantwortlich, wenn er bestimmenden Einfluss auf den Inhalt der Homepage hatte; die bloße Duldung dieses Inhalts reicht für die Passivlegitimation selbst dann nicht aus, wenn sich die wettbewerbswidrigen Aussagen auf die Person des angestellten Anwalts beziehen.

UWG § 4 Nr. 11 ; UWG § 5 ; UWG § 8 Abs. 4 ; 

Aus den Gründen

I.         

Die Parteien streiten über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit bestimmter Werbeaussagen auf den Internetseiten der Beklagten zu 1.

Hinsichtlich des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat die Beklagten verurteilt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr wörtlich damit zu werben,

(a) dass sie sich auf das Arbeitsrecht spezialisiert haben,

(b) dass sie eine spezialisierte Anwaltskanzlei für Arbeitsrecht sind,

(c) dass sie spezialisierte Rechtsanwälte für Arbeitsrecht sind oder

(d) dass sie über eine hohe fachliche Spezialisierung im Arbeitsrecht verfügen.

Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Gegen diese Beurteilung wenden sich die Beklagten mit der Berufung. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen. Dem Beklagten zu 2 ist während des laufenden Berufungsverfahrens am 02.09.2014 von der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main die Befugnis verliehen worden, die Bezeichnung Fachanwalt für Arbeitsrecht zu führen.

Der Senat hat den Kläger mit Verfügung vom 04.03.2015 auf Bedenken hinsichtlich der bisherigen Antragstellung und der darauf beruhenden Tenorierung im landgerichtlichen Urteil hingewiesen.

Die Beklagten beantragen,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Gießen vom 29.11.2013, Az. 3 O 152/13, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu 1 zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr wörtlich oder sinngemäß damit zu werben,

(a) dass sie sich auf das Arbeitsrecht spezialisiert haben, wie geschehen in Anlage K5, in Anlage K11, die in Anlage K12, in Anlage K14 und in Anlage K16,

(b) dass sie eine spezialisierte Anwaltskanzlei für Arbeitsrecht sind, wie geschehen in Anlage K11 und in Anlage K15,

(c) dass sie spezialisierte Rechtsanwältin für Arbeitsrecht sind, wie geschehen wie in Anlage K14, oder

(d) dass sie über eine hohe fachliche Spezialisierung im Arbeitsrecht verfügen, wie geschehen in Anlage K14, in Anlage K15 und in Anlage K16 geschehen,

in Verbindung mit den in der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2015 zu Protokoll gereichten Anlagen.

Hinsichtlich des Beklagten zu 2 hat der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat für erledigt erklärt. Der Beklagte zu 2 hat der Erledigung nicht zugestimmt.

Der Kläger beantragt hinsichtlich des Beklagten zu 2,

die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festzustellen.

Der Beklagte zu 2 beantragt,

auch insoweit die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Die in der Berufungsinstanz abgeänderten Unterlassungsanträge sind hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 II Nr. 2 ZPO . Sie enthalten jeweils eine abstrakte Umschreibung der verbotenen Kernaussage und nehmen auf die konkrete Verletzungsform Bezug. Der bloße Verweis auf die entsprechenden Anlagen wäre allerdings nicht ausreichend, weil es sich um längere Werbetexte handelt, in denen die im Antrag abstrakt umschriebenen Aussagen nicht wörtlich enthalten sind und damit unklar bliebe, welche konkreten Formulierungen angegriffen werden. In den in der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2015 überreichten Kopien der Anlagen hat der Kläger jedoch klargestellt, auf welche konkreten Aussagen sich der Antrag jeweils beziehen soll. Die zu unterlassende Verletzungshandlung ist damit hinreichend konkretisiert. Entgegen der Ansicht der Beklagten und des Landgerichts steht der Bestimmtheit des Antrags nicht entgegen, dass die Aussagen "wörtlich oder sinngemäß" verboten werden sollen. Mit der Formulierung "oder sinngemäß" wird lediglich klargestellt, dass sich die Verletzungsform auch auf im Kern gleichartige Verletzungshandlungen erstreckt (BGH GRUR 1977, 114, 115 - VUS).

2. Dem auf Feststellung der Erledigung gerichteten Klageantrag gegenüber dem Beklagten zu 2 konnte nicht entsprochen werden. Die gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Klage war - unabhängig von der späteren Verleihung des Fachanwaltstitels - von Anfang an unbegründet. Es fehlt an der Passivlegitimation.

a) Für einen Wettbewerbsverstoß als unerlaubte Handlung haftet nur, wer den Verstoß als Täter oder Teilnehmer mit verursacht hat. Die angegriffenen Werbeaussagen sind Bestandteil des Internetauftritts der Beklagten zu 1. Der Beklagte zu 2 ist Angestellter der Beklagten zu 1. Unstreitig wurde die Gestaltung der Internetseite allein von der Beklagten zu 1 vorgenommen. Für eine täterschaftliche Mitwirkung an den streitgegenständlichen Werbeaussagen genügt es nicht, dass der Beklagte zu 2 Informationen über seinen Werdegang zur Verfügung stellte und mit deren Veröffentlichung einverstanden war. Daraus lässt sich kein bestimmender Einfluss auf die hier streitgegenständlichen Formulierungen ableiten. Der Beklagte zu 2 ist deshalb nicht als Mittäter anzusehen. Es spielt keine Rolle, dass er den Beschränkungen des § 7 BORA auch persönlich unterliegt. Denn bei dem streitgegenständlichen Internetauftritt handelt es sich um Werbung für das Unternehmen der Beklagten zu 1.

b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann auch keine Verantwortlichkeit unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe gem. § 830 Abs. 2 BGB angenommen werden. Während der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch für den "Täter" verschuldensunabhängig ist, setzt die Gehilfenhaftung neben einer objektiven Beihilfehandlung zumindest einen bedingten Vorsatz in Bezug auf die Haupttat voraus, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss (BGH GRUR 2011, 1018Rn. 24 - Automobil-Onlinebörse; GRUR 2013, 301 Rn. 47 - Solarinitiative m.w.N.). Anwaltswerbungen mit Spezialisierungsbehauptungen sind in Literatur und Rechtsprechung hoch umstritten. Im Streitfall waren die Angaben jedenfalls nicht völlig aus der Luft gegriffen, weil beide Beklagte über erfolgreich abgeschlossene Fachanwaltslehrgänge im Arbeitsrecht verfügten. Bei dieser Sachlage kann ein Bewusstsein der Rechtswidrigkeit nicht unterstellt werden.

3. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1 gemäß §§ 8 I, III Nr. 1, 3, 5 I S. 2 Nr. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 7 II BORA einen Anspruch auf Unterlassung, wörtlich oder sinngemäß damit zu werben, dass sie eine spezialisierte Rechtsanwältin für Arbeitsrecht ist, wie geschehen in Anlage K14 (Antrag zu c). Der Kläger beanstandet in der Anlage K14 die Aussage: "Wir als spezialisierte Rechtsanwälte für Arbeitsrecht wissen auf was bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses geachtet werden muss ... (Bl. 257 d.A.)." Die Aussage verstößt gegen § 7 I, II der Berufsordnung für Rechtsanwälte ( BORA ) sowie gegen § 5 I S. 2 Nr. 1, Nr. 3 UWG .

a) Bei § 7 BORA handelt es sich um eine Konkretisierung der Werbebeschränkung des § 43b BRAO und damit um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG . Nach § 7 Abs. 1 BORA darf ein Rechtsanwalt unabhängig von Fachanwaltsbezeichnungen Teilbereiche der Berufstätigkeit nur benennen, wenn er seinen Angaben entsprechende Kenntnisse nachweisen kann, die er in der Ausbildung, durch Berufstätigkeit, Veröffentlichungen oder in sonstiger Weise erworben hat. Verwendet er qualifizierende Zusätze, muss er zusätzlich über entsprechende theoretische Kenntnisse verfügen und auf dem benannten Gebiet in erheblichem Umfang tätig gewesen sein. Nach § 7 Abs. 2 BORA sind die Angaben gemäß Absatz 1 dieser Bestimmung unzulässig, wenn sie die Gefahr einer Verwechslung mit Fachanwaltschaften begründen oder sonst irreführend sind. Die verwendeten Begriffe dürfen also für den angesprochenen Verkehr nicht mit der Bezeichnung "Fachanwalt für Arbeitsrecht" verwechselbar sein. Außerdem muss die Beklagte ihren Angaben entsprechende Kenntnisse nachweisen können. Dabei ist auf die Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Rechtsuchenden abzustellen, der sich bei der Wahl eines Rechtsanwalts an den qualifizierenden Zusätzen orientiert.

b) Die Angabe "Rechtsanwalt für Arbeitsrecht" bzw. "spezialisierter Rechtsanwalt für Arbeitsrecht" erzeugt bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine Verwechslungsgefahr mit dem "Fachanwalt für Arbeitsrecht" im Sinne des § 7 II BORA . Die Bezeichnung ist diesem Titel stark angenähert. Der Unterschied in der Vorsilbe ("Rechts-" anstatt "Fach-") wird von wesentlichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise überlesen oder jedenfalls als ein Synonym bzw. als eine gleichwertige Bezeichnung aufgefasst (vgl. im Ergebnis auch OLG Bamberg, BRAK-Mitt. 2009, 244).

c) Die Verwechslungsgefahr führt im Streitfall auch zu einer relevanten Fehlvorstellung. Nach der Rechtsprechung des BGH ist zu prüfen, ob die Fehlvorstellung auf objektiv richtigen Angaben beruht. Grundsätzlich können zwar auch objektiv richtige Angaben irreführend sein, wenn sie beim Verkehr, an den sie sich richten, gleichwohl zu einer falschen Erwartung führen. In einem solchen Fall ist jedoch für die Anwendung des § 5 UWG eine höhere Irreführungsquote als bei einer Täuschung mit objektiv unrichtigen Angaben erforderlich; außerdem ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Diese Grundsätze sind auch bei der Auslegung des § 7 Abs. 2 BORA anzuwenden (BGH Urt. v. 24.7.2014 - I ZR 53/13, Rn. 20 - Spezialist für Familienrecht). Bei der Interessenabwägung müssen die Bestimmungen des § 7 BRAO und des § 5 UWG verfassungskonform ausgelegt werden. Danach können die Hinweise auf die Spezialisierung - trotz Verwechslungsgefahr mit der Fachanwaltsbezeichnung - nicht verboten werden, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA vorliegen, der Anwalt also über entsprechende theoretische Kenntnisse verfügt und auf dem benannten Gebiet in erheblichem Umfang tätig gewesen ist, so dass seine Einschätzung, er sei ein Spezialist für das Gebiet, gerechtfertigt ist. Es ist also zu prüfen, ob die Beklagte über eine einer Fachanwältin für Arbeitsrecht gleichwertige Expertise verfügt (BGH aaO. Rn. 21, 25). Der Nachweis obliegt der Beklagten. Denn durch die Bezeichnung "spezialisierte Rechtsanwältin für Arbeitsrecht" nimmt sie für sich in Anspruch, zu einer entsprechenden Spitzengruppe der im Arbeitsrecht tätigen Anwälte zu gehören (BGH aaO. Rn. 27).

d) Diesen Beweis hat die Beklagte zu 1 nicht geführt. Unstreitig hat die Beklagte zu 1 den Fachanwaltslehrgang für Arbeitsrecht erfolgreich absolviert. Die erforderlichen theoretischen Kenntnisse für die Spezialisierungsbehauptung sind damit erfüllt. Es fehlt jedoch an einem entsprechenden Erfahrungsschatz. Der Beklagten zu 1 wurde der Fachanwaltstitel bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht verliehen. Die Voraussetzungen hierfür liegen auch nicht vor.

aa) Die Fachanwaltszulassung setzt neben einer dreijährigen Berufserfahrung eine bestimmte Anzahl bearbeiteter Mandate voraus. Nach dem im Internet frei zugänglichen Merkblatt des Fachausschusses "Arbeitsrecht" der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main setzt ein Antrag auf Führung der Bezeichnung Fachanwalt für Arbeitsrecht unter anderem den Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen im Arbeitsrecht voraus, die durch eine Fallliste nachzuweisen sind. Es müssen 100 Fälle nachgewiesen werden, die verschiedenen, in der Fachanwaltsordnung im Einzelnen aufgeführten Teilgebieten zugeordnet sein müssen. Mindestens die Hälfte der Fälle muss gerichts- oder rechtsförmlich sein. Die Fälle müssen in den letzten 36 Monaten vor Antragstellung bearbeitet worden sein.

bb) Diese Voraussetzungen hat die Beklagte zu 1 nicht im Einzelnen dargelegt. Die Beklagten haben behauptet, die Kanzlei der Beklagten zu 1 bearbeite monatlich in der Regel 8-10 neue Fälle ausschließlich im Arbeitsrecht. Der Kläger bestreitet, dass die Beklagten über ausreichend Mandate im Arbeitsrecht verfügen, um beide erfolgreich eine Fachanwaltschaft beantragen zu können. Dies räumen die Beklagten indirekt auch ein, indem sie darlegen, die (nicht gegebene) enge Spezialisierung auf ein einziges Rechtsgebiet setze nun einmal ein gewisses Mandatsvolumen voraus (Bl. 37 d.A.). Sie haben zum Beleg ihres Mandatsaufkommens erstinstanzlich die aus den Anlagen B4 und B5 und zweitinstanzlich wie aus der Anlage B1 ersichtlichen Falllisten vorgelegt. Dies ist nicht ausreichend. Die Falllisten ergeben 125 Fälle, die sich auf die Zeit von 2012 bis 2014 beziehen. Dies ist für zwei Rechtsanwälte zu wenig. Außerdem fehlt es an einer hinreichenden Aufschlüsselung zu den erforderlichen Teilrechtsgebieten und zu gerichts- oder rechtsförmlichen Verfahren. Nachdem dem Beklagten zu 2 inzwischen die Fachanwaltsbezeichnung verliehen wurde, ist daher nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten zu 1 davon auszugehen, dass sie die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

e) Es fehlt nicht an der Wiederholungsgefahr. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob die angegriffenen Werbeaussagen aktuell noch geschaltet sind oder zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch geschaltet waren. Die Wiederholungsgefahr wird vermutet, wenn eine wettbewerbswidrige Handlung begangen wurde. Sie kann durch die Änderung oder Abschaltung der Werbung nicht ausgeräumt werden, sondern nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Eine solche haben die Beklagten hinsichtlich der streitgegenständlichen Aussagen nicht abgegeben. Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten darauf, die Inhalte der früheren Auftritte, die mittels einer "waybackmaschine" rekonstruiert wurden, seien erstinstanzlich bestritten worden. Dies ist nicht ersichtlich (vgl. Bl. 35 d.A.). Die Beklagten reklamierten lediglich, dass die Aussagen zum Teil veraltet sind. Jedenfalls haben sie die tatbestandlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils nicht mittels Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen.

f) Die Ansprüche sind nicht verjährt. Soweit die Beklagte eine Kenntnis des Klägers von einem Teil der Verletzungshandlungen bereits am 27.11.2012 behauptet (vgl. Anlage B8, Bl. 91 d.A.), wurde die Verjährungsfrist durch die Erhebung der am 25.04.2013 bei Gericht eingegangenen Klage gehemmt. Insoweit kann auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen werden.

g) Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs gegenüber der Beklagten zu 1 ist schließlich auch nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 IV UWG . Die Beklagte zu 1 wurde wegen der Werbebehauptungen in ihrem Internetauftritt ebenso von einem anderen ... Rechtsanwalt vor dem Landgericht ... verklagt (Az. ...). Grundsätzlich ist eine Klage nicht deshalb missbräuchlich, weil gleichzeitig ein anderer Mitbewerber Klage bei dem gleichen Gericht erhoben hat. Dies gilt auch dann nicht wenn - wie im Streitfall - auf Klägerseite dieselben Prozessbevollmächtigten eingeschaltet wurden. Eine Mehrfachverfolgung ist lediglich dann missbräuchlich, wenn sie auf einem abgestimmten oder zentral koordinierten Verhalten beruht, für die kein vernünftiger Grund vorliegt und die Vervielfachung der Belastung und das Kostenrisiko beim Anspruchsgegner unangemessen sind (BGH GRUR 2000, 1089 , 1091 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung). Gegen ein abgestimmtes Verhalten spricht zunächst, dass die Klage in dem Parallelverfahren von einem anderen Rechtsanwalt eingelegt wurde. Erst zu einem späteren Zeitpunkt wurde das Parallelverfahren vom hiesigen Klägervertreter übernommen. Geschäftliche oder organisatorische Verbindungen, die für ein abgestimmtes Verhalten sprechen können, wurden nicht dargelegt. Die Kläger der beiden Parallelverfahren sind nicht in einer Sozietät oder dergleichen verbunden. Es fehlt an einer zentralen Steuerung, wie sie etwa eine Konzernspitze gegenüber ihren Tochtergesellschaften vornehmen kann. Der Umstand, dass die Kläger unstreitig miteinander befreundet sind und dass der hiesige Kläger den in dem Parallelverfahren klagenden Rechtsanwalt bereits am 27.11.2012, also vor Erhebung der beiden Klagen, Informationen über den Internetauftritt der Beklagten zukommen ließ (Bl. 46 d.A. und Anlage B8 = Anlage K1 im Parallelverfahren), genügt nicht. Denn damit haben sich die Kläger, die beide und unabhängig voneinander Mitbewerber der Beklagten sind, nicht ihrer Einflussmöglichkeiten auf das Betreiben und die Gestaltung ihrer Gerichtsverfahren begeben. Dies kommt zusätzlich dadurch zum Ausdruck, dass die Kläger beider Verfahren unterschiedliche Klageanträge verfolgen.

4. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1 keinen Anspruch auf Unterlassung, damit zu werben, dass sie sich auf das Arbeitsrecht spezialisiert hat (Antrag a). Insoweit bezieht sich der Kläger auf folgende Aussagen:

Anlage K5: "... ist Frau Rechtsanwältin X vorwiegend auf das Arbeits- und Wirtschaftsrecht sowie auf das Familienrecht spezialisiert."

Anlage K11: "Unsere Rechtsanwälte für Arbeitsrecht sind auf das Arbeitsrecht spezialisiert, verfügen über absolvierte Fachanwaltslehrgänge, stetige Weiterbildungen und über einschlägige Prozesserfahrung ...".

Anlage K12: "Frau X spezialisierte sich auf das Arbeitsrecht sowie ..."

Anlage K14: "Die X Rechtsanwaltskanzlei ist spezialisiert auf die bundesweite Beratung und Vertretung von Mandanten auf den Gebieten des Bildungsrecht, Verwaltungsrecht, Arbeitsrecht und Familienrecht."

Anlage K16: "Die Kanzlei X ... hat sich auf das Arbeitsrecht spezialisiert".

Die genannten Aussagen sind im Hinblick auf die Spezialisierung im Arbeitsrecht weder irreführend noch erzeugen sie eine Verwechslungsgefahr mit dem Fachanwaltstitel.

a) Nach der Rechtsprechung des BGH liegt es nahe, dass der Verkehr die nach Art eines Titels verwendeten Begriffe "Spezialist für ..." mit dem Begriff "Fachanwalt für ..." verwechselt. Der angesprochene Verkehr werde nicht erkennen, dass ein "Fachanwalt für Familienrecht" besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem betreffenden Rechtsgebiet in einem förmlichen Prüfungsverfahren bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer nachgewiesen hat, während die Verwendung des Begriffs "Spezialist für Familienrecht" nur auf einer Selbsteinschätzung des werbenden Anwalts beruht und eine Prüfung durch eine unabhängige Stelle, ob diese Selbsteinschätzung zutreffend ist, nicht stattgefunden hat (vgl. BGH Urt. v. 24.7.2014 - I ZR 53/13, Rn. 17, 25 - Spezialist für Familienrecht).

b) Soweit sich die genannten Aussagen auf die "Kanzlei X" beziehen, kann ein Verbot schon deshalb nicht (mehr) ausgesprochen werden, weil der in der Kanzlei angestellte Beklagte zu 2 inzwischen über den Fachanwaltstitel verfügt. Der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass die Aussage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Wiederholungsfalle noch irreführend wäre. Die angesprochenen Verkehrskreise gehen bei Spezialisierungsbehauptungen, die nicht auf einzelne Berufsträger, sondern auf die Kanzlei in ihrer Gesamtheit bezogen sind, nicht davon aus, dass alle Berufsträger über den Fachanwaltstitel verfügen.

c) In der Werbung der Beklagten wird der Begriff "Spezialist für Arbeitsrecht" außerdem nicht ausdrücklich verwendet. Die angegriffenen Werbeaussagen beschränken sich auf die Verbform "spezialisiert". Bei solchen Formulierungen wird der Hinweis auf die Spezialisierung nicht zwingend im Sinne eines Titels verstanden, wie dies bei einer Fachanwaltsbezeichnung ("Fachanwalt für ..." oder "Spezialist für ...") der Fall ist. Je nach Kontext kann der Begriff "spezialisiert" auch als Hinweis auf die schwerpunktmäßige Ausrichtung der Kanzlei verstanden werden, ohne dass dies zwingend mit besonderen Kenntnissen einhergeht, die jenen des Fachanwalts entsprechen. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Die streitgegenständlichen Formulierungen sprechen dafür, dass lediglich auf die schwerpunktmäßige Ausrichtung der Kanzlei hingewiesen werden soll. Dies wird besonders deutlich bei der Formulierung "vorwiegend auf das Arbeits- und Wirtschaftsrecht spezialisiert" (Anlagen K5). Die Spezialisierungsbehauptung ist auch nicht deshalb irreführend, weil die Kanzlei stets auch in anderen - teilweise wechselnden - Rechtsbereichen tätig war, wie zum Beispiel dem Familienrecht und dem Bildungsrecht. Denn auch darüber klären die streitgegenständlichen Werbetexte auf. Es kommt auch nicht darauf an, dass die arbeitsrechtliche Tätigkeit nach der Behauptung des Klägers nur einen Umfang von 20% ausmacht. Bei der unübersehbaren Vielfalt möglicher Rechtsgebiete kann die Konzentration von 1/5 der Arbeitskraft auf ein bestimmtes Rechtsgebiet durchaus für eine gewisse Schwerpunktsetzung sprechen.

d) Eine Verwechslungsgefahr mit dem Fachanwaltstitel besteht allerdings bei der Formulierung "Unsere Rechtsanwälte für Arbeitsrecht ..." (Anlage K11). Insoweit kann auf die Ausführungen unter 2. Bezug genommen werden. Die Beklagte zu 1 ist nach wie vor keine Fachanwältin für Arbeitsrecht. Die fragliche Aussage wird mit dem Antrag zu (a) jedoch lediglich unter dem Aspekt der Spezialisierung angegriffen, der nicht zu beanstanden ist.

5. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1 keinen Anspruch auf Unterlassung, damit zu werben, dass sie eine spezialisierte Anwaltskanzlei für Arbeitsrecht ist (Antrag b). Insoweit bezieht sich der Kläger auf folgende Aussagen:

Anlage K11: "Die X Rechtsanwaltskanzlei ist eine auf Arbeitsrecht, Bildungsrecht sowie Familienrecht spezialisierte Kanzlei".

Anlage K12: "Als spezialisierte Anwaltskanzlei für Arbeitsrecht ..."

Die genannten Aussagen sind jedenfalls jetzt nicht mehr zu beanstanden, nachdem der Beklagte zu 2 über den Titel "Fachanwalt für Arbeitsrecht" verfügt. Insoweit kann auf die Ausführungen unter 4. b) Bezug genommen werden.

6. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1 keinen Anspruch auf Unterlassung, damit zu werben, dass sie über eine hohe fachliche Spezialisierung im Arbeitsrecht verfügt (Antrag d). Insoweit bezieht sich der Kläger auf folgende Aussagen:

Anlage K11: "durch eine hohe fachliche Spezialisierung ...".

Anlage K13: "Sie können von uns eine hohe Spezialisierung in den von uns vertretenen Rechtsgebieten erwarten ...".

Anlage K15: "sollten sie sich kompetenten Fachrat von einem Rechtsanwalt für Arbeitsrecht einholen ..."

Anlage K16: "sollten sie sich kompetenten Fachrat von einem Rechtsanwalt, der sich auf das Gebiet der Arbeitsrechts spezialisiert hat, einholen ..."

Die genannten Aussagen sind jedenfalls jetzt nicht mehr zu beanstanden, nachdem der Beklagte zu 2 über den Titel "Fachanwalt für Arbeitsrecht" verfügt. Insoweit kann auf die Ausführungen unter 4. b) Bezug genommen werden. Die für den Fachanwaltstitel nachzuweisenden Kenntnisse und Fähigkeiten rechtfertigen die Behauptung einer "hohen Spezialisierung". Die Beklagte zu 1 suggeriert mit den genannten Aussagen nicht, persönlich Fachanwältin für Arbeitsrecht bzw. "Rechtsanwältin für Arbeitsrecht" zu sein.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 II, 100 ZPO . Der Senat bewertet das Teilunterliegen der Beklagten zu 1 hinsichtlich des Antrags zu (c) mit 1/8 des Gesamtstreitwerts, der sich auf beide Beklagte bezieht. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO .

IV. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO ) sind nicht erfüllt. Die Entscheidung beruht auf einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich vor dem Hintergrund dieser Umstände bei den in Rede stehenden Aussagen nicht.

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