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Steuerrecht
11.10.2012
Steuerrecht
FG Köln: Vorsteuervergütung

FG Köln, Urteil vom 21.6.2012 - 2 K 1218/10

Sachverhalt

Zwischen den Beteiligten ist streitig, wie es sich auswirkt, dass die Klägerin im Vergütungszeitraum 01-06/2007 Rechnungskopien und keine Originalrechnungen vorgelegt hat.

Die Klägerin ist ein Unternehmen mit Sitz in den USA. Sie beantragte am 6. September 2007 (Posteingangsdatum) die Vergütung von Vorsteuern i.H.v. 80.465 € im Rahmen des besonderen Vorsteuervergütungsverfahrens nach § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 bis 61 UStDV für den Vergütungszeitraum Januar bis Juni 2007. Der geltend gemachte Betrag ergab sich aus sechs verschiedenen Rechnungen. Hiervon wurden drei nicht im Original, sondern als Fotokopie vorgelegt. Es handelt sich hierbei um folgende Rechnungen der A GmbH & Co. KG:

- vom 2. April 2007, Vorsteuer:               24.510 €

- vom 14. Mai 2007, Vorsteuer:               4.085 €

- vom 14. Mai 2007, Vorsteuer:                  2.850 €

Summe              31.445 €

Mit Bescheid vom 5. November 2008 wurde die Vorsteuervergütung i.H.v. 49.020 € festgesetzt. Im Übrigen wurde der Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass insoweit nicht die Originalrechnungen vorgelegt worden seien.

Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein. Im Laufe des Einspruchsverfahrens hat die Klägerin eine Bestätigung der A GmbH & Co. KG vom 22. Dezember 2009 vorgelegt, wonach die streitigen Rechnungen von ihr, der A GmbH & Co. KG, ausgestellt worden seien. Dieser Bestätigung waren die Rechnungen in Kopie mit dem Stempel „Copy" beigefügt. Darüber hinaus hat die Klägerin eine Bestätigung der A GmbH & Co. KG vom 10. Februar 2010 eingereicht, wonach die streitigen Rechnungen Originale gewesen seien und daraufhin Zahlungen der Klägerin erfolgt seien. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beiden Bestätigungen Bezug genommen (befindlich in der Vergütungsakte des Beklagten).

Mit Einspruchsentscheidung vom 16. März 2010 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung ihrer hiergegen erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, dass die begehrte Vorsteuervergütung zu gewähren sei, auch wenn sie die entsprechenden Originalrechnungen nicht vorgelegt habe. Ihr würden die Originalrechnungen nicht mehr vorliegen.

Ein inländischer Unternehmer dürfe in einem solchen Fall den Nachweis für den Vorsteuerabzug durch eine Fotokopie führen. Dies gelte auch für den ausländischen Unternehmer. Auch diesem sei die Vorsteuervergütung bei Vorlage von Rechnungskopien zu gewähren, wenn er ursprünglich im Besitz der Originalrechnungen gewesen sei, der dem Erstattungsvorgang zugrunde liegende Vorgang stattgefunden habe und keine Gefahr bestehe, dass weitere Erstattungsanträge gestellt würden. Die Klägerin trägt vor, dass diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt seien. Im Übrigen nimmt sie Bezug auf die BFH-Urteile vom 20. August 1998 (V R 55/96, BStBl II 1999, 324) und vom 19. November 1998 (V R 102/96, BStBl II 1999, 255). Hiernach komme es nicht darauf an, aufgrund welcher Umstände die Originalrechnungen nicht vorgelegt werden können. Denn der wesentliche Zweck der Vorlage der Originalrechnung bestehe in der Vorbeugung von Missbräuchen. Bestehe keine abstrakte Missbrauchsgefahr, sei die Vorlage der Originalrechnung entbehrlich.

Im Streitfall seien keine besonderen Umstände erkennbar, aufgrund derer zu befürchten wäre, dass weitere Erstattungsanträge gestellt würden. Die Ausschlussfrist für den Vergütungszeitraum 2007 sei abgelaufen. Außerdem habe der Beklagte aufgrund seiner zentralen Zuständigkeit den Überblick über sämtliche Vergütungsanträge. Sie, die Klägerin, sei auch nicht im allgemeinen Umsatzsteuerverfahren veranlagt worden. Die Rechnungen seien auf sie, die Klägerin, ausgestellt, so dass ein anderer Unternehmer nicht die Möglichkeit habe, hieraus eine Vorsteuervergütung geltend zu machen. Der den Rechnungen zugrunde liegende Vorgang habe stattgefunden.

Es sei unverhältnismäßig, in einem solchen Fall die Vorsteuervergütung zu versagen.

Dies werde auch dadurch bestätigt, dass ab dem 1. Januar 2010 die Vorlage von Originalrechnungen mit der Antragstellung nicht mehr erforderlich sei und nur bei begründeten Zweifeln verlangt werden könne.

Darüber hinaus sei der Vertrauensgrundsatz verletzt. Der Beklagte sei gehalten, bei Stellung eines unvollständigen Antrags auf dessen Vervollständigung hinzuwirken. Der Antrag sei bereits im September 2007 eingereicht worden. Erst im September 2008 sei vom Beklagten um eine ausführliche Sachverhaltserläuterung gebeten worden. Bis zum 30. Juni 2008, dem Ablauf der Antragsfrist, sei der Antrag nicht auf seine formelle Ordnungsgemäßheit geprüft worden. Hätte der Beklagte den Antrag schneller bearbeitet, wäre es ihr, der Klägerin, auch eventuell noch möglich gewesen, die Umstände des Abhandenkommens aufzuklären.

Dass sie die Originalrechnungen besessen habe, ergebe sich daraus, dass es nur so möglich gewesen sei, die Fotokopien zu erstellen.

Auch wenn es auf die Gründe für den Verlust der Originalrechnungen nicht ankomme, hänge der Verlust der Originalrechnungen „(wohl) mit den Abstimmungsarbeiten zwischen Deutschland und den USA zusammen". Jedenfalls habe sie standardisierte Prozesse zur Gewährleistung der Vorlage der Originalrechnungen mit den Vorsteuervergütungsanträgen eingerichtet (Anm.: Diese werden auch näher dargestellt, s. Bl. 59 der FG-Akte), so dass der Verlust der Originalrechnung nicht vorsätzlich oder fahrlässig sei.

Im Laufe des Klageverfahrens hat die Klägerin (mit Schriftsatz vom 20. September 2010) zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (erstmals) vorgetragen, dass sie die versäumte Handlung nicht nachholen könne, da ihr die Originalrechnungen abhanden gekommen seien. Sie habe angesichts dessen bereits mit der Antragstellung Kopien eingereicht. Die Vorlage von Fotokopien sei in einer solchen Konstellation nach der BFH-Rechtsprechung zulässig.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 5. November 2008 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 16. März 2010 zu verpflichten, die Vorsteuervergütung für den Zeitraum 01-06/2007 um 31.445 € zu erhöhen und damit auf i.H.v. insgesamt 80.465 € festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, dass die Klägerin mangels Vorlage der Originalrechnungen bezüglich der streitigen Vorsteuern keinen wirksamen Vergütungsantrag eingereicht habe. Innerhalb der Antragsfrist seien bezüglich der streitigen Rechnungen keine Originalrechnungen eingereicht worden. Dies aber sei nach Art. 3 Buchst. a Satz 1und Art. 7 Abs. 1 Satz 4 der 8. EG-RL und nach § 18 Abs. 9 Sätze 3-5 UStG erforderlich. Diesbezüglich nimmt der Beklagte Bezug auf das Urteil des BFH vom 18. Januar 2007 (V R 23/05, BStBl II 2007, 430). Da die Vergütungsfrist eine Ausschlussfrist sei (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1999 - V R 76/98, BStBl II 2000, 214), sei die Klägerin mit ihrem Recht ausgeschlossen. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien nicht gegeben.

Es seien auch nicht ausnahmsweise Fotokopien ausreichend. Denn die Klägerin habe weder vorgetragen noch bewiesen, dass sie den Verlust der Originalrechnungen nicht zu vertreten habe. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei dieses Erfordernis nicht entbehrlich. Soweit der BFH hierauf in den von der Klägerin zitierten Entscheidungen verzichtet habe, habe er dies aus dem Diskriminierungsverbot aus Art. 6 der 8. EG-RL abgeleitet. Allerdings gelte dieses nicht für - wie im Streitfall - Antragsteller aus Drittstaaten.

Da es folglich insbesondere nicht auf die Frage der Gefahr einer Doppelvergütung ankomme, sehe er von einer Auflistung möglicher Fallkonstellationen ab. Jedenfalls sei die abstrakte Gefahr einer solchen Doppelvergütung gegeben.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

Der Ablehnungsbescheid vom 5. November 2008 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 16. März 2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Vorsteuervergütung. Die Klägerin hat innerhalb der Vergütungsfrist die streitigen Rechnungen nicht im Original vorgelegt.

I. Nach § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG kann zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Vergütung der Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) an im Ausland ansässige Unternehmer, abweichend von § 16 UStG und von § 18 Abs. 1 bis 4 UStG, in einem besonderen Verfahren regeln. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber in §§ 59 ff. UStDV Gebrauch gemacht.

Diese nationalen Vorschriften, insbesondere § 18 Abs. 9 Sätze 3 ff. UStG, beruhen für Steuerpflichtige, die - wie die Klägerin - nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind, auf den Vorgaben der 13. Richtlinie des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 86/560/EWG, ABl.EG Nr. L 326/1986, 40).

II. Gemäß § 18 Abs. 9 Satz 3 UStG ist der Vergütungsantrag binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist. Bei dieser Sechs-Monats-Frist des § 18 Abs. 9 Satz 3 UStG handelt es sich um eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist (vgl. BFH-Urteil vom 21. Oktober 1999, V R 76/98, BStBl II 2000, 214; so jüngst auch durch den EuGH bestätigt, Urteil vom 21. Juni 2012, C-294/11 - Elsacom, abrufbar über Juris). Der Unternehmer hat die Vergütung selbst zu berechnen und die Vorsteuerbeträge durch Vorlage von Rechnungen und Einfuhrbelegen im Original nachzuweisen (§ 18 Abs. 9 Satz 4 UStG). Aus dem Zusammenhang von § 18 Abs. 9 Satz 3 und Satz 4 UStG ergibt sich, dass die Originalrechnungen mit dem Antrag innerhalb der Antragsfrist einzureichen sind (BFH-Urteile vom 18. Januar 2007 - V R 23/05, BFHE 217, 32, BStBl II 2007, 430; vom 14. Mai 2008 - XI R 58/06, BFHE 221, 505, BStBl II 2008, 831).

III. Der von der Klägerin geltend gemachte Vergütungsanspruch ist nach ihrem Vortrag im Jahre 2007 entstanden. Der Vergütungsantrag war daher unter Beifügung der Originalrechnungen bis zum 30. Juni 2008 zu stellen.

Innerhalb dieser Frist hat die Klägerin im Hinblick auf den streitigen Vergütungsbetrag keine Originalrechnungen, sondern lediglich Fotokopien beim Beklagten eingereicht.

IV. Der Klägerin ist insoweit zuzustimmen, als einem Steuerpflichtigen, dem die Vorlage der Originalrechnungen unmöglich geworden ist, unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zu gewähren ist, auf andere Weise die Vorsteuervergütung zu erlangen. Allerdings erfüllt die Klägerin diese Voraussetzungen nicht.

1. § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG ist für den Fall des Verlustes der Originalrechnungen einschränkend auszulegen. Wenn der dem Erstattungsantrag zugrunde liegende Vorgang stattgefunden hat und keine Gefahr besteht, dass weitere identische Erstattungsanträge gestellt werden, kommt es nach Auffassung des erkennenden Senats - wie auch von der Klägerin vertreten - nicht auf das Nicht-Vertretenmüssen durch den Antragsteller an (vgl. BFH-Urteil vom 19. November 1998 - V R 102/96, BFHE 187, 344, BStBl II 1999, 255). Allerdings ist der erkennende Senat der Auffassung, dass für den Fall des Abhandenkommens der Originalrechnungen - vor Einreichung des Antrags - jedenfalls Zweitschriften der Rechnungen oder Bestätigungen des Rechnungsausstellers zu den Rechnungskopien innerhalb der Antragsfrist einzureichen sind. Nur diese stellen im Rahmen der einschränkenden Auslegung des § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG einen „adäquaten Ersatz" für die Originalrechnung dar. Einfache Fotokopien reichen insoweit nicht aus.

2. Im Streitfall hat die Klägerin zwar im Laufe des Einspruchsverfahrens die Bestätigungen des Rechnungsausstellers vom 22. Dezember 2009 und vom 10. Februar 2010 vorgelegt. Der Senat neigt auch dazu, diese anstelle der Originalrechnungen ausreichen zu lassen. Jedoch wurden diese Bestätigungen erst nach Ablauf der Vergütungsfrist eingereicht. Angesichts dessen ist die Vorsteuervergütung zu versagen.

3. Dem steht nicht entgegen, dass der (inländische) Steuerpflichtige im allgemeinen Besteuerungsverfahren (§§ 16 bis 18 UStG) den Nachweis des Besitzes einer Originalrechnung nicht nur durch Vorlage derselben, sondern mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Beweismitteln - also auch durch Fotokopien - führen kann. Insoweit besteht für den im Drittland ansässigen Antragsteller kein Gleichbehandlungsgebot.

a. Im Gegensatz zu Antragstellern, die im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind, gilt für den im Drittland ansässigen Unternehmer nicht das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EUV (offen gelassen in BFH-Urteil vom 18. Januar 2007 - V R 23/05, BFHE 217, 32, BStBl II 2007, 430). Aus diesem Diskriminierungsverbot folgt, dass die Möglichkeit des Nachweises der Vorsteuerberechtigung u.a. durch Vorlage einer Zweitschrift auch einem nicht in dem Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen einzuräumen ist, wenn ein in dem Mitgliedstaat ansässiger Steuerpflichtiger in der gleichen Situation diese Möglichkeit gewährt wird (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 2010 - V R 17/08, BFH/NV 2011, 658; EuGH-Urteil vom 11. Juni 1998 - C-361/96 - Grandes sources d´eaux minérales françaises, Slg. 1998-I, 3495). Die Klägerin, die außerhalb des Gemeinschaftsgebiets ansässig ist, kann sich indes nicht hierauf berufen.

b. Auch aus Art. 3 GG kann eine Gleichbehandlung der Klägerin mit inländischen Steuerpflichtigen nicht begründet werden. Denn insoweit ist bereits der Sachverhalt von im Inland und im Drittland ansässigen Unternehmern nicht vergleichbar. So reicht es für die Vorsteuervergütung im besonderen Verfahren nach § 18 Abs. 9 UStG grundsätzlich aus, wenn der im Ausland ansässige Unternehmer einen Vergütungsantrag nebst Unternehmerbescheinigung und Originalrechnungen einreicht. Der inländische Unternehmer ist hingegen nach inländischem Recht zur umfassenden Buchführung verpflichtet und seine Angaben in der Umsatzsteuererklärung können jederzeit im Wege einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung überprüft werden.

Aber selbst wenn man von vergleichbaren Sachverhalten ausgehen wollte, wäre eine vermeintliche Ungleichbehandlung jedenfalls gerechtfertigt. Denn die unterschiedliche Überprüfbarkeit der Angaben des im Inland einerseits und des im Drittland andererseits ansässigen Unternehmers stellt einen sachlichen Grund hierfür dar. Denn der inländische Unternehmer kann im Wege einer Betriebsprüfung oder Umsatzsteuersonderprüfung durch die deutschen Finanzbehörden geprüft werden. Für den im Drittland ansässigen Unternehmer gibt es solche Überprüfungsmöglichkeiten nicht. Es gilt insoweit noch nicht einmal das EG-Amtshilfegesetz. Auskunftsklauseln in Doppelbesteuerungsabkommen sind regelmäßig auf Ertragsteuern beschränkt.

c. Die mangelnde Ausdehnung der erweiterten Nachweismöglichkeiten des im Inland ansässigen Unternehmers auf im Ausland ansässige Unternehmer wird dadurch bestätigt, dass der deutsche Gesetzgeber in § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG die Vorlage der Originalrechnung fordert. Für den im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer gilt insoweit auf der Grundlage des Diskriminierungsverbotes des EG-Rechts eine Ausnahme. Allerdings ist diese Ausnahme angesichts des deutschen Gesetzestextes restriktiv zu behandeln und nicht ohne weiteres in gleichem Maße auf in Drittstaaten ansässige Unternehmer zu erweitern.

4. An der Forderung der Vorlage von Zweitschriften der Rechnungen oder Bestätigungen des Rechnungsausstellers zu den Rechnungskopien sieht sich der Senat auch nicht durch die EuGH- und BFH-Rechtsprechung gehindert. Es gibt zwar Entscheidungen des EuGH und des BFH, wonach der Nachweis des Vergütungsanspruchs für den Fall des Abhandenkommens des Originals unter bestimmten Voraussetzungen nicht nur durch Vorlage einer Zweitschrift, sondern auch durch Vorlage einer Ablichtung der Rechnung geführt werden kann (EuGH-Urteil vom 11. Juni 1998 - C-361/96 - Grandes sources d´eaux minérales françaises, Slg. 1998-I, 3495; BFH-Urteile vom 20. August 1998 - V R 55/96, BFHE 186, 460, BStBl II 1999, 324; vom 18. Januar 2007 - V R 23/05, BFHE 217, 32, BStBl II 2007, 430). Jedoch haben der EuGH und der BFH in diesen Entscheidungen - im Gegensatz zur Auffassung des Senats - auch gefordert, dass der Antragsteller den Verlust der Originalrechnungen nicht zu vertreten haben muss.

Aus dem BFH-Urteil vom 19. November 1998 (V R 102/96, BFHE 187, 344, BStBl II 1999, 255), wonach es nicht auf die Umstände des Verlustes der Originalrechnung ankommt, ergibt sich indes nicht, dass die Vorlage einer Rechnungsfotokopie ausreicht.

5. Schließlich rechtfertigt auch der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer keine andere Entscheidung. Dieser Grundsatz ist nicht der einzige Grundsatz des gemeinschaftsrechtlichen Umsatzsteuerrechts. Ein weiterer tragender Grundsatz besteht in der Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf die Waagschale sich in jedem Fall nicht zu stark auf der Seite des einen Ziels senken und damit die Erreichung des anderen gefährden (vgl. Schlussanträge vom 12. Februar 1998, C-361/96 - Grandes sources d´eaux minérales françaises, Slg. 1998-I, 3495). Nach Auffassung des Senats ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen den beiden Zielen gewahrt, wenn bei Verlust der Originalrechnung eine Zweitschrift als Ersatz vorgelegt werden kann.

V. Auch der Einwand der Klägerin, dass der Beklagte gehalten sei, bei Stellung eines unvollständigen Antrags auf dessen Vervollständigung hinzuwirken, greift nicht durch.

Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, ob der Beklagte bei Eingang des streitigen Vorsteuervergütungsantrags nach § 89 AO verpflichtet gewesen wäre, den Antrag auf formale Mängel hin zu überprüfen und die Klägerin anschließend auf die Mängel des Antrags hinzuweisen.

Denn selbst bei einem Verstoß einer Finanzbehörde gegen die ihr obliegenden Hinweis- und Auskunftspflichten nach § 89 AO kann der betroffene Antragsteller nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen so gestellt werden, als wäre der Verstoß nicht passiert (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 27. Februar 2007 - III B 158/06, BFH/NV 2007, 1090). Im vorliegenden Fall hätte sich die Klägerin auf den von ihr dargelegten Verstoß gegen § 89 AO damit nur im Rahmen eines Antrags auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Ausschlussfrist des § 18 Abs. 9 Satz 3 UStG erfolgreich berufen können. Insoweit hätte die Klägerin geltend machen können, dass aufgrund des vermeintlichen Verstoßes des Beklagten gegen die aus § 89 AO resultierende Hinweispflicht die Versäumung der Ausschlussfrist nicht von ihr verschuldet worden sei. Die Klägerin hat aber jedenfalls die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Abs. 2 Satz 1 AO versäumt. Diese Frist begann mit Bekanntgabe des Bescheides vom 5. November 2008. Innerhalb der Monatsfrist hat die Klägerin keinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Dies geschah erst im Klageverfahren mit Schriftsatz vom 20. September 2010.

VI.  Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

VII. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

VIII. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 63 GKG.

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