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Wirtschaftsrecht
30.11.2023
Wirtschaftsrecht
KG: Nichtanwendbarkeit von § 16 Abs. 3 S. 4 GmbHG

KG, Beschluss vom 28.6.2023 – 23 U 41/23

ECLI:DE:KG:2023:0628.23U41.23.00

Volltext: BB-Online BBL2023-2818-4

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Amtlicher Leitsatz)

Im Fall einer Einziehung und Aufstockung ist § 16 Abs. 3 Satz 4 GmbHG nicht anwendbar.

§ 16 Abs 3 S 4 GmbHG

Aus den Gründen

Das Landgericht hat zutreffend den Antrag abgewiesen. Dem Verfügungskläger steht ein Anspruch auf Zuordnung eines Widerspruchs gem. § 16 Abs.3 S.4 GmbHG nicht zu.

Am 14.1.2020 sind die Einziehung der Geschäftsanteile des Verfügungsklägers und die Aufstockung der verbleibenden Geschäftsanteile beschlossen worden (Anlage AG 4). Sollte sich die Einziehung als unwirksam erweisen, wäre die aktuelle Gesellschafterliste unrichtig, da sie den Anteil des Verfügungsklägers nicht mehr berücksichtigt.

Der Widerspruch nach § 16 Abs. 3 S. 4 soll den berechtigten Inhaber eines Geschäftsanteils vor dem gutgläubigen Erwerb durch einen Dritten von einem Nichtberechtigten schützen. Voraussetzung für einen Anspruch auf Eintragung ist mithin die theoretische Gefahr eines solchen gutgläubigen Erwerbs. Auch wenn nach § 16 Abs. 3 S. 5 GmbHG keine konkrete Gefahr bestehen, d.h. nicht der Erwerb durch einen gutgläubigen Dritten bevorstehen muss, sieht das Gesetz den Widerspruch nur dann vor, wenn ein gutgläubiger Erwerb grundsätzlich in Betracht kommt.

Das ist hier aber zu verneinen. Infolge des Einziehungsbeschlusses vom 14.1.2020 ist der Geschäftsanteil des Verfügungsklägers aus der Gesellschafterliste entfernt worden. Denn die wirksame Einziehung führt zum Untergang des betroffenen Geschäftsanteils. Dem Anteil wird nicht ein anderer Inhaber zugewiesen, sondern er hört auf zu existieren. Da er in der Gesellschafterliste nicht mehr ausgewiesen ist, gibt es keinen anhand der Liste gutgläubig zu erwerbenden Anteil und damit kein Bezugsobjekt für den Widerspruch (vgl. LG Cottbus, Urteil vom 1.2.2018 – 11 O 73/17 – Rn. 36 f; Noack/Servatius/Haas/Servatius, 23. Aufl. 2022, GmbHG § 16 Rn. 28, 41; Fluck, GmbHR 2017, 67, 70). Durch eine Veräußerung der Anteile der verbleibenden Gesellschafter würde der – im Fall einer unwirksamen Einziehung fortbestehende – Anteil des Verfügungsklägers unbeeinträchtigt bleiben.

Hingegen wäre ein Widerspruch zuzulassen, wenn man davon ausginge, dass die in die Gesellschafterliste eingetragene Aufstockung dazu führte, dass der Anteil des Verfügungsklägers sozusagen auf die übrigen Geschäftsanteile verteilt worden sei und mit diesen nun anteilig gutgläubig erworben werden könnte. Diese Auffassung vertritt wohl der Verfügungskläger. Der Senat schließt sich dem nicht an. Der Beschluss über die Aufstockung führt nicht zu einer Rechtsänderung, sondern bewirkt lediglich die Korrektur der zuvor als Rechtsfolge der (wirksamen) Einziehung kraft Gesetzes eingetretenen Veränderung der Beteiligung am Stammkapital (vgl. MüKoGmbHG/Strohn, 4. Aufl. 2022, GmbHG § 34 Rn. 71). Der Aufstockungsbeschluss und die Änderung der Gesellschafterliste haben nur deklaratorische Bedeutung. Die Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses hängt nicht davon ab, dass gleichzeitig eine Anpassung der Nennbeträge erfolgt (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 2.12.2014 – II ZR 322/13 – Rn. 17 ff; str. s. MüKoGmbHG/Strohn a.a.O. zum Meinungsstand). Die Legitimation der verbleibenden Gesellschafter an ihren Anteilen besteht vor und nach Einziehung und Aufstockung gleichermaßen fort.

Erweist sich die Einziehung als unwirksam, werden die verbleibenden Gesellschafter nicht im Umfang des aufgestockten Anteils zu Nichtberechtigten. Die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste bezieht sich dann nicht auf die Berechtigung der verbleibenden Gesellschafter, sondern auf den Nennwert ihrer Anteile. Diese Angabe wird nicht von dem Gutglaubensschutz umfasst, der sich nur auf die Verfügungsbefugnis erstreckt (BT-Drucks. 354/07, S. 88). Der Nennbetrag kennzeichnet mit dem Maß der Beteiligung (vgl. Scheller in: Scholz, GmbHG, § 3 Rn. 52) etwas gänzlich anderes.

Der Senat verkennt nicht, dass für einen Erwerber der Nennwert des Anteils durchaus von Bedeutung ist, da er maßgeblich den Umfang der Rechte und Pflichten des Gesellschafters bestimmt wie etwa den seiner Beteiligung am Jahresergebnis, § 29 Abs. 3 GmbHG, und seines Stimmrechts, § 47 Abs. 2 GmbHG. In dem von dem Verfügungskläger angeführten Fall, in dem ein Dritter 100 % der verbleibenden Anteile erwirbt, kann es mithin passieren, dass der Erwerber sich einem weiteren, aus der aktuellen Gesellschafterliste nicht erkennbaren Mitgesellschafter gegenübersieht. Das ist aber hinzunehmen, denn die mit § 16 Abs. 3 durch das MoMiG erstmals eröffnete Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs ist als Ausnahmetatbestand eng auszulegen und auf die Fälle zu begrenzen, die der Gesetzgeber im Blick hatte, nämlich die der fehlenden Verfügungsbefugnis. Der Erwerber ist gegenüber dem vorgenannten Risiko auch nicht schutzlos gestellt, da der Wegfall eines Geschäftsanteils aus der aktuellen Liste erkennbar ist und sich deren Grund aus der Historie der Gesellschafterlisten nachvollziehen lässt. Durch Nachfrage bei der Gesellschaft lässt sich auch ohne weiteres klären, ob die Einziehung angegriffen worden ist oder nicht. Die Eröffnung eines gutgläubigen Erwerbs im Umfang des § 16 Abs. 3 GmbHG vermag den Erwerber nicht gänzlich von Nachforschungen freizustellen, um Sicherheit über Bestand und Umfang des zu erwerbenden Geschäftsanteils zu erlangen (so bereits Schickerling/Blunk GmbHR 2009, 337, 342). So ist auch unstreitig, dass die Eintragung nicht den gutgläubigen Erwerb eines tatsächlich nicht existierenden Anteils (BT-Drucks. 354/07, S. 88; Vossius DB 2007, 2299, 2300; Henssler/Strohn GesR/Verse, 5. Aufl. 2021, GmbHG § 16 Rn. 55) oder dessen Lastenfreiheit gewährleistet (statt vieler: Seibt in: Scholz, GmbHG, 13. Aufl. 2022, § 16, Rn. 73).

Schließlich hilft auch die weithin befürwortete Erstreckung des Gutglaubensschutzes auf die Stückelung der Anteile (vgl. dazu Seibt a.a.O., § 16 GmbHG, Rn. 71; Verse a.a.O., § 16 GmbHG Rn. 56 f) hier nicht weiter. Mit ihr soll Problemen begegnet werden, die sich bei einer Divergenz zwischen der tatsächlichen Stückelung und der in der Liste eingetragenen bei einer Übertragung ergeben. Überträgt ein Gesellschafter einen von zwei Anteilen mit einem Nennwert von jeweils 250 € laut Gesellschafterliste, obwohl er tatsächlich nur einen Anteil zu 500 € hält, ergeben sich für die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts Probleme aus dem Bestimmtheitsgrundsatz. Es werden mithin Fälle erfasst, in denen der Berechtigte etwas überträgt, was er zwar innehat, aber nicht in der Form, in der es Gegenstand der Übertragung ist. Dieser Fall ist aber nicht vergleichbar mit dem der Übertragung eines Geschäftsanteils nach (unwirksamer) Einziehung eines anderen Anteils. Überträgt einer der verbleibenden Gesellschafter seinen Anteil, ist er gerade nicht in dem aus der Liste ersichtliche Umfang am Stammkapital beteiligt. Derartige Defizite des erworbenen Anteils soll § 16 Abs. 3 S. 1 GmbHG jedoch nicht überbrücken. Entsprechend lehnen auch diejenigen, die einen gutgläubigen Erwerb von Anteilen befürworten, die in der gestückelten Form tatsächlich nicht existieren, dies ab, wenn der Berechtigte Anteile zu einem höheren Nennwert überträgt, als ihm tatsächlich zustehen (vgl. Seibt a.a.O., § 16 GmbHG, Rn. 72; Böttcher / Blasche, NZG 2007, 565, 567; MüKoGmbHG/Heidinger, 4. Aufl. 2022, GmbHG § 16 Rn. 353; Verse a.a.O., § 16 GmbHG, Rn. 57).

Soweit der Senat in seinem Beschluss 24.8.2015 (23 U 20/15, Rn. 2) und seinem Urteil vom 10.12.2015 (23 U 99/15, Rn. 16) die Eintragung eines Widerspruchs zum Schutz des betroffenen Gesellschafters bei Einziehung erwogen hat, hält er hieran nicht fest.

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