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Wirtschaftsrecht
11.01.2024
Wirtschaftsrecht
BGH: Prämiensparvertrag – Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts der Sparkasse

BGH, Urteil und Versäumnisurteil vom 14.11.2023 – XI ZR 88/23

ECLI:DE:BGH:2023:141123UXIZR88.23.0

Volltext: BB-Online BBL2024-66-4

unter www.betriebs-berater.de

Amtlicher Leitsatz

Bei einem Prämiensparvertrag, bei dem die Prämien auf die Sparbeiträge stufenweise bis zu einem bestimmten Sparjahr steigen, kann das Recht der Sparkasse zu einer ordentlichen Kündigung auch nach Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen sein, wenn die Vertragsurkunde eine darüberhinausgehende Vertragslaufzeit bestimmt und die Parteien insofern nicht über- einstimmend etwas anderes gewollt haben (Fortführung Senatsurteil vom 14. Mai 2019 – XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 [BB 2019, 2063]).

BGB § 700 Abs. 1

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt die Feststellung des Fortbestandes zweier mit der Beklagten geschlossener Sparverträge.

Am 25. Juli 1994 schloss der Vater der Klägerin mit der Beklagten einen Sparvertrag mit variabler Verzinsung. In dem Vertragsformular des "Prämiensparvertrag-flexibel" heißt es auszugsweise wie folgt:

"Der Sparer wird bis zum 1./15. jeden Monats/Kalendervierteljahres, beginnend am 01.07.94, Sparbeiträge von 100,00 DM auf das obengenannte Sparkonto einzahlen.

[…]

Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z. Zt. 3,50 % am Ende eines Kalenderjahres eine verzinsliche S Prämie gemäß der nachfolgenden Prämienstaffel auf die geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres […]

Die S Prämie beträgt nach

3 Jahren                  3%   

4 Jahren                  4%   

5 Jahren                  6%   

6 Jahren                   8%   

7 Jahren                  10%    

8 Jahren                  15%    

9 Jahren                  20%    

10 Jahren                25%    

11 Jahren                30%    

12 Jahren                35%    

13 Jahren                40%    

14 Jahren                45%    

ab dem 15. Jahr 50%"

Am 3. Juni 1996 schlossen die Eltern der Klägerin mit der Beklagten einen weiteren Sparvertrag mit variabler Verzinsung. In dem Vertragsformular "Prämiensparvertrag-flexibel" heißt es auszugsweise wie folgt:

"Der Sparer wird bis zum 1. jeden Monats, beginnend am 03.06.96, Sparbeiträge von 100,00 DM auf das obengenannte Sparkonto einzahlen.

 […]

Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z. Zt. 3,250 %, am Ende eines Kalender-/Sparjahres eine verzinsliche S Prämie gemäß der nachfolgenden Prämienstaffel auf die geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres […]

Die S Prämie beträgt nach

3 J             3,000%

4 J            4,000%

5 J             6,000%

6 J            8,000%

7 J             10,000%

8 J             15,000%

9 J             20,000%

10 J           25,000%

11 J          30,000%

12 J           35,000%

13 J           40,000%

14 J           45,000%

15 J           50,000%

16 J           50,000%

17 J          50,000%

18 J           50,000%

19 J           50,000%

20 J           50,000%

FJ              50,000%"

In beiden Antragsformularen findet sich ferner unter Ziffer 4.2 bzw. 5.2 folgender Hinweis:

"Die Sparkasse weist ausdrücklich darauf hin, daß ergänzend ihre derzeit geltenden Bedingungen für den Sparverkehr und ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Vertragsbestandteil sind. Die Bedingungen hängen/liegen in den Kassenräumen zur Einsichtnahme aus. Der Kontoinhaber erhält ein Exemplar dieser Bedingungen, sofern er es wünscht."

In den für beide Sparverträge maßgeblichen Bedingungen für den Sparverkehr heißt es unter anderem:

"4. Kündigung

Die Kündigungsfrist beträgt mindestens drei Monate. Von Spareinlagen mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten können - soweit nichts anderes vereinbart wird - ohne Kündigung bis zu 3.000,- DM für jedes Sparkonto innerhalb eines Kalendermonats zurückgefordert werden. Eine Auszahlung von Zinsen innerhalb zweier Monate nach Gutschrift gem. Nr. 3.3 wird hierauf nicht angerechnet."

Im Jahr 2012 verstarb der Vater der Klägerin und wurde von seiner Ehefrau beerbt. Daraufhin erteilte die Klägerin als Bevollmächtigte ihrer Mutter der Beklagten den Auftrag, die beiden Sparkonten auf deren Namen zu ändern. Die beiden von einem Mitarbeiter der Beklagten ausgedruckten und von der Klägerin namens ihrer Mutter am 5. November 2012 unterzeichneten Sparurkunden enthielten unter anderem folgende Klauseln:

"3. Festlegung Prämie

3.1 Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz am Ende eines Kalenderjahres eine verzinsliche Prämie auf die vertragsgemäß geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres. […]

3.2 Die am Ende des Vertrages aufgeführte Prämienstaffel ist für die gesamte Laufzeit des Vertrages fest vereinbart.

4. Vertragsdauer

Der Vertrag wird mit einer Laufzeit von 1188 Monaten abgeschlossen."

Im Jahr 2016 verstarb die Mutter der Klägerin, deren Alleinerbin sie war. Sie beauftragte die Beklagte, die beiden Sparkonten auf sie umzuschreiben. In den von der Klägerin am 5. Dezember 2016 unterschriebenen Vertragsurkunden "S-Prämiensparen flexibel" heißt es auszugsweise wie folgt:

"Vertragsbeginn ist der 25.07.1994

Ich beantrage die Eröffnung eines Sparkontos unter der oben genannten Bezeichnung zu folgenden Bedingungen:

1. Sparbeiträge

1.1 Der Sparer wird monatlich beginnend am 25.07.1994 Sparbeiträge von 52,00 EUR auf das o.g. Sparkonto einzahlen. […]"

bzw. wie folgt:

"Vertragsbeginn ist der 03.06.1996

Ich beantrage die Eröffnung eines Sparkontos unter der oben genannten Bezeichnung zu folgenden Bedingungen:

1. Sparbeiträge

1.1 Der Sparer wird monatlich beginnend am 03.06.1996 Sparbeiträge von 52,00 EUR auf das o.g. Sparkonto einzahlen. […]"

Im Übrigen enthalten beide Vertragsurkunden übereinstimmend folgende Angaben:

"3. Festlegung Prämie

3.1

Neben dem jeweils gültigen Zinssatz zahlt die Sparkasse auf die vertragsgemäß geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres jeweils am Ende eines Kalenderjahres eine verzinsliche Prämie. […]

3.2

Die in der Anlage zum Vertrag aufgeführte Prämienstaffel ist für die gesamte Laufzeit des Vertrages fest vereinbart.

4. Vertragsdauer

Der Vertrag ist mit einer Laufzeit von 1188 Monaten abgeschlossen.

 […]

7. Beendigung des Sparvertrages

7.1 Kündigung

Es gilt eine Kündigungsfrist von 3 Monaten.

7.2 Kündigungssperrfrist

Der Sparvertrag kann jederzeit - jedoch nicht vor Ablauf von --- Monaten nach Vertragsbeginn - gekündigt werden.

7.3 Verfügung nach Kündigung

Die Kündigung bewirkt, dass der Sparer innerhalb eines Monats nach Ablauf der Kündigungsfrist über den gekündigten Betrag verfügen kann. Macht der Sparer von diesem Recht ganz oder teilweise Gebrauch, wird der Sparvertrag damit insgesamt beendet. Wird innerhalb eines Monats nach Ablauf der Kündigungsfrist über den gekündigten Betrag nicht verfügt, so wird der Vertrag zu den ursprünglichen Bedingungen fortgesetzt.

 […]

14. Allgemeine Geschäftsbedingungen und besondere Bedingungen:

Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ergänzend unsere derzeit geltenden Bedingungen für den Sparverkehr sowie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkasse Vertragsbestandteil sind. Die Bedingungen können in den Geschäftsräumen eingesehen werden und werden auf Wunsch zur Verfügung gestellt."

Die in Ziffer 3.2 der Vertragsurkunden jeweils in Bezug genommene Anlage war diesen nicht beigefügt. Nr. 26 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthält folgende Regelung:

"(1) Ordentliche Kündigung

Soweit weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart sind, können der Kunde und bei Vorliegen eines sachgerechten Grundes auch die Sparkasse die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Kündigt die Sparkasse, so wird sie den berechtigten Belangen des Kunden angemessen Rechnung tragen, insbesondere nicht zur Unzeit kündigen."

Unter Hinweis auf die Niedrigzinsphase kündigte die Beklagte am 24. Juni 2019 die Sparverträge zum 3. bzw. zum 25. Oktober 2019.

Die Klägerin hat begehrt festzustellen, dass die Sparverträge nicht durch die Kündigungen der Beklagten vom 24. Juni 2019 beendet worden seien und somit fortbestünden. Mit ihrer Hilfswiderklage hat die Beklagte begehrt festzustellen, dass die Beklagte aus den Sparverträgen nicht zur Zahlung von Sparprämien verpflichtet sei. Das Amtsgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme und informatorischer Anhörung der Klägerin mit der Begründung abgewiesen, dass es nach deren Angaben an einem Rechtsbindungswillen der Parteien betreffend eine Laufzeit von 1188 Monaten gefehlt habe und die Kündigungen damit wirksam seien. Auf die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben und die Hilfswiderklage abgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Aus den Gründen

12        Die Revision hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Stattgabe der Klage richtet. Insoweit führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Entscheidung ergeht insoweit durch Versäumnisurteil, da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Ladung zum Termin nicht ordnungsgemäß vertreten war. Sie beruht aber inhaltlich auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 f.). Soweit die Revision das Berufungsurteil auch darüber hinaus angreift, ist sie nicht statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und daher gemäß § 552 ZPO als unzulässig zu verwerfen.    I.

 

13        Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

 

14        Die Sparverträge seien durch die Kündigungen der Beklagten nicht beendet worden. Der Beklagten habe kein Kündigungsrecht zugestanden. Die Parteien hätten in Ziffer 4 der streitgegenständlichen Verträge eine Laufzeit von 1188 Monaten vereinbart. Die gegenläufige Würdigung des Amtsgerichts finde keine Stütze in dessen getroffenen tatsächlichen Feststellungen, wie sie aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich seien. So habe die Klägerin dort auf informatorische Befragung angegeben, dass ihr bei Umschreibung der Verträge im Jahr 2016 auf dem vom Sparkassenmitarbeiter, dem Zeugen Z.      , ausgedruckten Vertragsformular die Laufzeit von 1188 Monaten aufgefallen sei und sie diesen ausdrücklich hierauf angesprochen habe; auf dessen Äußerung sei ihr klar gewesen, dass der Prämiensparvertrag 99 Jahre Gültigkeit habe. Der Zeuge Z.      habe hingegen angegeben, dass ihm die Laufzeit von 1188 Monaten nicht aufgefallen sei. Aufgrund dessen habe die Klägerin nach dem objektiven Empfängerhorizont von einem Vertragsangebot mit einer Laufzeit von 99 Jahren ausgehen dürfen, das sie mit Unterzeichnung der Vertragsformulare angenommen habe. Soweit sich die Beklagte auf eine vom Wortlaut der Vertragsurkunden abweichende Auslegung berufe, trage sie hierfür die Beweislast. Einer erneuten Einvernahme des Zeugen habe es bereits deshalb nicht bedurft, weil die Beklagte nicht vorgetragen habe, dass die Parteien übereinstimmend den Willen gehabt hätten, Ziffer 4 der Vertragsformulare hätte abweichend von seinem Wortsinn keine Geltung haben sollen. Es bleibe mithin nach dem Beklagtenvortrag offen, wie eine vom Vertragswortlaut abweichende Vereinbarung überhaupt habe zustande gekommen sein sollen.

 

15        Eine andere Vertragsauslegung sei auch nicht wegen des Umstands geboten, dass in den Vertragsurkunden aus dem Jahr 2016 als Vertragsbeginn jeweils der Zeitpunkt des ursprünglichen Vertragsabschlusses aufgenommen worden sei. Es sei möglich, dass von den Vertragsparteien mit der Rückdatierung nicht ausschließlich eine unveränderte Weiterführung der alten Verträge beabsichtigt gewesen sei, sondern hier dem Zweck gedient habe, Beginn und Ende der Verträge für die neu vereinbarte Vertragslaufzeit von 1188 Monaten konkret zu taxieren, um unter anderem auch Klarheit für die einzelnen Stufen der Prämienstaffel zu schaffen.

 

16        Aus Ziffer 7.2 der Verträge ergebe sich kein Kündigungsrecht der Beklagten. Wie aus der Fortführungsfiktion in Ziffer 7.3 folge, die andernfalls keinen Sinn ergäbe, sei in Ziffer 7 allein dem Sparer ein Kündigungsrecht eingeräumt.

 

17        Die Hilfswiderklage sei unbegründet. Den zwischen den Parteien im Zusammenhang mit dem Gläubigerwechsel auf die Klägerin geschlossenen Verträgen sei bei objektiver Auslegung der von der Beklagten gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zu entnehmen, dass Prämien nicht geschuldet sein sollten. In Ziffer 3.1 der Vertragsformulare verpflichte sich die Beklagte zur Zahlung einer verzinslichen Prämie, deren Höhe im Vertrag offenbleibe. Soweit in Ziffer 3.2 auf eine in der Anlage zu den beiden Verträgen aufgeführte Prämienstaffel Bezug genommen werde, die den Vertragsformularen unstreitig nicht beigefügt gewesen sei, ergebe sich hieraus nicht, dass entgegen dem eindeutigen Wortlaut von Ziffer 3.1 Prämien überhaupt nicht geschuldet sein sollten. II.

 

18        Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision teilweise nicht stand.

 

19        1. Die Revision ist nur insoweit zulässig, als sich das Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts über den mit der Klage geltend gemachten Feststellungsantrag wendet. Denn das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf die Frage der Beendigung der Sparverträge durch die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung vom 24. Juni 2019 beschränkt. Soweit die Revision das Berufungsurteil auch hinsichtlich der Entscheidung über die Hilfswiderklage der Beklagten angreift, ist das Rechtsmittel deshalb mangels Zulassung durch das Berufungsgericht als unzulässig zu verwerfen.

 

20        a) Das Berufungsgericht kann eine nach § 543 Abs. 2 ZPO auszusprechende Zulassung der Revision auf Teile des Streitstoffs beschränken. Die Beschränkung muss nicht im Tenor des Urteils angeordnet sein, sondern kann sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Allerdings muss sich in diesem Fall die Beschränkung den Entscheidungsgründen eindeutig entnehmen lassen. Das ist anzunehmen, wenn die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, bei mehreren Streitgegenständen nur für einen von ihnen erheblich ist, weil dann in der Angabe dieses Zulassungsgrundes regelmäßig die eindeutige Beschränkung der Zulassung auf diesen Anspruch zu sehen ist (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteile vom 4. März 2014 - XI ZR 178/12, BKR 2014, 245 Rn. 18 und vom 27. Februar 2018 - XI ZR 224/17, WM 2018, 737 Rn. 22, jeweils mwN). So verhält es sich hier.

 

21        Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Entscheidung einen Sachverhalt betreffe, der in einer Vielzahl von Fällen in der Praxis vorkomme, und ein Fall der Divergenz vorliege, weil es von einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg abweiche. Damit hat es die Revision allein auf die Frage der Beendigung der beiden Sparverträge aufgrund der am 24. Juni 2019 ausgesprochenen Kündigung beschränkt, weil die divergierende Entscheidung die allein hierfür maßgebliche Frage betrifft, ob durch die Angabe einer Vertragslaufzeit von 1188 Monaten in den beiden Vertragsformularen das Recht der Beklagten zur ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist.

 

22        Das Berufungsgericht hat auch nicht lediglich eine Begründung für die Zulassung der Revision nennen wollen, ohne weiter erkennbar zu machen, dass es die Zulassung auf den durch die Rechtsfrage betroffenen Teil des Streitstoffs habe beschränken wollen. Die mit der Hilfswiderklage begehrte Feststellung, dass die Beklagte nicht zur Prämienzahlung verpflichtet sei, hat aus der Sicht des Berufungsgerichts vielmehr einen von der Zulassungsfrage unabhängigen Teil des Streitstoffs dargestellt. Denn es hat der für die Prämienzahlung einschlägigen, für die Frage der Kündigung dagegen unerheblichen Ziffer 3 der Sparverträge entnommen, dass eine solche Verpflichtung der Beklagten bestehe und deshalb die Hilfswiderklage unbegründet sei.

 

23        b) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung der Revisionszulassung ist auch wirksam. Denn die Zulassung der Revision kann auf einen tatsächlich und rechtlich selbstständigen Teil des Streitstoffs beschränkt werden, welcher Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf den der Revisionskläger seine Revision beschränken könnte (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 4. März 2014 - XI ZR 178/12, BKR 2014, 245 Rn. 21 mwN). Insbesondere ist bei einer Entscheidung des Berufungsgerichts über Klage und Widerklage eine Beschränkung des Rechtsmittels auf die Entscheidung über die Klage und damit zugleich eine entsprechend beschränkte Revisionszulassung möglich (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - VIII ZR 96/09, NJW 2010, 3015 Rn. 21 mwN). Das gilt auch hier. Die Beklagte hätte ihr Rechtsmittel ohne Weiteres wirksam auf den der Klage zugrunde liegenden Feststellungsausspruch beschränken und die Abweisung ihrer auf einem anderen Streitgegenstand beruhenden und nach Auffassung des Berufungsgerichts von anderen materiell-rechtlichen Voraussetzungen abhängigen Widerklage hinnehmen können.

 

24        Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte die Widerklage nur hilfsweise für den Fall ihrer Verurteilung auf die Klage erhoben hat. Die prozessuale Abhängigkeit der Hilfswiderklage vom Erfolg der Klage hindert es nicht, ein Rechtsmittel wirksam auf den Ausspruch zur Klageforderung zu beschränken, selbst wenn eine Abweisung der Klage nachträglich zum Nichteintritt der für ein Wirksamwerden der Widerklage gestellten prozessualen Bedingung führt und eine über die Widerklage getroffene sachliche Entscheidung hinfällig wird (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - VIII ZR 96/09, NJW 2010, 3015 Rn. 22 mwN).

 

25        2. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie begründet.

 

26        a) Die Klageanträge sind auf die Feststellung des Fortbestandes der Sparverträge über den 3. bzw. 25. Oktober 2019 hinaus gerichtet und so verstanden auch zulässig.

 

27        Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann das Revisionsgericht die Würdigung prozessualer Erklärungen einer Partei uneingeschränkt nachprüfen und Erklärungen selbst auslegen (Senatsurteile vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 11 und vom 25. Juli 2023 - XI ZR 221/22, WM 2023, 1603 Rn. 18, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, jeweils mwN). Die Auslegung darf auch im Prozessrecht nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der Partei zu erforschen. Bei der Auslegung von Prozesserklärungen ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (Senatsurteile vom 16. Mai 2017, aaO und vom 25. Juli 2023, aaO, jeweils mwN).

 

28        Hiernach ist das Begehren der Klägerin allein auf die Feststellung des zwischen den Parteien streitigen Fortbestandes der Sparverträge über den 3. bzw. 25. Oktober 2019 hinaus gerichtet. Denn während der (Fort-)Bestand eines Vertrags der Feststellung nach § 256 Abs. 1 ZPO zugänglich ist, kann die Wirksamkeit einer Kündigungserklärung nicht Gegenstand einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO sein, weil es sich hierbei lediglich um eine Vorfrage über den Bestand eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses handelt (Senatsurteil vom 25. Juli 2023 - XI ZR 221/22, WM 2023, 1603 Rn. 19 mwN). Trotz der Bezugnahme auf die Kündigung der Beklagten vom 24. Juni 2019 ist das Klagebegehren bei verständiger Auslegung daher nicht auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungserklärung gerichtet, sondern dahin zu verstehen, dass Streitgegenstand der Feststellungsklage allein der Fortbestand der mit der Beklagten geschlossenen Sparverträge über den 3. bzw. 25. Oktober 2019 hinaus ist (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2023 - XI ZR 72/22, juris Rn. 16 mwN).

 

29        b) Verfahrensfehlerhaft ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, die Kündigungen der Sparverträge vom 24. Juni 2019 durch die Beklagte seien unwirksam und die Sparverträge bestünden fort.

 

30        aa) In zeitlicher Hinsicht ist auf die in den Jahren 1994 und 1996 abgeschlossenen Sparverträge gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB im Grundsatz das Bürgerliche Gesetzbuch in der am 1. Januar 2003 geltenden Fassung anzuwenden (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2019 - XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 22).

 

31        bb) Die Sparverträge unterliegen dem Recht der unregelmäßigen Verwahrung und damit § 700 BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung.

 

32        (1) Die Abgrenzung zu einem Darlehensvertrag (§§ 488 ff. BGB) hat anhand des vertraglichen Pflichtenprogramms zu erfolgen. Voraussetzung für einen unregelmäßigen Verwahrungsvertrag gemäß § 700 Abs. 1 Satz 1 BGB ist, dass vertretbare Sachen in der Art hinterlegt werden, dass das Eigentum auf den Verwahrer übergehen und dieser verpflichtet sein soll, Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzugewähren. Insoweit ist der unregelmäßige Verwahrungsvertrag im Grundsatz einseitig verpflichtend. Der Hinterleger geht keine Verpflichtung zur Hinterlegung ein; ihm kommt es in der Regel in erster Linie auf eine sichere Aufbewahrung der überlassenen Sache und daneben auf die jederzeitige Verfügbarkeit darüber an. Eine unregelmäßige Verwahrung scheidet daher aus, wenn der Sparer zur Erbringung der Spareinlage verpflichtet sein soll; denn die Verpflichtung, einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen, ist gemäß § 488 Abs. 1 Satz 1 BGB die vertragstypische Pflicht des Darlehensgebers bei einem Darlehensvertrag (Senatsurteile vom 14. Mai 2019 - XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 26 mwN und vom 25. Juli 2023 - XI ZR 221/22, WM 2023, 1603 Rn. 24).

 

33        (2) Nach diesen Maßgaben ist der Sparvertrag als unregelmäßiger Verwahrungsvertrag zu qualifizieren, weil sich die Klägerin gegenüber der Beklagten nicht zur Zahlung der monatlichen Sparbeiträge verpflichtet hat, wohingegen die Beklagte unter den Voraussetzungen von Nr. 4 der Bedingungen für den Sparverkehr zur Rückzahlung der Spareinlage verpflichtet ist.

 

34        Bei den Vertragsformularen handelt es sich um Vordrucke der Beklagten und damit um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die der Senat selbst auslegen kann (vgl. Senatsurteile vom 14. Mai 2019 - XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 28 mwN und vom 25. Juli 2023 - XI ZR 221/22, WM 2023, 1603 Rn. 26). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht gebildeten Durchschnittskunden so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Kreise verstanden werden (Senatsurteil vom 25. Juli 2023, aaO mwN).

 

35        Wie der Senat bereits für insofern vergleichbare Sparverträge entschieden hat, lässt sich dem Wortlaut der Vertragsantragsformulare keine Pflicht zur Zahlung des monatlichen Sparbeitrags entnehmen. Die Formulierung "Der Sparer wird … einzahlen." enthält eine solche Verpflichtung nicht, was sich daran zeigt, dass die Klägerin nach Nr. 4 der Bedingungen für den Sparverkehr umgehend die Rückzahlung der monatlichen Sparrate - weil unterhalb der Grenze von 3.000 DM liegend - verlangen könnte (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2019 - XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 29). Eine Verpflichtung des Sparers zur Erbringung der Sparbeiträge wäre auch nicht interessengerecht (Senatsurteil vom 14. Mai 2019, aaO Rn. 30). Dass mit Nr. 4 der Bedingungen für den Sparverkehr eine von § 700 Abs. 1 Satz 3, § 695 Satz 1 BGB abweichende Regelung für die Rückzahlung der Spareinlage getroffen worden ist, steht der Einordnung als unregelmäßiger Verwahrungsvertrag nicht entgegen (Senatsurteil vom 14. Mai 2019, aaO Rn. 31).

 

36        cc) Das Recht zur ordentlichen Kündigung aus Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen war nach den ursprünglichen Fassungen der Sparverträge aus den Jahren 1994 und 1996 zunächst bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen.

 

37        Die Sparverträge sind auf der Grundlage der vereinbarten Prämienstaffeln und der weiteren vertraglichen Bestimmungen, die der Senat als Allgemeine Geschäftsbedingungen selbst auslegen kann, dahin zu verstehen, dass dem Sparer das Recht zukommt, einseitig zu bestimmen, ob er bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe spart. Bis zu diesem Zeitpunkt ist für die Beklagte das ordentliche Kündigungsrecht nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen ausgeschlossen. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist das Recht der Sparkasse zur ordentlichen Kündigung nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen bei einem Prämiensparvertrag, bei dem die Prämien auf die Sparbeiträge stufenweise bis zu einem bestimmten Sparjahr steigen, auch dann (nur) bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen, wenn in der Vertragsurkunde die Sparprämie auch für Folgejahre ausdrücklich aufgeführt ist (Senatsurteil vom 17. Oktober 2023 - XI ZR 72/22, juris Rn. 30 ff.).

 

38        Diese Erwägungen gelten für die streitgegenständlichen Prämienstaffeln gleichermaßen. Die auf die jeweilige Jahressparleistung von der Beklagten gewährte jährliche Prämie steigt nach dem dritten Sparjahr bis zum Ablauf des 15. Sparjahres fortlaufend bis auf 50% an. Den dadurch gesetzten besonderen Sparanreiz darf die Beklagte nicht enttäuschen, indem sie der Klägerin den Anspruch auf Gewährung der Sparprämien vor Erreichen der Höchststufe durch eine ordentliche Kündigung entzieht. Dass in den Sparverträgen die nach dem 15. Sparjahr konstant bleibende Prämienstaffel - mit unterschiedlicher Formulierung - auch für Folgejahre aufgeführt ist, ändert hieran nichts.

 

39        dd) Allerdings kann vorliegend das Recht der Beklagten zur ordentlichen Kündigung auch nach Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen sein, wenn die Parteien eine darüberhinausgehende Vertragslaufzeit vereinbart haben.

 

40        (1) Der Wortlaut der Ziffer 4 der Verträge aus dem Jahr 2016 ist eindeutig. Danach beträgt die Laufzeit 1188 Monate, mithin 99 Jahre, und zwar ab den in den Vertragsurkunden eingangs aufgeführten Zeitpunkten "Vertragsbeginn ist der 25.07.1994" bzw. "Vertragsbeginn ist der 03.06.1996". Der rechtlich nicht gebildete Durchschnittskunde entnimmt dem ohne Weiteres die Bestimmung einer festen (Mindest-)Laufzeit. Bestärkt wird dieses Verständnis dadurch, dass die Klausel mit "Vertragsdauer" überschrieben ist und dies zudem unmittelbar an Ziffer 3.2 anschließt, wonach die Prämienstaffel "für die gesamte Laufzeit des Vertrags" fest vereinbart ist.

 

41        Entgegen der Ansicht der Revision (ebenso Herresthal, WuB 2022, 233, 238; Kalisz, WM 2022, 1957, 1960) ist die danach lange Laufzeit der Sparverträge, wie etwa der Vergleich mit Schuldverschreibungen zeigt, nicht so ungewöhnlich, dass der durchschnittliche Sparer hätte annehmen müssen, die Sparkasse wolle nicht auf ihr Kündigungsrecht für einen solchen Zeitraum verzichten (vgl. OLG Dresden, WM 2020, 1060 Rn. 42). Eine Vertragsdauer von 99 Jahren läuft entgegen vereinzelter Auffassung (Kalisz, WM 2022, 1957, 1960) nicht auf eine zeitlich unbegrenzte Sparmöglichkeit hinaus, die der Sparer nach der Rechtsprechung des Senats redlicherweise nicht erwarten kann (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2019 - XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 42). Dass die Laufzeitangabe nach dem Vorbringen der Beklagten lediglich technisch bedingt gewesen sein soll, weil aufgrund der Umstrukturierung ihres IT-Systems im Jahr 2008 unbefristete Verträge nicht als solche hätten verarbeitet werden können, weshalb sie mit der längstmöglichen Laufzeit eingestellt worden seien, ist für den durchschnittlichen Kunden, dem keine Kenntnisse der sparkasseninternen Datenverarbeitung unterstellt werden können, nicht ersichtlich (aA Herresthal, WuB 2022, 233, 238).

 

42        Aus dem Regelungszusammenhang mit den übrigen Vertragsklauseln folgt nichts Abweichendes. Das unter Ziffer 7.2 der Vertragsurkunden bestimmte jederzeitige Kündigungsrecht steht - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - nur dem Sparer, nicht aber der Sparkasse zu (aA Edelmann, WuB 2022, 285, 286; Kalisz, WM 2022, 1957, 1960). Dies wird bereits aus Ziffer 7.3 deutlich. Danach wird der Vertrag zu den ursprünglichen Bedingungen fortgesetzt, wenn der Sparer nicht innerhalb eines Monats nach Ablauf der Kündigungsfrist über den gekündigten Betrag verfügt, was auf den Fall einer Kündigung durch die Sparkasse nicht passt (vgl. OLG Dresden, WM 2020, 1060 Rn. 59; WM 2021, 1133, 1139; OLG Nürnberg, WM 2022, 665, 666).

 

43        (2) Das Berufungsgericht hat zu Recht die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass die Parteien übereinstimmend Ziffer 4 der Verträge aus dem Jahr 2016 abweichend von ihrem objektiven Sinn verstanden haben.

 

44        (a) Ansatzpunkt für die bei einer AGB-Klausel gebotene objektive, nicht am Willen der Vertragsparteien zu orientierende Auslegung ist in erster Linie ihr Wortlaut (Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 18 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Haben die Parteien der auszulegenden AGB-Klausel übereinstimmend eine von ihrem objektiven Sinn abweichende Bedeutung beigemessen, ist allerdings diese maßgebend. In diesem Zusammenhang sind auch individuelle Umstände des Vertragsschlusses zu berücksichtigen (BGH, Urteile vom 16. Juni 2009 - XI ZR 145/08, BGHZ 181, 278 Rn. 16, vom 20. Januar 2016 - VIII ZR 152/15, NJW-RR 2016, 526 Rn. 18 und vom 9. Mai 2023, aaO Rn. 19). Die Beweislast für ein solches übereinstimmendes Verständnis liegt bei der Partei, die sich auf den Vorrang der individuellen Auslegung beruft (Staudinger/Mäsch, BGB, Neubearb. 2022, § 305c Rn. 121; Schäfer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 13. Aufl., § 305c Rn. 84; vgl. zur Vertragsauslegung BGH, Urteile vom 13. November 2000 - II ZR 115/99, WM 2001, 169, vom 7. Februar 2002 - I ZR 304/99, BGHZ 150, 32, 38 und vom 2. Februar 2007 - V ZR 34/06, juris Rn. 14).

 

45        (b) Hiervon ist das Berufungsgericht auch ausgegangen. Die Revision wendet sich jedoch mit ihrer Verfahrensrüge mit Erfolg gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Parteien den Verträgen aus dem Jahr 2016 keine von ihrem objektiven Sinn abweichende Bedeutung beigemessen haben. Das Berufungsgericht hat diese Feststellung in verfahrensfehlerhafter Weise getroffen, indem es die Angaben der informatorisch angehörten Klägerin anders als das Amtsgericht gewürdigt hat, ohne diese selbst erneut anzuhören und die Zeugen zu vernehmen.

 

46        (aa) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszugs gebunden. Bei Zweifeln an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ist eine erneute Beweisaufnahme zwingend geboten. Insbesondere muss das Berufungsgericht einen bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen nochmals gemäß § 398 Abs. 1 ZPO vernehmen, wenn es dessen Aussage anders als die Vorinstanz verstehen oder würdigen will (BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 - XI ZR 420/10, juris Rn. 20 sowie Beschlüsse vom 17. September 2013 - XI ZR 394/12, NZG 2013, 1436 Rn. 10 und vom 21. Oktober 2020 - XII ZR 114/19, NJW-RR 2020, 1519 Rn. 6). Für die (formlose) Parteianhörung gilt nichts anderes. Auch von der Würdigung der Aussage einer Partei darf das Rechtsmittelgericht daher nicht abweichen, ohne die Partei erneut vernommen oder zumindest angehört zu haben (BVerfG, NJW 2017, 3218 Rn. 58; BGH, Beschluss vom 27. September 2017 - XII ZR 48/17, WM 2018, 53 Rn. 12).

 

47        (bb) Nach diesen Maßgaben hat das Berufungsgericht seine diesbezüglichen Feststellungen verfahrensfehlerhaft getroffen.

 

48        Das Amtsgericht hat seine Überzeugung, die Parteien hätten keinen Rechtsbindungswillen hinsichtlich einer Laufzeit von 1188 Monaten gehabt, maßgeblich auf die Angaben der Klägerin im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung gestützt. So habe diese selbst angegeben, dass ihr der Zeuge Z.       bei der Frage nach der in den Vertragsformularen angegebenen Laufzeit geantwortet habe, dass das so sein müsse. Das liege am IT-System. Für sie hätte das keine praktische Auswirkung.

 

49        Demgegenüber geht das Berufungsgericht bei seiner auf das amtsgerichtliche Protokoll gestützten Würdigung davon aus, dass die Würdigung des Amtsgerichts nicht durch die aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlichen Feststellungen gestützt sei. So habe die Klägerin dort angegeben, dass ihr aufgrund der Äußerung des Zeugen klar gewesen sei, dass der Prämiensparvertrag 99 Jahre Gültigkeit habe. Aus den protokollierten Angaben der Klägerin und des Zeugen Z.       hat es geschlossen, die Klägerin habe nach dem objektiven Empfängerhorizont von einem Vertragsangebot mit einer Laufzeit von 99 Jahren ausgehen dürfen, das sie mit Unterzeichnung der Vertragsformulare angenommen habe. Damit misst das Berufungsgericht den Angaben der Klägerin im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung in prozessual unzulässiger Weise einen anderen Sinngehalt bei. Seine abweichende Wertung durfte es nicht ohne erneute Anhörung der Klägerin seiner Entscheidung zugrunde legen.

 

50        Die vom Berufungsgericht für seine gegenteilige Ansicht angeführte Begründung, die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass "die Parteien hinsichtlich Laufzeit und Kündigung von den Vertragsurkunden inhaltlich abweichende Gespräche geführt hätten", trägt nicht. Diese ist jedenfalls widersprüchlich. Denn aus dem in der Berufungsentscheidung in Bezug genommenen Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils ergibt sich, dass die Beklagte vorgetragen hat, die Parteien hätten übereinstimmend keine Vertragsdauer gewollt und nur die bestehenden Verträge unter denselben Bedingungen umschreiben wollen.        III.

 

51        Das Berufungsurteil ist aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Insofern ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif, so dass sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht. Das Berufungsgericht wird im weiteren Verfahren zu bedenken haben, dass die beiden Sparverträge in den Jahren 1994 und 1996 auf unbestimmte Zeit geschlossen worden und nach Erreichen der höchsten Prämienstufe ordentlich kündbar waren, bereits im Jahr 2012 auf die Mutter der Klägerin in deren Vertretung umgeschrieben worden waren und in den neu ausgestellten Vertragsurkunden erstmals eine Vertragslaufzeit von 1188 Monaten bestimmt war, die in der erneuten Umschreibung der beiden Sparverträge auf die Klägerin im Jahr 2016 übernommen wurde.

 

52        Hinsichtlich der Entscheidung über die Hilfswiderklage ist die Revision der Beklagten als unzulässig zu verwerfen (§ 552 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Sofern das Berufungsgericht auf Grund erneuter Verhandlung und Entscheidung zu dem Ergebnis gelangen sollte, die Klage sei unbegründet, wird es seine Entscheidung über die Hilfswiderklage von Amts wegen zur Klarstellung aufheben müssen. Jener Entscheidung ist in diesem Fall die Grundlage entzogen, weil der Eintritt der Bedingung für die Hilfswiderklage der Beklagten nicht eingetreten ist (vgl. Senatsurteil vom 4. Februar 2014 - XI ZR 398/12, BKR 2014, 200 Rn. 24 mwN).          Rechtsbehelfsbelehrung:

 

53        Soweit die Entscheidung als Versäumnisurteil ergangen ist, steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

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