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Wirtschaftsrecht
21.03.2024
Wirtschaftsrecht
BGH: Bestimmung des Geschäftswerts der notariellen Beurkundung der Übertragung eines Geschäftsanteils einer gemeinnützigen GmbH

BGH, Beschluss vom 6.2.2024 – II ZB 19/22

ECLI:DE:BGH:2024:060224BIIZB19.22.0

Volltext: BB-Online BBL2024-705-3

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Amtlicher Leitsatz

Der Geschäftswert der notariellen Beurkundung der Übertragung eines Geschäftsanteils an einer gemeinnützigen GmbH bestimmt sich nach dem Eigenkapital der Gesellschaft im Sinne von § 266 Abs. 3 HGB, das auf den Anteil entfällt.

GNotKG § 54 Satz 1, § 97 Abs. 1

Aus den Gründen

I.

1          Die Beteiligte zu 1 ist eine gemeinnützige GmbH, mit einem Stammkapital in Höhe von 25.600 € und einem bilanziellen Eigenkapital in Höhe von 36.642.917,35 €.

 

2          Mit notarieller Urkunde des Beteiligten zu 2 vom 8. Dezember 2019(UR-Nr. 1864/2019 Z) wurden zwei von fünf auf denselben Nennwert lautende Geschäftsanteile unentgeltlich übertragen. Die anfallenden Kosten sollte die Beteiligte zu 1 tragen. Der Beteiligte zu 2 berechnete der Beteiligten zu 1 für das Beurkundungsverfahren Kosten in Höhe von 34.564,98 €. Als Geschäftswert setzte er 40 % des Eigenkapitals der Beteiligten zu 1 an.

 

3          Die Beteiligte zu 1 als Kostenschuldnerin hat Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und den für die Kostenberechnung für das Beurkundungsverfahren zugrunde gelegten Geschäftswert beanstandet. Das Landgericht hat die Kostenberechnung bestätigt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde beantragt die Beteiligte zu 1 die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts und die Herabsetzung der Kostenberechnung des Beteiligten zu 2 vom 7. Januar 2020 auf 248,35 € brutto.

 

II.

4          Das Beschwerdegericht (OLG Karlsruhe, GmbHR 2023, 35) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

 

5          Da es sich bei der Beteiligten zu 1 um eine Kapitalgesellschaft handele, greife für die Geschäftswertbestimmung § 54 Satz 1 GNotKG ein. Danach bestimme sich der Wert nach dem Eigenkapital der Gesellschaft das auf den jeweiligen Anteil entfalle. Entscheidend für die Ermittlung des Geschäftswerts sei der Wert des Geschäftsanteils selbst und nicht, welche Rechte dem einzelnen Gesellschafter hieraus nach dem Gesellschaftsvertrag zustünden. Es komme daher weder auf den Anteil der Gesellschafter am Gewinn noch auf deren Anteil am Liquidationserlös an. Gegebenenfalls sei zu prüfen, ob Anhaltspunkte für einen höheren Wert vorlägen. Dies gelte indes nicht für einen geringeren Wert, denn § 54 Satz 1 GNotKG regele einen Mindestwert.

 

III.

6          Die aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthafte und auch im Übrigen gemäß § 129 Abs. 2, § 130 Abs. 3 GNotKG, § 70 Abs. 1, § 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 hat in der Sache keinen Erfolg. Der Beschluss des Beschwerdegerichts hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand. Die Heranziehung des Geschäftswerts in Höhe von insgesamt 14.657.166,94 € ist rechtlich nicht zu beanstanden.

 

7          1. Der Geschäftswert der notariellen Beurkundung der Übertragung eines Geschäftsanteils an einer gemeinnützigen GmbH bestimmt sich nach dem Eigenkapital der Gesellschaft im Sinne von § 266 Abs. 3 HGB, das auf den Anteil entfällt (§ 97 Abs. 1, § 54 Satz 1 GNotKG).

 

8          a) Ob § 54 Satz 1 GNotKG auch auf eine gemeinnützige GmbH Anwendung findet, ist streitig. Eine Meinung geht wie das Beschwerdegericht davon aus, dass nach der Regelung des § 54 Satz 1 GNotKG bei der Bewertung von Geschäftsanteilen an einer gemeinnützigen GmbH ein Abschlag nicht veranlasst ist (OLG Rostock, NotBZ 2023, 73 f.; LG Leipzig, NotBZ 2018, 158, 159; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 21. Aufl., § 15 Rn. 52; Diehn in Bormann/Diehn/Sommerfeldt, 4. Aufl., GNotKG § 54 Rn. 20; Korintenberg/Tiedtke, 22. Aufl., GNotKG § 54 Rn. 12; Renner/Otto/Heinze, Leipziger Gerichts- & Notarkosten-Kommentar, 3. Aufl., § 54 Rn. 25; BeckOK Kostenrecht/Neie, Stand: 1.7.2023, § 54 GNotKG Rn. 1; Toussaint/Kawell, Kostenrecht, 53. Aufl., § 54 GNotKG Rn. 1; Waldner in Rohs/Wedewer, GNotKG, Stand: Januar 2023, § 54 Rn. 6; Diehn in Hausschild/Kallrath/Wachter, Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, 3. Aufl., § 36 Rn. 89; Würzburger Notarhandbuch/Tiedke/Sikora, 6. Aufl., Teil 5 Kap. 9 Rn. 84; Ländernotarkasse, Leipziger Kostenspiegel, 3. Aufl., Rn. 21.847 ff.; Notarkasse, Streifzug durch das GNotKG, 13. Aufl., Rn. 1265; Felix, RNotZ 2018, 306, 307; Gilberg, RNotZ 2020, 193, 209; Sikora/Strauß, DNotZ 2023, 583, 593; Wudy, notar 2018, 271, 282; Wudy, notar 2023, 225, 228 f.). Anderer Auffassung zufolge soll es auch nach der gesetzlichen Neuregelung in § 54 GNotKG möglich sein, als Geschäftswert den Nominalbetrag des Geschäftsanteils anzusetzen (Leiß in Fackelmann/Heinemann, GNotKG, § 54 Rn. 20; Leiß in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., § 54 GNotKG Rn. 15; Schmidt/Sikora/Tiedke, Praxis des Handelsregister- und Kostenrechts, 7. Aufl., Rn. 3272 f.).

 

9          b) Die erstgenannte Auffassung ist richtig. § 54 Satz 1 GNotKG gilt auch für eine gemeinnützige GmbH.

 

10        Der Wortlaut der Vorschrift unterscheidet nicht zwischen den mit der Kapitalgesellschaft verfolgten Zielen und umfasst daher individual- und gemeinnützige Kapitalgesellschaften gleichermaßen. Bei diesem Befund bedeutete der Ausschluss gemeinnütziger Kapitalgesellschaften vom Anwendungsbereich der Vorschrift eine teleologische Reduktion. Deren Voraussetzungen lassen sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht feststellen.

 

11        aa) Eine teleologische Reduktion kommt in Betracht, wenn der Wortlaut einer Norm mit Blick auf ihren Zweck zu weit gefasst ist. Sie setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Ob eine solche Lücke vorhanden ist, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrundeliegenden Regelungsabsicht zu beurteilen (BGH, Urteil vom 13. November 2001 - X ZR 134/00, BGHZ 149, 165, 174; Beschluss vom 20. Januar 2005 - IX ZB 134/04, NJW 2005, 1508, 1510; Urteil vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27, 35; Urteil vom 30. September 2014 - XI ZR 168/13, BGHZ 202, 302 Rn. 13; Urteil vom 14. August 2019 - IV ZR 279/17, BGHZ 223, 57 Rn. 10; Urteil vom 7. April 2021 - VIII ZR 49/19, NJW 2021, 2281 Rn. 36; Urteil vom 21. Februar 2022- VIa ZR 8/21, WM 2022, 731 Rn. 57; Beschluss vom 28. Juni 2022 - II ZB 8/22, WM 2022, 1595, 1596 Rn. 12). Eine solche Regelungslücke kann sich auch aus der weiteren Rechtsentwicklung ergeben (BVerfGE 88, 145, 167; BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 - II ZB 8/22, WM 2022, 1595, 1596 Rn. 12).

 

12        bb) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes ist nicht anzunehmen. Damit fehlt es an einer Rechtfertigung für eine teleologische Reduktion. Diese ist wegen der Gesetzesbindung des Richters (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG, § 1 GVG) nur gerechtfertigt, wenn ihre Voraussetzungen belegt sind (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 - II ZB 8/22, WM 2022, 1595, 1596 Rn. 13).

 

13        (1) Der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers spricht gegen eine planwidrige Regelungslücke.

 

14        Bei der Ermittlung des Werts von Beteiligungen und Anteilen an Gesellschaften kannte die Kostenordnung keine besondere Regelung für den Fall, dass der Wert nicht feststand. Der Gesetzgeber wollte daraus resultierenden Bewertungsschwierigkeiten abhelfen und hat mit § 54 GNotKG eine besondere Bewertungsvorschrift für Anteile an Kapitalgesellschaften und für Kommanditbeteiligungen geschaffen, die an das Eigenkapital im Sinne von § 266 Abs. 3 HGB anknüpft und die in dieser Norm unter A benannten Positionen ausdrücklich aufzählt. Hierbei hat er in Kauf genommen, dass mit der gewählten Anknüpfung an das bilanzielle Eigenkapital häufig nicht der für die Kostenberechnung nach dem GNotKG gebotene, eher am Verkehrswert orientierte Wert erfasst wird (RegE eines Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, BT-Drucks. 17/11471 (neu) Seite 172 f.).

 

15        Der Gesetzgeber hat sich demnach bewusst für eine Bewertungsschwierigkeiten vermeidende, gerade nicht am Verkehrswert orientierte pauschale, aber vereinfachte und praktikable Wertermittlung entschieden und hierbei in Kauf genommen, dass dieser Wert (Eigenkapital) nicht dem für eine notarielle Kostenberechnung an sich gebotenen Wert entspricht (vgl. KG, ZIP 2021, 406). Die Begründung der Ausnahmen in § 54 Satz 2 und 3 GNotKG zeigt zudem, dass der Gesetzgeber nur in den Fällen zu dem für die Bemessung des Geschäftswerts nach dem GNotKG regelmäßig maßgeblichen Verkehrswert zurückkehren wollte, in denen sich daraus ein höherer Geschäftswert ergibt, als es bei der Anknüpfung an das bilanzielle Eigenkapital der Fall wäre. In dieser Konsequenz wird in § 54 Satz 1 GNotKG auf das bilanzielle Eigenkapital dann abgestellt, wenn keine genügenden Anhaltspunkte für einen höheren Wert von Anteilen bestehen. Eine niedrigere als durch das bilanzielle Eigenkapital bestimmte Bewertung bei der Übertragung von Geschäftsanteilen an einer gemeinnützigen GmbH würde diesem eindeutigen Willen des Gesetzgebers entgegenstehen.

 

16        Da unter dem Regime der Kostenordnung umstritten war, ob Geschäftsanteile an einer gemeinnützigen GmbH nach dem Nennwert oder nach ihrem anteiligen Wert am Reinvermögen, gegebenenfalls mit einem Abschlag, zu bewerten waren (vgl. Renner/Otto/Heinze, Leipziger Gerichts- & Notarkosten-Kommentar, 3. Auflage, § 54 Rn. 25 mwN), liegt es fern, dass der Gesetzgeber bei der Novellierung des Kostenrechts die Möglichkeit der Erstreckung der Vorschrift auch auf gemeinnützige Kapitalgesellschaften übersehen hat.

 

17        (2) Die in § 91 Abs. 2 GNotKG enthaltene Beschränkung der Gebührenermäßigung auf Körperschaften, Vereinigungen und Stiftungen, die ausschließlich und unmittelbar mildtätige oder kirchliche Zwecke im Sinne der Abgabenordnung verfolgen, entspricht inhaltlich dem zuvor geltenden § 144 Abs. 2 KostO, mit dem der Gesetzgeber wiederum auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. März 1978 reagierte, welche die Vorgängerregelung (§ 144 Abs. 3 KostO idF vom 28. August 1969, BGBl. I S. 1513) teilweise für nichtig erklärte.

 

18        Das Bundesverfassungsgericht hielt die weiter gefasste Pflicht zur Gebührenermäßigung für unvereinbar mit der Berufsausübungsfreiheit der Notare (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG; BVerfGE 47, 285 ff.), weil eine Ermäßigungspflicht aus Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt und den Notaren zumutbar sein müsste und der Gesetzgeber dies unter Ermittlung der Einkommensauswirkungen für die Notare konkret zu prüfen habe (BVerfGE 47, 285 ff.). Diesen Vorgaben wollte der Gesetzgeber gerecht werden und die Gebührenvergünstigung in einem engen, den Notar möglichst wenig belastenden Rahmen halten (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 20. April 1989, BT-Drucks. 11/4394, Seite 10 f.; Gesetzesentwurf des Bundesrates vom 19. Mai 1988, BT-Drucks. 11/2343, Seite 10 f.). Angesichts dessen war der sachliche und persönliche Geltungsbereich der Gebührenermäßigung in der anschließenden Neuregelung des § 144 KostO abschließend geregelt worden. Eine Ausdehnung der Regelung auf die weit gefasste Verfolgung gemeinnütziger Zwecke im Sinne der Abgabenordnung kommt nicht in Betracht, da dies dem erklärten Ziel des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2013 - V ZB 130/12, NJW-RR 2014, 183 Rn. 8 f.).

 

19        Die in § 144 Abs. 2 KostO und § 91 Abs. 2 Nr. 1 GNotKG getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung, u.a. gemeinnützige Vereinigungen nicht gebührenmäßig zu privilegieren, legt nahe, dass der Gesetzgeber bei der Regelung des § 54 Satz 1 GNotKG eine Differenzierung zu gemeinnützigen Kapitalgesellschaften nicht vornehmen wollte. Dass der Gesetzgeber im Lichte der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Ausdehnung der Gebührenermäßigung auf gemeinnützige Körperschaften, Vereinigungen und Stiftungen für nicht angezeigt hielt, spricht dafür, dass er auch eine privilegierende Wertfestsetzung bei der Übertragung von Anteilen an einer gemeinnützigen Kapitalgesellschaft nicht begründen wollte.

 

20        cc) Schließlich teilt der Senat die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht, die von der Rechtsbeschwerde für eine einschränkende Auslegung des § 54 Satz 1 GNotKG angeführt werden. Die Verkehrsfähigkeit der übertragenen Anteile ist bereits deshalb nicht eingeschränkt, weil die Gesellschaft die Kosten für die Übertragung der Anteile übernimmt.

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