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Wirtschaftsrecht
03.09.2015
Wirtschaftsrecht
OLG Hamburg: Pflichtverletzung eines Insolvenzverwalters bei unabgestimmter Beendigung einer D&O-Versicherung des Geschäftsführers

OLG Hamburg, Beschluss vom 8.7.2015 – 11 U 313/13

Amtliche Leitsätze

1. Eine Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters kommt in Betracht, wenn dieser unabgestimmt und ankündigungslos die für den Geschäftsführer bestehende D&O-Versicherung beendet.

2. Die mit dem sog. Claims-Made-Prinzip verbundenen Nachteile in einer D&O-Versicherung stellen eine unangemessene Benachteiligung dar, wenn die regelmäßige dreijährige Nachmeldefrist für den Fall der Insolvenzantragstellung der Gesellschaft vollständig ausgeschlossen wird.

Sachverhalt

I.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Teilurteils Bezug genommen.

Nach der Zurücknahme der Berufung des Klägers gegen das der Widerklage des Beklagten teilweise stattgebende Teilurteil verfolgt der Beklagte mit der von ihm form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung nunmehr noch die auf Freistellung von dem mit der Klage gemäß § 64 Satz 1 GmbHG gegen ihn geltend gemachten Erstattungsanspruch gerichtete Drittwiderklage weiter.

Der Beklagte hält im Anschluss an sein erstinstanzliches Vorbringen daran fest, dass der Drittwiderbeklagte – der Kläger persönlich und insofern nicht als Partei kraft Amtes für die von ihm vertretene Schuldnerin – sich ihm gegenüber gemäß § 60 Abs. 1 InsO dadurch schadensersatzpflichtig gemacht habe, dass er die zu seinen, des Beklagten, Gunsten aufgrund einer entsprechenden Zusatzvereinbarung zu seinem Managementvertrag am 1. Juli 2008 zustande gekommene D&O-Versicherung nach der am 25. Mai 2010 über das Vermögen der Schuldnerin erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens im September 2010 beendet habe. In Ansehung dessen, dass der Kläger bereits in seinem Bericht an das Insolvenzgericht vom 4. August 2010 (Anlage BK 1) davon ausgegangen sei, dass die Schuldnerin schon im Mai 2008 zahlungsunfähig gewesen sei und mithin eine Antragsverschleppung von ca. 16 Monaten vorgelegen habe, habe es dem Kläger oblegen, den zu seinen, des Beklagten, Gunsten bestehenden Versicherungsschutz aufrechtzuerhalten. Unter anderem für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin habe der Versicherungsvertrag nämlich den Ausschluss der nach den Versicherungsbedingungen regelmäßigen dreijährigen Nachmeldefrist nach Ablauf des Versicherungsvertrags vorgesehen. Mit dieser Begründung habe, was als solches unstreitig ist, die Allianz Versicherungs-AG ihm, dem Beklagten, dementsprechend auch die Gewährung des Versicherungsschutzes verweigert, nachdem der Kläger ihn schließlich erst mit Schreiben vom 30. Dezember 2012 wegen der in der Zeit seit dem 30. Dezember 2008 auf einem debitorischen Konto der Schuldnerin in Höhe von € 2.729.934,93 eingegangenen Zahlungen auf Erstattung in Anspruch genommen habe.

Der Beklagte meint ferner, unbeschadet der aus seinem ungekündigt fortbestehenden Anstellungsvertrag auf den Kläger übergegangenen Verpflichtung zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes habe der Kläger ihn von der beabsichtigten Beendigung der D&O-Versicherung zumindest rechtzeitig in Kenntnis setzen müssen, um ihm hierdurch die Gelegenheit zu geben, sich innerhalb der Kündigungsfrist selbst um eine Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes, ggf. durch eigene Übernahme der Prämienzahlungen in jährlicher Höhe von € 5.239,12, kümmern zu können.

Der Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Teilurteils den Drittwiderbeklagten zu verurteilen, den Beklagten von dem mit dem Antrag zu Ziff. 1. der Klage vom 10.12.2012 geltend gemachten Anspruch i. H. v. € 2.729.934,93 nebst Zinsen i. H. v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2012 freizustellen.

Der Drittwiderbeklagte beantragt,

die Berufung des Drittwiderklägers zurückzuweisen.

Er hält die Drittwiderklage bereits für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. In Ansehung seines vom Landgericht zu Recht als unstreitig festgestellten erstinstanzlichen Vorbringens, der Beklagte habe ihm bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mitgeteilt, den Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt zu haben, habe für ihn, den Drittwiderbeklagten, keine Veranlassung bestanden, die D&O-Versicherung mit Mitteln der Insolvenzmasse weiter aufrechtzuerhalten, was mangels hinreichender liquider Mittel auch überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Im Übrigen fehle es unverändert an substanziiertem Vorbringen des insoweit darlegungspflichtigen Beklagten dazu, worauf die Beendigung des Haftpflichtversicherungsvertrags überhaupt zurückzuführen sei. Eine Pflichtverletzung gegenüber dem Beklagten wäre indes auch nicht dann anzunehmen, wenn der Vertrag durch ihn, den Drittwiderbeklagten, gekündigt worden wäre oder durch Einstellung der Prämienzahlungen geendet hätte. Die Wahrnehmung der Interessen des Beklagten als Geschäftsführer der Schuldnerin falle nicht in den Pflichtenkreis eines Insolvenzverwalters, der vielmehr lediglich den Interessen der Gemeinschaft der Insolvenzgläubiger verpflichtet sei. Insofern sei der Beklagte schon nicht Beteiligter im Sinne des § 60 Abs. 1 InsO.

Ohnehin fehle es hinsichtlich der ihm mit der Drittwiderklage vorgeworfenen Pflichtverletzung an der haftungsausfüllenden Kausalität für den Wegfall des zu Gunsten des Beklagten bestehenden Versicherungsschutzes. Die Nachmeldefrist habe vorliegend nämlich bereits mit der vom Beklagten verursachten verspäteten Insolvenzeröffnung geendet, ohne dass die Aufrechterhaltung der Versicherung darauf Auswirkungen gehabt hätte. Die Insolvenzreife stelle die Grenze für die von der D&O-Police erfasste Pflichtverletzung dar, insbesondere Haftungsansprüche wegen Insolvenzverschleppung aus der Verletzung der Antragspflicht nach § 15a InsO seien von der D&O-Deckung ohnehin nicht umfasst.

Aus den Gründen

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, da die Berufung nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

1. Soweit der Senat in seinem Hinweisbeschluss vom 8. Mai 2015 eine Zurückweisung der Berufung des Beklagten bereits wegen Bedenken an der Zulässigkeit der von dem Beklagten erhobenen Drittwiderklage erwogen hat, hält er im Hinblick auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. Mai 2003 (14 W 22/03 - NJOZ 2004, 1307 ff.) hieran nicht fest. In Ausübung des dem Senat gemäß § 145 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO insoweit eröffneten Ermessens besteht allerdings auch für eine Abtrennung der Drittwiderklage keine Veranlassung mehr, nachdem der Kläger seine gegen das angefochtene Teilurteil gerichtete Berufung zurückgenommen hat und insofern eine Sachentscheidung des Senats nunmehr lediglich noch über die – ihrerseits entscheidungsreife – Drittwiderklage des Beklagten zu treffen ist (vgl. OLG München, Urt. v. 12. Januar 2000 - 7 U 4183/99 -, OLGR München 2000, 279 f., juris Rn. 11).

2. Die Drittwiderklage des Beklagten ist indes unbegründet.

a) Der Begründetheit der Drittwiderklage steht es allerdings nicht schon entgegen, dass bis zur Entscheidung über den Bestand des mit der Klage gegen den Beklagten geltend gemachten Zahlungsanspruchs allenfalls einer auf die Feststellung der Ersatzpflicht des Drittwiderbeklagten gerichteten Feststellungsklage stattzugeben sein könnte (BGH, Urt. v. 16. November 2006 - I ZR 257/03 -, NJW 2007, 1809 ff., juris Rn. 20). Dem hätte ggf. auch noch im Berufungsverfahren im Wege der Teilabweisung der mit der Berufung weiterverfolgten Leistungsklage Rechnung getragen werden können.

b) Der Begründetheit der Drittwiderklage steht es darüber hinaus auch nicht entgegen, dass der Beklagte von vornherein nicht in den Kreis der von § 60 Abs. 1 InsO geschützten Beteiligten des Insolvenzverfahrens einbezogen ist. Nach Auffassung des Senats hat vielmehr der Insolvenzverwalter im Zusammenhang mit der ihm gemäß § 103 Abs. 1 InsO obliegenden Entscheidung auch über den Fortbestand von Versicherungsverträgen, die die Vermögensinteressen von Organen der Schuldnerin unmittelbar betreffen, deren Belange zumindest mit zu berücksichtigen und darf diese nicht durch die unabgestimmte und ankündigungslose Beendigung derartiger Versicherungen potenziell existenzgefährdenden Risiken aussetzen. Dies hätte es vorliegend zumindest erfordert, den Beklagten über die beabsichtigte Beendigung der zu seinen Gunsten bestehenden Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung in Kenntnis zu setzen und dem Beklagten hierdurch die Gelegenheit zu geben, den Versicherungsschutz ggf. mit eigenen Mitteln aufrechtzuerhalten.

Hierfür hätte auch nicht zuletzt mit Rücksicht auf die eigene Einschätzung des Drittwiderbeklagten in dessen Bericht vom 4. August 2010, „es dürfte eine Antragsverschleppung von ca. 16 Monaten“ vorliegen, und die sich hiernach erkennbar aufdrängende Möglichkeit einer persönlichen Inanspruchnahme des Beklagten Veranlassung bestanden. Die eigene Erklärung des Beklagten im Zusammenhang mit der am 25. Mai 2010 erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin, der am 18. März 2010 gestellte Insolvenzantrag sei „rechtzeitig“ erfolgt, ändert hieran nichts.

c) Die Drittwiderklage ist allerdings deshalb unbegründet, weil die dem Drittwiderbeklagten haftungsbegründend entgegen gehaltene Pflichtverletzung vorliegend nicht zu einem Schaden des Beklagten geführt hat.

Der Beklagte ist des ihm aufgrund der Vermögensschaden-Haftplichtversicherung zuteil gewordenen Versicherungsschutzes durch die von dem Drittwiderbeklagten zum 9. September 2010 vorgenommene Beendigung des Versicherungsvertrags nämlich nicht verlustig gegangen. Zwar sieht § 3 Ziffer 2.3 Satz 2 der Versicherungsbedingungen der zu Gunsten des Beklagten zustande gekommenen Vermögensschaden-Haftplichtversicherung für den vorliegenden Fall der Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin als Versicherungsnehmerin ausdrücklich einen Ausschluss der in § 3 Ziffer 2.3 Satz 1 der Versicherungsbedingungen vorgesehenen Nachmeldefrist von drei Jahren vor. Dieser vollständige Ausschluss einer Nachmeldefrist unter anderem für den Fall eines Insolvenzantrags ist jedoch unwirksam.

Der Senat folgt insoweit der Auffassung der Oberlandesgerichte München und Frankfurt, dass die mit dem vorliegend in § 1 Ziffer 2.2 der Versicherungsbedingungen zu Grunde gelegten sog. „Claims-Made-Prinzip“ verbundenen Nachteile nur dann keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB darstellen und mithin nicht zur Unwirksamkeit entsprechender Versicherungsbedingungen führen, sofern sie unter anderem durch eine Nachhaftungsregelung kompensiert werden (OLG München, Urt. v. 8. Mai 2009 - 25 U 5136/08 -, VersR 2009, 1066 ff., juris Rn. 29 ff., 33; OLG Frankfurt, Urt. v. 5. Dezember 2012 - 7 U 73/11 -, RuS 2013, 329 ff., juris Rn. 63; Prölss/Martin/Voit, VVG, 29. Aufl. 2015, AVB-AVG Ziff. 2 Rn. 1d). Gemessen hieran ist der vollständige Ausschluss einer Nachmeldefrist gerade für den für die Organe einer Kapitalgesellschaft regelmäßig mit erheblichen Haftungsrisiken verbundenen Fall der Insolvenzantragstellung nicht wirksam.

Mangels eines infolge der haftungsbegründend geltend gemachten Pflichtverletzung zum Nachteil des Beklagten eingetretenen Schadens besteht der gegen den Drittwiderbeklagten insoweit als Freistellungsanspruch verfolgte Schadensersatzanspruch deshalb rechtlich nicht.

3. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren berücksichtigt den Wert des mit der Berufung in Höhe des gegen den Beklagten geltend gemachten Zahlungsanspruchs weiterverfolgten Befreiungsanspruchs zuzüglich des Wertes der Widerklage, den der Senat nach dem ihm insoweit gemäß §§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO eröffneten freien Ermessen mit weiteren € 10.000,00 annimmt.

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