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Steuerrecht
22.03.2018
Steuerrecht
FG Düsseldorf: Steuerpflicht von Zinsen aus einer Kapitallebensversicherung

FG Düsseldorf, Urteil vom 6.9.2017 – 15 K 2050/16 F

ECLI:DE:FGD:2017:0906.15K2050.16F.00

Volltext BB-Online BBL2018-725-3

Sachverhalt

Streitig ist die Steuerpflicht von Zinsen aus einer Kapitallebensversicherung.

Der Kläger erwarb gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau (A) mit notariellem Kaufvertrag vom 26.11.1998 das Einfamilienhaus „B“ zu einem Kaufpreis von 329.400 DM (= 168.420 €). Die gesamten Anschaffungskosten/Herstellungskosten betrugen 360.812 DM (= 184.480,24 €). Das Einfamilienhaus wird seit 1999 vermietet.

Zur Finanzierung der Anschaffung des Einfamilienhauses nahmen der Kläger und seine damalige Ehefrau u.a. Darlehen bei der C i.H.v. 185.000 DM (= 94.589 €) und der D (Darlehens-Nr. ..) i.H.v. 76.000 DM (= 38.858 €) auf.

Im März 2006 übernahm der Kläger den Anteil von seiner damaligen Frau.

Am 17.11.2006 schloss der Kläger mit der D ein Forward-Darlehen über einen Betrag i.H.v. 112.000 € ab, mit dem die Ursprungsdarlehen zum 01.07.2009 abgelöst werden sollten. Die bereitstellungszinsfreie Zeit betrug 32 Monate. Anschließend sollten Bereitstellungszinsen i.H.v. 3 % p.a. anfallen.

Mit Schreiben vom 21.07.2008 kündigte der Kläger gegenüber E - als Rechtsnachfolgerin der C – den Darlehensvertrag zum 01.07.2009. Daraufhin wurde dem Kläger im August 2008 mitgeteilt, eine Kündigung könne vertragsgemäß erst zum 06.07.2010 erfolgen.

Am 05.07.2010 valutierte die D den Darlehensbetrag i.H.v. 112.000 € auf ein Konto der damaligen Eheleute. Am gleichen Tag nahm der Kläger eine sog. „eilige Überweisung“ i.H.v. 80.322,45 € an die E vor, mit der u.a. der Darlehensrestbetrag abgelöst wurde. Für diese Überweisung fielen Gebühren i.H.v. 9,50 € (Target 2-Überweisung) an. Die D buchte vom Konto der damaligen Ehegatten zugleich einen Betrag i.H.v. 3.248 € für Bereitstellungszinsen (= 3 % von 112.000 € für die Zeit vom 17.07.2009 bis 05.07.2010) aus dem Forward-Darlehen ab. Mit Gutschrift i.H.v. 26.979,89 € (Tilgungsanteil: 26.904,45 € und Zinsanteil: 75,44 €) am 06.07.2010 löste der Kläger das Ursprungsdarlehen bei der D ab.

Mit einer Anzeige nach § 29 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDVO) vom 16.07.2010 zeigte die D dem Beklagten an, dass der Kläger ihr zur Tilgung und Sicherung des Ablösedarlehens/Forward-Darlehens mit Vereinbarung vom 21.06.2010 seine Ansprüche aus einer Kapitallebensversicherung bei der F i.H.v. 38.000 € abgetreten habe.

Am 06.10.2014 erließ der Beklagte einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht der Zinsen aus der Kapitallebensversicherung. Zur Begründung führte der Beklage an, die umfassende Steuerpflicht der Zinsen folge aus der Mitfinanzierung folgender Aufwendungen:

Target 2                                                               9,50 €

Zinsen für das abgelöste Darlehen bei D    75,44 €

Verwendung unbekannt                                   1.400,16 €

Die Bagatellgrenze nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a letzter Hs EStG a.F. gelte nur im Fall der erstmaligen Finanzierung von AK/HK. Für Umschuldungsdarlehen könne sie nicht erneut in Anspruch genommen werden (Verweis auf BMF-Schreiben v. 15.06.2000, Tz. 43).

Hiergegen wandte sich der Kläger mit dem Einspruch. Von der Summe des Ablösedarlehens i.H.v. 112.000 € habe er 107.226,90 € für die Ablösung der Ursprungsdarlehen verwandt. Von dem Differenzbetrag i.H.v. 4.773,10 € habe er 3.248 € für Bereitstellungszinsen aufgewandt. Diese Bereitstellungszinsen seien bankübliche einmalige Finanzierungskosten, die er steuerunschädlich habe mitfinanzieren dürfen. Dies gelte (unter Verweis auf FG Köln, Urt. v. 22.06.2006 – 10 K 3478/02, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG- 2006, 1509) auch in sog. Neufällen (Darlehensvalutierung des umzuschuldenden Darlehens und Abtretung nach dem 13.02.1992). Die Bereitstellungszinsen seien nicht mit in die Bagatellgrenze einzubeziehen. Zudem sei die Bereitstellungsprovision in seinem Fall selbst ein Darlehen und ermögliche die Anwendung der Tz. 48 des BMF-Schreibens vom 15.06.2000. Lediglich den verbleibenden Restbetrag i.H.v. 1.525,10 € (= 1.440,16 € [andere mit der Umschuldung im Zusammenhang stehende Kosten] + 75,44 € [Zinsen Ursprungsdarlehen D + 9,50 € [Überweisungskosten]) habe er steuerschädlich verwandt. Dieser Betrag falle jedoch unter die Bagatellgrenze von 5.000 DM (= 2.556 €), die nach der Rechtsprechung auch in Umschuldungsfällen gelte.

Mit Einspruchsentscheidung vom 06.07.2016 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Steuerschädlichkeit resultiere daraus, dass ein Fall der Überfinanzierung vorliege. Mit Urteil vom 19.01.2010 – VIII R 40/06, Bundessteuerblatt –BStBl- II 2011, 254 habe der Bundesfinanzhof – BFH – u.a. entschieden, dass auch in Umschuldungsfällen bankübliche Finanzierungskosten mitfinanziert werden könnten. Mitfinanzierte einmalige Finanzierungskosten i.S.d. Tz. 15 des BMF-Schreibens vom 15.06.2000, d.h. Disagio, Aufwendungen für Zinsbegrenzungsvereinbarungen etc., seien auf die Bagatellgrenze von 2.556 € anzurechnen. Dies habe zur Folge, dass immer dann, wenn einmalige Finanzierungskosten i.d.S. von mehr als 2.556 € mitfinanziert würden, die Bagatellgrenze, die alle denkbaren Aufwendungen einschließlich privater Verwendungen umfasse, überschritten werde (BFH, Urt. v. 12.10.2005 – VIII R 19/04, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV- 2006, 288).

Der Kläger verfolgt sein Begehren mit der Klage unter Verweis auf sein vorprozessuales Vorbringen weiter.

Der Kläger beantragt,

1. den Feststellungsbescheid vom 6.10.2014 über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherung in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.07.2016 aufzuheben,

2. den Beklagten zu verurteilen, die außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen zur Versicherung des Klägers bei der F enthaltenen Sparanteilen als nicht einkommensteuerpflichtig anzuerkennen,

3. hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

Ergänzend zu den Gründen im Einspruchsverfahren weist er darauf hin, dass die vom Kläger zitierte E-Mail der Oberfinanzdirektion –OFD- vom 16.01.2015, in der diese dem Beklagten zu einer Abhilfe des Einspruchs geraten habe, nicht den vorliegenden, sondern einen anderen Steuerfall betreffe.

Das Gericht hat die Steuerakten zum Verfahren beigezogen. Auf den übersandten Verwaltungsvorgang und auf die Schriftsätze der Beteiligten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

Der Bescheid über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen vom 06.10.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.07.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO-.

Nach § 179 Abs. 1 und § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung –AO- i.V.m. § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 AO i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 AO vom 16.12.1994 (BStBl I 1995, 3) stellt das für die Einkommensbesteuerung des Versicherungsnehmers zuständige Finanzamt die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) gesondert fest, wenn für die Beiträge zur Versicherung auf den Erlebens- oder Todesfall die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht erfüllt sind.

Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG steuerpflichtig. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies nicht für Zinsen aus Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrages nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Die Beiträge zu den Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG können mit den in Abs. 2 derselben Vorschrift aufgeführten Einschränkungen als Sonderausgaben abgezogen werden.

Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 3 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1992 vom 25. Februar 1992 (BStBl. I 1992, 146) --nachfolgend bis zum 31. Dezember 2004: § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 EStG-- gilt die Steuerbefreiung nach Satz 2 in den Fällen des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nur, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a, b oder c EStG erfüllt sind.

Zwischen den Beteiligten ist – weil sie zutreffend davon ausgehen, dass alle anderen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind – allein streitig, ob die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG – der einzig für den Sonderausgabenabzug in Betracht kommenden Norm – gegeben sind.

Das setzt voraus, dass das Darlehen unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes dient, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt und keine Forderung ist, und dass die ganz oder zum Teil zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprüche aus Versicherungsverträgen nicht die mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten übersteigen; dabei ist unbeachtlich, wenn diese Voraussetzungen bei Darlehen oder bei zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprüchen aus Versicherungsverträgen jeweils insgesamt für einen Teilbetrag bis zu 2.556 € nicht erfüllt sind.

Diese Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG sind indes nicht gegeben, weil mit dem Ablösungsdarlehen über 112.000 € Aufwendungen finanziert wurden, die nicht zur Gänze zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts gehören und weil der anderweitig verwendete Teil der finanzierten Aufwendungen über die Bagatellgrenze von 2.556 € nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG hinausgeht.

Für die Frage, ob ein Darlehen ganz oder teilweise für Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts verwendet worden ist, kommt es nach ständiger Rechtsprechung auf die tatsächliche Verwendung der Darlehensmittel an (BFH, Urt. vom 02.12.2014 – VIII R 16/12, zitiert nach juris, Rz. 23 m.w.N.).

Vorliegend hat der Kläger die Summe des Ablösedarlehens i.H.v. 112.000 € wie folgt verwandt:

Ablösung der Ursprungsdarlehen                        107.226,90 €

Bereitstellungszinsen                                        3.248,00 €

Andere Kosten der Umschuldung                       1.440,16 €

Zinsen Ursprungsdarlehen D                              75,44 €

Target 2                                                           9,50 €

Allein die tatsächliche Mitfinanzierung der Bereitstellungszinsen i.H.v. 3.248 € als neu anfallende Finanzierungskosten ist aus Sicht des Senats steuerschädlich (vgl. Söhn in K/S/M, EStG, § 10 Rz. P 123 und Rz. P 252 (März 2005); Lindberg in Frotscher, EStG, § 10 Rz. 203 (März 2014); Bauschatz in Korn, EStG, § 10 Rz. 250 (September 2015); Horlemann, DStR 2001, S. 337 (338); BMF-Schreiben vom 15.06.2000, Rz. 44 a.E.). Insofern ist der Beklagte im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass ein Fall der Überfinanzierung vorliegt.

Dem steht auch nicht der Hinweis des Klägers auf das Urteil des FG Köln v. 22.06.2006 – 10 K 3478/02, EFG 2006, 1509, welches im Revisionsverfahren im Ergebnis vom BFH (Urt. v. 19.10.2010 – VIII R 40/06, BStBl II 2011, 254) bestätigt wurde, entgegen. Denn diese Urteile betreffen nicht die Finanzierung von Bereitstellungszinsen, sondern die Anschlussfinanzierung von Anschaffungs- und Herstellungskosten durch Neudarlehen mit Disagiovereinbarung. Hierin sieht der BFH, wie er in seinem Urteil vom 12.10.2011 – VIII R 49/09, BStBl II 2014, 156 ausdrücklich festgestellt hat, einen Sonderfall, der nach Ansicht des Senats nicht auf die Finanzierung von Bereitstellungszinsen zu übertragen ist. Mit der tatsächlichen Verwendung der Darlehensmittel für die angefallenen Bereitstellungszinsen hat der Kläger vielmehr Finanzierungskosten mit Darlehensmitteln beglichen. Damit hat er das Darlehen nicht in der vom Gesetz geforderten Weise verwendet mit der Folge, dass keine „unmittelbare und ausschließliche“ Verwendung für den begünstigten Zweck gegeben ist (vgl. BFH, Urt. v. 12.10.2011 – VIII R 7/09, BFH/NV 2012, 564).

Ungeachtet der fehlenden Bindungswirkung von BMF-Schreiben für das Gericht ist der Hinweis des Klägers auf Tz. 48 des BMF-Schreibens vom 15.06.2000 ebenfalls nicht zielführend. Zunächst ist unstreitig, dass – wie in Satz 1 von Tz. 48 des BMF-Schreibens vom 15.06.2000 festgehalten – mehrere Darlehen durch ein Darlehen umgeschuldet werden können. Satz 2 der Tz. 48 des BMF-Schreibens vom 15.06.2000 lautet: Sollen ein umzuschuldendes Darlehen prolongiert und ein oder weitere Darlehen umgeschuldet werden, kann das zu prolongierende Darlehen um das oder die umzuschuldenden Darlehen aufgestockt werden. Ein solcher Fall ist vorliegend offensichtlich nicht gegeben. Dass für das Ablösedarlehen Bereitstellungszinsen anfielen, steht nicht der Aufnahme eines weiteren Darlehens gleich.

Da die schädliche Verwendung der Darlehensmittel für die Bereitstellungszinsen bereits die Bagatellgrenze nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG übersteigt, kann offen bleiben, ob diese überhaupt in Umschuldungsfällen Anwendung findet (vgl. hierzu FG Niedersachsen, Urt. v. 28.01.2003 – 15 K 904/99, EFG 2003, 1478 und FG Münster, Urt. v. 13.03.2007 – 1 K 3976/05 F, zitiert nach juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Grund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Das Urteil beruht auf einer Anwendung der Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

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