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Steuerrecht
05.11.2015
Steuerrecht
FG Düsseldorf: Verluste aus dem Erwerb von sogenannten Knock-out-Zertifikaten sind einkommensmindernd zu berücksichtigen

FG Düsseldorf, Urteil vom 6.10.2015 – 9 K 4203/13 E

Aus den Gründen

Die Beteiligten streiten darum, ob die Verluste des Klägers aus dem Erwerb von sogenannten Knock-out-Zertifikaten steuerlich einkommensmindernd zu berücksichtigen sind.

Der Kläger erwarb im Streitjahr folgende Zertifikate:

Der Kläger machte diese Verluste von insgesamt xx € im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung geltend. Der Beklagte lehnte in dem von ihm erlassenen Einkommensteuerbescheid die Berücksichtigung dieser Verluste ab. Der Kläger legte hiergegen Einspruch ein mit der Begründung, nach den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26.09.2012 zu den Az. IX R 50/09 und IX R 12/11 sei ein Verlust aus dem Verfall von Optionen als Werbungskosten abzugsfähig. Der Beklagte wies den Einspruch mit der Begründung zurück, nach dem BMF-Schreiben vom 09.10.2012 (Bundessteuerblatt -BStBl- I 2012, 953) sei ein Verlust aus dem Verfall von Optionen einkommensteuerlich ohne Bedeutung. Die von dem Kläger zitierten BFH-Urteile bezögen sich auf die bis zum 31.12.2008 gültige Rechtslage.

Der Kläger hat hierauf Klage erhoben und trägt vor: Seit der Einführung der Abgeltung-steuer sei der Optionshandel § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) zugeordnet. Der Gesetzgeber habe durch die Einführung der Abgeltungsteuer die Abzugsfähigkeit von Verlusten nicht einschränken wollen. Die Verluste aus dem Verfall von Optionen seien abzugsfähig, da auch die aus dem Optionshandel erzielten Gewinne der Einkommensteuer unterlägen. Die Abzugsfähigkeit ergebe sich bereits aus dem System der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.

Der Kläger beantragt,

              den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 5.3.2015 dahin zu ändern, dass Verluste aus Kapitalvermögen in Höhe von xx € zusätzlich berücksichtigt werden,

              hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

              die Klage abzuweisen,

              hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Verluste aus den von dem Kläger getätigten Geschäften seien einkommensteuerlich unbeachtlich. Sowohl Verluste aus dem Verfall von wertlosen Optionen als auch Verluste aus dem Eintritt eines Knock-out-Ereignisses ohne Kapitalrückzahlung seien einkommensteuerrechtlich ohne Bedeutung.

Der Beklagte ist der Ansicht, die BFH-Entscheidung vom 26.09.2012 (BStBl II 2013, 231) sei nicht auf die neue Rechtslage nach Einführung der Abgeltungsteuer anwendbar. Dies gelte schon deshalb, weil die Neuregelung des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchstabe a) EStG lediglich den 1. Halbsatz des § 23 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 EStG a.F. übernommen habe. Auf den 2. Halbsatz, der nur "eine Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich" erfordert habe, sei bei der Neuregelung verzichtet worden. Als "Beendigung des Rechts" in diesem Sinne sei auch der Verfall einer Option angesehen worden. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchstabe a) EStG zähle zu den Einkünften aus Kapitalvermögen nur "den Gewinn bei Termingeschäften, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt". Mit dem bloßen Verfallenlassen einer Option "erlange" der Steuerpflichtige aber keinen Differenzausgleich im Sinne der vorgenannten Norm.

Der Gesetzgeber habe mit dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchstabe a) EStG deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ein steuerbares Termingeschäft nur vorliege, wenn der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil erlange, d.h. ein Basisgeschäft tatsächlich durchgeführt werde. Dieser Differenzausgleich könne auch negativ, der Vorteil somit im Ergebnis auch ein Nachteil sein, was letztendlich aber nur bei Festgeschäften zum Tragen komme. Denn bei Optionsgeschäften sei zu berücksichtigen, dass die Ausübung des Rechts allein dem Optionsinhaber zustehe. Es sei diesen Geschäften immanent und entspreche auch dem üblichen Ablauf, dass eine tatsächliche Ausübung nur erfolge, wenn dies für den Rechtsinhaber vorteilhaft sei. Dies sei dem Gesetzgeber bei Schaffung der Vorschrift bewusst gewesen. Daraus folge, dass bei Optionen der vom Gesetz verlangte "Vorteil" auch tatsächlich nur ein Vorteil im exakten Wortsinne und kein Nachteil und für den Differenzausgleich nur ein positiver Ausgleich gemeint sein könne. Der Gesetzgeber habe für diese Fälle ganz bewusst das tatsächliche "Erlangen" des Vorteils verlangt. Einer Fiktion wie sie der BFH im Urteil vom 26.09.2012 bemühe bedürfe es daher nicht. Der Verfall einer Option stelle somit (auch bei unternommenen Verkaufs- bzw. Glattstellungsbemühungen) kein durchgeführtes Termingeschäft dar.

Nach § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG komme ein Abzug von Aufwendungen nur bei einem unmittelbaren Zusammenhang mit einem Termingeschäft in Betracht. Ein durchgeführtes Termingeschäft liege jedoch nicht vor, so dass die Aufwendungen für die Optionsprämien nicht abgezogen werden könnten.

Zu beachten sei zudem der Vergleich zu einem Direktanleger. Die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe a) EStG diene der Erfassung der dem Termingeschäft zugrundeliegenden Basisgeschäfte, d.h. Kapitalanleger sollten insoweit gleichgestellt werden, unabhängig davon, ob sie die Basiswerte tatsächlich selbst anschaffen/veräußern oder sich zur Erzielung der Kapitalerträge hierfür eines Termingeschäfts (Differenzgeschäfts), insbesondere einer Option bedienten. Geschäfte mit den Basiswerten würden beim Direktanleger auch nur erfasst, wenn sie tatsächlich durchgeführt würden. Aufwendungen im Zusammenhang mit nicht durchgeführten Geschäften könnten allenfalls als vergebliche Aufwendungen angesehen werden, für die ein Werbungskostenabzug zu prüfen wäre. Angewandt auf Optionsgeschäfte bedeute dies, dass die Prämienaufwendungen für verfallene Optionen zwar vergebliche Aufwendungen darstellen könnten, deren Abzug als Werbungskosten sich mit der Absicht, Kapitalerträge zu erzielen, begründen ließe. Ob ein Abzug vergeblicher Aufwendungen möglich wäre, könne aber letztlich dahinstehen, denn diese würden dem auf den Sparerpauschbetrag begrenzten Werbungskostenabzug nach § 20 Abs. 9 EStG unterfallen.

Dieselbe steuerliche Konsequenz ergebe sich für Knock-out-Zertifikate, bei denen das Geschäft ohne Kapitalrückzahlung vorzeitig beendet worden sei, weil der Basiswert eine nach den Emissionsbedingungen vorgesehene Bandbreite verlassen habe (Erreichen der Knock-out-Schwelle). Mangels Zahlung liege zum Zeitpunkt der Endfälligkeit kein veräußerungsgleicher Vorgang im Sinne des § 20 Abs. 2 EStG vor (Hinweis auf BMF-Schreiben vom 09.10.2012, BStBl I 2012, 953 Rz. 8a). Der Verfall stelle weder eine Veräußerung im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG noch einen veräußerungsähnlichen Tatbestand im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG dar. Eine Berücksichtigung der Anschaffungskosten komme gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG jedoch nur bei einer Veräußerung in Betracht.

Die Klage ist begründet.

Die Aufwendungen des Klägers für den Erwerb der Knock-out-Zertifikate in Höhe von xx € sind als Verluste aus Kapitalvermögen steuerlich zu berücksichtigen.

I.

Es ist zweifelhaft, ob Knock-out-Zertifikate als Termingeschäfte im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG anzusehen sind.

Bei einem Knock-out-Zertifikat setzt der Anleger auf die Kursentwicklung eines Basiswertes, z.B. auf den steigenden Kurs einer Aktie. Statt die Aktie zum Kurswert von z.B. 100 € zu erwerben, erwirbt er ein Zertifikat zu einem Bruchteil dieses Wertes, z.B. für 5 €. Steigt der Wert der Aktie zu einem festgelegten Stichtag z.B. auf 110 €, partizipiert der Anleger an dieser Wertsteigerung. Er erhält den Kaufpreis des Zertifikates (5 €) zuzüglich des Kursgewinns (10 €). Er hat eine Rendite von 200 % erzielt, während er, hätte er die Aktie als solche erworben, nur eine Rendite von 10 % erzielt hätte. Dieser Gewinnchance steht beim Knock-out-Zertifikat allerdings das Risiko gegenüber, das gesamte investierte Kapital zu verlieren, wenn die Aktie während der Laufzeit des Zertifikats eine bestimmte Schwelle, z. B. 95 €, unterschreitet.

Der BFH hat es in einer Entscheidung vom 24.04.2012 (IX B 154/10, BStBl II 2012, 454) als zweifelhaft angesehen, ob Knock-out-Zertifikate als Termingeschäfte (nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG a.F.) steuerbar sind. Orientiere man sich wie das Gesetz am Zivilrecht, handele es sich bei dem Zertifikat nicht um ein typisches Termingeschäft, sondern um ein sogenanntes Kassageschäft, bei dem der Anleger sofort Barvermögen oder einen Kreditbetrag einsetzen müsse. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) seien Börsentermingeschäfte standardisierte Verträge, die von beiden Seiten erst zu einem späteren Zeitpunkt, dem Ende der Laufzeit, zu erfüllen seien und einen Bezug zum Terminmarkt hätten. Indexzertifikate seien regelmäßig keine Börsentermingeschäfte; sie seien strukturierte Finanzprodukte in der Form einer Inhaberschuldverschreibung, die den Anspruch des Inhabers gegen den Emittenten auf Zahlung eines Geldbetrages verbrieften, dessen Höhe vom Stand der zugrunde gelegten Basiswerte (sogenannte Underlyings) abhänge. Indes werde bei sogenannten Hebelprodukten wie sie Hebel-, Knock-out oder Turbozertifikate darstellten, im Schrifttum eine differenzierende Auffassung vertreten. Knock-outs seien spezielle Terminkontrakte, die mit begrenzter oder unbegrenzter Laufzeit angeboten würden. Der Anleger könne sowohl auf steigende als auch auf fallende Kurse setzen. Wegen der ausgeprägten Hebelwirkung von Knock-out-Produkten könne der Anleger überproportional an der Entwicklung des Basiswertes partizipieren; die Hebelwirkung ergebe sich daraus, dass das Hebelprodukt wesentlich weniger koste als der Basiswert. Werde ein solches Knock-out-Produkt vorzeitig fällig, weil der Kurs des Basiswertes die jeweilige Knock-out-Schwelle berühre oder unter- beziehungsweise überschreite, verfalle das Wertpapier als wertlos. Die Position des Inhabers eines solches Zertifikates werde im Schrifttum als mit der aus einem Finanztermingeschäft vergleichbar gewürdigt. Beide hätten nur die Chance, einen endgültigen Anspruch zu erlangen. Allein die Tatsache, dass die Option aufschiebend bedingt, die Schuldverschreibung auflösend bedingt sei, möge nach dieser Auffassung eine unterschiedliche Bewertung nicht zu rechtfertigen, so dass auch derartige auflösend bedingte Schuldverschreibungen bei der notwendigen Gesamtbetrachtung als Finanztermingeschäfte zu qualifizieren seien.

In einem Urteil vom 04.12.2014 (IV R 53/11, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2015, 412 = BStBl II 2015, 483) hat der BFH entschieden, dass der in § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG enthaltene Begriff des Termingeschäfts dahingehend auszulegen sei, dass er Index-Partizipationsscheine nicht umfasse. Der Begriff des Termingeschäfts entstamme dem Wertpapier- und Bankrecht und sei dort vom Kassageschäft abzugrenzen. Beim Kassageschäft habe der Leistungsaustausch durch Übertragung der Schuldverschreibung mit der darin wertpapiermäßig verbrieften Forderung Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises binnen der für diese Geschäfte üblichen Frist von zwei Tagen zu erfolgen. Durch die spätere Rückzahlung des Emittenten an den Erwerber werde nicht der Vertrag über den Erwerb des Zertifikats, sondern die durch die Schuldverschreibung begründete Forderung erfüllt. Demgegenüber zeichne sich das Termingeschäft dadurch aus, dass der Erfüllungszeitpunkt hinausgeschoben werde, woraus sich die für Termingeschäfte spezifische Gefährlichkeit und damit das für die Qualifizierung als Börsentermingeschäft wesentliche Schutzbedürfnis des Anlegers ergebe. Termingeschäfte seien insoweit Verträge über Wertpapiere, vertretbare Waren oder Devisen nach gleichartigen Bedingungen, die von beiden Seiten erst zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt zu erfüllen seien, die zudem eine Beziehung zu einem Terminmarkt hätten, der es ermögliche, jederzeit ein Gegengeschäft abzuschließen. Index-Zertifikate könnten nach diesen Vorgaben nicht den Termingeschäften zugeordnet werden, weil bei ihnen der Anleger nicht dazu verleitet werde, ohne oder mit verhältnismäßig geringem Einsatz eigenen Vermögens und ohne Aufnahme eines förmlichen Kredits auf Gewinn zu spekulieren, denn sein Verlustrisiko sei nach Auffassung des BGH auf den Kaufpreis für die Schuldverschreibung begrenzt, den er sofort bei Vertragsabschluss in voller Höhe bezahlen müsse. Der Erwerb von Index-Zertifikaten habe danach auch nicht die für Termingeschäfte spezifische Hebelwirkung und begründe zudem nicht die Gefahr des Totalverlustes in dem für Termingeschäfte typischen Maße. Vielmehr diene der Erwerb von Index-Zertifikaten einem ähnlichen wirtschaftlichen Zweck wie der Direkterwerb von Aktien, weil diese Zertifikate die Möglichkeit eröffneten, an der Kursentwicklung des Index teilzunehmen, ohne alle in den Index aufgenommenen Aktien einzeln erwerben zu müssen. Auch aus der Entstehungsgeschichte, dem systematischen Zusammenhang und dem Zweck des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG ergebe sich nicht, dass der Gesetzgeber mit dem Begriff des Termingeschäfts - abweichend vom Zivilrecht - auch Index-Zertifikate - habe erfassen wollen.

Der Senat geht davon aus, dass der BFH sich mit dem Urteil vom 04.12.2014 für eine Orientierung am Zivilrecht entschieden hat und diese Auslegung auf die Auslegung des Begriffs "Termingeschäft" in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG zu übertragen ist. Folgt man dem, so liegt bei den Knock-out-Zertifikaten im Streitfall kein Termingeschäft vor. Es liegt kein Vertrag vor, der von beiden Seiten erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erfüllen ist. Das Verlustrisiko ist für den Anleger auf den Kaufpreis des Knock-out-Zertifikates begrenzt. Letztlich kann allerdings die Frage, ob Knock-out-Zertifikate ein Termingeschäft darstellen, unentschieden bleiben.

II.

Qualifiziert man Knock-out-Zertifikate als Termingeschäfte, so ist der Verlust aus den Knock-out-Zertifikaten nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe a) EStG zu berücksichtigen.

Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe a) EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn bei Termingeschäften, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe a) EStG erfasst sowohl einen positiven als auch einen negativen Differenzausgleich (BFH vom 26.09.2012, IX R 50/09, BStBl II 2013, 231; Moritz/Strohm, Der Betrieb DB 2013, 603, 607).

Gemäß § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG ist Gewinn beim Termingeschäft der Differenzausgleich oder der durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmte Geldbetrag oder Vorteil abzüglich der Aufwendungen, die in unmittelbarem sachlichen Zusammenhang mit dem Termingeschäft stehen. Optionsprämien sind in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Termingeschäft stehende Aufwendungen im Sinne des § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG (Heuermann, DB 2013, 718, 719 f.; Moritz/Strohm, DB 2013, 603, 607; Helios/Philipp, Der Betriebsberater -BB- 2010, 95, 98).

Ein Verlust (negativer Gewinn) aus einem Termingeschäft liegt im Fall eines Optionsgeschäfts nicht nur dann vor, wenn der Optionsinhaber die Option zu seinem Nachteil ausübt ("einen Differenzausgleich ... erlangt"), sondern auch dann, wenn er sie verfallen lässt. Die Intention, einen Differenzausgleich zu erzielen, ist ausreichend (Helios/Philipp, BB 2010, 95, 97; Jochum in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG § 20 Rnr. D/3 26; Reislhuber/Bacmeister, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2010, 684, 685). Die Formulierung "Termingeschäfte, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt" soll lediglich das Termingeschäft charakterisieren: Ein Termingeschäft ist ein Geschäft, das auf die Erlangung eines Differenzausgleichs gerichtet ist. Es würde ansonsten in Fällen, in denen die Option nicht zwingend verfällt, sondern auch ein negativer Differenzausgleich gewählt werden kann, von dem Steuerpflichtigen ein wirtschaftlich sinnloses Verhalten verlangt. Die Optionsprämie muss auch bei Nichtausüben der Option schon aus Gründen der Gleichbehandlung abziehbar sein. Die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen wird um die aufgewandten Optionsprämien gemindert, einerlei, ob es tatsächlich zu einem Differenzausgleich kommt oder ob ein solcher von vornherein vermieden wird, weil die Option nicht ausgeübt wird (BFH, BStBl II 2013, 231; Heuermann, DB 2013, 718, 719 f.). Es kann keinen Unterschied machen, ob der Steuerpflichtige sein Optionsrecht verfallen lässt oder ob er die Option kurz vor Verfall mit Verlust veräußert, so dass der Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b) EStG zu berücksichtigen ist (Jochum in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 20 Rnr. D/3 26).

Wenn aber bei einem Termingeschäft ein zu berücksichtigender Verlust in Form von vergeblich aufgewandten Optionsprämien steuerlich zu berücksichtigen ist, müssen wenn man bei einem Knock-out-Zertifikat von einem Termingeschäft ausgeht auch die Aufwendungen für den Erwerb eines Knock-out-Zertifikates nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe a) EStG steuerlich berücksichtigungsfähig sein. Es macht wirtschaftlich keinen Unterschied, ob die Bank im Fall der Option diese am Verfallsdatum ausbucht, weil sich nur ein negativer Differenzausgleich ergäbe, oder ob das Knock-out-Zertifikat automatisch verfällt, weil die Knock-out-Schwelle unter- beziehungsweise überschritten wurde (a.A. Niedersächsisches Finanzgericht –FG- vom 20.5.2014 -12 K 421/13, Entscheidungen der  Finanzgerichte –EFG- 2014,2037).

III.

Qualifiziert man das Knock-out-Zertifikat nicht als Termingeschäft, so handelt es sich um eine sonstige Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder das Entgelt von einem ungewissen Ereignis abhängt. Unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen auch Vollrisikozertifikate, bei denen sowohl das Entgelt als auch die Rückzahlung von einem ungewissen Ereignis abhängt.

Der Verlust aus dem Eintritt der Knock-out-Ereignisse ist bei einer Qualifizierung der Knock-out-Zertifikate als sonstige Kapitalforderung im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG und § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG zu berücksichtigen. Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von Kapitalforderungen jeder Art im Sinne des Abs. 1 Nr. 7 EStG. Nach § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG gilt als Veräußerung im Sinne des Satzes 1 auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft und nach § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG ist Gewinn im Sinne des § 20 Abs. 2 EStG der Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung und den Anschaffungskosten. Dies bedeutet, dass als Verlust der Betrag der Anschaffungskosten der Kapitalforderung, hier: der Knock-out-Zertifikate, anzusetzen ist, wenn auf Grund des Eintritts der Knock-out-Ereignisse kein Entgelt gezahlt wird und auch keine Rückzahlung des Kaufpreises erfolgt. Der Eintritt des Knock-out-Ereignisses stellt sich als "Einlösung" im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG und damit als Veräußerung im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG dar.

Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung in § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG eine Aufzählung in das Gesetz aufnehmen, die gewährleistet, dass alle realisierten positiven Wertzuwächse erfasst werden. Er erfasst damit zugleich realisierte Wertverluste. Es besteht  kein sachlich rechtfertigender Grund, entgegen dem objektiven Nettoprinzip § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG eng auszulegen und einzelne realisierte Wertverluste unberücksichtigt zu lassen (Kellersmann, Finanzrundschau -FR- 2012, 57, 67). Ob noch ein (oder zwei) Euro zurückgezahlt wird oder jegliche Rückzahlung unterbleibt, kann keinen Unterschied begründen. Das Verhalten des Steuerpflichtigen kann nicht dahin gelenkt werden, die vom Totalverlust bedrohte Kapitalforderung an einen Dritten zu veräußern oder in eine Kapitalgesellschaft einzulegen (Bayer, DStR 2009, 2397; Kellersmann, FR 2012, 57, 59). Der Verlust ist zu berücksichtigen, sobald die Wertminderung/der Wertverlust endgültig feststeht (Bayer, DStR 2009, 2397; Doege, Die Steuerberatung -Stbg- 2008, 44; Bode, DStR 2009, 1781, 1783; a.A. BMF vom 09.10.2012, BStBl I 2012, 953 Tz. 8a, 59f).

IV.

Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen, da die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der FGO. Die Übertragung der Ermittlung des festzusetzenden Steuerbetrages basiert auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

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