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Wirtschaftsrecht
29.11.2012
Wirtschaftsrecht
BGH: Kein Schadensersatz für Lehman-Anleger

BGH, Urteil vom 16.10.2012 - XI ZR 367/11


Leitsätze (der Redaktion)


1. Bei einem Festpreisgeschäft muss die beratende Bank den Kunden auf der Grundlage der insoweit gebotenen typisierenden Betrachtungsweise weder über ihre Gewinnmarge noch darüber aufklären, dass der Zertifikaterwerb im Wege eines Eigengeschäfts erfolgt.


2. Für den Fall, dass dem Zertifikaterwerb ein Kommissionsvertrag zwischen dem Anleger und der Bank zugrunde liegt, besteht jedenfalls keine Aufklärungspflicht der Bank über eine allein von der Emittentin an sie gezahlte Vergütung. Eine solche Aufklärungspflicht ergibt sich insbesondere nicht aus den Rechtsprechungsgrundsätzen zu Rückvergütungen.




Sachverhalt


Die Klägerin, die als ausgebildete Bankkauffrau berufstätig war, nimmt die beklagte Bank - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten der inzwischen insolventen Lehman Brothers Treasury Co. B.V. in Anspruch.


Die Klägerin unterhält seit vielen Jahren bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin (nachfolgend: Beklagte) ein Wertpapierdepot, über das sie zahlreiche Wertpapiergeschäfte tätigte. Aufgrund eines im Februar 2007 mit einem Mitarbeiter der Beklagten geführten telefonischen Beratungsgesprächs, dessen Inhalt im Einzelnen streitig ist, erwarb die Klägerin gemäß Wertpapierabrechnung vom 6.2.2007 für insgesamt 20.000 Euro 20 "G. "Zertifikate der Lehman Brothers Treasury Co. B.V. (nachfolgend: Emittentin) zu einem dem Nennwert entsprechenden Stückpreis von jeweils 1.000 Euro im Wege des Festpreisgeschäfts. Die Beklagte erhielt von der Emittentin eine „Zuwendung" von 3,5 % des Nennbetrags der Zertifikate, die sie der Klägerin nicht offenbarte.


Die Klägerin erhielt am 13.5.2008 von der Emittentin eine Bonuszahlung i. H. v. 1.750 Euro. Im September 2008 wurde die US-amerikanische Muttergesellschaft der Emittentin, die Investmentbank Lehman Brothers Holdings Inc., die für die Rückzahlung der Anleihe eine Garantie übernommen hatte, insolvent. Dies zog die Insolvenz der Emittentin nach sich, so dass die Zertifikate weitgehend wertlos wurden.


Darüber hinaus hatte die Klägerin aufgrund eines weiteren telefonischen Beratungsgesprächs im Juli 2007 von der Beklagten 180 Stück des von dieser selbst emittierten D. Zertifikats für insgesamt 17.793 Euro erworben.


Mit ihrer Klage hat die Klägerin, gestützt auf den Vorwurf mehrerer Beratungsfehler beim Erwerb der jeweiligen Zertifikate, von der Beklagten die Rückzahlung von 37.793 Euro zzgl. entgangenen Gewinns i. H. v. 2.554,92 Euro und abzgl. der Bonuszahlung von 1.750 Euro, insgesamt also 38.597,92 Euro, nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückübertragung der 20 Lehman-Zertifikate sowie der 180 D. Zertifikate verlangt. Darüber hinaus hat sie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten hinsichtlich der Rücknahme beider Zertifikate und den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt.


Das LG hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung von 18.250 Euro nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung der 20 Lehman-Zertifikate verurteilt und festgestellt, dass die Beklagte sich insoweit im Annahmeverzug befinde; im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen.


Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Zurückweisung der Berufung der Klägerin. Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.



Aus den Gründen


  • Kein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte wegen Verletzung einer beratungsvertraglichen Aufklärungspflicht

21        I. ... II. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte wegen Verletzung einer beratungsvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung nicht bejaht werden.


22        1. Nach den unangegriffenen und rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts ist zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag geschlossen worden.


23        2. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen gestatten jedoch nicht die Annahme, dass die Beklagte ihre Pflichten aus diesem Beratungsvertrag verletzt hat.


  • Verpflichtung der beratenden Bank zu einer anleger- und objektgerechten Beratung

24        a) Die beratende Bank ist zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet (Senatsurteil vom 6.7.1993 - XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 128 f., BB 1993, 1903). Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Während die Bank über diese Umstände richtig, sorgfältig, zeitnah, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten hat, muss die Bewertung und Empfehlung des Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten lediglich ex ante betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung sich im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (vgl. zusammenfassend Senatsurteile vom 27.9.2011 - XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119, BB 2011, 3083 m. BB-Komm. Zoller Rn. 22 und XI ZR 178/10, WM 2011, 2261 Rn. 23, jeweils m. w. N.).


  • Die Beklagte war vorliegend nicht dazu verpflichtet, über ihr mit dem Wertpapiergeschäft verbundenen Gewinninteresse aufzuklären

25        b) Hiervon ausgehend bestand keine Aufklärungspflicht der Beklagten über ihr mit dem streitgegenständlichen Wertpapiergeschäft verbundenes Gewinninteresse.


26        aa) Nach den revisionsrechtlich bindenden (§ 559 ZPO) und unangegriffenen tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts erwarb die Klägerin die streitgegenständlichen Zertifikate im Wege eines Festpreisgeschäfts von der Beklagten. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, die Beklagte habe die beiden klagegegenständlichen Kauforder der Klägerin "im Wege des Festpreisgeschäfts" ausgeführt, und ist an anderer Stelle der Entscheidungsgründe in Bezug auf die hier betroffenen Lehman-Zertifikate davon ausgegangen, der zugrunde liegende Wertpapierauftrag sei durch zwei hintereinandergeschaltete Kaufverträge (zwischen der Emittentin und der Beklagten sowie zwischen den Parteien) ausgeführt worden. Auch soweit das Berufungsgericht ein eigenständiges Beratungsverschulden der Beklagten in der "eigenmächtigen" Ausführung des Wertpapierauftrags der Klägerin "im Wege des Eigenhandels - im Festpreisgeschäft " gesehen hat, ist es ausdrücklich von dem Zustandekommen eines solchen Geschäftes ausgegangen. Gegen diese Feststellungen sind im Revisionsverfahren Rügen nicht erhoben worden. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats trifft die beratende Bank bei dem Vertrieb von Zertifikaten im Wege des Festpreisgeschäfts indes keine Pflicht zur Aufklärung über den von ihr aus diesem Veräußerungsgeschäft erzielten Gewinn.


27        (1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Bank, die eigene Anlageprodukte empfiehlt, grundsätzlich nicht verpflichtet, ihren Kunden darüber aufzuklären, dass sie mit diesen Produkten Gewinne erzielt. In einem solchen Fall ist es nämlich für den Kunden bei der gebotenen normativobjektiven Betrachtungsweise offensichtlich, dass die Bank eigene (Gewinn) Interessen verfolgt, so dass darauf nicht gesondert hingewiesen werden muss (BGH, Urteile vom 15.4.2010 - III ZR 196/09, BGHZ 185, 185, BB 2010, 1305 m. BB-Komm. Geist Rn. 12 und vom 22.3.2011 - XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13, BB 2011, 1674 m. BB-Komm. Lange Rn. 38). Nichts anderes gilt - wie der erkennende Senat nach Verkündung des Berufungsurteils entschieden hat - dann, wenn fremde Anlageprodukte im Wege des Eigengeschäfts (§ 2 Abs. 3 S. 2 WpHG) zu einem über dem Einkaufspreis liegenden Preis veräußert werden (Senatsurteile vom 27.9.2011 - XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119, BB 2011, 3083 m. BB-Komm. Zoller Rn. 37 und XI ZR 178/10, WM 2011, 2261 Rn. 40 sowie vom 26.6.2012 - XI ZR 316/11, BB 2012, 2651 m. BB-Komm. Bausch, WM 2012, 1520 Rn. 19 und XI ZR 356/11, juris Rn. 27 f., jeweils m. w. N.). Ein Umstand, der - wie die Gewinnerzielungsabsicht des Verkäufers - für den Kunden im Rahmen des Kaufvertrags offensichtlich ist, lässt innerhalb des Beratungsvertrags seine Schutzwürdigkeit entfallen (Senatsurteile vom 27.9.2011 - XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119, BB 2011, 3083 m. BB-Komm. Zoller Rn. 44 und XI ZR 178/10, WM 2011, 2261 Rn. 47). ...


29        (2) Für den maßgeblichen Gesichtspunkt der Offenkundigkeit des Gewinnerzielungsinteresses eines Verkäufers kommt es entgegen der zwischen beiden Geschäftsarten vorgenommenen Differenzierung des Berufungsgerichts ebenfalls nicht darauf an, ob auf Seiten der Bank ein Fall des Eigenhandels (§ 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WpHG) vorliegt oder ein Eigengeschäft, das gemäß § 2 Abs. 3 S. 2 WpHG auch als Wertpapierdienstleistung gilt (Senatsurteile vom 26.6.2012 - XI ZR 355/11, juris Rn. 24 und XI ZR 356/11, juris Rn. 28). Wesentlich ist vielmehr die bei der Veräußerung von Wertpapieren bestehende Verkäuferstellung der Bank, nicht aber der Bezug dieser Veräußerung zu einem Kundenauftrag, durch den allein der Eigenhandel als "Dienstleistung für andere" sich vom Eigengeschäft, bei dem die Bank lediglich im Eigeninteresse tätig wird, unterscheidet (vgl. BT-Drucks. 16/4028 S. 56; BVerwG, WM 2008, 1359 Rn. 59).


  • Die Ausführung von Kundenaufträgen erfolgt durch die Bank als Kommissionärin oder im Wege eines Festpreisgeschäfts

30        (a) Nach den im Wesentlichen von allen Kreditinstituten verwendeten (Bunte, AGB-Banken, 3. Aufl., SB Wertpapiergeschäfte Vorbemerkung Rn. 21; Seiler/Kniehase in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 104 Rn. 94) Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte in der hier maßgeblichen Fassung 2003 (nachfolgend: SoBedWP a. F.) führt die Bank Kundenaufträge zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren entweder als Kommissionärin aus (Regelfall) oder sie tätigt mit dem Kunden Festpreisgeschäfte.


31        Ein Festpreisgeschäft kommt dabei zwischen der Bank und dem Kunden gemäß Nr. 9 SoBedWP a. F. (entspricht Nr. 1 Abs. 3 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte in der seit dem 1.11.2007 geltenden Fassung) nur dann zustande, wenn für das einzelne Geschäft ausdrücklich ein fester Preis vereinbart wurde. Dementsprechend übernimmt die Bank dann vom Kunden die Wertpapiere als Käuferin oder liefert sie an ihn als Verkäuferin und berechnet den vereinbarten Preis. Im Unterschied zum Kommissionsgeschäft wird die Bank nicht für fremde, sondern regelmäßig für eigene Rechnung tätig (vgl. Seiler/Kniehase in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 104 Rn. 5). Der Kunde hat nur den zuvor vereinbarten Festpreis ohne gesonderte Berechnung von Provision, Courtage oder Spesen zu zahlen (Bunte, AGBBanken, 3. Aufl., SB Wertpapiergeschäfte Rn. 59).


  • Bei einem Festpreisgeschäft ist die Verfolgung eigener Gewinninteressen der Bank für den Anleger offenkundig

32        (b) Im Falle der Vereinbarung eines Festpreisgeschäfts ist - unabhängig davon, ob es um die Veräußerung eigener Produkte der beratenden Bank oder fremder Anlageprodukte geht - die Verfolgung eigener Gewinninteressen der Bank für den Anleger offenkundig (s. oben II. 2. b) aa) (1)). Dabei ist die Art und Weise des von der Bank getätigten Deckungsgeschäfts, d. h. die von der Bank im Verhältnis zum Emittenten gewählte rechtliche Gestaltung, mit der sie ihre im Kaufvertrag gegenüber dem Anleger übernommene Lieferverpflichtung sicherstellen will, für die Anlageentscheidung des Kunden regelmäßig unmaßgeblich. Denkbar ist insoweit zum einen, dass die Bank die empfohlenen Produkte bereits zu einem geringeren Einkaufspreis in ihren Eigenbestand übernommen hat oder davon ausgeht, sie sich nach dem Geschäftsabschluss mit dem Kunden im Rahmen des Deckungsgeschäfts günstiger beschaffen zu können (vgl. MünchKomm-HGB/Ekkenga, 2. Aufl., Bd. 5 Effektengeschäft Rn. 532). Zum anderen kommt auch ein Tätigwerden der Bank im Auftrag des Emittenten der Wertpapiere in Frage (§ 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WpHG), welches dieser im Regelfall mit einer ebenfalls nicht zu offenbarenden Vertriebsprovision vergütet (vgl. Hannöver in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 110 Rn. 67, 73). Handelt die Bank schließlich als Verkaufskommissionärin, scheidet eine Offenlegungspflicht hinsichtlich der in diesem Falle vom Emittenten gezahlten Kommissionsgebühr schon wegen der Offenkundigkeit der Gewinnerzielungsabsicht der Bank (vgl. §§ 354, 396 HGB) aus.


  • Eine sinngemäße Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze zu Rückvergütungen scheidet vorliegend aus

33        bb) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht des Weiteren angenommen, die Beklagte sei nach den Rechtsprechungsgrundsätzen zu Rückvergütungen, die hier zwar nicht unmittelbar, aber doch sinngemäß anzuwenden seien, verpflichtet gewesen, die Klägerin über Grund und Höhe des ihr von der Emittentin gewährten Rabatts bzw. der gezahlten Provision aufzuklären.


34        (1) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist eine Bank aus dem Anlageberatungsvertrag verpflichtet, über von ihr vereinnahmte Rückvergütungen aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen aufzuklären (vgl. Senatsurteile vom 19.12.2006 - XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226, BB 2007, 904 m. BB-Komm. Elixmann Rn. 22 f. und vom 8.5.2012 - XI ZR 262/10, WM 2012, 1337 Rn. 17; Senatsbeschlüsse vom 20.1.2009 - XI ZR 510/07, BB 2009, 459 m. BB-Komm. Lamberti/Stumpf, WM 2009, 405 Rn. 12 f. und vom 9.3.2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 20 ff.; die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG, WM 2012, 68 nicht zur Entscheidung angenommen). Aufklärungspflichtige Rückvergütungen sind - regelmäßig umsatzabhängige - Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen oder Verwaltungsgebühren gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieses Produkts nicht erkennen (Senatsurteil vom 8.5.2012 - XI ZR 262/10, WM 2012, 1337 Rn. 17; Senatsbeschlüsse vom 20.1.2009 - XI ZR 510/07, BB 2009, 459 m. BB-Komm. Lamberti/Stumpf, WM 2009, 405 Rn. 12 f. und vom 9.3.2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 25).


35        (2) Eine aufklärungspflichtige Rückvergütung in diesem Sinne liegt hier nicht vor. Die Wertpapierabrechnung vom 6.2.2007 weist neben dem an die Beklagte zu zahlenden Preis von 1.000 Euro pro Zertifikat keine von der Klägerin an die Emittentin zu entrichtenden und hinter dem Rücken der Klägerin an die Beklagte zurückfließenden Posten aus. Damit fehlt es schon im Ausgangspunkt an dem Rückvergütungen kennzeichnenden Umstand, dass dem Kunden der tatsächliche Empfänger einer von ihm zu erbringenden Zahlung nicht offenbart wird. Für die vom Berufungsgericht für geboten erachtete sinngemäße Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze zu Rückvergütungen ist daher bereits aus diesem Grunde kein Raum (vgl. Senatsurteile vom 26.6.2012 - XI ZR 355/11, juris Rn. 42 und XI ZR 356/11, juris Rn. 41).


  • Keine Herleitung einer Pflicht der Beklagten zur Offenlegung der Provision aus den die Auskunftspflicht des Geschäftsbesorgers sowie des Kommissionärs betreffenden Vorschriften

36        cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann im Streitfall eine Pflicht der Beklagten zur Offenlegung der in Rede stehenden Provision bzw. des Rabatts ferner nicht aus die Auskunftspflicht des Geschäftsbesorgers sowie des Kommissionärs betreffenden Vorschriften hergeleitet werden.


37        (1) Nach den revisionsrechtlich bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ist der streitgegenständliche Wertpapiererwerb - wie dargelegt (s. oben II. 2. b) aa)) - nicht im Wege des Kommissionsgeschäfts, sondern des Festpreisgeschäfts (Kaufvertrag) durchgeführt worden. Für die Anwendung der §§ 383 ff. HGB im Verhältnis der Parteien zueinander fehlt daher von vorneherein die Grundlage. ...


39        (2) Für die Anwendung der §§ 675, 666, 667 BGB ist vorliegend ebenfalls kein Raum. Abgesehen davon, dass nicht nur für das Eigengeschäft, sondern auch im Falle des Eigenhandels die Annahme eines neben den Kaufvertrag tretenden Geschäftsbesorgungsverhältnisses zumindest ganz überwiegend abgelehnt wird (BVerwG, WM 2008, 1359 Rn. 59; MünchKomm-BGB/ Heermann, 5. Aufl., § 675 Rn. 81; Staudinger/Martinek, BGB, Neubearbeitung 2006, § 675 Rn. B 47; Roth in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl., § 10 Rn. 54; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl., § 16 Rn. 19; Balzer in Horn/Krämer, Bankrecht 2002, 365, 370; vgl. auch BT-Drucks. 13/7142 S. 66; a. A. MünchKomm-HGB/Ekkenga, Bd. 5, Effektengeschäft Rn. 107, 439), hat das Berufungsgericht im Streitfall das Zustandekommen eines Geschäftsbesorgungsvertrags nicht festgestellt.


40        (3) Zudem rechtfertigt allein eine etwaige auftrags- oder kommissionsrechtliche Herausgabe und Rechenschaftspflicht der Bank hinsichtlich einer unmittelbar vom Emittenten des Wertpapiers erhaltenen (Vertriebs)Provision als solche ohnehin nicht die Annahme einer Verletzung des Anlageberatungsvertrages durch das Geldinstitut, wenn es den Anleger über Erhalt und Höhe dieser Provision nicht aufklärt (Senatsurteile vom 26.6.2012 - XI ZR 316/11, BB 2012, 2651 m. BB-Komm. Bausch, WM 2012, 1520 Rn. 43 f. und XI ZR 356/11, juris Rn. 47 f.). ...


  • Auch aus der Richtlinie des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel vom 23.8.2001 folgt keine Aufklärungspflicht der Beklagten über die Gewinnmarge

42        dd) Die vom Berufungsgericht angenommene Aufklärungspflicht der Beklagten lässt sich des Weiteren nicht auf § 31 WpHG a. F. i. V. m. Teil B. Ziff. 1.2 Abs. 3 der Richtlinie des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel vom 23. August 2001 (BAnz. 2001, S. 19 217) stützen.


43        Eine Pflicht zur Aufklärung über die Gewinnmarge ist dieser Richtlinie nicht zu entnehmen (vgl. Senatsurteile vom 27.9.2011 - XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 Rn. 49, BB 2011, 3083 m. BB-Komm. Zoller und XI ZR 178/10, WM 2011, 2261 Rn. 52 sowie Senatsurteile vom 26.6.2012 - XI ZR 316/11, BB 2012, 2651 m. BB-Komm. Bausch, WM 2012, 1520 Rn. 31 und XI ZR 356/11, juris Rn. 35, jeweils zu Teil B Nr. 3.3 Abs. 5 der Richtlinie). Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung auch nicht aus dem Senatsbeschluss vom 29.6.2010 (XI ZR 308/09, BB 2010, 2327 m. BB-Komm. Lang/Müller-Felsch, WM 2010, 1694). Der erkennende Senat hat in dieser Entscheidung lediglich zu Ziff. 2.2 Abs. 2 der früheren Wertpapierhandelsrichtlinie vom 26.5.1997 (BAnz. 1997, S. 6586) ausgeführt, dass dort eine zivilrechtliche Aufklärungspflicht über die kommissionsrechtliche Verpflichtung zur Herausgabe von Rückvergütungen vorausgesetzt wird (Senatsbeschluss vom 29.6.2010 - XI ZR 308/09, BB 2010, 2327 m. BB-Komm. Lang/Müller-Felsch, WM 2010, 1694 Rn. 8; ebenso Senatsurteil vom 12.5.2009 - XI ZR 586/07, BB 2009, 1718 m. BB-Komm. Edelmann, WM 2009, 1274 Rn. 15). Dass die Richtlinie ihrerseits selbst zivilrechtliche Pflichten, insbesondere Aufklärungspflichten über die Gewinnmarge bei Festpreisgeschäften begründet, ergibt sich daraus - zumal für die hier in Rede stehende nachfolgende Fassung vom 23.8.2001 - nicht. ...


  • Es besteht auch keine Pflicht darüber aufzuklären, dass der Zertifikaterwerb im Wege eines Eigengeschäfts erfolgt

45        c) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts vermag schließlich auch die unterbliebene Aufklärung der Klägerin darüber, dass der Erwerb der streitbefangenen Zertifikate im Wege eines Festpreisgeschäfts erfolgte, den geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht zu begründen.


46        Wie der erkennende Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat (Senatsurteile vom 27.9.2011 - XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119, BB 2011, 3083 m. BB-Komm. Zoller Rn. 48 ff. und XI ZR 178/10, WM 2011, 2261 Rn. 51 ff.), ist die beratende Bank aufgrund des Beratungsvertrags mit ihrem Kunden bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise nicht verpflichtet, diesen darüber zu informieren, dass der Zertifikaterwerb im Wege des Eigengeschäfts erfolgt. Eine solche Aufklärungspflicht liefe jedenfalls deshalb leer, weil sie nicht dazu führt, dass dem Anleger die für ihn wesentlichen Informationen bezüglich eines auf Seiten der Bank bestehenden Interessenkonflikts erteilt werden. Für die entsprechende Aufklärungspflicht sprechen zudem auch nicht die zu berücksichtigenden Kundeninteressen. ...


53        IV. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 S. 1 ZPO), damit es die erforderlichen Feststellungen zu den gerügten Aufklärungspflichtverletzungen, soweit es diese bisher nicht getroffen hat, nachholen kann.

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