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Wirtschaftsrecht
15.09.2016
Wirtschaftsrecht
OLG Koblenz: Rückzahlungsverlangen nach versehentlicher Fehlüberweisung von Honoraren

OLG Koblenz, Beschluss vom 9.3.2016 – 5 U 1056/15

Volltext: BB-Online BBL2016-2242-2

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

Für Rückzahlungsverlangen nach versehentlicher Fehlüberweisung von Honoraren können neben bereicherungsrechtlichen Ansprüchen auch solche wegen vertraglicher Pflichtverletzung in Betracht kommen.

Die Begründung einer Entreicherung durch die Behauptung von Mittelabflüssen, die vor den streitigen Zuflüssen liegen und daher nicht im Vertrauen auf deren Rechtsbeständigkeit erfolgt sein können, kann der Überzeugungskraft des Entreicherungseinwandes entgegenstehen.

Innerhalb eines Vertragsverhältnisses kann es geboten sein, eingehende Honorarzahlungen den zuvor erteilten Abrechnungen zuzuordnen, so dass sich das Disponieren über die eingehenden Gelder ohne jede Prüfung als Pflichtverletzung darstellt.

Sachverhalt

1. Der Beklagte ist niedergelassener Arzt. Er hatte gemeinsam mit anderen Ärzten zur Realisierung einer integrierten Versorgung gemäß §§ 140a, 140b SGB V einen Kooperationsvertrag mit der Klägerin abgeschlossen, um ärztliche Leistungen unter Aussparung der  Kassenärztlichen Vereinigung abzurechnen. Dazu waren den beteiligten Ärzten Identifikationsmerkmale  zugewiesen, unter deren Angabe sie ihre Rechnungen an die Klägerin adressierten. Diese nahm sodann mit den Krankenkassen Kontakt auf und überwies später - wiederum unter Nennung der  jeweiligen Identifikationsbezeichnungen - die entsprechenden Honorare an die Ärzte.

In der Zeit  vom 2.01. bis zum 25.09.2014  ließ die  Klägerin dem  Beklagten über die Honorierung der von dessen Seite gestellten Rechnungen hinaus insgesamt 29.238,98 € zu- kommen. Diese Leistung, die sich auf insgesamt zahlreiche Einzelzahlungen verteilte, betraf Rechnungen eines anderen ärztlichen Kooperationspartners der Klägerin und hätte ihm gelten sollen. Er hatte denselben Nachnamen wie der Beklagte, so dass man ihm versehentlich dessen Kontonummer zugeordnet hatte. Die Gutschriften gaben neben anderen Daten seine Identifikationsbezeichnung YYY zu erkennen, während der Beklagte die Identifikationsbezeichnung XXX hatte.

Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin den Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit auf die Rückgewähr von 29.238,98 € in Anspruch genommen. Der Beklagte hat eingewandt, das Geld in gutem Glauben empfangen zu haben und es im Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit der Gutschriften für Ausgaben verwandt zu  haben, die er andernfalls nicht getätigt hätte.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, indem es der Klägerin eine Kondiktionsforderung nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zuerkannt hat. Die Rechtsverteidigung des Beklagten hat es nicht für stichhaltig erachtet. Sie scheitere zwar nicht an einer Bösgläubigkeit, weil die Voraussetzungen des § 819 Abs. 1 BGB nicht feststellbar seien. Aber der Beklagte sei nach Lage der Dinge nicht entreichert. Zahlreiche der von ihm geltend gemachten Ausgaben seien nämlich schon vor dem Erhalt der streitigen Überweisungsbeträge getätigt worden, oder bewegten sich im Rahmen einer gewöhnlichen Lebensführung.

Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung und erstrebt die Abweisung der Klage, hilfsweise die Rückgabe des Rechtsstreits in die erste  Instanz. Er bringt vor, dass es seiner Lebensart gemäß sei, Einnahmen möglichst zu verbrauchen, und dass er ohne die streitigen Zahlungseingänge seinen Konsum in einem entsprechenden Umfang hätte reduzieren müssen. Das bestreitet die Klägerin. Ihrer Ansicht  nach ist der Entreicherungseinwand des Beklagten weithin ohne Substanz. Dessen Ausgaben stünden mit den hier in Rede stehenden Zuflüssen außer Zusammenhang.

2. Das angefochtene Urteil hat in seinem Ergebnis grundsätzlich Bestand. Eine Korrektur ist lediglich im Zinsausspruch angezeigt.

Aus den Gründen

Nach der Auffassung des Landgerichts  lassen sich die von der Klägerin erhobenen Ansprüche aus einer dauerhaften ungerechtfertigten Bereicherung herleiten. Dass sie vom Ansatz her auf § 812 Abs. 1 S. 1 BGB gestützt  werden können, stellt der Beklagte nicht in Frage. Einwände erhebt er lediglich mit Blick auf den Tatbestand des § 818 Abs. 3 BGB. Das Landgericht hat diese Rechtsverteidigung nicht anerkannt. Auch der Senat hat gegenüber ihrer Plausibilität durchschlagende Bedenken. Das gilt bereits im Hinblick darauf, dass der Beklagte eine Entreicherung teilweise aus einem seiner Natur nach weithin unverzichtbaren Aufwand wie namentlich Lebensmittelkäufen herzuleiten versucht und darüber hinaus auf investive Ausgaben verweist, die durchaus bleibenden Wert haben und deshalb nicht ohne weiteres  eine Vermögensminderung nach sich zogen. Zudem hat nach wie vor Gewicht, dass der Beklagte eine Entreicherung mit Mittelabflüssen zu begründen versucht, die zeitlich vor den streitigen Zuflüssen liegen und deshalb gar nicht im Vertrauen auf  deren Rechtsbeständigkeit stattgefunden haben können. Das erschüttert die Glaubhaftigkeit seines Vorbringens insgesamt. So gab es in den ersten vier Monaten des Jahres 2014 einen rechtsgrundlosen  Überweisungssaldo  von in der  Summe  7.498,13 €.  In dem selben  Zeitraum sollen Kosten von 13.381,03 € (Lebensmittel 3.547,30 €, Haushaltsbedarf 779,56 €, Urlaub 948,37 €, Lokalbesuche 429,40 €, Bekleidung 3.657,40 €, Zuwendungen an den Sohn der Ehefrau 2.500 €, Kamerazubehör 1.519 €) entstanden sein, die andernfalls nicht aufgelaufen wären.

Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen rechtfertigt sich die Inanspruchnahme des Beklagten auf Erstattung der geleisteten Zahlungen unter Schadensersatzgesichtspunkten (§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB), die eine bereicherungsrechtliche Haftung ergänzen (vgl. BGHZ 72, 9; OLG Zweibrücken NJW-RR 1997, 1546). Der Beklagte stand in einem Vertragsverhältnis zur Klägerin, das wechselseitige Sorgfaltspflichten begründete. In diesem Rahmen erstellte er jeweils unter Nennung des ihm zugeteilten Identifikationsmerkmals XXX Abrechnungen, um deren  Honorierung sich die Klägerin kümmern sollte. Anschließend oblag es ihm, den Abrechnungen die jeweiligen Geldeingänge von deren Seite zuzuordnen. Das entsprach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buchführung. Dadurch musste nicht nur die eigene Vermögenssituation festgehalten, sondern auch die die korrekte Abwicklung der Geschäftsbeziehung zur Klägerin sichergestellt werden, in der es im beiderseitigen Interesse auf Sicht keine offenen Positionen geben durfte.

Dem hat der Beklagte nicht genügt. Die Überweisungen, die er von der Klägerin von Januar bis September 2014 erhielt, ließen sich in dem streitgegenständlichen Umfang von 29.238,98 € nicht mit seinen Rechnungsstellungen vereinbaren. Nach den Rechnungsstellungen waren seinerzeit überhaupt nur fünf davon verschiedene Zahlungseingänge zu erwarten, die dann auch sachgerecht erfolgten. Im Übrigen gab es für die Leistungen der Klägerin keine auf seiner Seite korrespondierenden Positionen. Das traf sowohl mit Blick auf die bei den  Überweisungen  als Referenz  angeführten  Rechnungsnummern als auch für die daneben genannte Identifikationsbezeichnung zu. Diese Ungereimtheit musste um so mehr auffallen, als es um in der Summe nicht unbeträchtliche Beträge ging und insgesamt 27 Buchungen berührt waren.

Wenn das gleichwohl keinen Argwohn aufkommen ließ, sondern der Beklagte, wie er behauptet, meinte, ohne jede Prüfung  über die eingehenden Gelder disponieren zu können, begründet das einen Fahrlässigkeitsvorwurf. Dabei entlastet es den Beklagten nicht, dass er sich seiner Darstellung nach auf eine hinlängliche Sorgfalt seines Steuerberaterbüros verließ, dem er die Buchführung anvertraut habe. Dortige Nachlässigkeiten sind ihm gemäß § 278 BGB ebenso zuzurechnen, wie es etwaige Versäumnisse seiner Ehefrau wären, die er gemäß dem Vortrag der Klägerin als Sachwalterin eingesetzt hatte.

Wäre man mit der notwendigen Aufmerksamkeit vorgegangen, hätte man die Rechtsgrundlosigkeit des streitigen Zahlungsflusses erkannt. Das hätte von vornherein zur Rücküberweisung der Gelder an die Klägerin geführt oder jedenfalls eine Bösgläubigkeit begründet, die der Berufung auf den Entreicherungseinwand bereits im Ansatz entgegengestanden hätte (§ 819 Abs. 1 BGB). Das entzieht dessen jetziger Geltendmachung den Boden (§ 249 BGB).

Der nach alledem  gegebene Rückgewähranspruch der Klägerin von 29.238,98 € ist infolge der  mit Schreiben vom 30.09.2014 vorgenommenen Mahnung vom 25.10.2014 an verzugsbedingt zu verzinsen. Der insoweit maßgebliche Zinssatz beträgt 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 S. 2 BGB). Demgegenüber ist das Landgericht von einer Verzinsung von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ausgegangen, wie sie von § 288 Abs. 2 BGB für Entgeltforderungen vorgesehen ist. Um eine solche Forderung handelt es sich im vorliegenden Fall jedoch nicht.

Vor diesem Hintergrund sollte die Klägerin die Klage in dem überschießenden Zinsantrag zurücknehmen.  Umgekehrt  wird dem  Beklagten die Rücknahme seines  Rechtsmittels  im Übrigen gegen das danach verbleibende Urteil angeraten. Bis zum 11.04.2016 besteht Gelegenheit zur Stellungnahme und wechselseitigen Teilrücknahme.

 

 

 

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