R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Wirtschaftsrecht
01.06.2016
Wirtschaftsrecht
KG Berlin: Reichweite der dem Prokuristen gesetzlich eingeräumten Vertretungsmacht

KG Berlin, Beschluss vom 4.5.2016 – 22 W 128/15

Volltext: BB-Online BBL2016-1346-3

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

Die dem Prokuristen gesetzlich eingeräumte rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht reicht für die Anmeldung der Änderung der inländischen Geschäftsanschrift bei der Gesellschaft, für die die Prokura erteilt ist, nicht aus.

HGB § 12 Abs. 1 S. 2; HGB § 49 ; GmbHG § 8 Abs. 4 Nr. 1 ;

Sachverhalt

I.

Die Beteiligte ist seit dem 27. Juni 2013 in das Handelsregister B des Amtsgerichts eingetragen. Neben dem Geschäftsführer verfügt sie über zwei Prokuristen, die Herren F##### H### und J## K####. Sie dürfen die Beteiligte jeweils zu zweit oder mit einem Geschäftsführer vertreten. Eine Befreiung von den Beschränkungen von § 181 BGB ist erteilt. Der einzige Geschäftsführer der Beteiligten wohnt in Italien. Als Geschäftsanschrift ist derzeit die F########, ######, im Register vermerkt.

Mit einer notariell beglaubigten Erklärung vom 2. Oktober 2015 meldete der zum Prokuristen bestellte Herr H### die Änderung der Geschäftsanschrift zur Eintragung an. Die Geschäftsanschrift laute nunmehr: c/o Kanzlei M###. Der Wortlaut der Anmeldung enthält keinen Hinweis auf die Prokuristenstellung, es heißt vielmehr, dass die Anmeldung in der Eigenschaft als Geschäftsführer der Gesellschaft erfolgt.

Mit einem Schreiben vom 22. Oktober 2015 hat das Amtsgericht unter Berufung auf die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 7. August 2014 darauf hingewiesen, dass die Vertretungsmacht eines Prokuristen nicht die Anmeldung der Änderung der Geschäftsanschrift erfasse. Diese habe vielmehr durch den Geschäftsführer zu erfolgen, wofür eine Frist von sechs Wochen gesetzt werde. Gegen diese Verfügung hat der beurkundende Notar mit Schreiben vom 23. Oktober 2015 Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt, dass eine Anmeldung zwar durch einen rechtsgeschäftlichen Vertreter erfolgen könne, die durch die Prokura eingeräumte gesetzliche Vertretungsmacht hierfür aber wegen der großen Bedeutung der Änderung der Geschäftsanschrift nicht ausreiche.

Aus den Gründen

II.

A. Die als im Namen der Gesellschaft als Beteiligter eingelegte Beschwerde vom 23. Oktober 2015 ist nach § 58 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit § 382 Abs. 4 Satz 2 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Beteiligte ist durch die Ablehnung der sie betreffenden Änderung der Geschäftsanschrift auch selbst beschwert, so dass ihr die Beschwerdebefugnis nach § 59 FamFG zusteht. Die Form der Beschwerde nach § 64 Abs. 2 FamFG ist ebenso gewahrt wie die Frist nach § 63 Abs. 1 FamFG . Der Beschwerwert übersteigt wegen der Bedeutung der Eintragung in jedem Fall auch den Betrag von 600 EUR nach § 61 Abs. 1 FamFG .

B. In der Sache hat die Beschwerde aber keinen Erfolg.

1. Dies beruht allerdings nicht darauf, dass der Anmeldende H### in der Erklärung vom 2. Oktober 2015 behauptet, dass er der Geschäftsführer der Gesellschaft ist, obwohl er ausweislich der Registereintragungen lediglich Prokurist der Gesellschaft ist. Denn dies macht die Anmeldung nicht unwirksam.

2. Die Anmeldung war aber in jedem Fall schon deshalb zu beanstanden, weil der Prokurist H## gar nicht alleine handeln durfte. Die Befugnis zur Vertretung der Gesellschaft, auf die er sich auch gegenüber dem Registergericht im Rahmen der Anmeldung beruft, ist darauf beschränkt, dass er gemeinsam mit einem weiteren Prokuristen oder einem Geschäftsführer der Gesellschaft handelt. Das hat er nicht getan.

3. Das Amtsgericht hat aber auch zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Anmeldung auf der Grundlage der Vertretungsmacht eines Prokuristen zur Anmeldung der inländischen Geschäftsanschrift bei der Gesellschaft, die nach § 48 Abs. 1 HGB Inhaber des die Prokura betreffenden Handelsgeschäftes ist, nicht in Betracht kommt.

a) Die inländische Geschäftsanschrift ist nicht nur nach § 8 Abs. 4 Nr. 1 GmbHG bei der Erstanmeldung der Gesellschaft in deren Rahmen mitzuteilen. Es besteht nach § 31 Abs. 1 HGB auch die Verpflichtung eine spätere Änderung der inländischen Geschäftsanschrift zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Diese Regelung gilt dabei für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung entsprechend, weil diese nach § 13 Abs. 3 GmbHG Handelsgesellschaft ist, so dass auf sie nach § 6 Abs. 1 HGB die für den Kaufmann geltenden Vorschriften anzuwenden sind. § 31 HGB ist aber gerade eine einen Kaufmann betreffende Vorschrift (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 20. September 2013 - 12 W 40/13 -, juris, Rn. 9; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2011 - 11 W 4/11-, juris, Rn. 6).

b) Anzumelden hat die Änderung nach § 31 Abs. 1 HGB in Verbindung mit § 29 Abs. 1 HGB der Kaufmann, hier also der gesetzliche Vertreter der Beteiligten. Dies ist zunächst der Geschäftsführer. Allerdings kann eine Anmeldung auch durch einen rechtsgeschäftlichen Vertreter erfolgen. Dies folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 2 HGB , der die Form der entsprechenden Vollmacht vorschreibt. Der Prokurist ist gerade ein rechtsgeschäftlicher Vertreter, wobei sich der Umfang seiner Vertretungsmacht aus § 49 HGB ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 02. Dezember 1991 - II ZB 13/91 -, BGHZ 116, 190 -200, Rn. 5). Daraus folgt dann auch zugleich, dass der Nachweis des Umfangs der Vertretungsmacht nicht durch die Vorlage einer Vollmacht in der Form des § 12 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 HGB notwendig ist, sondern allein durch Hinweis auf die Registereintragungen geführt werden kann (vgl. Schmidt-Kessel/Müther, Handelsregisterrecht, 2009, § 12 Rn. 27).

c) Der dem Prokuristen gesetzlich eingeräumt Vertretungsumfang reicht aber nicht dazu aus, die Gesellschaft, für die die Prokura erteilt ist, im Rahmen einer Anmeldung nach § 31 Abs. 1 HGB wegen der Änderung der inländischen Geschäftsanschrift zu vertreten. Ob etwas anderes gilt, wenn der Prokurist bei einer Tochtergesellschaft tätig wird, muss hier nicht entschieden werden.

Der Prokurist ist von der Befugnis zur Anmeldung von Eintragungsumständen allerdings nicht generell ausgeschlossen, denn es bedarf keiner Spezialvollmacht, die eben gerade darauf gerichtet wäre, Vertretungsmacht zur Vertretung bei einer Anmeldung gegenüber dem Registergericht einzuräumen (vgl. BGH, Beschluss vom 02. Dezember 1991 - II ZB 13/91 -, BGHZ 116, 190 -200, Rn. 5). Es handelt sich bei der Anmeldung einer Änderung der inländischen Geschäftsanschrift auch nicht um eine höchstpersönliche Anmeldung, die generell einer rechtsgeschäftlichen Vertretung entgegen stünde (vgl. dazu Schmidt-Kessel/Leutner/Müther, aaO., Rn. 24). Voraussetzung ist aber, dass sich die Handlung im Rahmen der eingeräumten Vertretungsmacht hält.

Nach § 49 Abs. 1 HGB ist der Prokurist zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtshandlungen ermächtigt, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. Die Befugnis zur Vornahme von Rechtshandlungen vor Gericht, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt, muss dann aber auch grundsätzlich die Stellung von Verfahrensanträgen im Rahmen eines Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit einschließen (ebenso BGH, Beschluss vom 02. Dezember 1991 - II ZB 13/91 -, BGHZ 116, 190 -200, Rn. 5). Notwendig ist dann nur, dass der Betrieb eines Handelsgewerbes eine derartige Vertretung mit sich bringt. Dies ist von den sog. Grundlagengeschäften abzugrenzen, die gerade nicht den Betrieb des Handelsgewerbes betreffen, sondern seine Organisation.

Ob es sich bei der Anmeldung der Änderung der inländischen Geschäftsanschrift um eine Maßnahme handelt, die der Betrieb irgendeines Handelsgewerbes mit sich bringt, oder ob es sich um eine Organisationsmaßnahme handelt, die dadurch einem Zugriff des Prokuristen entzogen ist, ist umstritten (Betrieb: KG Berlin, Beschluss vom 20. September 2013 - 12 W 40/13 -, juris, Rn. 14; Organisation: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 7. August 2014, 11 Wx 17/14, juris, Rn. 4). So hat der bisher für die Registersachen zuständige 12. Zivilsenat des Kammergerichts die Auffassung vertreten, dass Umzüge häufiger vorkämen, gerade keine Verlegung des Gesellschaftssitzes vorläge, die Geschäftsanschrift frei wählbar sei und jedenfalls in dem von ihm zu entscheidenden Fall keine wesentliche Bedeutung gehabt habe, weil der Umzug innerhalb von Berlin erfolgt sei; auch der Gläubigerschutz verlange keine Anmeldung durch den Geschäftsführer (KG, 12. Zivilsenat, Beschluss vom 20. September 2013 - 12 W 40/13 -, juris, Rn. 9). Aus diesem Grund sei von einer ausreichenden Vertretungsmacht auszugehen. Demgegenüber hat das OLG Karlsruhe darauf hingewiesen, dass der inländischen Geschäftsanschrift eine weitreichende Bedeutung zukomme, weil über sie der Gesellschaft rechtsrelevante Handlungen vorgenommen werden könnten; die inländische Geschäftsanschrift habe damit eine dem satzungsmäßigen Sitz kaum abweichende Bedeutung. Sie sei von wesentlicher organisatorischer Bedeutung (vgl. Beschluss vom 7. August 2014, 11 Wx 17/14, juris, Rn. 4).

Der letzteren Auffassung ist zu folgen. Allerdings rechtfertigt der Gläubigerschutz nicht die Annahme, es handele sich um einen wesentlichen Umstand, so dass die Handlung nicht dem Betrieb eines Handelsgewerbes zugeordnet werden kann. Denn Gläubiger werden schon dadurch geschützt, dass das Gesetz vorteilhafte Rechtsfolgen daran knüpft, dass die im Handelsregister eingetragene Geschäftsanschrift unzutreffend ist. Nach § 15a Satz 1 HGB kann der Gesellschaft öffentlich zugestellt werden, wenn eine Zustellung unter der eingetragenen Anschrift nicht möglich ist. Ob die inländische Geschäftsanschrift wesentliche Bedeutung für die Gesellschaft hat, wofür in der Tat § 35 Abs. 2 Satz 3 GmbHG sprechen könnte, oder nicht, kann letztendlich dahinstehen. Es kommt allein auf die Frage an, ob die Wahl der inländischen Geschäftsanschrift bei irgendeinem Handelsgewerbe zum laufenden Geschäftsbetrieb gehört oder ob es dem Organisationsbereich zuzuordnen ist. Eine gesetzliche Zuweisung, die man etwa in der Zuweisung der Entscheidungsbefugnis an Gesellschafterversammlung oder Hauptversammlung finden könnte, fehlt. Auch aus der Tatsache, dass die Verpflichtung zur Anmeldung der inländischen Geschäftsanschrift zwangsgeldbewehrt ist (vgl. dazu Senat, Beschlüsse vom 8. März 2016, 22 W 49/15 und 22 W 10/16), lässt sich nicht schließen, dass eine Anmeldung durch einen rechtsgeschäftlichen Vertreter unzulässig wäre. Denn das Gesetz sieht auch in solchen Fällen keine Einschränkung der Möglichkeit der Vertretung bei der Anmeldung durch Vollmacht vor, § 12 Abs. 1 HGB . Der Wechsel der inländischen Geschäftsanschrift ist aber in jedem Fall der Organisation des Handelsgewerbes zuzurechnen. Dies folgt schon daraus, dass die Frage der inländischen Geschäftsanschrift früher uneingeschränkt mit der Frage nach dem Sitz der Gesellschaft verbunden war und erst durch die Abkehr der Notwendigkeit von Übereinstimmung von Satzungssitz und tatsächlichem Sitz durch Änderung des § 4a GmbHG durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 entfallen ist. Durch die Änderung sollte aber nicht die Wahl des tatsächlichen Sitzes als nunmehr dem laufenden Geschäftsbetrieb zugehörige Frage eingeordnet werden. Sie sollte den Gesellschaftern vielmehr mehr Gestaltungsmöglichkeiten einräumen, wie etwa die Möglichkeit den tatsächlichen Verwaltungssitz ins Ausland zu verlegen. Im Gegenzug ist die Verpflichtung zur Anmeldung und Eintragung einer inländischen Geschäftsanschrift eingeführt worden. Sitz und inländischer Geschäftsanschrift bleiben daher weiterhin Organisationsaspekte der Gestaltung des Unternehmens, auch wenn zur Änderung der Geschäftsanschrift keine Satzungsänderung nach § 53 Abs. 1 GmbHG erforderlich ist. Demnach kann es entgegen der Auffassung des 12. Zivilsenats auch nicht darauf ankommen, ob die inländische Geschäftsanschrift aufgrund einer Vielzahl von Umzügen häufig geändert werden muss. Denn hierdurch wird nichts über die Zuweisung zum Betrieb oder zur Organisation gesagt. Tatsächlich ist aber auch kein Handelsgewerbe denkbar, in dessen Rahmen die Verlegung des Ortes, an dem der Eingang und die Vornahme rechtsrelevanter Erklärungen zu erwarten ist, zu dem laufenden Betrieb gehört. Dann aber fehlt einem Prokuristen, der allein auf der Grundlage der ihm nach § 49 Abs. 1 HGB eingeräumten Vertretungsmacht vorgeht, eine ausreichende Befugnis zur Anmeldung.

4. Das Amtsgericht konnte die fehlende Anmeldebefugnis auch im Rahmen einer Zwischenverfügung nach § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG beanstanden. Denn die Anmeldung war danach nicht wirkungslos, sondern lediglich durch einen vollmachtlosen Vertreter erfolgt, die aber durch die tatsächlich Anmeldebefugten in der Form des § 12 Abs. 1 Satz 2 HGB genehmigt oder bestätigt werden kann.

Die Zwischenverfügung vom 22. Oktober 2015 ist insoweit auch nicht zu ergänzen. Die Möglichkeit der Genehmigung wird mit der Zwischenverfügung vom 22. Oktober 2015 zwar nicht aufgezeigt. Dort ist lediglich von einer Anmeldung durch den Geschäftsführer die Rede. In dem Nichtabhilfebeschluss wird aber die Frage einer nachträglichen Vollmacht, die dann als Genehmigung anzusehen wäre, angesprochen. Dies reicht aus.

C. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Die Verpflichtung der Beteiligten zur Tragung der im Beschwerdeverfahren Kosten sind von ihr schon nach dem Gesetz zu tragen.

D. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht. Dass diese Entscheidung von der des 12. Zivilsenats abweicht, rechtfertigt die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht. Dieser Senat ist im Kammergerichtsbezirk ausschließlich für die Handelsregistersachen zuständig.

stats