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Wirtschaftsrecht
06.09.2012
Wirtschaftsrecht
OLG Dresden: Aufklärungspflicht des Leasinggebers gegenüber seinem potenziellen Leasingnehmer

OLG Dresden, Urteil vom 2.8.2012 - 8 U 460/12


Leitsatz


Der Leasinggeber hat seinen potenziellen Leasingnehmer bei vorvertraglichen Vertragsverhandlungen im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren über Umstände aufzuklären, die geeignet sind, den Vertragszweck und die Vertragsdurchführung zu vereiteln oder aus denen sich für ihn besondere Gefahren bei der Vertragsdurchführung ergeben können. Hierzu gehören auch wirtschaftliche Umstände, die einer Vertragsdurchführung entgegenstehen, so dass auch der Leasinggeber über Umstände auszuklären hat, die einer dargestellten Kostenneutralität entgegenstehen, soweit sie ihm bekannt sind oder bekannt sein müssen. Dabei haftet der Leasinggeben nach § 278 BGB, wenn der Lieferant der Leasingsache schuldhaft (jedenfalls auch) den Leasingvertrag betreffende Aufklärungs- oder Hinweispflichten gegenüber dem Leasingnehmer verletzt, sofern der Lieferant mit Wissen und Willen des Leasinggebers Vorverhandlungen mit dem Leasingnehmer über den Abschluss eines Leasingvertrages führt


(Anschluss an BGH, Urteil vom 15. Juni 2011, VIII ZR 279/10, Rn. 18).


Sachverhalt



I.



Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin aufgrund eines vorzeitig beendeten Leasingvertrages. Ein Mitarbeiter der xxx GmbH hatte der Beklagten - einer Ärztin - ein wenigstens kostenneutrales Geschäft vorgeschlagen. Die Beklagte sollte eine Telekommunikationsanlage erwerben und hierfür in 48 Monaten Leasingraten à 683,00 € netto aufbringen, zudem sollte sie sich vier Stunden monatlich für eine medizinische Beratung am Telefon bereit halten und hierfür 685,00 € netto Honorar erhalten. Am 30.06.2008 unterzeichnete die Beklagte hierzu ihr vom Mitarbeiter der xxx GmbH vorgelegte Verträge: Einen Kooperationsvertrag mit der xxx GmbH sowie einen Antrag auf Abschluss eines Leasingvertrages, den die Klägerin annahm. Der Text des Leasingvertrages enthält keine Hinweise auf den Kooperationsvertrag. Die xxx GmbH zahlte nur wenige Monate das Honorar; sie ist inzwischen insolvent. Die Klägerin zahlte an die Herstellerin der TK-Anlage, die Firma xyx GmbH, die den selben Geschäftsführer wie die xxx GmbH hatte, 33.320,00 € und verlangt von der Beklagten rückständige Raten und - nach Kündigung des Leasingvertrages - Schadensersatz. Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sachverhaltes wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen. Das Landgericht hat der Klage bis auf einen kleinen Teil der Zinsen stattgegeben; hinsichtlich der Gründe wird gleichfalls auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.



Gegen dieses Urteil, welches der Beklagten am 29.02.2012 zugestellt worden ist, richtet sich deren am 16.03.2012 eingegangene Berufung, die sie mit einem am 10.04.2012 eingegangenem Schriftsatz begründet hat. Das Landgericht habe ihren Vortrag zur sittenwidrigen Überteuerung zu Unrecht als unsubstantiiert behandelt, da sie konkret vorgetragen habe, dass die gelieferte Telekommunikationsanlage "Praxismanager" einen Neuwert von höchstens 5.000,00 € gehabt habe, und hierzu ein Sachverständigengutachten zum Beweis angeboten habe. Zudem habe sie unter Bezugnahme auf das von der Klägerin eingeführte Gutachten des Dipl.-Ing. xxx dargelegt, dass der Wert der Hardware-Komponenten 3.000,00 € nicht übersteige; ein substantiierterer Vortrag sei nicht möglich.


Auch beruhe das Urteil auf unzutreffenden rechtlichen Erwägungen, soweit das Landgericht, das Handeln und die Kenntnisse des Vermittlers der Klägerin nicht zurechne. Die Klägerin habe vor der Finanzierung des Erwerbsgeschäftes die Produktpalette der XYX GmbH unter die Lupe genommen und die Mitarbeiter der XXX GmbH hätten mit Wissen und Veranlassung der Klägerin die Leasingverträge vermittelt. Dies müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Auch im vorliegenden Rechtstreit habe der Zeuge M bestätigt, dass die Klägerin bereits im Jahre 2007 mit der Rechtsvorgängerin der Firma XYX Gespräche zur Anbahnung von Geschäftsbeziehungen geführt und beschlossen habe, das Produkt "Praxismanager" in ihr Portfolio aufzunehmen, was zur Folge gehabt habe, dass die Firma XYX von der Klägerin die Berechtigung erhalten habe, Antragsformulare der Klägerin bei potenziellen Kunden anzubringen. Unstreitig sei auch, dass die Klägerin der XYX GmbH eine Vermittlungsprovision gezahlt habe.



Die Beklagte beantragt,



das Endurteil des Landgerichts Chemnitz vom 23.02.2012, 1 O 1411/10, aufzuheben und die Klage abzuweisen.





Die Klägerin beantragt,



die Berufung zurückzuweisen.



Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.



Der Senat hat mit Hinweisbeschluss vom 25.05.2012, auf den Bezug genommen wird, u.a. darauf hingewiesen, dass die Klägerin durch eine unterlassene Aufklärung der Leasingnehmerin über die rechtliche Selbstständigkeit von Kaufvertrag und Leasingvertrag aufgrund einer schuldhaften Verletzung ihrer vorvertraglichen Pflichten bei Anbahnung des Leasingvertrages ihrerseits schadensersatzpflichtig sein könnte mit der Folge, dass sie die Beklagte so zu stellen hätte, als wäre der Leasingvertrag nie zustande gekommen, und die Parteien diesen rechtlichen Gesichtspunkt übersehen haben.



Die Klägerin hat hierauf vorgetragen, für die Beklagte sei ohne besonderen Hinweis deutlich erkennbar gewesen, dass die Verträge mit unterschiedlichen Vertragsparteien abgeschlossen würden. Aus dem Leasingvertrag ergebe sich eindeutig, dass Leasinggeberin die Klägerin sei, wohingegen der Kooperationsvertrag zweifelsfrei die XXX GmbH als eigenständigen Vertragspartner aufweise. Die Beklagte sei als selbstständige Ärztin Unternehmerin; im Rahmen ihres ärztlichen Praxisbetriebs sei es erforderlich, wiederholt Kaufverträge, Mietverträge, Arbeitsverträge und sonstige Verträge abzuschließen. Der erfahrenen Beklagten könne daher nicht verborgen geblieben sein, dass sie sich vertraglich mit zwei unterschiedlichen Firmen binde, so dass ein besonderer Hinweis auf diese übliche, der Beklagten ohne Weiteres erkennbare Vertragsgestaltung weder seitens der Klägerin noch seitens der XXX GmbH hätte erteilt werden müssen. Der Beklagten habe zwangsläufig klar sein müssen, dass sie das Insolvenzrisiko ihrer jeweiligen Vertragspartner trage. Es sei daher unbeachtlich, dass sich das Geschäft der Beklagten in deren wirtschaftlichen Erwartung als Einheit und "Nullgeschäft" darstellen sollte; eine Aufklärungspflicht habe nicht bestanden.


Im Übrigen sei eine etwaige Verletzung einer Aufklärungspflicht durch die XXX GmbH der Klägerin nicht zuzurechnen. Nach der Rechtsprechung des BGH sei eine Zurechnung nur dann in Betracht zu ziehen, wenn der Lieferant mit Wissen und Wollen der Leasinggeberin sich auch noch im Rahmen der Beauftragung zur Hilfestellung zum Abschluss des Leasingvertrages bewegt habe. Völlig atypische Nebenabreden, die weder im Interesse der Leasinggeberin lägen noch von dieser zu erwarten seien oder beispielsweise auch deliktische Handlungen könnten der Leasinggeberin nicht zuzurechnen sein. Im vorliegenden Fall könne bestenfalls geschlussfolgert werden, dass die XYX GmbH zum Zwecke einer vereinfachten Vertragsabwicklung mit Wissen und Wollen der Klägerin tätig geworden sei. Die XYX GmbH habe aber keine Aufklärungspflichten verletzt. Die XXX GmbH sei gerade nicht mit Wissen der Klägerin tätig geworden. Ob und inwieweit die XYX GmbH die XXX GmbH mit der Vermittlung von Kooperationsverträgen im Zusammenhang mit dem Leasingvertrag beauftragt habe oder hiervon überhaupt informiert gewesen sei, sei der Klägerin zum Zeitpunkt des hier streitgegenständlichen Leasingvertragsabschlusses nicht bekannt gewesen. Eine Beauftragung der XXX GmbH seitens der XYX GmbH, die allein Vertragspartnerin der Klägerin sei, werde mit Nichtwissen bestritten. Der bloße Umstand, dass bei beiden Gesellschaften die selbe Person  Geschäftsführer sei, reiche für die Annahme eines rechtsgeschäftlichen Auftragsverhältnisses nicht aus. Auch sei der Kontakt der Klägerin zur Firma XYX nur sporadisch gewesen; insgesamt seien lediglich 15 Leasingverträge abgeschlossen worden. Die XYX GmbH habe auch mit mehreren weiteren Leasinggesellschaften zusammengearbeitet, da hunderte Leasingverträge mit Ärzten zustande gekommen seien. In jedem Einzelfall der Zusammenarbeit der Klägerin mit der XYX GmbH sei der Ablauf dergestalt erfolgt, dass die XYX GmbH der Klägerin mündlich mitgeteilt habe, dass ein Kunde einen Leasingvertrag abschließen wolle und anschließend von der Klägerin eine Bonitätsprüfung durchgeführt worden sei. Nach positivem Entscheid sei der Firma XYX GmbH ein in wesentlichen Teilen vorbereitetes Vertragsexemplar mittels PDF-Datei zur Verfügung gestellt worden. Dieses PDF-Formular hätte ergänzt und ausgedruckt, aber nicht gespeichert werden können, so dass eine Zurverfügungstellung des PDF-Formulars nur für jeden einzelnen Fall erfolgt sei. Die XYX GmbH sei daher nicht in der Lage gewesen, mit  vorab kalkulierten Leasingraten zu hausieren. Auch sei die Annahme der Beklagten falsch, dass die Klägerin das von der XYX GmbH vertriebene Leasingobjekt in ihr Portfolio aufgenommen habe, was immer damit gemeint sei. Die Klägerin finanziere alles, was mobil und leasingfähig sei, wobei sie darauf Wert lege, keine Dienstleistungen in die Leasingfinanzierung mit einfließen zu lassen. Die Problematik von Kopplungsverträgen sei der Klägerin aus anderen Sachverhalten bekannt. Aus diesem Grunde werde vor Begründung einer Geschäftsbeziehung geprüft, wer und was vertrieben werde. Der hier vorliegende Sachverhalt sei der Klägerin von der XYX GmbH bewusst verschwiegen worden.



Die Beklagte trägt demgegenüber vor, dass die Voraussetzungen für eine Zurechnung fremden Verschuldens bei Vertragsverhandlungen gemäß § 278 BGB vorlägen. Die Klägerin müsse sich die schuldhafte Verletzung von Aufklärungspflichten vorwerfen lassen, da die Lieferantin mit Wissen und Wollen der Klägerin bei der Beklagten tätig geworden sei. Die Klägerin habe das Produkt "Praxismanager" durch einen Mitarbeiter prüfen lassen, sie habe es in ihre Produktblätter aufgenommen, sie habe Leasingantragsformulare zur Verwendung bei Vertragsverhandlungen zur Verfügung gestellt und der XYX GmbH Provision für erfolgreiche Leasingvertragsvermittlung gezahlt. Auch sei die Lieferantin bei den Vertragsanbahnungsgesprächen in der Lage gewesen, bereits mit vorab kalkulierten Leasingraten zu hausieren. Das in den Vertragsverhandlungen zentrale Argument "Kostenneutralität des Gesamtgeschäftes", welches insbesondere durch die Anlage B1 - ein unstreitig von dem Vermittler bei der Beklagten verwendetes Schaubild, in welchem herausgehoben dargestellt werde, dass für den Erhalt des Praxismanagers bei Finanzierung über eine Leasinggesellschaft monatlich maximal 683,00 € zzgl. Mehrwertsteuer bei einer Laufzeit von 48 Monaten anfalle und dem ein durch die Kooperation mit der XXX GmbH gewährtes monatliches Beratungshonorar von mindestens 685,00 € zzgl. Mehrwertsteuer gleichfalls bei einer Laufzeit von 48 Monaten gegenüberstehe, so dass (in Fettdruck hervorgehoben) der Aufwand entfalle - verdeutlicht werde, sei auch für den Leasingantrag der Beklagten ausschlaggebend gewesen. Dass die XYX GmbH den Vertrieb ihrer Produkte über die XXX GmbH organisiert habe, könne die Klägerin nicht entlasten, da es nicht darauf ankomme, ob die Lieferantin den Vertrieb mit eigenen Mitarbeitern oder unter Zuhilfenahme eines Nachunternehmers organisiere. Soweit die Klägerin mit Nichtwissen bestreite, dass die XXX GmbH im Auftrag der XYX GmbH tätig geworden sei, ergebe sich die Kenntnis der Klägerin bereits aus der Aussage ihres früheren Mitarbeiters Marbach in erster Instanz.



Der Senat hat die Parteien persönlich angehört. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vor dem Landgericht und dem Senat Bezug genommen.


Aus den Gründen


II.



Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage. Die Klägerin kann weder rückständige Leasingraten noch - nach Kündigung des Leasingvertrages - Schadensersatz von der Beklagten verlangen, da sie aufgrund einer eigenen vorvertraglichen Pflichtverletzung aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB verpflichtet ist, die Beklagte so zu stellen, als hätte diese den Leasingvertrag nicht geschlossen.



1.


Aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Landgerichts, dass eine Nichtigkeit des Leasingvertrages wegen sittenwidriger Überteuerung der Telekommunikationsanlage (künftig: TK-Anlage) nicht festgestellt werden kann.  Anhaltspunkte, aufgrund derer die Klägerin auch nur die Vermutung haben musste, dass die TK-Anlage überteuert wäre, hat die Beklagte nicht dargetan. Insbesondere spricht das von der Beklagten angeführte Gutachten (Anlage K7) gerade dagegen, dass die Klägerin ein auffälliges Missverhältnis zwischen Kaufpreis und üblichem Preis der TK-Anlage erkennen musste, weil sogar der Sachverständige zu dem Ergebnis kam, einen Vergleichswert wegen des individuellen Zuschnitts der Software der Anlage nicht feststellen zu können. Zudem hat die Beklagte nicht dargetan, welcher Preis für eine TK-Anlage mit gleicher Hardware-Ausstattung und vergleichbarer Software-Ausstattung im Juni 2008 üblich gewesen sei.



2.


Die Klägerin hat jedoch ihre vorvertraglichen Pflichten bei Anbahnung des Leasingvertrages nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB verletzt. Der Leasinggeber hat seinen potenziellen Leasingnehmer bei vorvertraglicher Vertragsverhandlung im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren über Umstände aufzuklären, die geeignet sind, den Vertragszweck und die Vertragsdurchführung zu vereiteln oder aus denen sich für ihn besondere Gefahren bei der Vertragsdurchführung ergeben können (vgl. BGH, Urt. v. 15.06.2011, VIII ZR 279/10, Rn. 18; Urt. v. 03.07.1985, VIII ZR 102/84; Meyer, MDR 2012, S. 688, 691). Hierzu gehören auch wirtschaftliche Umstände, die einer Vertragsdurchführung entgegenstehen, so dass auch der Leasinggeber über Umstände aufzuklären hat, die einer dargestellten Kostenneutralität entgegenstehen, soweit sie ihm bekannt sind oder bekannt sein müssen (vgl. Senat, Urt. v. 22.10.2010, 8 U 778/10, insoweit nicht beanstandet durch BGH, Urt. v. 15.06.2011, VIII ZR 279/10; vgl. auch Meyer, a.a.O.).



a)


Im Ausgangspunkt zutreffend weist die Klägerin allerdings darauf hin, dass sie im Regelfall davon ausgehen kann, dass sich die Leasingnehmerin - insbesondere wenn sie wie hier als selbstständige Ärztin Unternehmerin ist - grundsätzlich über den wirtschaftlichen und rechtlichen Gehalt des Leasingvertrages und des angebotenen Gesamtgeschäftes selbst informiert, so dass ohne weitere Umstände der Leasinggeber nicht ungefragt über damit einhergehende Risiken aufklären muss.



b)


Wird allerdings nicht nur eine bloße Übernahme der Leasingraten versprochen, sondern darüber hinaus mit dem zentralen Argument eines für die Leasingnehmerin kostenneutralen Geschäftes geworben, dann wird bei der Leasingnehmerin regelmäßig der Eindruck entstehen, es handele sich um ein einheitliches wirtschaftliches Geschäft, bei dem sie auch dann von der Zahlung der Leasingraten entbunden ist, wenn der Lieferant oder ein Dritter seine Zusagen, die Leasingraten im wirtschaftlichen Ergebnis zu übernehmen, nicht einhält. Auch eine vom Lieferanten unterlassene Aufklärung der Leasingnehmerin über die rechtliche Selbstständigkeit von Kaufvertrag und Leasingvertrag kann unter solchen Umständen eine schuldhafte Verletzung vorvertraglicher Pflichten bei Anbahnung des Leasingvertrages nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB darstellen (vgl. BGH, Urt. v. 15.06.2011, VIII ZR 9/10). So liegt der Sachverhalt  hier:



aa)


Aufgrund des vorgelegten Schaubildes Anlage B1 und der persönlichen Anhörung der Beklagten im Termin ist der Senat der Überzeugung, dass sie von dem Mitarbeiter der XXX GmbH zum Abschluss beider Verträge mit dem zentralen Argument eines für die Leasingnehmerin kostenneutralen Geschäfts geworben worden ist. Die Anlage B1 erweckt den Eindruck, es handele sich bei den zu unterschreibenden Verträgen um ein einheitliches wirtschaftliches Geschäft, in dem es um einen zweiseitigen Austausch von Leistungen geht: Die Beklagte muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen (Approbation, Praxis, ISDN-Anschluss) und monatlich vier Stunden telefonische Beratungsleistung sowie zwei medizinische Stellungnahmen erstellen, im Gegenzug erhält sie ein Sprachservicesystem mit Installation und Wartung und für jede zusätzliche Gesprächminute 1 €. Die Darstellung ist - auch bei einer als Unternehmerin tätigen Ärztin - geeignet, den Irrtum hervorzurufen, dass ein synallagmatisches Verhältnis zwischen den genannten Leistungen besteht. Allein der Umstand, dass in der Anlage B1 auch "Finanzierung z.B. durch Leasinggesellschaft" erwähnt wird, ist nicht geeignet, den Irrtum zu vermeiden. Gleiches gilt dafür, dass mit dem Leasingvertrag und dem Kooperationsvertrag zwei getrennte Verträge ausgefertigt wurden (Anlagen K1 und B2), die keine Bezugnahmen aufeinander enthalten. Hierin liegt kein hinreichender Hinweis; dies lässt eine Aufklärungspflicht des Leasinggebers im Hinblick auf eine entstandene Fehlvorstellung nicht entfallen. Allein der Umstand, dass die Beklagte Unternehmerin ist, führt im vorliegenden Fall bei Betrachtung aller Umstände nicht dazu, dass die Leasinggeberin hätte annehmen können, dass der Beklagten bewusst ist, dass eine Insolvenz der XXX GmbH eine Verpflichtung zur Zahlung der Leasingraten nicht würde entfallen lassen.




bb)


Diese Aufklärungspflichtverletzung ist der Klägerin auch unabhängig davon zuzurechen, ob sie konkrete Kenntnis davon hatte, dass der Beklagten das Gesamtgeschäft als kostenneutral dargestellt wurde. Denn dann, wenn die Voraussetzungen des § 278 BGB vorliegen, muss sich der Leasinggeber die mit der unterlassenen Aufklärung einhergehende Pflichtverletzung des Lieferanten, mit dem die Leasingnehmerin die Verträge ausgehandelt hat, zurechnen lassen (vgl. Meyer, a.a.O., S. 692).



Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haftet der Leasinggeber nach § 278 BGB, wenn der Lieferant der Leasingsache schuldhaft (jedenfalls auch) den Leasingvertrag betreffende Aufklärungs- oder Hinweispflichten gegenüber dem Leasingnehmer verletzt, sofern der Lieferant mit Wissen und Willen des Leasinggebers Vorverhandlungen mit dem Leasingnehmer über den Abschluss eines Leasingvertrages führt. Grund für die Haftung ist es, dass der Leasinggeber im Interesse der Vereinfachung der Vertragsanbahnung und Vertragsabwicklung einen Dritten - den Lieferanten - mit Aufgaben betraut, die in seinem Verantwortungsbereich liegen. Dabei hängt die Zurechnung der Pflichtverletzung - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht von einer ständigen Geschäftsverbindung zwischen Lieferant und Leasinggeber ab, sondern von der Tatsache, dass sich der Leasinggeber zum Abschluss des Leasingvertrags der Hilfe des Lieferanten bedient (BGH, Urt. v. 15.06.2011 - VIII ZR 279/10, Rn. 19, m.w.N.).



Voraussetzung ist danach lediglich, dass der Lieferant objektiv auch Pflichten verletzt hat, die im Bereich des vom Leasinggeber geschuldeten Gesamtverhaltens liegen und dass der Lieferant in die den Leasingvertrag betreffenden Verhandlungen mit Wissen und Wollen des Leasinggebers eingeschaltet worden ist; ob diese Voraussetzungen vorliegen, kann nicht allgemein, sondern nur unter Würdigung der Gesamtumstände und unter Abwägung der betroffenen Interessen beurteilt werden (vgl. Meyer, a.a.O., mit vielen Nachweisen aus der  Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).



(1)


Der erforderliche innere und sachliche Zusammenhang zwischen dem der XYX GmbH erteilten Auftrag der Klägerin und der tatsächlichen Fehlberatung durch den Mitarbeiter der XXX GmbH ist gegeben. Wenn - wie hier - die Beklagte nach Würdigung der Gesamtumstände davon ausgehen musste, dass die Leasingraten in jedem Fall trotz der formal erklärten vertraglichen Verpflichtung tatsächlich nicht von ihr zu tragen sind, so betrifft dies nicht nur den Kooperationsvertrag, mit dem die Kosten der Leasingraten gedeckt werden sollten. Wegen der dann von der Beklagten angenommenen wirtschaftlichen Einheit zwischen Kooperationsvertrag und Leasingvertrag betrifft der Umstand, dass der Leasingvertrag mit dem vom Mitarbeiter der XXX GmbH dargestellten wirtschaftlichen Ergebnis (Kostenneutralität) nicht korrespondiert, auch den Leasingvertrag selbst. Auch die Klägerin als Leasinggeberin muss dem im Rahmen der Vertragsverhandlungen hergestellten inneren Zusammenhang zwischen den geschlossenen Verträgen dadurch Rechnung tragen, dass sie die Leasingnehmerin ausdrücklich auf die fehlende Kongruenz zwischen Leasing- und Kooperationsvertrag hinweist (vgl. BGH, Urt. v. 02.07.1985, VIII ZR 102/84; Graf von Westphalen, Der Leasingvertrag, 6. Aufl., Kap. C, Rn. 105). Dies gilt unabhängig davon, ob die Klägerin die konkreten Verhandlungsinhalte kennt, da es insoweit nicht um eine selbst begangene Pflichtverletzung der Leasinggeberin sondern um eine ihr zurechenbare Pflichtverletzung des als ihr Erfüllungsgehilfe tätig gewordenen Lieferanten geht, die im Zusammenhang mit der Anbahnung u.a. des Leasingsvertrages und dessen möglicher Preisgestaltung (kostenneutrales Gesamtgeschäft) begangen worden ist (vgl. Graf von Westphalen, Der Leasingvertrag, 6. Aufl., Kap. C, Rn. 105).



(2)


Die XYX GmbH ist zudem mit Wissen und Wollen der Klägerin in die Verhandlung über den Abschluss des Leasingvertrages eingeschaltet worden. Der bei der Beklagten vorstellig gewordene Mitarbeiter der XXX GmbH ist dabei als Hilfsperson der XYX GmbH tätig geworden, dessen auf den Abschluss des Leasingvertrages bezogenes Verhalten sich die Klägerin gleichfalls zurechnen lassen muss. Die Klägerin hat erstinstanzlich nicht bestritten, an die XYX GmbH Provisionen für die Vermittlung der Praxismanagergeräte als Leasingobjekte gezahlt zu haben. Erstinstanzlich hat die Klägerin weiterhin den auf der Aussage des Zeugen Marbach in diesem und in weiteren Parallelverfahren beruhenden Vortrag der Beklagten, dass die Klägerin die Geräte der XYX GmbH in ihr Portfolio aufgenommen hat, nicht bestritten. Sie hat erstinstanzlich auch nicht bestritten, dass die XYX GmbH von ihr die Berechtigung erhalten hat, ihre Antragsformulare potenziellen Kunden vorzulegen. Sie hat selbst vorgetragen, die XYX GmbH mit der notwendigen Vertragsvorbereitung betraut zu haben und hat nachfolgend vor dem Landgericht verhandelt. Soweit die Klägerin daher in zweiter Instanz andeutungsweise in Abrede stellt, dass sie die XYX GmbH bevollmächtigt habe, für sie die vorvertraglichen Gespräche zum Abschluss des Leasingsvertrages mit der Beklagten zu führen, stehen der Berücksichtigung dieses neuen Vortrags §§ 531, 288 ZPO entgegen. Dann aber muss sich die Klägerin Handeln und Wissen der XYX GmbH bei Anbahnung des Leasingvertrages zurechnen lassen, § 278 BGB, zumal sie auch selbst einräumt, der XYX GmbH nach Prüfung der Bonität der Beklagten ein Antragsformular zur Verfügung gestellt zu haben.



(3)


Im Ergebnis muss sich die Klägerin auch das Handeln der XXX GmbH zurechnen lassen. Grundsätzlich sind Hilfspersonen des Erfüllungsgehilfen auch Erfüllungsgehilfen des Schuldners, sofern dieser mit ihrer Heranziehung einverstanden war. Ein Einverständnis kann stillschweigend erklärt werden. Bei fehlendem Einverständnis haftet der Schuldner in der Regel dennoch, da er sich auch die Eigenmächtigkeit seines Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen muss (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., Rn. 9 zu § 278 m.w.N.). Erstinstanzlich hat die Klägerin nicht bestritten, dass die XXX GmbH für die XYX GmbH die Leasingverträge der Klägerin vermittelt hat. Sie stellt auch in zweiter Instanz nicht in Abrede, dass die XXX GmbH für den Leasingvertrag werbend tätig geworden ist. Sie beruft sich allein darauf, dass ihr dies nicht bekannt gewesen sei. Nach dem Hinweisbeschluss des Senats hat die Klägerin auch mit Nichtwissen bestritten, dass die XXX GmbH im Auftrag oder in Kenntnis der XYX GmbH für den Abschluss des Leasingvertrages tätig geworden sei. Unabhängig davon, ob dieses neue Bestreiten im Hinblick auf § 531 ZPO zulässig ist, ist der Senat bei Würdigung des gesamten Sach- und Streitstandes der Überzeugung, dass die Klägerin Kenntnis davon hatte, dass sich die XYX GmbH der XXX GmbH bei Anbahnung der Leasingverträge bediente und hiermit - stillschweigend - durch Hinnahme dieses Umstandes ihr Einverständnis erklärt hat: Noch in der Berufungserwiderung hat die Beklagte den erstinstanzlich vernommenen Zeugen M - ihren ehemaligen Mitarbeiter - selbst mit der Aussage zitiert, dass die XYX GmbH der Klägerin gegenüber die XXX GmbH als Callcenter erwähnt habe, ohne die Richtigkeit dieser Aussage in Zweifel zu ziehen. Schon hieraus ergibt sich, dass sich zum einen die XYX GmbH der XXX GmbH als Erfüllungsgehilfin sowohl zur Veräußerung ihrer Geräte als auch zur Vermittlung der Leasingverträge der Klägerin bedient hat; in dem Umstand, dass die XYX GmbH dies dem Mitarbeiter der Klägerin auf Nachfrage mitgeteilt hat, ohne dass die Klägerin hierauf dagegen eingeschritten wäre, liegt die konkludente Einwilligung der Klägerin zur Heranziehung der XXX GmbH als Hilfsperson ihrer Erfüllungsgehilfin.  Hinzu kommt, dass unstreitig Herr O Geschäftsführer sowohl der XYX GmbH als auch der XXX GmbH war. Hieraus ergibt sich aber dann zwingend, dass die XXX GmbH nicht ohne Wissen und Wollen der XYX GmbH bei der Anbahnung des Leasingvertrages tätig geworden ist. Auch war nicht völlig abwegig, dass sich die XYX GmbH und deren weitere Hilfspersonen der Andienung von vermeintlichen Kopplungsgseschäften beim Vertrieb von Produkten und Leasingverträgen bedienen würden; die Klägerin trägt selbst vor, dass ihr diese weit verbreitete Vertragsgestaltung beim Vertrieb von Leasingverträgen bekannt ist.



Es kommt daher nicht darauf an, ob die Klägerin sogar in umfassender Weise über den Einsatz von Mitarbeitern der XXX GmbH zur Vermittlung ihrer Leasingverträge informiert war. Hierfür könnte sprechen, dass die Klägerin in den Prozess den Namen des konkreten Vermittlers, des Mitarbeiters der XXX GmbH, Herrn F, eingeführt hat, obwohl der Beklagten der Name des Vermittlers nicht bekannt war und sie ihn gegenüber der Klägerin nicht erwähnt hat. Soweit die Klägerin zunächst schriftsätzlich behauptet hat, aus Parallelverfahren Kenntnis von dem Namen des Vermittlers erlangt zu haben, vermag diese Darstellung insoweit nicht zu überzeugen, weil sie nicht zu erklären vermag, woher die Klägerin wusste, dass es gerade dieser Mitarbeiter der XXX GmbH war, der bei der Beklagten den Leasingvertrag vermittelt hat. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung dann der Auffassung war, sie habe den Namen der Klageerwiderung der Beklagten entnommen, so ist festzuhalten, dass die Beklagte dort nicht den Vermittler, Herrn F, als Zeugen benannt hat, sondern vielmehr den einen sehr ähnlichen Namen tragenden Herrn F, bei dem es sich um den Ehemann der Beklagten handelt, was sie allerdings in der Klageerwiderung nicht kenntlich gemacht hat. Soweit durchaus denkbar erscheint, dass die Klägerin assoziativ wegen der Namensähnlichkeit des als Zeugen benannten Ehemanns der Beklagten auf Herrn F als Vermittler geschlossen hat, bleibt unverständlich, weshalb sie einen derartigen Irrtum nicht aufgeklärt hat, nachdem die Beklagte erstinstanzlich die Kenntnis des Namens des Herrn F durch die Klägerin als Indiz für deren kollusives Zusammenwirken mit der XXX GmbH angeführt hat.



cc)


Die Aufklärungspflichtverletzung der Klägerin ist auch kausal für den Schaden der Beklagten geworden. Der Umstand, dass die Anlage B1, mit der die Beklagte geworben ist, darauf angelegt ist, einen Irrtum über die Einheitlichkeit von Kooperations- und Leasingvertrag zu erwecken, führt nach Auffassung des Senates - wie bei Aufklärungspflichtverletzungen im Rahmen von Kapitalanlageberatung (vgl. BGH, Urt. v. 08.05.2012, XI ZR 262/10) - zu einer Beweislastumkehr dahingehend, dass eine widerlegliche Vermutung besteht, dass die irreführende Darstellung den Vertragsschluss verursacht hat. Unabhängig davon ist der Senat aber auch aufgrund der persönlichen Anhörung der Beklagten im Termin vor dem Senat der Überzeugung, dass diese von einer wirtschaftlichen Einheitlichkeit von Leasing- und Kooperationsvertrag ausgegangen ist.





3.


Rechtsfolge ist, dass die Beklagte dem Zahlungsbegehren der Klägerin einen Anspruch darauf entgegenhalten kann, so gestellt zu werden, wie sie stünde, wenn sie den Leasing- und Kooperationsvertrag nicht abgeschlossen hätte. Sie ist daher nicht zur Zahlung rückständiger Leasingraten und des aufgrund der Kündigung des Leasingvertrages der Klägerin entstandenen Schadens verpflichtet. Soweit die Beklagte - wofür viel spricht - verpflichtet sein könnte, die TK-Anlage an die Klägerin herauszugeben und dieser ein bereicherungsrechtliches Nutzungsentgelt zu zahlen, so sind derartige Ansprüche nicht streitgegenständlich.



II.



Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Entscheidung des Senats fußt vor allem auf den Überlegungen des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 15.06.2011, VII ZR 279/10, zur Haftung des Leasinggebers bei vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzungen.

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