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Steuerrecht
28.04.2017
Steuerrecht
Niedersächsisches FG: Zu den Voraussetzungen der Steuerfreiheit von Leistungen einer selbständige Betreuerin (Subunternehmerin) für einen gemeinnützigen Verein nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL

Niedersächsisches FG, Urteil vom 15.6.20165 K 86/15

Volltext:BB-ONLINE BBL2017-981-4

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Leitsatz

Für die Anerkennung einer Steuerpflichtigen als Einrichtung mit sozialem Charakter nach § 75 Abs. 1 SGB XII genügt die Möglichkeit, selbst Verträge über Betreuungsleistungen mit Leistungsträgern abzuschließen zu können. Der Anerkennung steht nicht entgegen, dass der Leistende tatsächlich nicht selbst die Kosten mit den Sozialleistungsträgern abgerechnet hat, sondern als Subunternehmer der Abrechnenden tätig geworden ist (Fortführung der Rechtsprechung des BFH in seinem Urteil vom 18. August 2015, V R 13/14).

Sachverhalt

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Umsätze der Klägerin als selbständige Betreuerin der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind.

Die Klägerin ist ausgebildete Erzieherin und war seit dem 1. Februar 2006 auf Honorarbasis für den gemeinnützigen Verein „… e. V.“ - dessen Vorsitzende sie war - als selbstständige Betreuerin tätig. Der zugrunde liegende Vertrag sah eine maximale wöchentliche Stundenzahl von 38 Stunden zu einem Honorar von 23,- € pro Stunde vor. Hinsichtlich der Leistungsbeschreibung bezogen die Parteien den Vertrag zwischen dem Verein und dem Landkreis … vom 1. Februar 2006 nach §§ 75 Abs. 3, 76 Abs. 2 SGB XII in den Honorarvertrag mit ein. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Vertrag Bezug genommen.

Im Rahmen ihrer Tätigkeit suchte die Klägerin seelisch kranke Menschen in ihren Wohnungen auf und unterstützte diese z.B. bei der Erweiterung der psychosozialen und kommunikativen Kompetenzen, der Förderung einer angemessenen Tagesstruktur und Freizeitgestaltung sowie in anderen vergleichbaren Bereichen durch Gespräche, Beratungen, gezielte Förderungen etc. Die Betreuung erfolgte im Rahmen einer ambulanten Eingliederungshilfe gemäß § 53 SGB XII.

Am 21. Februar 2006 meldete die Klägerin gegenüber dem Beklagten - dem Finanzamt (FA) - die ambulante Betreuung von psychisch Kranken an. Sie gab an, die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG in Anspruch nehmen zu wollen und behandelte die erzielten Umsätze als steuerfrei. Sie ermittelte ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG und reichte keine Umsatzsteuererklärungen ein.

Nachdem die Klägerin zunächst ausschließlich für den Verein tätig geworden war, schloss sie jedenfalls ab August 2011 selbst Verträge mit verschiedenen Kostenträgern. Am 30. August 2011 kam eine Vergütungsvereinbarung nach §§ 76 Abs. 2 und 75 Abs. 2 SGB XII zwischen der Klägerin und dem Landkreis … zustande. Das Leistungsentgelt betrug 37,50 € je Betreuungsstunde, womit alle Leistungen abgegolten waren. Vergütet werden sollten die im jeweiligen Bewilligungszeitraum erbrachten Betreuungsstunden. Wegen des Leistungsinhalts nahm der Vertrag auf die am selben Tag abgeschlossene Leistungs- und Prüfungsvereinbarung Bezug, auf welche wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird.

Aus diversen Übernahmebestätigungen bezüglich ambulanter Betreuungen ergibt sich die Kostenübernahme verschiedener Leistungsträger gegenüber der Klägerin (vgl. Landkreis … vom 04. Juni 2012, Landkreis … vom 26. Juli sowie 3. Dezember 2012, Stadt … vom 6. November sowie 4. Dezember 2012, Stadtverwaltung … vom 9. Januar 2013, Landkreis … vom 7. Februar 2013, Stadt … vom 21., 29. Mai 2012, 11. März und 13. September 2013).

Die Umsätze der Klägerin gliederten sich wie folgt auf:

Umsätze brutto aufgrund von Direktvereinbarungen,

als Subunternehmerin

2009   

-       

… €     

2010   

-       

… €     

2011   

… €     

… €     

2012   

… €     

… €  

Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung kam das FA zu der Einschätzung, dass sämtliche Leistungen, die die Klägerin erbracht hat, steuerpflichtig seien und erließ für 2009 und 2010 am 16. Mai 2013 erstmalig entsprechende Bescheide. Für 2011 und 2012 schätzte das FA die Umsätze auf Grundlage der von der Klägerin eingereichten Gewinnermittlungen mit Bescheiden vom 25. August 2014. Das FA ging von folgenden Bemessungsgrundlagen zu 19% aus:

2009   

… €     

2010   

… €     

2011   

… €     

2012   

… €     

Das FA berücksichtigte folgende Vorsteuerbeträge:

2009   

… €     

2010   

… €     

2011   

… €     

2012   

… €     

Gegen die Bescheide erhob die Klägerin am 16. Mai 2013 und 15. September 2014 Einsprüche. Sie berief sich zur Begründung auf die Steuerfreiheit der Leistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Die Norm sei unmittelbar anwendbar. Zudem erbringe sie im Vergleich zu den Leistungen des Vereins völlig identische Leistung, so dass die Steuerfreiheit bereits vor diesem Hintergrund gewährt werden müsse. Die Entscheidung des FA verstoße gegen den Grundsatz der Neutralität und Gleichbehandlung.

Mit Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2015 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück. Der Gesetzgeber habe die Vorgaben der Richtlinie mit der Neufassung des § 4 Nr. 16 UStG umgesetzt. Daher könne sich die Klägerin nicht unmittelbar auf die Regelungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen. Von dem allenfalls einschlägigen § 4 Nr. 16 h UStG sei sie nicht erfasst, da die Leistungen nicht aufgrund eines unmittelbar mit dem Kostenträger abgeschlossenen Vertrags nach Maßgabe des SGB XII erbracht worden seien. Vielmehr sei der Vertrag mit dem Verein und dem entsprechenden Leistungsträger zustande gekommen, so dass sich die Klägerin als Subunternehmerin nicht auf die Norm berufen könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Einspruchsbescheid Bezug genommen.

Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Spätestens seit dem Abschluss der Direktvereinbarungen mit den einzelnen Leistungsträgern sei sie eine „Einrichtung mit sozialem Charakter“. Die Klägerin stützt ihre Rechtsauffassung auf das Urteil des BFH vom 18. August (V R 13/14, BFH/NV 2015, 1784) und vertieft ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren.

Die Klägerin beantragt,

in Abänderung der Einspruchsentscheidung die Umsatzsteuerbescheide 2009 bis 2012 ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA hält an seiner Rechtsansicht fest. Mit der Neufassung des § 4 Nr. 16 UStG habe der Gesetzgeber den ihm zustehenden Ermessensspielraum hinsichtlich der Kriterien für die Anerkennung von Einrichtungen mit sozialem Charakter ausgefüllt. Er habe genau festgelegt, inwieweit eine Anerkennung aus den spezifischen Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit, nämlich insbesondere aus den Vorschriften des Sozialgesetzbuches, erfolgen könne. Daher sei das Urteil des BFH vom 18. August (V R 13/14, BFH/NV 2015, 1784) auf den Streitfall nicht anwendbar.

Zudem lägen die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL bei der Klägerin nicht vor, da sie nicht selbst auf der Grundlage eines Vertrages mit einem öffentlichen Träger ihre Leistungen erbringe und daher nicht als Einrichtung mit sozialem Charakter anzuerkennen sei. Soweit die Klägerin einzelne Kostenübernahmebestätigungen vorlegt, sei dies zum Nachweis einer eigenen Leistung nicht ausreichend.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist begründet.

I. Die Umsatzsteuerbescheide für 2009 und 2010 vom 16. Mai 2013, für 2011 und 2012 vom 25. August 2014 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2015 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).

1. Die Leistungen der Klägerin sind nach dem nationalen Recht jedenfalls vor August 2011 nicht von der Umsatzsteuer befreit. Sie erfüllt vor diesem Zeitpunkt nicht die in der Person des leistenden Unternehmers bestehenden Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 16 Buchst. h UStG.

Gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. h UStG sind die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen, die von Einrichtungen, mit denen eine Vereinbarung nach § 75 SGB XII besteht, erbracht werden, steuerfrei. Die Befreiung erfasst jedoch nur die Leistungen der in der jeweiligen Bestimmung bezeichneten Einrichtungen selbst (vgl. BFH-Urteil vom 28.06.2000 V R 72/99, BStBl. II 2000, 554; Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 4 Nr. 16 Rn. 80).

Die Klägerin war jedenfalls in den Streitjahren 2009 und 2010 keine Einrichtung im Sinne dieser Bestimmung, da sie ihre Leistungen an den Verein und nicht aufgrund einer Vereinbarung mit dem jeweiligen Kostenträger erbracht hat.

2. Die Klägerin kann sich hinsichtlich einer Steuerfreiheit ihrer Leistungen unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen. Die Umsätze sind bereits ab dem Jahr 2009 als umsatzsteuerfrei zu behandeln.

Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL befreien Mitgliedstaaten „die eng mit der sozialen Fürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altersheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedsstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden“. In Bezug auf die Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe durch andere Unternehmer als Einrichtungen des öffentlichen Rechts knüpft diese Bestimmung an leistungs- wie auch personenbezogene Voraussetzungen an: Es muss sich um eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen handeln, der leistende Unternehmer muss als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt sein.

Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kann sich ein Einzelner in Ermangelung fristgemäß erlassener Umsetzungsmaßnahmen auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erscheinen, gegenüber allen nichtrichtlinienkonformen innerstaatlichen Vorschriften berufen (ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. Urteil vom 10.09.2002 C-141/00 Kügler, Flg. 2002, I-6833, HFR 2002, 1146).

Durch die Regelungen des § 4 Abs. 16 UStG beabsichtigte der nationale Gesetzgeber die Vorgaben der MwStSystRL umzusetzen. Jedoch befreit § 4 Nr. 16 UStG nicht sämtliche von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL erfassten Umsätze, sondern greift einen Bereich heraus. Ob alle von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL erfassten Umsätze durch das UStG befreit werden, lässt sich nur im Einzelfall entscheiden. Ist dies nicht der Fall, kann sich der Unternehmer unmittelbar auf die Regelung der Richtlinie berufen (vgl. EuGH-Urteil vom 10.09.2002 C-141/00 Kügler, Flg. 2002, I-6833, HFR 2002, 1146; Oelmeier, in: Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 4 Nr. 16 Rn. 10). Die Regelung der MwStSystRL zählt hinreichend genau und unbedingt die Tätigkeiten auf, die steuerfrei sind und ist daher inhaltlich hinreichend bestimmt (EuGH-Urteil vom 10.09.2002 C-141/00 Kügler, Flg. 2002, I-6833, HFR 2002, 1146).

Die Klägerin kann sich unmittelbar auf die Steuerbefreiung entsprechend der Richtlinie berufen, da sie die dort genannten Voraussetzungen erfüllt.

(1) Die von der Klägerin erbrachten Leistungen sind aufgrund der ambulanten Betreuung von seelisch kranken Menschen eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden. Dies steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit. Die Verträge zwischen der Klägerin und dem Verein sowie dem Landkreis … nehmen explizit auf § 53 SGB XII Bezug, der die besonderen Aufgaben der Eingliederungshilfe benennt. Dafür, dass die Klägerin nicht entsprechend den vertraglichen Verpflichtungen tätig geworden ist, hat der Senat keine Anhaltspunkte.

(2) Zudem ist die Klägerin eine Einrichtung mit sozialem Charakter, die nach innerstaatlichem Recht anerkannt ist.

Es liegt grundsätzlich im Ermessen des Mitgliedsstaates, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen eine solche Anerkennung gewährt werden kann. Solange die Mitgliedstaaten die Grenzen des Ihnen eingeräumten Ermessens beachten, kann der Einzelne mit Wirkung gegenüber dem betreffenden Mitgliedstaat die Eigenschaft einer Einrichtung mit sozialem Charakter nicht dadurch erlangen, dass er sich auf Art. 132 MwStSystRL beruft (EuGH Urteil vom 10. September 2002 C-141/00 Kügler, Flg. 2002, I-6833, HFR 2002, 1146). Daher obliegt es dem nationalen Gericht, wenn ein Einzelner die Eigenschaft als Einrichtung mit sozialem Charakter beansprucht, zu prüfen, ob die Finanzverwaltung diese Grenzen bei der Anwendung der Gemeinschaftsgrundsätze, insbesondere des Grundsatzes der Gleichbehandlung, beachtet hat. Bei dieser Beurteilung können nationale und regionale Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit sowie der Umstand, dass Gemeinschaften mit gleichen Tätigkeiten wie der Einzelne wegen des mit dieser Tätigkeit verbundenen Gemeinwohlinteresses bereits in den Genuss einer ähnlichen Steuerbefreiung kommen, und der Umstand, dass die Kosten der vom Einzelnen erbrachten Leistungen zum großen Teil von Krankenkassen oder Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden, berücksichtigt werden (EuGH Urteile vom 10. September 2002 C-141/00 Kügler, Flg. 2002, I-6833, HFR 2002, 1146; vom 15. November 2012 C-174/11 Zimmermann, DStRE 2013, 423).

Die Klägerin ist als Einrichtung mit sozialem Charakter bereits nach § 75 Abs. 1 SGB XII anerkannt. Danach sind die dort genannten Einrichtungen nur solche, die stationär oder teilstationär arbeiten. Die Regelungen finden auch für Dienste Anwendung, soweit nichts anderes bestimmt ist. Vor dem Hintergrund der vom EuGH aufgestellten Grundsätze genügt es für die Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter, dass ein Unternehmer die Möglichkeit hat, Verträge mit Leistungsträgern abzuschließen, infolgedessen diese die Kosten übernehmen bzw. die Kosten auch ohne tatsächlich Übernahme übernehmbar sind (vgl. BFH-Urteile vom 6. April 2016 V R 55/14, juris; vom 29. Juli 2015 XI R 35/13, BFHE 251, 91; vom 8. November 2007 V R 2/06, BStBl II 2008, 634; vom 24. Januar 2008 V R 54/06, BStBl II 2008, 643; vom 8. November 2007, BStBl II 2008, 634; vom 18. August 2015 V R 13/14, BFH/NV 2015, 1784). Der BFH hat zu § 77 Abs. 1 S. 1 SBG XI (BFH-Urteil vom 18. August 2015 V R 13/14, BFH/NV 2015, 1784) bereits entsprechend entschieden. Nichts anderes kann nach Ansicht des Senats dann für Verträge nach §§ 75 Abs. 2, 3 bzw. 76 SGB XII gelten (so auch Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 10. Dezember 2015, 16 K 253/15, in juris).

§§ 75 Abs. 2, 76 SGB XII gewähren den Sozialversicherungsträgern die Möglichkeit, Verträge direkt mit Leistungsträgern abzuschließen. Vereinbarungen über die Erbringung ambulanter Leistungen können die Träger der Sozialhilfe mit denjenigen abschließen, die insbesondere unter Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit und der Sicherstellung der Grundsätze des § 9 Abs. 1 SGB XII zur Erbringung der Leistungen geeignet sind (§ 75 Abs. 2 S. 2 SGB XII). Die Verträge haben sich an den Anforderungen des § 75 Abs. 3 SGB XII zu orientieren. Die Norm ihrerseits geht davon aus, dass die entsprechenden Leistungen von Einrichtungen erbracht werden.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Anforderungen, die an Vertragsschlüsse nach § 77 Abs. 1 S. 1 SGB XI zu stellen sind, von denen der §§ 75 Abs. 1, 2, 3 i.V.m. §§ 76, 9 SGB XII abweichen. Vor dem Hintergrund, dass der EuGH in ständiger Rechtsprechung im Rahmen der Gesichtspunkte, die bei der Anerkennung einer Einrichtung berücksichtigt werden können, allein auf den Umstand abstellt, dass die Kosten der Leistung unter Umständen zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden (EuGH-Urteil vom 10. September 2002 C-141/00 Kügler, Flg. 2002, I-6833, HFR 2002, 1146; vom 15. November 2012 C-174/11 Zimmermann, DStRE 2013, 423; vom 12. März 2015 C-594/13 „go fair“, DStR 2015, 645), kommt es aus Sicht des Senats auf die Frage, welche inhaltlichen Anforderungen an die Vertragswerke zu stellen sind, jedoch nicht an. Von Bedeutung ist daher allein der Umstand, dass die Möglichkeit von Vertragsschlüssen besteht. Auch der BFH hat - soweit ersichtlich - dieser Problematik bisher keine Bedeutung beigemessen, soweit die Kosten tatsächlich von einem Träger der sozialen Sicherheit übernommen wurden (BFH-Urteil vom 6. April 2016 V R 55/14, juris zu § 75 i.V.m. § 45 SGB VIII; vom 29. Juni 2015 XI R 35/13, BFHE 251, 91 zu §§ 421g Abs. 2 Satz 4 i.V.m. 296 SGB III).

Der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer gebietet es, dass rechtlich vergleichbar ausgestaltete Beziehungen umsatzsteuerrechtlich nicht unterschiedlich behandelt werden. Gleichartige, im Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen dürfen hinsichtlich der Umsatzsteuer nicht verschieden behandelt werden (EuGH-Urteil vom 15. November 2012 C-174/11 Zimmermann, DStRE 2013, 423). Daher kann der Senat nur zur Entscheidung der Steuerfreiheit der von der Klägerin erbrachten Leistungen gelangen, da der Verein für den die Klägerin ursprünglich tätig geworden ist, auf vertraglicher Grundlage mit den Sozialleistungsträgern die gleichen Leistungen erbracht hat und eine entsprechende Steuerbefreiung in Anspruch nehmen konnte. Entscheidend ist allein, dass es sich bei den Leistungen, die die Klägerin erbracht hat, um Leistungen handelt, für die die Kosten von Trägern der sozialen Sicherheit übernehmbar sind (vergl. BFH-Urteil vom 18. August 2015 V R 13/14, BFHE 251, 282) und sie somit als geeignete Betreuungskraft im Sinne von § 75 Abs. 2 SGB XII anzusehen ist.

Soweit die Leistungen über den Verein abgerechnet wurden, besteht wirtschaftlich lediglich eine über die Gesellschaft durchgeleitete Kostentragung (vgl. BFH-Urteile vom 6. April 2016 V R 55/14, BFHE nn.; vom 18. August 2015 V R 13/14, BFHE 251, 282). Danach muss berücksichtigt werden, dass die Klägerin Mitglied in einem „anerkannten“ Verein zur Erbringung von Betreuungsleistungen war, dessen Kosten von Sozialleistungsträgern getragen worden sind. Bei der Entscheidung berücksichtigt der Senat - wie auch der BFH in dem genannten Urteil vom 18. August 2015 -, dass nicht nur ein Pflegenotstand fortbesteht, sondern auch ein Mangel an Betreuungskräften in allen Bereichen herrscht.

Es bestehen keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass es der Klägerin nicht möglich war, bereits ab 2009 die von ihr erbrachten Leistungen direkt mit den jeweiligen Trägern abzurechnen. Die Klägerin hat erklärt, dass in ihrer Qualifikation seit 2009 keine Änderungen eingetreten sind.

Soweit der Beklagte der Ansicht ist, dass das Urteil des BFH vom 18. August 2015 (V R 13/14, BFHE 251, 282) nicht herangezogen werden könne, da es die Streitjahre 2007 und 2008 betreffe, kann dem nicht gefolgt werden. Der BFH als auch der Senat stützen die Entscheidung zu Gunsten der Umsatzsteuerfreiheit auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL, der in der hier maßgeblichen Fassung seit dem 1. Januar 2007 gilt. Im Übrigen verlangt § 4 Nr. 16 Buchst. h UStG in der aktuellen Fassung weiterhin eine direkte Leistungsbeziehung zwischen dem Unternehmer und dem Sozialversicherungsträger, die die MwStSystRL gerade nicht fordert.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen.

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