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Wirtschaftsrecht
18.08.2010
Wirtschaftsrecht
OLG München: Anfechtungsbefugnis des zu Unrecht aus der Hauptversammlung ausgeschlossenen Aktionärs

OLG München, Beschluss vom 28.7.2010 - 7 AktG 2/10

Leitsätze

1. Ein in der Hauptversammlung erschienener Aktionär, der vom Versammlungsleiter des Saales verwiesen und vom weiteren Verlauf der Hauptversammlung ausgeschlossen wird, steht, wenn der Ausschluss zu Unrecht erfolgt, nach § 245 Nr. 2 Fall 1 AktG einem Aktionär gleich, der zur Hauptversammlung zu Unrecht nicht zugelassen wurde und deshalb nicht erschienen ist.

2. Für eine Mitteilung nach § 20 Abs. 1 AktG reicht aus, dass der Aktionär unter Angabe des Grundkapitals und der Gesamtzahl der Aktien die Anzahl der von ihm gehaltenen Aktien und den sich daraus ergebenden prozentualen Anteil an der Gesamtzahl zahlenmäßig beziffert, auch wenn das Schreiben nicht mit § 20 Abs. 1 AktG überschrieben ist.

3. Wird in einer Zwei-Personen-Aktiengesellschaft der Mehrheitsaktionär mit einem Anteil von über 80 % am Grundkapital zu Unrecht von der Hauptversammlung ausgeschlossen und fasst die Hauptversammlung mit den Stimmen der Minderheitsaktionärin einen Kapitalerhöhungsbeschluss mit der Folge, dass der Mehrheitsaktionär zum Minderheitsaktionär wird, liegt eine besondere Schwere des Rechtsverstoßes im Sinne des § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG vor, so dass auch ein vorrangiges Vollzugsinteresse einen Freigabebeschluss nicht rechtfertigen würde.

sachverhalt

I. Die Antragstellerin begehrt im Freigabeverfahren nach § 246a AktG die Durchführung einer Kapitalerhöhung.

Die Antragstellerin betreibt in B. T. in den angemieteten Räumlichkeiten des Anwesens R.straße  das Hotel T. Hof. Aktionäre der Antragstellerin, die am 27. Oktober 2006 mit einem Grundkapital von 52.000 € gegründet worden ist, sind seit Gründung der Antragsgegner mit einem Anteil von 46.173 Stückaktien und Karin G., Lebensgefährtin des Bruders des Antragsgegners und Vorstands der Antragstellerin, mit 5.827 Stückaktien.

Mit Datum vom 16. April 2010 veröffentlichte die Antragstellerin im elektronischen Bundesanzeiger eine Einladung zu einer außerordentlichen Hauptversammlung am 19. Mai 2010. Einziger Tagesordnungspunkt war die Beschlussfassung über die Erhöhung des Grundkapitals um 208.000 € gegen Bareinlage. Im Beschlussvorschlag des Vorstands war unter anderem Folgendes ausgeführt:

"Das Bezugsrecht der Altaktionäre wird gemäß § 186 Abs. 4 AktG zum Teil ausgeschlossen.

Altaktionäre können neue Aktien in dem Maße beziehen, dass ihre gesamte Beteiligung am Grundkapital der Gesellschaft von EURO 260.000 der Höhe ihrer Miteigentumsanteile an dem Hotel T. Hof auf dem Grundstück der Gemarkung B. T., R.straße  (Flst.Nr. ... zu 5.629 qm der Gemarkung B.T.) entspricht."

Der Aufsichtsrat unterbreitete keinen Beschlussvorschlag.

Der Antragsgegner fand sich am 19. Mai 2010 in Begleitung seines anwaltlichen Vertreters in der Hauptversammlung ein und trug sich in die Teilnehmerliste ein. Nach Eröffnung der Hauptversammlung teilte der Versammlungsleiter, der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Antragstellerin, dem Antragsgegner mit, dass er nicht teilnahmeberechtigt sei, und forderte diesen auf, die Hauptversammlung zu verlassen. Der Antragsgegner kam dieser Aufforderung, wenn auch nach Diskussion, nach.

Die Hauptversammlung der Antragstellerin beschloss daraufhin auf Antrag der Aktionärin G. mit deren Stimmen, das Grundkapital von bisher 52.000 € gegen Bareinlagen um 208.000 € auf insgesamt 260.000 € zu erhöhen. Ein auch teilweiser Ausschluss des Bezugsrechts wurde nicht beschlossen.

Am 27. Mai 2010 wurde der Kapitalerhöhungsbeschluss vom Amtsgericht München ins Handelsregister eingetragen. Sämtliche neuen Aktien wurden inzwischen gezeichnet.

Mit Schriftsatz vom 3. Juni 2010, beim Landgericht München I eingegangen am selben Tag, erhob der Antragsgegner gegen den Kapitalerhöhungsbeschluss der Hauptversammlung vom 19. Mai 2010 Anfechtungsklage. Das Verfahren wird unter dem Az. 5 HKO 10517/10 geführt. Am 4. Juni 2010 erließ das Landgericht München I unter dem Az. 5 HKO 10468/10 eine einstweilige Verfügung, die es der Antragstellerin untersagte, die Eintragung der Kapitalerhöhung weiter zu betreiben. Mit Endurteil vom 22. Juli 2010 wurde die einstweilige Verfügung vom Landgericht München I bestätigt.

Mit dem Freigabeantrag begehrt die Antragstellerin die Durchführung der Kapitalerhöhung. Sie hält die Anfechtungsklage des Antragsgegners für verfristet und offensichtlich unbegründet. Der Antragsgegner sei wegen Verstoßes gegen seine Mitteilungspflichten aus § 20 AktG an der Hauptversammlung nicht teilnahme- und stimmberechtigt gewesen. Er sei auch nicht anfechtungsbefugt. Außerdem bestehe ein vorrangiges Vollzugsinteresse, weil die Antragstellerin unterkapitalisiert sei. Eine Insolvenz könne nicht ausgeschlossen werden.

Die Antragstellerin beantragt:

Die Erhebung der Anfechtungsklage, Az. 5 HKO 10517/10, vor dem Landgericht München I steht der Durchführung der Kapitalerhöhung gemäß Beschluss der Antragstellerin vom 19. Mai 2010 nicht entgegen und Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses lassen die Wirkung der Durchführung der Kapitalerhöhung unberührt.

Der Antragsgegner beantragt,

den Freigabeantrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner hält sich für anfechtungsbefugt und zu Unrecht von der Hauptversammlung am 19. Mai 2010 ausgeschlossen. Seiner Mitteilungspflicht aus § 20 AktG, sollte sie bestehen, sei er durch Schreiben vom 5 Mai 2010 nachgekommen. Der Beschluss sei anfechtbar, weil die Mitaktionärin G. durch die Beschlussfassung einen Sondervorteil zum Schaden des Antragsgegners erlangt habe; auch sei die Kapitalerhöhung vom Aufsichtsrat nicht beschlossen worden, die Ladung zur Hauptversammlung sei mit Mängeln behaftet.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 2010 (Bl. 56/58 d.A.) Bezug genommen.

aus den gründen

II. Der zulässige Antrag auf Freigabe war zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen des § 246a Abs. 2 Nrn. 1 und 3 AktG nicht vorliegen.

Keine Unzulässigkeit oder offensichtliche Unbegründetheit der Anfechtungsklage (§ 246a Abs. 2 Nr. 1 AktG):

Die vom Antragsgegner gegen den Kapitalerhöhungsbeschluss vom 19. Mai 2010 zum Landgericht München I, Az. 5 HKO 10517/10, erhobene Anfechtungsklage ist nicht offensichtlich unbegründet, sondern, soweit dies im Freigabeverfahren geprüft werden konnte, begründet.

Die Anfechtungsklage ist innerhalb der Frist des § 246 Abs. 1 AktG erhoben. Danach muss die Klage innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben werden, und zwar gemäß § 246 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AktG gegen die Gesellschaft, welche im Anfechtungsverfahren vom Vorstand und vom Aufsichtsrat vertreten wird.

Maßgebend für den Fristbeginn ist der Tag der Hauptversammlung, hier der 19. Mai 2010, der gemäß § 187 Abs. 1 BGB aber nicht mitgerechnet wird. Fristgerecht erhoben ist die Klage, wenn sie spätestens am letzten Tag der Monatsfrist der Gesellschaft zugestellt wird (§ 253 Abs. 1 ZPO), wobei nach § 167 ZPO der rechtzeitige Eingang bei Gericht genügt, sofern die Zustellung demnächst erfolgt (vgl. BGHZ 15, 177, 180; 32, 318, 322; OLG München NZG 2008, 599, 600; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 246 Rdnr. 23).

Die Anfechtungsklage ist am 3. Juni 2010 beim zuständigen Landgericht München I eingegangen (Bl. 1 d.A. Az. 5 HKO 10517/10 LG München I) und dem Vorstand am 9. Juni 2010, also innerhalb der Monatsfrist, zugestellt worden (Anlage zu Bl. 18/19 d.A. Az. 5 HKO 10517/10 LG München I). Auch soweit die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 25. Juli 2010 vorträgt, dass die Anfechtungsklage bislang keinem Mitglied des Aufsichtsrat zugestellt und damit gegen das Prinzip der Doppelvertretung verstoßen worden sei, wirkt die Rückwirkung der Zustellung nach § 167 ZPO fort. Der Antragsgegner hat seine mit Schriftsatz vom 3. Juni 2010 erhobene Anfechtungsklage gegen die Antragstellerin, "vertreten durch den Vorstand Ernst D., ..., sowie die Aufsichtsräte Dr. Klaus T., ..., Frau Angelika D., ..., Frau Karin G., ..." und damit der Vorschrift des § 246 Abs. 2 Satz 2 AktG entsprechend gerichtet. Die zunächst unterbliebene Zustellung an den Aufsichtsrat beruht auf einem Geschäftsstellenversehen des Gerichts. Laut Verfügung des Vorsitzenden Richters vom 7. Juni 2010 (Bl. 18/19 d.A. Az. 5 HKO 10517/10 LG München I) wurde die Zustellung der Klage nebst Terminsladung an den Vorstand der Antragstellerin und das Aufsichtsratsmitglied Dr. Klaus T. angeordnet, aber nur in Richtung des Vorstands der Antragstellerin erledigt (Anlage zu Bl. 18/19 d.A. Az. 5 HKO 10517/10 LG München I). Die Zustellungsverzögerung beruht also nicht auf einem Verschulden des Antragsgegners, so dass die Antragstellerin die eintretende Verzögerung, die Zustellung wurde durch die Geschäftsstelle des Landgerichts inzwischen erneut veranlasst (Anlage zu Bl. 18/19 d.A. Az. 5 HKO 10517/10 LG München I), auch im Anfechtungsverfahren hinnehmen muss (siehe BGH WM 1974, 713, 714; OLG München NZG 2008, 599, 600; Dörr, in: Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 246 Rdnr. 15; Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 246 Rdnr. 7; Semler, in: Münch.Hdb.GesR Bd. 4, 3. Auf. 2007, § 41 Rdnr. 71).

Der Antragsgegner ist nach § 245 AktG zur Anfechtung befugt.

Die Befugnis zur Anfechtung ergibt sich aus § 245 Nr. 2 Fall 1 AktG. Danach steht die Anfechtungsbefugnis jedem in der Hauptversammlung nicht erschienenen Aktionär zu, wenn er zu der Hauptversammlung zu Unrecht nicht zugelassen worden ist. Zwar ist der Antragsteller in der Hauptversammlung am 19. Mai 2010 zunächst anwesend gewesen und hat sich nach seinem Vortrag in das Teilnehmerverzeichnis eingetragen. Der Versammlungsleiter hat jedoch, bevor über den Kapitalerhöhungsantrag abgestimmt wurde, mitgeteilt, dass der Antragsgegner "wegen Verletzung seiner aktienrechtlichen Mitteilungspflichten nicht zur Teilnahme an der Hauptversammlung und der Ausübung seines Stimmrechts berechtigt sei" (Seite 4 der Niederschrift über die Hauptversammlung, Anlage ASt 21). Nach einer Diskussion und "mehrfacher Aufforderung des Versammlungsvorsitzenden ..., den Raum zu verlassen", hat der Antragsgegner die Hauptversammlung verlassen. Damit steht der Antragsgegner, wenn der Ausschluss zu Unrecht erfolgte, einem Aktionär gleich, der zur Hauptversammlung nicht zugelassen wurde und deshalb nicht erschienen ist (vgl. BGH NJW 1966, 43, 44; Dörr, in: Spindler/Stilz, aaO., § 245 Rdnr. 36; Hüffer, aaO., § 245 Rdnr. 18; Semler, in: Münch.Hdb.GesR, aaO., § 41, Rdnr. 54).

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist der Antragsgegner in der Hauptversammlung am 19. Mai 2010 zu Unrecht ausgeschlossen worden, weil ein Fall des § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG nicht vorliegt. Nach dieser Vorschrift bestehen Rechte aus Aktien nicht, solange ein Aktionär, der ein Unternehmen ist, seine Mitteilungspflichten aus § 20 Abs. 1 bis 4 AktG nicht erfüllt. Dabei kann offen bleiben, ob der Antragsgegner die Voraussetzungen des Unternehmensbegriffs im Sinne dieser Vorschrift (zu Einzelheiten etwa Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 20 Rdnr. 13 ff.; Peres/Oschütz, in: Heidel, Aktienrecht, 2. Aufl. 2007, § 15 Rdnr. 2; Vetter, in: K. Schmidt/Lutter, aaO., § 15 Rdnr. 32) erfüllt und, wenn ja, der Antragsgegner seiner Mitteilungspflicht unverzüglich nach Gründung der Gesellschaft (hierzu BGH ZIP 2006, 1134, 1135) nachgekommen ist. Auf jeden Fall stellt das Schreiben vom 5. Mai 2010 (Anlage ASt 10) eine ausreichende Mitteilung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 AktG dar, so dass spätestens ab diesem Zeitpunkt und damit bei der Hauptversammlung am 19. Mai 2010 die Rechte des Antragsgegners aus seinen Aktien bestanden.

§ 20 Abs. 1 Satz 1 AktG schreibt vor, dass ein Unternehmen, sobald ihm mehr als der vierte Teil der Aktien gehört, dies der Gesellschaft schriftlich mitzuteilen hat. Ein bestimmter Inhalt ist gesetzlich nicht vorgeschrieben (vgl. Hüffer, aaO., § 20 Rdnr. 8). Die Gesellschaft muss aber als Erklärungsempfängerin erkennen können, welchem Unternehmen welche Beteiligung zusteht und ob es sich um eine Mitteilung nach § 20 Abs. 1, Abs. 3 oder Abs. 4 AktG handelt (siehe BGH NJW 1991, 2765, 2767; 2000, 3647/ 3648; KG AG 2000, 227; ebenso Emmerich, in: Emmerich/Habersack, aaO., § 20 Rdnr. 33; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, aaO., § 20 Rdnr. 8). Dem hat der Antragsgegner mit seinem Schreiben vom 5. Mai 2010 (Anlage ASt 10) Genüge getan. Zwar hat er das Schreiben mit "Eintragung Aktienregister § 67 AktG" und "Auskunftsverlangen gem. § 67 (6) AktG" überschrieben. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bewirkt es aber auch eine Mitteilung im Sinne des § 20 Abs. 1 AktG. Der Antragsgegner hat mit dem Schreiben der Gesellschaft in unmissverständlicher Weise zur Kenntnis gebracht, dass er vom Grundkapital in Höhe von 52.000 €, eingeteilt in 52.000 Namensaktien, 46 173 Stückaktien hält, was einen Anteil von 88,79 % darstellt. Dies hat, was die Antragstellerin zum damaligen Zeitpunkt wusste, dem Anteilsverhältnis bei Gründung der Gesellschaft (Anlage ASt 9) entsprochen. Der Inhalt der Mitteilung über die Beteiligung des Antragsgegners war auch so eindeutig und umfassend formuliert, dass die Gesellschaft ihn nach § 20 Abs. 6 AktG ohne weitere Korrekturen in den Gesellschaftsblättern bekannt machen konnte (so BGH NZG 2000, 1220; Heinrich, in: Heidel, aaO., § 20 AktG Rdnr. 10; Koppensteiner, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2004, § 20 Rdnr. 25; Sester, in: Spindler/Stilz, aaO., § 20 Rdnr. 21; Windbichler, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1992 ff., § 20 Rdnr. 44). Damit hat der Antragsgegner seine Beteiligungsverhältnisse in ausreichender Weise offengelegt.

Die Befugnis zur Anfechtung ergibt sich aber auch aus § 245 Nr. 3 AktG, da die Anfechtungsklage unter anderem auch darauf gestützt wird, dass die Aktionärin G. mit der Ausübung ihres Stimmrechts in Hauptversammlung für sich Sondervorteile zum Schaden des Antragsgegners zu erlangen suchte. Für die Anfechtungsbefugnis nach § 245 Nr. 3 AktG ausreichend ist, dass der Antragsgegner seiner eventuell bestehenden Mitteilungspflicht nach § 20 Abs. 1 AktG innerhalb der Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG nachkommt (so ausdrücklich BGH ZIP 2009, 1317, 1318), was unstreitig spätestens mit Schreiben vom 26. Mai 2010 (Anlage ASt 8) erfolgte.

Der Beschluss der Hauptversammlung vom 19. Mai 2010 über die Kapitalerhöhung ist wegen Verletzung des Gesetzes anfechtbar.

Wie bereits unter 1.2.1. ausgeführt war der Antragsgegner für die Hauptversammlung am 19. Mai 2010 teilnahme- und stimmberechtigt. Damit wurde der Antragsgegner zu Unrecht von der Hauptversammlung ausgeschlossen, so dass eine Verletzung der Mitgliedsrechts aus §§ 12 Abs. 1 Satz 1, 118 Abs. 1, 134 AktG vorliegt.

Der Beschluss der Hauptversammlung vom 19. Mai 2010 verstößt des Weiteren gegen § 124 Abs. 4 AktG, weil der Aufsichtsrat entgegen § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG zum Tagesordnungspunkt der Kapitalerhöhung keinen eigenen Beschlussvorschlag gemacht hat (vgl. Ludwig, in: Happ, Aktienrecht, 3. Aufl. 2007, Kap. 10.09 Rdnr. 9; Willamowski, in: Spindler/Stilz, aaO. § 124 Rdnr. 10; Ziemons, in: K. Schmidt/Lutter, aaO., § 124 Rdnrn. 14, 18 und 21). Unerheblich ist, dass der Vorstand der Gesellschaft bereits mit Bericht vom 19. Februar 2010 (Anlage ASt 15a) eine Kapitalerhöhung beantragt hat, über welche der Vorsitzende des Aufsichtsrats in der Sitzung des Aufsichtsrat am 8. März 2010 beschließen lassen wollte (Anlage ASt 17), wegen Abwesenheit des Aufsichtsratsmitglieds Angelika D., der Ehefrau des Antragsgegners, und damit mangels Beschlussfähigkeit aber nicht konnte. Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Vereiteln eines Aufsichtsratsbeschlusses zur beantragten Kapitalerhöhung sind nicht vorgetragen.

Ob der Kapitalerhöhungsbeschluss darüber hinaus gegen § 186 Abs. 4 AktG verstößt, weil, so die Auffassung des Antragsgegners, der Vorstand in seinem mit der Einladung bekannt gemachten Beschlussvorschlag den ─ letztlich in der Hauptversammlung nicht beschlossenen ─ teilweisen Ausschluss des Bezugsrechts nicht ausreichend begründet hat, oder ob die Mitaktionärin G. mit der Kapitalerhöhung, wie sie in der Hauptversammlung tatsächlich beschlossen wurde, nach § 243 Abs. 2 AktG für sich zum Schaden des Antragstellers einen Sondervorteil zu erlangen suchte, kann für das Freigabeverfahren angesichts der unter 1.3.1. und 1.3.2. festgestellten Mängel und damit der Begründetheit der Anfechtungsklage dahin stehen.

Kein vorrangiges Vollzugsinteresse (§ 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG):

Soweit die Antragstellerin sich auf ein vorrangiges Vollzugsinteresse für die Durchführung der Kapitalerhöhung beruft, bedarf es keiner Entscheidung, ob die behaupteten Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre wesentlich sind und die Nachteile für den Antragsgegner überwiegen. Der zu Unrecht erfolgte Ausschluss des Antragsgegner von der Hauptversammlung und von der Ausübung seines Stimmrechts, zumal er Mehrheitsaktionär mit einem Anteil von 88,79 % ist, stellt einen besonders schweren Rechtsverstoß dar, so dass § 246a Abs. 2 Nr. 3 a.E. AktG einer Freigabe entgegensteht (siehe auch Koch/Wackerbeck, ZIP 2009, 1603, 1607; Rubel DB 2009, 2027, 2029/2030).

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

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