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Steuerrecht
16.08.2012
Steuerrecht
FG Köln: Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht

FG Köln, Urteil vom 17.2.2011 - 6 K 4185/06

Sachverhalt

Die Kläger sind zusammen veranlagte Eheleute. Sie sind beide ausgebildete Berufsmusiker. Der Kläger ist als Bratschist nichtselbständig beim A Orchester tätig. Daneben erzielt er ebenso wie die Klägerin aus Konzerten und Kursen Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Die Klägerin betreibt außerdem als Gewerbebetrieb seit 1995 die Produktion und Herstellung von CD's mit vorwiegend klassischer Musik unter der Firma B. Ziel (griechisch = telos) der Arbeit ist nach eigenen Angaben (s. Homepage) die Veröffentlichung exemplarischer Aufnahmen bisher kaum oder nicht bzw. bisher so nicht gehörter Musik. Dabei werden Produktionen mit namhaften nationalen und internationalen Künstlern unternommen. Bis heute wurden über 150 Titel produziert, die zum Teil großen Anklang in der Fachpresse gefunden haben. Der Vertrieb dieser CD's erfolgte in den ersten Jahren über die Firma H, ab 1998 über die Firma M bzw. T, ab 2003 über die Firma N (Q). Im Anschluss an einen geplanten, später geplatzten Verkauf in 2006, in dessen Zuge die Recht auf eine Firma R übertragen worden waren, übernahm wieder die Firma N den Vertrieb, später dann die Firma U und seit Juli 2009 die Firma K GmbH.

Für die Einspielung dieser Aufnahmen nutzt die Firma (zumindest überwiegend) eine von der Klägerin in 1992 erworbene historische, teilweise denkmalgeschützte Hofanlage in E, P-Straße .... In der ehemaligen Scheune hat die Klägerin einen Konzertraum und ein professionelles Tonstudio eingerichtet. Daneben enthält das Anwesen neben einem Bürotrakt und der eigengenutzten Wohnung der Kläger einen Wohntrakt mit ca. 10 Zimmern zur Beherbergung der Künstler, um diesen nicht nur eine konzentrierte Arbeit zu ermöglichen, sondern auch die Möglichkeit zur Regeneration bzw. zur „Auszeit" zu geben.

Die für die Jahre 1997 bis 1999 bei der Klägerin durchgeführte Betriebsprüfung ergab gewerbliche Einkünfte von - 4.633 DM, - 39.295 DM und - 69.401 DM. Dabei wurde im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung der betriebliche Nutzungsanteil des Anwesens P-Straße ... auf 45% festgelegt und die Kosten des Objekts einschließlich der erheblichen Zinsaufwendungen nur in diesem Umfang berücksichtigt, eine Aufteilung die nach Angaben eines späteren Steuerberaters der Kläger zwar unzutreffend war, zur Vermeidung einer eventuellen Liebhaberei aber hingenommen wurde.

Für die Streitjahre 2000 bis 2003 führte eine weitere Betriebsprüfung zum Ansatz von gewerblichen Einkünften von - 44.172 DM, - 19.775 DM, - 34.318 € und - 11.709 €, wobei etliche geltend gemachten Betriebsausgaben mangels vorgelegter Unterlagen nicht berücksichtigt werden konnten. Da die Kläger diese Versäumnisse im Rahmen des Klageverfahrens überwiegend nachgeholt haben und sie erklären, die nunmehr noch fehlenden Belege nicht mehr beschaffen zu können, besteht Einigkeit zwischen den Beteiligten, dass die gewerblichen Einkünfte für diese Jahre rechnerisch - 51.892 DM, - 68.064 DM, - 51.061 € bzw. - 28.858 € betragen würden. Dabei wurde Einvernehmen darüber erzielt, dass die Räumlichkeiten im Objekt P-Straße ... zu 80% betrieblich genutzt werden.

Für die Jahre 2004 und 2005 haben die Kläger gewerbliche Einkünfte von - 19.562 € bzw. - 4.805 € erklärt, wobei weder Aufwendungen für das Objekt P-Straße ... noch Darlehenszinsen enthalten sind. Weitere Steuererklärungen liegen bisher nicht vor. Auch Umsatzsteuervoranmeldungen für die Jahre ab 2006 hat die Klägerin nicht abgegeben. Nach Mitteilung des Klägers sind aber für die Jahre 2007 bis 2009 keine nennenswerten Gewinne zu erwarten.

Danach ergeben sich für die Jahre ab 1997 (für die Jahre davor liegen keine Zahlen vor) folgende Ergebnisse:

 

Betriebseinnahmen

Betriebsausgaben

Überschuss

1997

72.428 DM

77.060 DM

- 4.633 DM

1998

73.570 DM

112.864 DM

- 39.295 DM

1999

24.543 DM

93.944 DM

- 69.401 DM

2000

29.072 DM

80.963 DM

- 51.892 DM

2001

53.360 DM

121.424 DM

- 68.064 DM

2002

11.413 €

62.473 €

- 51.061 €

2003

59.882 €

88.739 €

- 28.858 €

2004

33.588 €

53.149 €

- 19.562 €

2005

80.188 €

84.437 €

- 4.805 €

Der Beklagte sieht sich nicht in der Lage, die angefochtenen Bescheide entsprechend den nunmehr ermittelten Beträgen zu ändern, da er das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht bei der Klägerin verneint.

Die Kläger weisen demgegenüber daraufhin, dass für das Jahr 2010 erstmalig deutliche Überschüsse zu erwarten seien. Denn zum einen seien die Produktionskosten dadurch erheblich gesenkt worden, dass die Künstler sie im Voraus übernähmen und dafür später am Gewinn beteiligt würden. Zum anderen sei der Vertrieb nunmehr einem neuen professionellen Unternehmen übertragen worden. Schließlich seien in den Vorjahren durch Insolvenz des Vertriebspartners bzw. rechtliche Streitigkeiten 14.000 € bzw. 10.000 € in Verlust geraten.

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuerbescheide entsprechend der vom Beklagten mit Schriftsatz vom 14.01.2011 übersandten Zusammenstellung 2 und Tabelle 1 (Bl. 511 und 512 der FG-Akte) zu ändern,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

Eine Änderung der angefochtenen Bescheide unter Ansatz der einvernehmlich festgestellten Besteuerungsgrundlagen (Bl. 511 und 512 der FG-Akte) kommt nicht in Betracht, da die von der Klägerin erzielten Verluste aus der Produktion und Herstellung von CD's insgesamt steuerlich nicht berücksichtigt werden können, da nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin insoweit Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat. Da die Verluste bisher in allen Streitjahren (teilweise) angesetzt worden sind, werden hierdurch die Änderungen, die sich im Laufe des Klageverfahrens zu Gunsten der Kläger bei den anderen Einkünften ergeben haben, kompensiert, so dass sich keine niedrigere Steuerfestsetzung ergibt.

Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG liegen nur vor, wenn neben anderen Voraussetzungen die Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG ausgeübt wird. Gewinnerzielungsabsicht ist dabei als Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns oder Totalüberschusses zu verstehen. Das bedeutet, dass das angestrebte Gesamtergebnis des Betriebes von der Gründung bis zur Veräußerung oder Aufgabe per Saldo positiv sein muss. Dabei ist der Totalgewinn unter Berücksichtigung insbesondere auch von Veräußerungs- und Aufgabegewinnen bzw. -Verlusten zu errechnen.

Fehlt diese Gewinnerzielungsabsicht, ist das Tätigwerden als sog. Liebhaberei anzusehen mit der Folge, dass die aus ihr entstandenen Verluste einkommensteuerrechtlich nicht zu berücksichtigen sind.

Ob eine Gewinnerzielungsabsicht gegeben ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Es handelt sich um ein subjektives Tatbestandsmerkmal, das nicht nach den Absichtserklärungen eines Steuerpflichtigen, sondern nach äußeren Merkmalen zu beurteilen ist. Es muss aus objektiven Umständen auf das Vorliegen oder Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden.

Zu den äußeren Kriterien, an denen die Gewinnerzielungsabsicht zu messen ist, gehören nicht nur der geschäftliche Erfolg, sondern auch die Art der auf diesen Erfolg hin ausgerichteten Tätigkeit. Daher verlangt die Rechtsprechung, dass der Steuerpflichtige, der gewerbliche Verluste geltend macht, ein „betriebswirtschaftliches Umstrukturierungskonzept nebst Kosten-Nutzen-Analyse und überhaupt ein Gesamtkonzept" oder ein „schlüssiges Betriebskonzept" vorlegt. Ein neu gegründeter Betrieb wird nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben, wenn aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebs eindeutig feststeht, dass er so, wie der Steuerpflichtige ihn führt, von vornherein nicht in der Lage ist bzw. war, nachhaltige Gewinne zu erzielen; nach objektiver Beurteilung stellt er von Anfang an keine Einkunftsquelle im Sinne des Einkommensteuerrechts dar (BFH-Beschluss vom 27.03.2001 X B 60/00, BFH/NV 2001, 1381; BFH-Urteil vom 27.05.2009 X R 62/06, n.v.).

Hiervon ausgehend ist der Senat vorliegend aufgrund der gesamten Umstände zu der Erkenntnis gelangt, dass der Betrieb der Klägerin von vornherein nicht in der Lage war, nachhaltige Gewinne zu erzielen.

Die Klägerin hat tatsächlich bis zum heutigen Tag in allen Jahren Verluste erlitten. Diese summieren sich bis zum Ende der Streitjahre auf mindestens 200.000 €. Sie sind in Wirklichkeit noch höher, da die Ergebnisse der Jahre 1995 und 1996 fehlen, für die Jahre 1997 bis 1999 die Kosten des Anwesens P-Straße ... mit einem zu niedrigen Prozentsatz als Betriebsausgaben erfasst worden sind und auch in den Streitjahren nicht alle Betriebsausgaben ordnungsgemäß belegt werden konnten. Dabei lässt weder die Entwicklung der Betriebseinnahmen noch der Gewinne irgendeine Tendenz erkennen.

Die Absicht des Unternehmens war und ist nach eigenen Angaben (www....) die Veröffentlichung exemplarischer Aufnahmen bisher kaum oder nicht bzw. bisher so nicht gehörter Musik. Das bedeutet, es werden Stücke eingespielt, die entweder bisher überhaupt noch nicht oder ganz selten oder die zumindest bisher nicht in dieser Besetzung bzw. Bearbeitung aufgenommen worden sind. Es werden also Werke produziert, die abseits der gängigen Hörgewohnheiten liegen und eher Nischenprodukte darstellen. Derartige Produktionen werden zwar eventuell - so auch im Streitfall - in der Fachpresse wohlwollend besprochen, erreichen aber naturgemäß nur einen geringen Käuferkreis. Dementsprechend sind die CD's vorliegend zumindest zunächst in der Regel in eher geringen Auflagen produziert worden, wie sich aus den beispielhaft zu den Akten gereichten GEMA-Anmeldungen ergibt (Bl. 335 d.A.: 2.000 Stück, davon 900 für den Verkauf und 1.100 zur Promotion; Bl. 336 und 337 d.A.: je: 1.000 Stück, davon 900 für den Verkauf und 100 zur Promotion; Bl. 338 d.A. (3er-Box) je: 500 Stück, davon 400 für den Verkauf und 100 zur Promotion).

Den sich hieraus ergebenden (auf die einzelnen Produktionen bezogenen) niedrigen Umsätzen standen von vornherein hohe Fixkosten gegenüber.

So investierte die Klägerin erhebliche fremdfinanzierte Beträge in den Umbau der teilweise denkmalgeschützten Hofanlage in E, P-Straße ..., in der ein Konzertraum, ein professionelles Tonstudio, ein Bürotrakt sowie ein Wohntrakt für die produzierenden Künstler eingerichtet wurden, was zu hohen Zinsaufwendungen (betrieblicher Anteil ca. 40.000 DM/20.000 € pro Jahr) führte und auch hohe Bewirtschaftungskosten nach sich zog. Dass durch die Nutzung dieser Hofanlage den an den Aufnahmen beteiligten Künstlern auch die Möglichkeit zur Regeneration bzw. zur „Auszeit", d.h. zum Arbeiten und Auffrischen der Kräfte zugleich (so W vom ....2006, Bl. 351 d.A.) gegeben werden soll, mag zwar deren künstlerischen Impetus steigern, entspricht jedoch nicht betriebswirtschaftlich vernünftigem Handeln. Auch Ansammeln von nennenswerten stillen Reserven insoweit ist nicht ersichtlich.

Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin vor Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit ein schlüssiges Betriebskonzept erarbeitet bzw. eine betriebswirtschaftliche Planung betrieben oder irgendwann zu einem späteren Zeitpunkt eine betriebswirtschaftliche Nachkalkulation der einzelnen Produktionen durchgeführt hat. Von daher war sie von vornherein nicht in der Lage, die Ursachen der hohen Verluste zu erkennen und ihnen entgegen zu wirken. Der Kläger hat lediglich während der Betriebsprüfung mit Schreiben vom 25.08.2005 (Fach 45 der Bp-Handakte) die Produktionskosten mit durchschnittlich 10.000 € pro Produktion beziffert, ohne dass erkennbar ist, dass dieser Schätzung eine betriebswirtschaftliche Ermittlung zu Grunde liegt. Im Übrigen hätte bereits eine Gegenüberstellung dieser Zahl mit den Erlösen pro Produktion, wie sie sich z.B. aus den o.g. GEMA-Anmeldungen ergeben, gezeigt, dass keine Kostendeckung möglich ist. Denn die dort genannten Händlerabgabepreise von 6,50 € je CD bzw. 18,50 € für die 3er-Box ergaben (bei vollständigem Abverkauf) Erlöse von 5.850 € bei den Einzel-CD's bzw. 7.400 € bei der 3er-Box.

Die Klägerin hat auf die Verluste nur durch häufigen Wechsel der Vertriebspartner reagiert, wobei sie sich nach eigenen Angaben zum Teil auf Empfehlungen von Freunden oder Verwandten verlassen und im Übrigen auf vage Prognoserechnungen der Vertriebspartner vertraut hat. Hierdurch sind die Kläger nach eigenen Angaben auch auf Scharlatane hereingefallen. Auch der häufige Wechsel ihrer Steuerberater, aus welchen Gründen auch immer (hierzu Schreiben des Klägers vom 23.06.2010, Bl. 421 d.A.), lässt kein professionelles, betriebswirtschaftliches Handeln erkennen.

Dieses unwirtschaftliche Verhalten der Klägerin wird durch ihr mehr als nachlässiges Abgabeverhalten unterstrichen. So liegen bis heute keine Steuererklärungen für die Jahre ab 2006 vor. Die Klägerin hat noch nicht einmal Umsatzsteuervoranmeldungen für diese Jahre abgegeben, so dass auch die Kläger selbst keine wirklichen Erkenntnisse über die Ergebnisse der Jahre ab 2006 haben und auch nicht haben können. So ging der Kläger in seinem o.g. Schreiben vom 25.08.2005 noch vom Überschüssen ab 2005 aus, während er mit Schreiben vom 23.06.2010 mitgeteilt hat, dass für die Jahre 2007 bis 2009 keine nennenswerten Gewinne zu erwarten seien. Die in diesem Schreiben angekündigte alsbaldige Abgabe der Steuererklärungen für diese Jahre haben die Kläger - wie gesagt - im Übrigen bis heute nicht realisiert.

Dieses Verhalten lässt erkennen, dass der Klägerin bzw. ihrem Ehemann als der eigentlich treibenden Kraft des Unternehmens der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens weniger wichtig war und ist als die künstlerische Bedeutung und Anerkennung der produzierten Aufnahmen. Die hierdurch zum Ausdruck kommende persönliche Neigung als Ursache für die Aufnahme und Weiterführung der gewerblichen Tätigkeit ließ sich im Übrigen nur auf Grund der nicht unerheblichen Einkünfte des Klägers aus nichtselb­ständiger Arbeit realisieren.

Die sich hierin manifestierende fehlende Gewinnerzielungsabsicht von Anfang an führt zur Nichtberücksichtigung der entstandenen Verluste und damit zur Klageabweisung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind.

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