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Steuerrecht
02.10.2014
Steuerrecht
FG Niedersachsen: Umsatzsteuerpflicht der Verpachtung von Einrichtungsgegenständen eines Seniorenwohnheims

FG Niedersachsen, Urteil vom 13.2.2014 – 5 K 282/12

Leitsatz

Die Umsätze aus der Vermietung des beweglichen Inventars eines Seniorenwohnheims sind als Nebenleistung wie auch die Vermietung des Gebäudes selbst nach § 4 Nr. 12 Buchstabe a) UStG steuerfrei.

§ 4 Nr 12 Buchst a UStG

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Umsatzsteuerpflicht der Verpachtung von Einrichtungsgegenständen eines Seniorenwohnheims.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Seniorenwohnparks X. Der Seniorenwohnpark enthält 50 Apartments und 10 Pflegezimmer auf einer Pflegestation mit insgesamt 63 Betten.

Mit Vertrag vom 01.08.2003 hat die Klägerin diesen Seniorenwohnpark an Frau A verpachtet. Ausweislich des Pachtvertrages beträgt der Pachtzins für das Grundstück und die Gebäude des Seniorenwohnparks 50.000 € monatlich. Gleichzeitig hat die Klägerin das bewegliche Inventar des Seniorenwohnparks für 6.000 € mitverpachtet. Lt. Ziff. 4.1 des Vertrages vom 01.08.2003 beinhaltet der Betrag von 6.000 € die „gesetzliche Mehrwertsteuer“. Hinsichtlich der verpachteten Einrichtungsgegenstände bestimmt der Vertrag in den Ziffern 5 und 8, dass die Pächterin für zerstörte, sonst unbrauchbare oder bei Pachtende fehlende Gegenstände Ersatz oder Vergütung schuldet.

Mit ihren Umsatzsteuererklärungen 2006 – 2010 meldete die Klägerin die aus der Verpachtung der Einrichtungsgegenstände erzielten Entgelte, die darauf entfallende Umsatzsteuer und die für ihr gesamtes Unternehmen festzusetzende Umsatzsteuer an:

Die Anmeldungen standen einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich, §§ 168, 164 AO. Mit Vereinbarung vom 01.01.2011 kam die Klägerin mit der Pächterin überein, dass die Verpachtung der Einrichtungsgegenstände zum 31.12.2010 endete. Mit ihrer Umsatzsteuererklärung 2011 meldete sie demgemäß keine umsatzsteuerpflichtigen Entgelte mehr an.

Mit Schreiben vom 14.05.2010 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 20.08.2009 – VR 21/08 – die Verpachtung der Einrichtungsgegenstände als Nebenleistung zur Verpachtung des Grundstücks als umsatzsteuerfrei zu behandeln und die Umsatzsteuerfestsetzungen entsprechend zu berichtigen. Der Beklagte (das Finanzamt – FA -) lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 02.06.2010 ab. Zur Begründung wies das FA darauf hin, dass es sich bei der Entscheidung des BFH vom 20.08.2009 – VR 21/08 – um eine Einzelfallentscheidung handele, die von der Finanzverwaltung nicht anzuwenden sei.

Hiergegen hat die Klägerin Einspruch eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, Gegenstand des Pachtvertrages sei die Gebrauchsüberlassung eines funktionsfähigen Seniorenwohnheims als einheitliche Leistung gewesen. Bei ca. 80 % des Inventars handele es sich um Pflegebetten – spezielle Nachtschränke etc. -, die zu den Vermietungsumsätzen des Heims näher im Zusammenhang stehen als Einrichtungsgegenstände im weiteren Sinne. Es sei im Übrigen üblich, dass das als Pflegeheim betriebene Gebäude komplett ausgestattet und eingerichtet verpachtet würde. Ein Wertverhältnis von 10 – 15 % der Einrichtungsgegenstände zum Gesamtwert des Grundstücks könne als üblich angesehen werden.

Mit Bescheiden vom 11.04.2012 hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung der Umsatzsteuerfestsetzungen 2007 – 2010 auf. Gegen den Bescheid für 2010 hat die Klägerin ebenfalls Einspruch eingelegt und zur Begründung auf ihren Einspruch gegen die ablehnende Entscheidung des FA für die Jahre 2006 – 2009 verwiesen.

Mit Einspruchsbescheid vom 05.10.2012 hat das FA den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Der Begriff des Grundstücks in § 4 Nr. 12 UStG stimme grundsätzlich mit dem Grundstücksbegriff des BGB überein. Demnach umfasse ein Grundstück den Grund und Boden und die damit fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude (§§ 93 ff BGB). Bewegliche Sachen, wie z. B. Einrichtungsgegenstände, seien keine Grundstücksteile. Vor diesem Hintergrund erstrecke sich die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 UStG regelmäßig nicht auf verpachtete Einrichtungsgegenstände. Entscheidend sei, dass im Streitfall die beiden Leistungen (Vermietung vom Grundstück und Gebäude einerseits und Vermietung des Inventars andererseits) einen eigenen wirtschaftlichen Gehalt hätten. Die Einrichtung sei zum Betrieb eines Seniorenheims zwingend erforderlich. Aus diesem Grund erweise sich der eigene wirtschaftliche Gehalt dieser Einrichtung als offenkundig. Der Pächterin wäre eine anderweitige Beschaffung grundsätzlich möglich gewesen. So handele es sich um einzelne bewegliche Wirtschaftsgüter, wie Betten, Möbel usw., die am freien Markt erhältlich seien und nicht etwa von der Klägerin für die speziellen Bedürfnisses des Betriebs selbst hergestellt worden seien. Im Streitfall handele es sich auch nicht um Nebenleistungen, die einheitlich wie die Hauptleistung (Verpachtung von Grundstück und Gebäude) zu beurteilen seien. Die Mitvermietung von Einrichtungsgegenständen sei keine Nebenleistung im umsatzsteuerlichen Sinne.

Hiergegen richtet sich die Klage. Zur Begründung bringt die Klägerin vor, dass im Streitfall eine einheitliche Leistung vorliege. Dies ergebe sich auch aus § 2 des Pachtvertrages: Dieser enthalte folgende Formulierung: (…) „Die Verpachtung umfasst das gesamte Grundstück von 4.875 m², das Seniorenwohnheim mit einer Wohn- und Nutzfläche von etwa 3.800 m² und die Einrichtung der Wohnanlage, soweit diese vom Verpächter angeschafft worden ist.“

Bei der Verpachtung des Seniorenheims samt Inventar handele es sich um eine einheitliche Leistung, da es sich bei dem Objekt um ein fertiggestelltes, betriebs- und benutzungsfähiges Seniorenheim handele. Das Inventar diene der Nutzungsüberlassung des Seniorenheims und sei für die Erfüllung der Hauptleistungspflicht zwingend notwendig. Es sei marktüblich, dass Seniorenheime komplett ausgestattet und eingerichtet verpachtet würden.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 05.10.2012 die Umsätze aus der Vermietung der Einrichtungsgegenstände des Seniorenwohnparks X auf 0 EUR herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.

Es verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung vom 05.10.2012.

Wegen weiterer Einzelheiten wird insbesondere auf den zwischen der Klägerin und Frau Martina Sauerland unter dem 01.08.2003 geschlossenen Pachtvertrag Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage ist begründet.

Die Umsätze aus der Vermietung des beweglichen Inventars des Seniorenwohnparks X sind wie auch die Vermietung des Gebäudes nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei.

Die nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfreien Umsätze umfassen nicht nur die Grundstücksvermietung und die Vermietung des Gebäudes, sondern auch die Überlassung des Mobiliars. Hierbei handelt es sich um eine Nebenleistung zur steuerfreien Vermietung.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – EUGH – gelten für die Frage, unter welchen Bedingungen mehrere zusammenhängende Leistungen als eine Gesamtleistung zu behandeln sind, folgende Grundsätze (EUGH-Urteil vom 11.06.2009 – C572/07, DStR 2009, 1260, Rz. 17 ff):

 

Jeder Umsatz ist in der Regel als eigenständige, selbständige Leistung zu betrachten.

Allerdings darf eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden.

Deshalb sind die charakteristischen Merkmale des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Unternehmer dem Leistungsempfänger mehrere selbständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist.

 

Eine einheitliche Leistung liegt danach insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile der Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistungen sind, die das steuerrechtliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Entsprechendes gilt dann, wenn der Unternehmer für den Leistungsempfänger zwei oder mehr Handlungen vornimmt, oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.

Vor diesem Hintergrund hat der BFH in ständiger Rechtsprechung die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG für die Vermietung möblierter Räume oder Gebäude bejaht, wenn es sich um eine auf Dauer angelegte und nicht um eine kurzfristige Überlassung handelt (z. B. BFH-Urteil vom 27.04.1995 – VR 112/93, BFH/NV 1996, 182; BFH-Urteil vom 25.01.1996 – VR 6/95, BFH/NV 1996, 583; BFH-Urteil vom 06.08.1998 – VR 26/98, BFH/NV 1999, 84; BFH-Urteil vom 20.08.2009 – VR 21/08, BFH/NV 2010, 473; BFH-Urteil vom 04.05.2011 – XI R 35/10, BStBl. II 2011, 836). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH-Urteil vom 12.2.1998 – C-346/95, Rechtssache Elisabeth Blasi. Gegenstand dieses Verfahrens vor dem EuGH war die Überlassung vollständig möblierter und mit Kochgelegenheiten ausgestatteter Zimmer, bei denen der Vermieter für die Gestellung und Reinigung der Bettwäsche sowie für die Reinigung der Flure, Treppenhäuser, Bäder und WCs verantwortlich war. Im Hinblick auf die Dauer der Beherbergung ist der EuGH in dieser Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Überlassung von Einrichtungsgegenständen bei einer Laufzeit des Vertrages von mindestens sechs Monaten in vollem Umfang als steuerfrei zu behandeln ist.

Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass es sich bei ca. 80 % des Inventars um Pflegebetten, spezielle Nachtschränke usw. handelt. Es handelt sich mithin um speziell abgestimmte, zum Betrieb eines Seniorenheims zwingend erforderliche Ausstattungselemente.

Aus diesem Grund liegen im Streitfall mehrere selbständige Leistungen vor, die nach den Grundsätzen von Haupt- und Nebenleistungen einheitlich zu beurteilen sind. Eine Leistung ist grundsätzlich als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng – im Sinne einer wirtschaftlich gerechtfertigten Abrundung und Ergänzung – zusammenhängt und üblicherweise in ihrem Gefolge vorkommt. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn die Leistung für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck, sondern nur das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (so auch die Auffassung der Finanzverwaltung in Abschnitt 3.10 Abs. 5 Sätze 3 und 4 UStAE). Der erkennende Senat geht im Streitfall davon aus, dass das mitverpachtete Inventar für den Betreiber keinen eigenen selbständigen Zweck hat.

Die Klage hat damit insgesamt Erfolg.

Die Entscheidung über die Übertragung der Steuerberechnung auf den Beklagten folgt aus § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war gem. § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO notwendig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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