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Wirtschaftsrecht
27.10.2011
Wirtschaftsrecht
OLG Stuttgart: Anwendung der Sonderregel der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) gem. § 5a Abs. 2 S. 1 GmbHG

OLG Stuttgart , Beschluss  vom 13.10.2011 - Aktenzeichen 8 W 341/11 (Vorinstanz: AG Stuttgart vom 06.09.2011 - Aktenzeichen HRB 729031; )
Amtliche Leitsätze: Die Sonderregel der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) gem. § 5a Abs. 2 Satz 1 GmbHG gilt nicht für diejenige Kapitalerhöhung, mit der das Mindeststammkapital der GmbH entsprechend § 7 Abs. 2 GmbHG erreicht wird. Der Wegfall der Beschränkungen des § 5a Abs. 1 bis 4 GmbHG ist nicht von einer Volleinzahlung des Stammkapitals abhängig (wie OLG Hamm, 5. Mai 2011, 27 W 24/11, GmbHR 2011, 655; vgl. auch BGH, 19. April 2011, II ZB 25/10, ZIP 2011, 955; entgegen OLG München, 23. September 2010, 31 Wx 149/10, NJW 2011, 464).
  Amtliche Normenkette: GmbHG § 5a Abs. 2 S. 1; GmbHG § 5a Abs. 5; GmbHG § 7 Abs. 2;
Gründe: 
I. Die Antragstellerin ist unter der Firma .... im Handelsregister des Amtsgerichts Stuttgart mit einem Stammkapital von 1.000 € eingetragen. Am 30. August 2011 reichte sie, vertreten durch den Beteiligten Ziff. 2, beim Amtsgericht - Registergericht - Stuttgart die notariell beglaubigte Anmeldung vom 25. August 2011 (UR 1554/2011 des Notars ...) zur Eintragung einer Kapitalerhöhung auf 25.000,00 € und der Änderung der Firma in "..." in das Handelsregister ein. In § 3 des Protokolls der die Satzungsänderung beschließenden Gesellschafterversammlung erklärt der Geschäftsführer der Antragstellerin als zur Übernahme zugelassene Person, dass er anlässlich der Kapitalerhöhung der Gesellschaft von € 1000 auf € 25.000 den Aufstockungsbetrag von € 24.000 übernehme und sich verpflichte, eine Bareinlage in Höhe von € 12.000 sofort und die weitere Einlage nach Einforderung an die Gesellschaft zu leisten. 
Mit Zwischenverfügung vom 6. September 2011 wurde als Eintragungshindernis aufgeführt, dass aus der Anmeldung hervorgehe, dass auf das Stammkapital lediglich ein Betrag von 12.000 € einbezahlt worden sei. §§ 57 Abs. 2, 7 Abs. 2 GmbHG seien bei Kapitalerhöhung einer Unternehmergesellschaft nicht anwendbar, weshalb der einzuzahlenden Barbetrag auf volle 25.000 € aufzustocken sei. 
Hiergegen hat der Beteiligte Ziff. 2 als bevollmächtigter Notar am 9.9.2011 Beschwerde eingelegt. 
Der Rechtspfleger hat an seiner Rechtsmeinung festgehalten und die Akten dem Oberlandesgericht ohne Abhilfe zur Entscheidung vorgelegt. 
II. Die befristete Beschwerde ist statthaft (§ 58 Abs. 1, 2. Hs i. V. m. § 382 Abs. 4 FamFG) und wurde form- und fristgerecht gemäß §§ 58 ff FamFG erhoben. Die Beschwerdeberechtigung der beteiligten Gesellschaft, vertreten durch den bevollmächtigten Notar, ergibt sich aus § 59 Abs. 1 und 2 FamFG. 
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. 
Für seine Rechtsauffassung nimmt der Rechtspfleger des Registergerichts Bezug auf den Beschluss des OLG München vom 23. September 2010 (31 Wx 149/10 - NJW 2011, 464 = DNotZ 2011, 313 = NZG 2010, 1303 u.a.), wohingegen die Beschwerdeführerin für ihre gegenteilige Rechtsauffassung auf die Entscheidungen des BGH vom 19.April 2011 (II ZB 25/10 - ZIP 2011, 955 = MDR 2011, 737 = DB 2011, 1216 u.a.) und des Oberlandesgerichts Hamm vom 5. Mai.2011 (27 W 24/11 - GmbHR 2011, 655 = RNotZ 2011, 439) Bezug nimmt.  
Nach § 7 Abs. 2 GmbHG darf die Anmeldung der Gesellschaft erst erfolgen, wenn auf jeden Geschäftsanteil ein Viertel des Nennbetrags eingezahlt ist. Insgesamt muss auf das Stammkapital mindestens soviel eingezahlt sein, dass die Hälfte des Mindeststammkapitals gem. § 5 Abs. 1 GmbHG (25.000 €) erreicht ist. § 5a Abs. 2 GmbHG ordnet dagegen an, dass bei einer Unternehmergesellschaft das Stammkapital entgegen § 7 Abs. 2 GmbHG in voller Höhe eingezahlt werden muss. 
Streitig ist, ob auch im Fall der Kapitalerhöhung und des Übergangs einer Unternehmergesellschaft in eine reguläre GmbH die Anmeldung zum Handelsregister von der Volleinzahlung des Stammkapitals abhängig zu machen ist. Das Oberlandesgericht München hat sich in der oben zitierten Entscheidung unter ausführlicher Darstellung des Meinungsstreits als erstes Obergericht mit der Frage beschäftigt, zu welchem Zeitpunkt die für die "UG (haftungsbeschränkt)" in § 5 Abs. 1 - 4 GmbHG geregelten Beschränkungen wegfallen. Es teilt die Auffassung, dass diese Sonderregelungen erst dann keine Anwendung mehr finden bzw. § 56a GmbHG und § 7 Abs. 2 Satz 1 GmbHG erst dann gelten, wenn die geleistete Bareinzahlung den Betrag des Stammkapitals in Höhe von 25.000 € (§ 5 Abs. 1 GmbHG) tatsächlich erreicht oder überschritten hat. Nach dem Wortlaut des § 5a Abs. 5 HS. 1 GmbHG sei der maßgebliche Zeitpunkt für den Wechsel der anzuwendenden Vorschriften der der (wirksamen) Erhöhung des Stammkapitals. Für die Wirksamkeit der Erhöhung des Stammkapitals bedürfe es aber neben dem Beschluss der Gesellschafter zur Kapitalerhöhung zudem dessen Eintragung in das Handelsregister. Diese könne aber erst dann erfolgen, wenn gemäß § 57 Abs. 2 GmbHG die Einlagen auf das neue Stammkapital bewirkt worden seien. (zustimmend siehe Friedel, jurisPR-HaGesR 3/2011; Römermann NZG 2010, 1375; Specks RNotZ 2011, 234; Priester ZIP 2010, 2182 ; Blasche EWiR 2010, 709; Heckschen NotBZ 2010, 468; kritisch Miras DB 2010, 2488; Klein NZG 2011, 377; ablehnend Klose GmbHR 2010, 1212; für die Volleinzahlung Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG 19. Aufl., § 5a Rn. 33; für die Teileinzahlung der Hälfte des gesetzlichen Mindestkapitals MünchKommGmbHG/Rieder § 5a Rn. 40; Michalski/Miras, GmbHG § 5a Rn.112). 
Für das Sacheinlagenverbot nach § 5a Abs. 2 Satz 2 GmbHG für Unternehmergesellschaften (haftungsbeschränkt) hat der BGH mit Beschluss vom 19. April 2011 festgestellt, dass dieses bei Kapitalerhöhungen auf mindestens 25.000 € bereits für den Kapitalerhöhungsvorgang nicht mehr gelte (II ZB 25/10 - ZIP 2011, 955 = DB 2011, 1216 = MDR 2011, 737 u. a.; zustimmende Besprechungen dieser Entscheidung vgl. Miras DStR 2011, 1379; Berninger EWiR 2011, 349; Friedel jurisPR-HaGesR 8/11 Anm. 3, m. w. Nachw.). Der BGH setzt sich in dieser Entscheidung ausführlich mit dem Streit in Rechtsprechung und Lehre auseinander, ob auch bei einer den Betrag des Mindeststammkapitals der normalen GmbH in Höhe von 25.000 € (§ 5 Abs. 1 GmbHG) erreichenden Erhöhung des Stammkapitals einer Unternehmergesellschaft Sacheinlagen nach § 5a Abs. 2 Satz 2 GmbHG ausgeschlossen sind. Dabei führt er aus, dass sich dem Wortlaut des § 5a Abs. 5 1. Hs. nicht entnehmen lasse, dass die für die Unternehmergesellschaft geltenden Sonderregelungen nach § 5a Abs. 1 - 4 GmbHG erst dann nicht mehr gelten sollen, wenn ein Stammkapital von mindestens 25.000 € bar eingezahlt und in das Handelsregister eingetragen worden ist. Die sprachliche Fassung ("erreicht") lasse vielmehr auch die Auslegung zu, dass die Sonderregeln bereits für eine die Mindestkapitalgrenze erreichende Kapitalerhöhung nicht mehr zur Anwendung gelangen sollen. Soweit der BGH weiter ausführt, dass die Auslegung, wonach das Sacheinlagenverbot bereits für die die Mindeststammkapitalgrenze nach § 5 Abs. 1 GmbHG erreichende Kapitalerhöhung nicht mehr gilt, nach dem Sinn und Zweck von § 5a Abs. 2 Satz 2, Abs. 5 GmbHG geboten sei, "weil die Anwendung der Sonderregelung des Abs. 2 Satz 2 auf die den Übergang zur normalen GmbH bewirkende Kapitalerhöhung die Unternehmergesellschaft gegenüber der Neugründung einer normalen GmbH in einer den Zielen der Neuregelung widersprechenden Weise benachteiligen würde", gilt dies nach Ansicht des Senats nicht nur für das Sacheinlagenverbot des §§ 5a Abs. 2 S. 2 GmbHG, sondern in gleicher Weise für Abs. 2 S. 1. Der Übergang der Unternehmergesellschaft, die für Existenzgründer gedacht ist, in die normale GmbH soll nicht erschwert werden, sondern "typischerweise" erfolgen. 
In diesem Sinn hat auch das Oberlandesgericht Hamm kurz nach dem BGH entschieden, dass in der entsprechenden Situation auch das Volleinzahlungsgebot des § 5a Abs. 2 Satz 1 GmbHG keine Anwendung finde (Beschluss vom 5. Mai 2011 - 27 W 24/11 - GmbH R 2011, 655 = RNotZ 2011, 439). Vielmehr entfalle dieses Erfordernis gemäß § 5 Abs. 5 GmbHG bereits für die Kapitalerhöhung, mit der ein satzungsmäßiges Stammkapital von 25.000 € erst erreicht werde. Es bestehe nach Sinn und Zweck des Gesetzes kein sachlicher Grund für die Anwendung des § 5a Abs. 2 GmbHG auf eine Kapitalerhöhung, die das Mindestkapital nach § 5 Abs. 1 GmbHG erreicht oder überschreitet. Die Rechtfertigung der strengeren Regeln für die Kapitalaufbringung der Unternehmergesellschaft entfalle, sobald sich diese mit der beschlossenen Kapitalerhöhung einer regulären GmbH gleich stelle. Sonst würden die Gesellschafter einer Unternehmergesellschaft beim Übergang in eine reguläre GmbH schlechter gestellt als bei der sofortigen Gründung einer solchen. 
Der Senat teilt die den Entscheidungen des BGH und des OLG Hamm zu Grunde liegende Intention, dass für den Kapitalerhöhungsvorgang auf das GmbH-Mindestkapital für die Unternehmergesellschaft keine strengeren Maßstäbe gelten sollen als diejenigen, die bei der Neugründung einer normalen GmbH anzuwenden sind. 
Die Eintragung der Erhöhung des Stammkapitals auf 25.000 € darf danach nicht von der Volleinzahlung des Stammkapitals abhängig gemacht werden. 
III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl. 2011, § 81 FamFG Rn. 2). Die Gerichtsgebührenfreiheit ergibt sich aus § 131 Abs. 3 KostO. 
 

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