BGH: Wahl BGH-Anwälte 2013
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
Vom 11. Oktober 2013 in dem einstweiligen Anordnungsverfahren
AnwZ 2/13
wegen Zulassung als Rechtsanwalt bei dem Bundesgerichtshof.
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat am 11. Oktober 2013 beschlossen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert wird auf 12.500 € festgesetzt.
Gründe:
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Der Antragsteller gehört zu den 34 Kandidaten, die dem Wahlausschuss für Rechtsanwälte bei dem Bundesgerichtshof von der Bundesrechtsanwaltskammer und der Rechtsanwaltskammer beim Bundesgerichtshof vorgeschlagen worden sind. Am 29. Juli 2013 fand die Wahl statt. Der Vorsitzende des Ausschusses teilte anschließend dem Antragsgegner, der über die Zulassung als Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof entscheidet, das Wahlergebnis mit. Der Antragsteller befand sich nicht unter den gewählten Personen. Hierüber unterrichtete ihn der Vorsitzende des Wahlausschusses. Daraufhin beantragte der Antragsteller beim Ausschuss, ihm umfassende Akteneinsicht zu gewähren. Dem wurde nur teilweise entsprochen. Am 29. August 2013 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht K. Klage gegen den Wahlausschuss erhoben. Er begehrt dort die Verpflichtung des Ausschusses, ihm umfassende Akteneinsicht zu gewähren und ihn in die Wahlliste des Ausschusses aufzunehmen. Mit Schriftsatz vom 10. September 2013 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht K. beantragt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen, bis zur Entscheidung über seine Klage gegen den Ausschuss, längstens für die Dauer von sechs Monaten, aus der Wahlliste des Ausschusses keinen Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof zuzulassen. Der Antragsgegner hat zwischenzeitlich den auf der Liste des Ausschusses an Platz 9 bis 16 stehenden Rechtsanwälten mitgeteilt, dass er beabsichtige, die vom Ausschuss auf die Plätze 1 bis 8 gewählten Personen als Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof zuzulassen. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 13. September 2013 hat das Verwaltungsgericht K. im einstweiligen Anordnungsverfahren den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und das einstweilige Anordnungsverfahren an den Senat verwiesen.
II
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Der Antrag hat keinen Erfolg; es besteht kein Anordnungsgrund.
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1. Nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann auf Antrag das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. An dieser Voraussetzung fehlt es. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist ihm ein Abwarten auf das Ergebnis der Hauptsache zumutbar. Der Antragsteller kann auch nach der vom Antragsgegner beabsichtigten Zulassung der auf den Plätzen 1 bis 8 der Liste des Wahlausschusses stehenden Rechtsanwälte sein Ziel der Zulassung zum Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof weiterverfolgen. Insoweit verweist der Antragsteller zu Unrecht auf die Situation bei der Besetzung von Notarstellen, bei der durch die Ernennung des Mitbewerbers auf eine ausgeschriebene Stelle vollendete Tatsachen geschaffen werden - die Bewerbung auf eine ausgeschriebene Notarstelle bezieht sich ausschließlich auf diese Stelle; wird diese besetzt, ist das durch Ausschreibung eingeleitete Verfahren beendet; eine zusätzliche Stelle wäre wiederum nach §§ 6, 6b BNotO förmlich auszuschreiben und nach für alle Bewerber gleichen Eignungsmaßstäben zu besetzen - und deshalb etwaige Rechte des zu Unrecht übergangenen Bewerbers ohne die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes leerlaufen (vgl. zum Notarbestellungsverfahren BGH, Beschluss vom 28. November 2005 - NotZ 18/05, BGHZ 165, 139, 142 f.; BVerfG, NJW 2006, 2395, 2396); eine vergleichbare Rechtslage liegt hier nicht vor.
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2. Das Verfahren auf Zulassung als Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof ist ein gestuftes Verwaltungsverfahren (vgl. Senat, Beschlüsse vom 18. Februar 2005 - AnwZ 3/03, BGHZ 162, 199, 204 und vom 11. September 2006 - AnwZ 1/06, BGHZ 169, 77 Rn. 8). Die Entscheidung darüber, welche Bewerber dem Wahlausschuss vorgeschlagen werden, obliegt der Bundesrechtsanwaltskammer sowie der Rechtsanwaltskammer beim Bundesgerichtshof (§ 166 BRAO). Aus deren Vorschlagslisten benennt der Wahlausschuss dem Bundesministerium der Justiz die doppelte Zahl von Rechtsanwälten, die er für die Zulassung beim Bundesgerichtshof für angemessen hält (§ 168 Abs. 2 BRAO). Hierbei steht dem Wahlausschuss ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum sowohl bezüglich der Angemessenheit der Zulassungen als auch der Eignung der Bewerber im Rahmen der Bestenauslese zu (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Februar 2005, aaO S. 207 f.; Beschluss vom 5. Dezember 2006 - AnwZ 2/06, BGHZ 170, 137 Rn. 27, 39 m.w.N.). Über die Zulassungen entscheidet dann das Bundesministerium der Justiz (§ 170 Abs. 1 BRAO). Dieses ist an die Wahl des Ausschusses im Rahmen von § 164 BRAO gebunden. Danach kann als Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof zugelassen werden, wer durch den Wahlausschuss benannt wird; dementsprechend sind auch nur die Anträge dieser Personen der Mitteilung des Ausschussvorsitzenden an das Bundesministerium der Justiz beizufügen (§ 169 Abs. 2 BRAO). Der Wahlausschuss hat insoweit die Zulassung von 8 Rechtsanwälten als angemessen angesehen und dem Antragsgegner deshalb insgesamt 16 Personen benannt. Der Antragsgegner ist aber bei seiner Entscheidung über die Zulassung nicht an diese vom Wahlausschuss als angemessen angesehene Zahl von neuen Rechtsanwälten gebunden; insoweit können aus der Wahlliste weniger oder bis zu doppelt so viele Rechtsanwälte zugelassen werden, wie der Ausschuss für angemessen gehalten hat (vgl. Senat, Beschluss vom 11. September 2006, aaO Rn. 16 ff.; siehe auch BVerfG, NJW 2008, 1293 Rn. 38). Genauso wenig besteht eine Bindung an die vom Wahlausschuss für richtig gehaltene Reihenfolge unter den Kandidaten (vgl. Senat, Beschlüsse vom 11. September 2006, aaO Rn. 14 f. und vom 5. Dezember 2006, aaO Rn. 55). Hierbei sind die Entscheidungen des Antragsgegners wegen des auch insoweit bestehenden Beurteilungsspielraums ebenfalls gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. Senat, Beschlüsse vom 18. Februar 2005, aaO S. 200 und vom 11. September 2006, aaO Rn. 15, 23).
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3. Der Antragsgegner darf allerdings die Zahl der Neuzulassungen im Rahmen der Bewerberliste des Wahlausschusses nicht nach Belieben festlegen. Nicht anders als der Wahlausschuss in seiner Entscheidung nach § 168 Abs. 2 BRAO hat sich der Antragsgegner bei der abschließenden Festlegung der Zahl der zuzulassenden Rechtsanwälte an den Bedürfnissen einer geordneten Rechtspflege zu orientieren. Er muss insoweit darauf achten, dass einerseits eine ausreichende Versorgung der Rechtsuchenden an revisionsanwaltlicher Beratung und Vertretung garantiert ist, andererseits die bei dem Bundesgerichtshof singular zugelassenen Rechtsanwälte im Hinblick auf ihre Berufsausübungsfreiheit, vor allem aber auch im Hinblick auf die mit der Singularzulassung verfolgten Interessen des Gemeinwohls ausreichende Möglichkeiten revisionsanwaltlicher Betätigung haben. Dies ändert aber nichts daran, dass der Antragsgegner einen Beurteilungsspielraum hat, innerhalb dessen er die heranzuziehenden Gesichtspunkte in gewissem Umfang anders gewichten kann als der Wahlausschuss. Dabei kann er im Interesse der Rechtspflege etwa auch darauf hinwirken, durch eine begrenzte Ausweitung der vom Wahlausschuss für erforderlich gehaltenen Neuzulassungen weitere besonders qualifizierte Rechtsanwälte für die Rechtsanwaltschaft bei dem Bundesgerichtshof zu gewinnen (vgl. Senat, Beschluss vom 11. September 2006, aaO Rn. 22 f.). Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Sinne zur Begrenzung der Zahl postulationsfähiger Prozessvertreter beim Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass das im Allgemeininteresse liegende gesetzgeberische Ziel, den Rechtsanwälten beim Bundesgerichtshof mit dem Ziel der Vermeidung von Rechtsmitteln ohne hinreichende Erfolgsaussichten eine Filterfunktion zuzuweisen, gefährdet wäre, wenn so viele Rechtsanwälte zugelassen würden, dass hierdurch ein ruinöser Wettbewerb unter den Revisionsanwälten einsetzen würde. Außerdem erfordert das Verhältnismäßigkeitsgebot mit Blick auf die verfassungsrechtlich unbedenkliche beschränkte Postulationsfähigkeit der Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof, dass den dadurch in ihrer beruflichen Betätigung erheblich eingeschränkten Rechtsanwälten trotz der gebotenen Konzentration auf das Revisionsrecht ein Geschäftsanfall verbleibt, der ausreichend ist, damit ihre Berufsausübung ihnen eine ihrer Stellung auskömmliche Lebensgrundlage ermöglicht (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1293 Rn. 36), ungeachtet dessen, dass mit der Zulassungsbeschränkung kein Schutz vor Konkurrenz zur Sicherung einer besseren Einkommenssituation beabsichtigt ist (BVerfG, aaO Rn. 42).
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4. Vor diesem Hintergrund fehlt es im vorliegenden Fall an einem Anordnungsgrund. Unterstellt man den Vortrag des Antragstellers als zutreffend, wonach der Bedarf erheblich höher - nach Ansicht des Antragstellers sogar mindestens in Höhe der von den Anwaltskammern vorgeschlagenen 34 Personen - liegt, der Ausschuss seinen Beurteilungsspielraum überschritten hat und die Klage gegen den Ausschuss Erfolg haben wird, wäre der Antragsgegner nicht gehindert, zusätzlich zu den bisher vorgesehenen und dann bereits zugelassenen 8 Rechtsanwälten auch den Antragsteller noch zu berücksichtigen. Hieran würde sich auch nichts ändern, wenn sich der angenommene Bedarf von acht Personen zwar im Rahmen des Beurteilungsspielraums des Ausschusses und des Antragsgegners halten würde, aber diese ihren Spielraum bei der Auswahl der Kandidaten zum Nachteil des Antragstellers überschritten hätten. Für die mit seiner zusätzlichen Berücksichtigung durch den Antragsgegner verbundene Abweichung vom angenommenen Bedarf bestünde dann ein sachlicher Grund; hiermit würde - neben der Beseitigung des dem Antragsteller widerfahrenen Unrechts - dem Anliegen Rechnung getragen, einen noch besser und damit besonders geeigneten Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof zuzulassen, ein Aspekt, der im Rahmen des Beurteilungsspielraums des Antragsgegners Berücksichtigung finden darf (vgl. nur Senat, Beschluss vom 11. September 2006, aaO Rn. 23). Dem Antragsgegner stünde nur dann kein Spielraum für sachlich gerechtfertigte zusätzliche Zulassungen zu, wenn dies den Erfordernissen der Rechtspflege zuwiderlaufen würde, insbesondere damit die Gefahr eines ruinösen Wettbewerbs unter den Revisionsanwälten entstehen könnte oder die auskömmliche Lebensgrundlage der bereits beim Bundesgerichtshof tätigen Rechtsanwälte bedroht wäre. Dafür spricht nach Auffassung des Senats bislang nichts.