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Steuerrecht
03.09.2015
Steuerrecht
FG Hamburg: Verbrauchsteuerentstehung durch Entnahme aus einem Steuerlager ohne anschließendes Steueraussetzungsverfahren

FG Hamburg, Urteil vom 19.6.2015 – 4 K 13/15

Amtliche Leitsätze

1. Bei Entnahme verbrauchsteuerpflichtiger Waren aus einem Steuerlager entsteht die Verbrauchsteuer, sofern sich keine Steuerbefreiung anschließt.

2. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) BierStG, § 140 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) BranntwMonG, § 12 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) TabStG, §§ 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. c), 29 Abs. 3 SchaumwZwStG dürfen die von diesen Gesetzen erfassten verbrauchsteuerpflichtigen Waren unter Steueraussetzung aus Steuerlagern zu Begünstigten im Sinne des Art. 12 Abs. 1 der Systemrichtlinie in anderen Mitgliedstaaten befördert werden. Zu den Begünstigten gehören nach Art. 12 Abs. 1 lit. c) der Systemrichtlinie die Streitkräfte der Vertragsparteien des Nordatlantikpakts mit Ausnahme des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Verbrauchsteueranspruch entsteht und zwar für den Gebrauch oder Verbrauch dieser Streitkräfte oder ihres zivilen Begleitpersonals oder für die Versorgung ihrer Casinos und Kantinen. Nach Art. 13 Abs. 1 der Systemrichtlinie ist bei der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung zu einem der in Art. 12 Abs. 1 genannten Empfänger eine Freistellungsbescheinigung mitzuführen.

3. Einheiten der Bundeswehr im Steuergebiet gehören nicht zu den Begünstigten, denen Waren unter Steueraussetzung geliefert werden dürfen (vgl. § 8 Abs. 1 BierStG, § 137 Abs. 1 BranntwMonG, § 9 Abs. 1 TabStG und §§ 8 Abs. 1, 29 Abs. 3 SchaumwZwStG).

4. Einzelfall, in dem Verbrauchsteuern, die aufgrund der maßgeblichen Beteiligung eines Zollamtes entstanden sind, gemäß § 227 AO zu erstatten sind.

Sachverhalt

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung verschiedener Verbrauchsteuern.

Die Klägerin beliefert unter anderem NATO-Streitkräfte in Großbritannien sowie Einheiten der Bundeswehr aus ihrem Steuerlager mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren.

Für das Jahr 2012 fand bei der Klägerin eine Prüfung durch den Beklagten statt. Ausweislich des Berichts vom 22.04.2014 ergaben sich - soweit für den Streitfall relevant - verschiedene Beanstandungen: Zum einen wurden Mehrmengen festgestellt (Bier und Branntwein), die aus dem Steuerlager der Klägerin entnommen und nicht unter Steueraussetzung befördert worden waren (Rn. 3.4.3 zum Prüfbericht, Anl. 3). Weiter wurde festgestellt, dass die Klägerin verbrauchsteuerpflichtige Waren an Bedienstete des NATO SUPPORT DEPOT Standort A, Großbritannien, geliefert hatte, ohne Freistellungsbescheinigungen für Bestellungen der Bediensteten dieses Standorts vorlegen zu können (Rn. 3.4.6.3 zum Prüfbericht, Anl. 7). Schließlich wurde festgestellt, dass die Klägerin verbrauchsteuerpflichtige Waren an die Besatzung von Schiffen der Bundeswehr im Auslandseinsatz geliefert hatte. Als Empfänger seien im elektronischen Verwaltungsdokument (eVD) jeweils die Schiffe „c/o Verpflegungsamt der Bundeswehr Oldenburg“ eingetragen gewesen, die Waren seien jeweils an das Verpflegungsamt der Bundeswehr in Oldenburg, das nicht zum Bezug verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung berechtigt sei, geliefert worden. Die Steueraussetzungsverfahren seien als Versand an einen Begünstigten und nicht als Ausfuhr eröffnet worden. Durch die Lieferung an einen Nichtbezugsberechtigten habe ein wirksames Versandverfahren als Steueraussetzungsverfahren nicht eröffnet werden können (Rn. 3.4.6.4 zum Prüfbericht, Anl. 8). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Prüfbericht verwiesen.

Mit Steuerbescheid vom 18.08.2014 nahm der Beklagte die Klägerin unter Hinweis auf den Prüfbericht wegen Verbrauchsteuern in Höhe von insgesamt 306.775,85 € (16.960,69 € Branntweinsteuer, 3.128,58 € Biersteuer, 286.503,49 € Tabaksteuer, 111,18 € Schaumweinsteuer und 71,91 € Zwischenerzeugnissteuer) in Anspruch. Wegen der Begründung und der Berechnung im Einzelnen wird auf den Steuerbescheid verwiesen.

Am 05.09.2014 legte die Klägerin Einspruch ein. Zu Rn. 3.4.6.3 des Prüfberichts führte sie aus, die Mehrmenge werde nicht bestritten, allerdings sei sie in das Steuerlager der Käuferin in Belgien und nicht in den freien Verkehr gelangt, so dass keine Verbrauchsteuern entstanden seien. Zu Rn. 3.4.6.3 des Prüfberichts trug sie vor, dass die NATO-Einheit am Standort A disziplinarrechtlich zum Standort B gehöre, für den dem Beklagten eine Freistellungsbescheinigung vorliege. Der Beklagte hätte eine Auskunft des britischen Zolls darüber einholen müssen, ob die fragliche NATO-Einheit bezugsberechtigt gewesen und die betreffende Sendung ordnungsgemäß verwendet worden sei. Zu Rn. 3.4.6.4 des Prüfberichts trug sie vor, sie habe nicht das Verpflegungsamt der Bundeswehr in Oldenburg beliefert, die Lieferscheine seien vielmehr auf das betreffende Marineschiff ausgestellt worden. Da es sich um Auslandseinsätze gehandelt habe, sei eine direkte Belieferung der Marineschiffe faktisch nicht möglich gewesen. Die Nachversorgung sei durch das Verpflegungsamt der Bundeswehr organisiert worden. Die Waren seien von ihr für die einzelnen Marineschiffe zusammengestellt und dann beim Verpflegungsamt der Bundeswehr direkt in die für die betreffenden Marineschiffe bestimmten Container verladen worden. Dort seien sie mit einer Zollplombe des Hauptzollamts C versehen und zu den betreffenden Marineschiffen transportiert worden. Beim Verpflegungsamt der Bundeswehr seien die Sendungen lediglich in einzelne Container zusammengefasst worden. Dieses Verfahren sei mit dem Hauptzollamt C abgestimmt und seit 2008 unbeanstandet praktiziert worden. Daher könne sie sich jedenfalls auf Vertrauensschutz berufen.

Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 06.01.2015 zurückgewiesen. Zur Begründung verwies der Beklagte auf den Bescheid vom 18.08.2014 und führte ergänzend aus, innerhalb des deutschen Steuergebiets könne verbrauchsteuerpflichtige Ware unter Steueraussetzung aus einem Steuerlager in ein anderes Steuerlager bzw. zu einem Begünstigten befördert werden, wobei ausländische Truppen und deren Gefolge, die beim zuständigen Hauptzollamt eine entsprechende Freistellungsbescheinigung vorzulegen hätten, zu den Begünstigten gehörten. Bei dem NATO-Truppenstatut unterstehenden ausländischen Truppen müsse die Freistellungsbescheinigung von einer registrierten amtlichen Beschaffungsstelle ausgestellt worden sein. Für den Standort A sei seitens der zuständigen amtlichen Beschaffungsstelle keine Freistellungsbescheinigung ausgestellt worden. Den Grund dafür müsse er nicht ermitteln. Da der Standort A nicht dem Kreis der Begünstigten angehört habe, habe ein reguläres Steueraussetzungsverfahren nicht zu Stande kommen können. Mit der Belieferung der Bundeswehr mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren verhalte es sich ebenso. Die von der Klägerin eröffneten Steueraussetzungsverfahren seien nicht für die Ausfuhr von Waren aus dem Zollgebiet an Schiffe der Bundeswehr im Ausland gedacht gewesen, als Empfänger sei vielmehr eine Dienststelle der Bundeswehr bestimmt worden. Die Bundeswehr gehöre nicht zum Kreis der Begünstigten, verfüge über keine Freistellungsbescheinigung und sei nicht berechtigt gewesen, unversteuerte Ware in Empfang zu nehmen. Weiter heißt es, dass das von der Klägerin praktizierte Verfahren ohne Zutun der örtlichen Zollbehörden nur schwer möglich gewesen wäre und ihr daher von Amts wegen gemäß § 227 AO ein Erlass der Steuerschuld i. H. v. 150.000 € eingeräumt werde, hinsichtlich der Festsetzung der Erlasssumme ergehe in Kürze ein gesonderter Bescheid.

Mit ihrer am 28.01.2015 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie wiederholt die Einspruchsbegründung und betont, die Freistellungsbescheinigung für den Standort B erstrecke sich aufgrund der disziplinarrechtlichen Verbindung auf den Standort A. Empfänger der an die deutschen Marineschiffe versandten Waren sei nicht das Versorgungsamt in Oldenburg, sondern das jeweilige Marineschiff gewesen, die Lieferscheine seien auf die entsprechenden Marineschiffe „c/o Verpflegungsamt der Bundeswehr Oldenburg“ ausgestellt worden. Das Verfahren sei mit der Bundeswehr und dem Hauptzollamt C abgestimmt und über mehrere Jahre praktiziert worden. Es sei auch dem Beklagten bekannt gewesen. Es wäre zwar möglich, kleinere Einheiten verbrauchsteuerpflichtiger Waren direkt an Marineschiffe im Ausland unter Steueraussetzung zu liefern, die Kosten hierfür wären jedoch unverhältnismäßig hoch. Zweckmäßigerweise würde die Belieferung der einzelnen Marineschiffe im Ausland containerweise zusammengestellt, um dann ganze Containerladungen bei den betreffenden Marineschiffen anzuliefern. Zudem beruft sie sich auf Vertrauensschutz. Schließlich sei zu prüfen, ob die Abgaben nicht jedenfalls aus Billigkeitsgründen gemäß § 227 AO zu erstatten seien.

Die Klägerin beantragt,

den Steuerbescheid vom 18.08.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.01.2015 aufzuheben,

hilfsweise den Beklagten unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 06.01.2015 und des Bescheides vom 19.02.2015 - soweit diese entgegenstehen - zu verpflichten, Verbrauchsteuern i. H. v. weiteren 139.100,15 € zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er nimmt auf die angefochtenen Bescheide Bezug und erstattete unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung mit Bescheid vom 19.02.2015 gemäß § 227 AO Steuern in Höhe von 150.000 €.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakte des Beklagten verwiesen.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist mit dem Hauptantrag unbegründet (I.), mit dem Hilfsantrag jedoch begründet (II.).

I.

Der Steuerbescheid vom 18.08.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.01.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.

Zu Recht hat der Beklagte Verbrauchsteuern wegen der festgestellten Mehrmengen (1.), wegen der Lieferung an NATO-Truppen in Großbritannien (2.) und wegen der Lieferung an das Versorgungsamt der Bundeswehr in Oldenburg (3.) erhoben.

1.

Der Beklagte durfte die im Rahmen der Prüfung festgestellten Mehrmengen im Steueraussetzungsverfahren (I. des Steuerbescheids vom 18.08.2014, hierauf entfallen 3.758,48 € Bier- und Branntweinsteuer) der Besteuerung unterwerfen. Dies ergibt sich aus § 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BierStG bzw. § 143 Abs. 2 Nr. 1 BranntwMonG, wonach die Steuer zum Zeitpunkt der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr, an den sich keine Steuerbefreiung anschließt, entsteht. Durch eine Entnahme aus dem Steuerlager - durch die die Ware gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 BierStG bzw. § 143 Abs. 2 Nr. 1 BranntwMonG in den freien Verkehr überführt wird -, an die sich kein weiteres Verfahren der Steueraussetzung anschließt, entsteht mithin die Steuer.

Dass es in den streitgegenständlichen Steueraussetzungsverfahren über die in diesen Verfahren erfassten Mengen hinaus zu den festgestellten Mehrmengen gekommen ist, die dem Steuerlager entnommen und nicht unter Steueraussetzung befördert wurden, räumt die Klägerin selbst ein. Unter Steueraussetzung befördert werden nur die sich auch in diesem Verfahren befindlichen und insoweit erfassten Mengen. Für darüber hinausgehende, dem Steuerlager entnommene Mengen entsteht gemäß § 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BierStG bzw. § 143 Abs. 2 Nr. 1 BranntwMonG die Bier- bzw. Branntweinsteuer. Die Steuer entsteht unmittelbar mit der Entnahme aus dem Steuerlager, ein Erlöschen der entstandenen Steuer für den Fall, dass die verbrauchsteuerpflichtige Ware zu einem späteren Zeitpunkt in einem Steuerlager in einem anderen Mitgliedstaat aufgenommen wird, ist gesetzlich nicht vorgesehen. Insofern dringt die Klägerin mit ihrer Argumentation nicht durch.

2.

Der Beklagte durfte auch für die Lieferung an NATO-Organisationen in Großbritannien (II. des Steuerbescheides vom 18.08.2014, hierauf entfallen 13.917,22 €) Verbrauchsteuern erheben.

Mit dem Beklagten geht der Senat davon aus, dass die Lieferung nicht an einen Begünstigten erfolgte. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) BierStG, § 140 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) BranntwMonG, § 12 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) TabStG, §§ 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. c), 29 Abs. 3 SchaumwZwStG dürfen die von diesen Gesetzen erfassten verbrauchsteuerpflichtigen Waren unter Steueraussetzung aus Steuerlagern zu Begünstigten im Sinne des Art. 12 Abs. 1 der Systemrichtlinie in anderen Mitgliedstaaten befördert werden. Zu den Begünstigten gehören nach Art. 12 Abs. 1 lit. c) der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (Systemrichtlinie, RL 2008/118/EG) die Streitkräfte der Vertragsparteien des Nordatlantikpakts mit Ausnahme des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Verbrauchsteueranspruch entsteht und zwar für den Gebrauch oder Verbrauch dieser Streitkräfte oder ihres zivilen Begleitpersonals oder für die Versorgung ihrer Casinos und Kantinen. Nach Art. 13 Abs. 1 RL 2008/118/EG ist bei der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung zu einem der in Art. 12 Abs. 1 genannten Empfänger eine Freistellungsbescheinigung mitzuführen. Die Klägerin hat keine Freistellungsbescheinigung vorgelegt, aus der sich ausdrücklich eine Begünstigung des Empfängers, des Standorts A des … B, NATO Headquarter, zum verbrauchsteuerfreien Bezug der streitgegenständlichen Waren ergibt. In den Sachakten findet sich die Freistellungsbescheinigung des … B, NATO Headquarter (Sachakte Berichtsentwurf Bl. 36, 37), die - wie der Beklagte erklärt hat - im Streitfall vorgelegt wurde. Ihr lässt sich zunächst entnehmen, dass das NATO-Hauptquartier B die berechtigte Institution (eligible institution) im Sinne von Art. 12 Abs. 1 lit. c) RL 2008/118/EG ist. In Feld 5 der Bescheinigung werden die abgefertigten Waren, für die die Befreiung von Verbrauchsteuern und Umsatzsteuer begehrt wird, beschrieben (description of the dispached goods for which the examption from excise duty and VAT is requested), wobei auch auf ein anliegendes Formular verwiesen werden kann (or reference to attached form). Der Freistellungsbescheinigung ist weiter zu entnehmen, dass sie vom … B, NATO Headquarter über die Lieferung von Waren an bestimmte Standorte (D, E, F, und B) ausgestellt wurde. Eine Belieferung des Standortes A ist nicht vermerkt. Dieser Standort mag dem - nach Google Maps 126 Meilen davon entfernten - Standort B nachgeordnet sein (vgl. das Schreiben des Beklagten an die britischen Zollverwaltung vom 15.11.2013, Sachakte Berichtsentwurf Bl. 39 R ff., und den Steuerbescheid vom 18.08.2014 unter II.) oder zu diesem - wie die Klägerin vorträgt - disziplinarrechtlich gehören, dies ändert jedoch nichts daran, dass eine Lieferung an den Standort A im Gegensatz zu den anderen genannten Standorten gerade nicht Gegenstand der Freistellungsbescheinigung ist. Selbst wenn man den Vortrag der Klägerin also als zutreffend unterstellt, läge ihr gleichwohl keine mit einem Bestätigungsvermerk des zuständigen Hauptzollamts oder einer Eigenbestätigung der ausländischen Truppe versehene Freistellungsbescheinigung (vgl. auch Nr. 8.1.3 der Verwaltungsvorschrift Steueraussetzung des Bundesministeriums der Finanzen, E-VSF V 99 53-1) vor, die die Lieferung der streitgegenständlichen Waren an den Standort A erfassen würde. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 16.06.2015 vorgelegten Unterlagen. Das Schreiben des Chefs des Headquarter B vom 30.07.2009 spricht davon, dass Pakete für den „Stützpunkt in A“ an uns - Standort B - geliefert werden sollten. Das besagt nichts über das Verhältnis der Standorte zueinander. Wenig hilfreich für die Klägerin ist auch das mit demselben Schriftsatz vorgelegte Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 19.12.2014, in dem verschiedene NATO-Hauptquartiere aufgelistet sind. Dort sind unter der Überschrift „NATO International Military Headquarters (IMHQ) / Organzations (ACO)“ insgesamt 16 Standorte aufgelistet, darunter die Standorte B und A in unmittelbarer Folge, was eher dafür spricht, dass es sich um unterschiedliche Standorte handelt, hinsichtlich derer jeweils eine Freistellungsbescheinigung vorgelegt werden muss. Verbleibende Zweifel gehen zulasten der Klägerin, die die Tatsachen darlegen und gegebenenfalls beweisen muss, die die Steuerbegünstigung rechtfertigen.

Inwieweit der Beklagte in anderen Fällen vergleichbare Freistellungsbescheinigungen anerkannt hat, wie die Klägerin in der Einspruchsbegründung vorgetragen hat, vermag der Senat anhand der Aktenlage nicht nachzuvollziehen. Dies muss auch nicht weiter geklärt werden, da sich daraus jedenfalls keine Bindung in Bezug auf die streitgegenständlichen Lieferungen ergäbe.

3.

Schließlich durfte der Beklagte Verbrauchsteuern für die Lieferungen an das Versorgungsamt der Bundeswehr in Oldenburg bzw. an deutsche Marineschiffe im Auslandseinsatz (III. des Steuerbescheides vom 18.08.2014, hierauf entfallen 289.100,15 €) erheben.

Der Senat geht insoweit von folgendem Sachverhalt aus: Die Klägerin hat die vorliegend besteuerten verbrauchsteuerpflichtigen Waren ihrem Steuerlager entnommen und mit elektronischem Verwaltungsdokument (eVD) unter Steueraussetzung zum Verpflegungsamt der Bundeswehr in Oldenburg befördert, damit sie von dort durch die Bundeswehr an im Auslandseinsatz befindliche Seeschiffe der Bundesmarine geliefert werden. Als Empfänger waren im eVD jeweils die Schiffe „c/o Verpflegungsamt der Bundeswehr Oldenburg“ eingetragen, dies ist unstreitig. Dort, beim Verpflegungsamt der Bundeswehr in Oldenburg, wurden die betreffenden eVD seitens des zuständigen Zollamts geschlossen und die Ware wurde in für Marineschiffe bestimmte Container unter Verwendung des „Form 302“ verladen. Die Klägerin hat als Anlage zu ihrer Klage unter anderem an die Einsatzflottille … gerichtete Lieferscheine, Empfangsbestätigungen des Versorgungsamts der Bundeswehr sowie Bestellungen des Bordkommandos einzelner Fregatten nebst Annahmebestätigung vorgelegt.

Angesichts dieses Sachverhalts muss von einer Lieferung an das Verpflegungsamt der Bundeswehr in Oldenburg ausgegangen werden. Dorthin wurden die verbrauchsteuerpflichtigen Waren verbracht und dort wurden sie übernommen und in Container der Bundeswehr verladen. Das Verpflegungsamt der Bundeswehr in Oldenburg gehört nicht zu den Begünstigten, denen die Waren unter Steueraussetzung hätten geliefert werden dürfen (vgl. § 8 Abs. 1 BierStG, § 137 Abs. 1 BranntwMonG, § 9 Abs. 1 TabStG und §§ 8 Abs. 1, 29 Abs. 3 SchaumwZwStG), hiervon gehen auch beide Beteiligte aus. Dann hätte eine Beförderung unter Steueraussetzung nicht erfolgen dürfen (§ 10 Abs. 1 BierStG, § 139 Abs. 1 BranntwMonG, § 11 Abs. 1 TabStG und §§ 10 Abs. 1, 29 Abs. 3 SchaumwZwStG), mithin wurden die Steueraussetzungsverfahren nicht wirksam eröffnet mit der Folge, dass die Verbrauchsteuern mit der Entnahme aus dem Steuerlager entstanden (§ 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BierStG, § 143 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BranntwMonG, § 15 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 TabStG und §§ 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 29 Abs. 3 SchaumwZwStG). Dass sich an die Entnahme aus dem Steuerlager aus anderen Gründen eine Steuerbefreiung angeschlossen hätte, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Klägerin nicht vorgetragen. Als Inhaberin des Steuerlagers ist die Klägerin Steuerschuldnerin.

Das Vorbringen der Klägerin rechtfertigt keine andere rechtliche Bewertung.

Dies gilt zunächst für die Verwendung des „Form 302“, dabei handelt es sich, wie sich aus einem Schreiben der Bundesfinanzdirektion Südwest vom 26.06.2014 (Sachakte Bl. 27, 28) ergibt, um ein für die zoll- und steuerrechtliche Abwicklung im „Aufnahmestaat“ ausgefertigtes Dokument, das in Deutschland keine Wirkung entfaltet und insoweit auch nicht zu verbrauchsteuerrechtlichen Vergünstigungen führen kann.

Dass die verbrauchsteuerpflichtigen Waren letztlich unbestritten auf im Auslandseinsatz befindliche deutsche Marineschiffe gelangten, für die sie ausweislich der Lieferscheine von vornherein bestimmt waren, und dass diese Marineschiffe - wovon auch der Beklagte ausgeht - grundsätzlich zum verbrauchsteuerfreien Bezug derartiger Waren berechtigt sind, ist im Zusammenhang mit der Entstehung der Verbrauchsteuern unerheblich, da die im Streitfall zugrunde zu legenden Verbrauchsteuergesetze keinen Tatbestand vorsehen, der zum Erlöschen entstandener Verbrauchsteuern für den Fall führt, dass die Waren letztlich doch bei einem Begünstigten angelangt sind.

Dass die Verfahrensweise letztlich auf einer Abstimmung mit dem Hauptzollamt C beruhte, dass Beamte des Hauptzollamts C jeweils bei der Belieferung des Verpflegungsamts der Bundeswehr in Oldenburg zugegen waren, die Steueraussetzungsverfahren schlossen und die für die Marineschiffe bestimmten Container verplombten und dass - wie die Klägerin vorträgt - auch Beamte des Beklagten die Verfahrensweise akzeptierten, berührt das Entstehen der Verbrauchsteuern, die allein auf der Verwirklichung des objektiven Sachverhalts beruht, nicht. Auf Verschulden oder die subjektiven Vorstellungen der Klägerin oder der eingebundenen Beamten der Zollverwaltung kommt es nicht an.

Die Klägerin kann sich im Zusammenhang mit der Erhebung der Verbrauchsteuern auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Anders als dies etwa bei der Nacherhebung von Einfuhrzoll in Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex der Fall ist, kann aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht von der Erhebung entstandener Verbrauchsteuern abgesehen werden.

II.

Mit dem Hilfsantrag hat die Klage indes Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung in Höhe von weiteren 139.100,15 € aus § 227 AO, § 101 S. 1 FGO. Die Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 06.01.2015 und des Bescheides vom 19.02.2015 - soweit diese entgegenstehen - erfolgt aus Klarstellungsgründen.

Der Senat geht zunächst davon aus, dass der Beklagte die Erstattung bereits in der Einspruchsentscheidung vom 06.01.2015 von Amts wegen gewährt hat. In den Gründen der Einspruchsentscheidung formuliert der Beklagte, dass der Klägerin „im Amtswege im Sinne des § 227 AO daher ein Erlass der Steuerschuld i. H. v. 150.000 € einzuräumen“ ist. Der weitere Hinweis, dass hinsichtlich der Festsetzung der Erlasssumme in Kürze ein gesonderter Bescheid ergehe, ist, da die Erlasssumme bereits in der Einspruchsentscheidung genannt wird, widersprüchlich, aber unschädlich. Der in der Folge ergangene Bescheid vom 19.02.2015 wiederholt nur die bereits in der Einspruchsentscheidung getroffene Regelung über die Erstattung. Der Senat geht im Hinblick auf die mit der Einspruchsentscheidung getroffene Erstattungsentscheidung davon aus, dass diese neben dem gewährten Teilerlass vom 150.000,00 € zugleich die Versagung eines Erlasses über die weiteren 139.100,15 € beinhaltet. Der insoweit der Klägerin nicht gewährte Erlass stellt eine erstmalige Beschwer dar, gegen die nach § 348 AO nicht erneut ein Einspruch, sondern sogleich die Klage als Rechtsmittel gegeben ist (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 06.12.2005, VII 291/04, EFG 2006, 823; BFH, Urteil vom 04.11.1987, II R 167/81, juris).

Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet werden. Dass die Erstattungsvoraussetzungen im Streitfall vorliegen, ist anzunehmen, weil das hinsichtlich der Belieferung von Schiffen der Bundeswehr gewählte Verfahren unstreitig in Abstimmung mit den zuständigen Zolldienststellen erfolgte. Das sieht auch der Beklagte so, weitere Ausführungen des Senats bedarf es daher nicht.

Die Entscheidung über einen Erlass nach § 227 AO stellt eine Ermessensentscheidung der Behörde dar, die gerichtlich nur in den durch § 102 FGO gezogenen Grenzen überprüfbar ist. Nach dieser Vorschrift ist die gerichtliche Prüfung der den Erlass ablehnenden behördlichen Entscheidung darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Selbst bei einem Ermessensfehlgebrauch der Behörde darf das Gericht in der Regel nur die Verpflichtung aussprechen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden (§ 101 Satz 2 FGO). Eine Verpflichtung zum Erlass darf das Gericht ausnahmsweise nur dann aussprechen, wenn im konkreten Fall der Ermessensspielraum der Behörde derart eingeschränkt ist, dass lediglich eine Entscheidung mit einem ganz bestimmten Inhalt als ermessensgerecht in Betracht kommt (sog. Ermessensreduzierung auf null, vgl. nur BFH-Urteil vom 26.10.1994, X R 104/92, juris). So liegt der Fall ausnahmsweise hier. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles hält der erkennende Senat dafür, dass der Beklagte ermessenfehlerfrei nur die gesamte auf den Komplex „Belieferung der Seeschiffe“ entfallende Steuerschuld erlassen kann.

Der streitgegenständliche Sachverhalt ist dadurch geprägt, dass das zuständige Hauptzollamt C und die Bundeswehr die verbrauchsteuerrechtliche Behandlung des Komplexes „Belieferung der Seeschiffe“ gemeinsam verbindlich abgestimmt hatten. Der heutige Vorsteher des Hauptzollamtes C, Herr G, hat im Rahmen eines Telefonats mit dem Berichterstatter nachvollziehbar und glaubhaft bekundet, dass es nach Einführung der elektronischen Verwaltungsdokumente eine Besprechung mit Vertretern des Hauptzollamtes und der Bundeswehr gegeben habe, um eine Lösung für eine verbrauchsteuerfreie Belieferung der Seeschiffe ohne Ausfuhranmeldung zu finden. Man habe sich darauf verständigt, die Bundeswehr in den elektronischen Verwaltungsdokumenten als berechtigten Empfänger anzugeben und das Steueraussetzungsverfahren zollseitig am Standort der Bundeswehr in C zu erledigen. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zudem dargelegt, dass das gesamte Prozedere der rechtlichen Behandlung der Warenlieferungen an die Seeschiffe der Bundeswehr ausschließlich zwischen dem Hauptzollamt C und der Bundeswehr abgestimmt worden sei. Sie selbst – die Klägerin – sei erst und nur über das Ergebnis dieser Absprache unterrichtet worden. Angesicht dieser Übereinkunft zwischen Hauptzollamt und Bundeswehr, die die Klägerin als verbindlich und rechtlich unbedenklich begreifen musste, erscheint jede andere am Gedanken der Billigkeit ausgerichtete Entscheidung, als der Klägerin die insoweit entstandenen Verbrauchsteuern nicht in Gänze zu erlassen, als unbillig und damit ermessensfehlerhaft. Der Gesichtspunkt, dass sich nach der Rechtsprechung niemand auf die Unkenntnis des im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Unionsrechts berufen kann (vgl. insoweit nur BFH, Beschluss vom 20.03.2006, VII B 99/05, juris), tritt im Streitfall vollständig zurück.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Die Quotelung entspricht dem Verhältnis zwischen Obsiegen und Unterliegen der Klägerin unter Berücksichtigung eines Streitwertes von 295.875 € (156.775,85 € für den Hauptantrag [(306.775,85 € Steuerforderung abzgl. 150.000 € Erstattung] plus 139.100,15 € für den Hilfsantrag, vgl. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

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