R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Steuerrecht
03.11.2016
Steuerrecht
FG Düsseldorf: Steuerbarkeit des Verkaufs so genannter „Starterpakete ohne Mobilfunkgerät“

FG Düsseldorf, Urteil vom 2.10.2016 – 5 K 15/13 U

Sachverhalt

Die 2007 in der Rechtsform einer GmbH gegründete Klägerin war im Streitjahr 2008 mit dem Vertrieb von Produkten im Bereich der Telekommunikation unternehmerisch tätig.

Zwischen den Beteiligten ist die Steuerbarkeit des Verkaufs so genannter „Starterpakete ohne Mobilfunkgerät“ streitig.

Im Rahmen von zwischen der Klägerin und verschiedenen Telekommunikationsdienstanbietern bestehenden Verträgen vertrieb die Klägerin diverse von ihren Vertragspartnern angebotene Mobilfunkdienstleistungen. Im Wesentlichen handelte es sich um Leistungen der deutschen Anbieter A GmbH mit Sitz in B und C GmbH mit Sitz in D.

Die Leistungen der Firma A GmbH werden in dem am 11.12.2007 mit der Klägerin als Distributor abgeschlossenen Vertrag – auszugsweise - wie folgt beschrieben:

„1.1 Bei den von A angebotenen Leistungen handelt es sich um die (zeitlich begrenzte) Möglichkeit zur Nutzung der Mobilfunkdienstleistungen von A.

1.2 Die Leistungen ermöglichen dem Kunden im Rahmen eines bestehenden Prepaid-Mobilfunkvertrages mit A unter anderem das Telefonieren für eine bestimmte Anzahl von Minuten. Die Leistungen werden zu einem feststehenden nominalen Euro-Betrag Endkunden angeboten und verkauft und ermöglichen die nach den gültigen Tarifen für das Land, aus dem und in das angerufen wird, unterschiedlich langes Telefonieren.

(…)

Die zur Nutzung einzelner Leistungen erforderlichen Informationen werden dem Kunden (…) zur Verfügung gestellt.

1.3 Für die Nutzung der Leistungen benötigt der Kunde eine SIM-Karte, die ihm von A zur Nutzung zur Verfügung gestellt wird. Die SIM-Karte sowie die für die Aktivierung der SIM-Karte erforderlichen Informationen (einschließlich der allgemeinen Geschäftsbedingungen) werden dem Kunden (…) zur Verfügung gestellt. Das SIM-Starterpaket enthält Leistungen (nachstehend bezeichnet als „Startguthaben“). (…) Der Kunde erhält zudem eine Mobilfunk Rufnummer sowie die Möglichkeit der Aktivierung der SIM-Karte über die Website oder die Hotline von A.

1.4 Die Nutzung der Leistungen ist nur im Rahmen eines bestehenden Prepaid-Mobilfunkvertrages zwischen A und dem Kunden möglich. Angebot und Annahme zum Abschluss eines Prepaid-Mobilfunkvertrages erfolgen unmittelbar zwischen A und dem jeweiligen Kunden. (…) An dem Abschluss des Prepaid-Mobilfunkvertrages ist der Distributor nicht beteiligt.“

In Art. 2 des Vertrages vom 11.12.2007 ist geregelt, dass die Klägerin als Distributor die vorgenannten Leistungen von A anbieten und verkaufen solle. Hierbei solle die Klägerin als rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Unternehmerin tätig werden und hinsichtlich ihrer betrieblichen Organisation frei und keinerlei Weisungen unterworfen sein. Ausdrücklich ist hierin bestimmt, dass die Klägerin ihre Tätigkeiten aufgrund des Vertrages mit A im eigenen Namen und auf eigene Rechnung sowie auf eigene Gefahr ausüben solle. Sie habe keine Vollmacht zum Abschluss von Geschäften im Namen von A und sei auch nicht zur rechtsgeschäftlichen Vertretung von A befugt.

Unter Art. 7 des Vertrages ist hinsichtlich der Lieferung der SIM-Starterpakete und der Guthabenkarten an die Klägerin vereinbart, dass A ihr diese auf Bestellung hin zusende und die Gefahr in Bezug auf die bezogenen SIM-Starterpakete und Guthabenkarten und die damit verfügbare Leistung mit der Lieferung auf die Klägerin übergehe (7.1 des Vertrages). Die Klägerin erhalte diese Produkte ausschließlich zur Weitergabe an Einzelhändler (7.3 des Vertrages). Die Klägerin sei des Weiteren frei in der Festlegung der Höhe ihrer Preise gegenüber den Einzelhändlern. Eigene Preisnachlässe gewähre sie den Einzelhändlern auf eigene Kosten und Gefahr (7.6 des Vertrages).

Unter 7.7 und 7.8 führt der Vertrag schließlich aus, dass es sich bei dem Verkauf der SIM-Starterpakete und Guthabenkarten von A an die Klägerin um einen umsatzsteuerlich nicht steuerbaren Sachverhalt handele und nur der von A an die Klägerin gewährte Rabatt als Vertriebsleistungen der Klägerin für A in Deutschland der Umsatzsteuerpflicht unterfalle, A hierüber im Wege von Gutschriften abrechnen werde.

Der am 30.1.2008 zwischen der Klägerin und der C GmbH abgeschlossene Kooperationsvertrag enthält im Wesentlichen vergleichbare Bedingungen.

Im Rahmen einer bei der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung stellten die Prüfer in ihrem Bericht vom 5.5.2011 unter Tz. 15 fest, dass die Klägerin im Jahr 2008 (Brutto-)Umsätze i.H.v. 1.905.980,70 € aus dem Vertrieb der sogenannten „Starterpakete“, wie sie in dem oben zitierten Vertrag beschrieben werden, erzielt und als steuerfrei behandelt habe. Die Prüfer beurteilten in ihrem Bericht die Abgabe dieser „Starterpakete“ ohne Mobilfunkgeräte als steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistungen. Vertraglich solle ein Erwerber des „Starterpakets“ nicht nur die Verfügungsmacht an der SIM-Karte erhalten, sondern vorrangig das Recht auf Abschluss des Mobilfunkvertrages. Die SIM-Karte verbriefe den Anspruch des Inhabers auf Abschluss des Mobilfunkvertrages mit dem Telekommunikationsanbieter und enthalte die erforderlichen Zugangsdaten, um den Vertrag zu schließen und den Zugang zum Netzbetreiber herzustellen. Wesentlicher Inhalt der von der Klägerin vertriebenen Leistungen sei die Verschaffung von Zugangsberechtigungen zu den Mobilfunknetzen; hierbei handele es sich um sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation. Der Händler trete mit Übergabe des „Starterpaketes“ den Anspruch gegen den Telekommunikationsanbieter auf Gewährung des Zugangs zum Mobilfunknetz an den jeweiligen Erwerber ab; es handele sich hierbei nicht lediglich um die Vermittlung einer Leistung des Telekommunikationsanbieters an den Erwerber des „Starterpakets“, da die Klägerin im eigenen Namen und für eigene Rechnung und damit als Eigenhändlerin auftrete. Nach dem Inhalt des Vertrages mit der A GmbH trete sie erkennbar nicht in deren Namen und auf deren Rechnung gegenüber ihren Abnehmern in Erscheinung.

Der Kaufpreis des „Starterpakets“ in Höhe des Nennbetrages des Gesprächsguthabens stelle umsatzsteuerlich keine an den Telekommunikationsanbieter geleistete Anzahlung für Telekommunikationsleistungen dar. Denn nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Telekommunikationsanbieter komme der Mobilfunkvertrag erst durch Anmeldung des Kunden beim Telekommunikationsanbieter und anschließende Freischaltung des Mobilfunkanschlusses bzw. Aktivierung der SIM Karte zustande.

Die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung in Bezug auf die hier streitige Beurteilung des Vertriebs der so genannten „Starterpakete“ führten zu einer Erhöhung der steuerpflichtigen Umsätze um 1.601.664 € der Klägerin für 2008 und der hierauf entfallenden Umsatzsteuer (19 %) um 304.316 €.

Im Verlauf des Einspruchsverfahrens betreffend den - die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung umsetzenden - Umsatzsteuerbescheid für 2008 wurde dieser Bescheid wiederholt aus anderen, hier nicht relevanten Gründen geändert, zuletzt durch Einspruchsentscheidung vom 3.12.2012.

Das Finanzamt hält in seiner Einspruchsentscheidung daran fest, dass die Erlöse der Klägerin aus dem Vertrieb der sogenannten „Starterpakete“ i.H.v. 1.905.980,70 € (brutto) steuerpflichtig seien, da sie den Abnehmern dieser Produkte einen „Anspruch auf Abschluss eines Mobilfunkvertrages einschließlich des Zugangs zu einem Mobilfunknetz“ übertragen habe. Sie habe nicht bloß SIM-Karten mit Startguthaben für einen Telekommunikationsunternehmer weitergeleitet und dessen Verträge vermittelt, sondern im eigenen Namen und für eigene Rechnung gehandelt, was sich eindeutig aus dem Wortlaut der mit den Lieferanten geschlossenen Verträge ergebe. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung finde ein Leistungsaustausch nicht lediglich auf der Ebene zwischen dem Telefonprovider und dem Endkunden statt, sondern die Klägerin trete ihr zuvor übertragene Rechte, jeweils gerichtet auf Abschluss eines Mobilfunkvertrages, an ihre Abnehmer ab.

Zur weiteren Begründung seiner Einspruchsentscheidung nimmt das Finanzamt Bezug auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes – EuGH - vom 24.9.2012 – Az C-520/10 - (BStBl II 2012, 755), wonach ein Telefonanbieter, der an einen Vertriebshändler Telefonkarten verkaufe, die alle notwendigen Informationen zur Tätigung internationaler Anrufe über die von diesem Anbieter zur Verfügung gestellte Infrastruktur enthielten und die der Vertriebshändler im eigenen Namen und für eigene Rechnung entweder unmittelbar oder über andere Unternehmer weiter verkaufe, entgeltliche Telekommunikationsdienstleistungen an den Vertriebshändler erbringe.

Gegen die Einspruchsentscheidung richtet sich die vorliegende, fristgemäß erhobene Klage. Die Klägerin trägt vor, sie habe lediglich als Agentin der A GmbH bzw. der C GmbH gehandelt und sei hinsichtlich der SIM-Karten bzw. der „Starterpakete“ nicht in eine Leistungsbeziehung zu diesen Unternehmen eingetreten. Ein Leistungsaustausch bezüglich der SIM Karte sei steuerlich nur zwischen A bzw. C und dem jeweiligen Endkunden zu bejahen, während bei der Klägerin lediglich durchlaufende Posten anzunehmen seien. Die Umsatzsteuer entstehe erst durch das spätere Abtelefonieren der Gesprächsguthaben. Da sie die Starterpakete auch ohne Umsatzsteuer an ihre Abnehmer weiter veräußert habe, sei eine nachträgliche Umsatzsteuerpflicht wirtschaftlich für sie nicht tragbar und könne zur Insolvenz führen.

Sollte das Gericht den hier zu beurteilenden Sachverhalt vergleichbar erachten mit dem, über den der EuGH in seinem Urteil C-520/10 entschieden habe, so beruft sich die Klägerin auf ein Schreiben des BMF vom 24. September 2012 (Az. - IV D 2-S 7100/08/10004:004 - (BStBl I 2012, 947), wonach es nicht beanstandet werde für vor dem 1.1.2013 entgeltlich abgegebene Einzweckguthabenkarten, wenn der Unternehmer – entsprechend den Ausführungen in einem früheren BMF-Schreiben vom 3. Dezember 2001 - IV B 7 - S 7100 - 292/01 - (BStBl I 2001, 1010) den vereinnahmten Betrag erst bei Aktivierung des Kartenguthabens als Anzahlung versteuere und nachfolgend das Telefonieren des Endnutzers als umsatzsteuerpflichtige Leistung behandele.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Umsatzsteuerbescheid 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 3.12.2012 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 304.316,25 € herabgesetzt wird.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt hält an der im Betriebsprüfungsbericht vom 5.5.2011 und im Einspruchsverfahren vertretenen Auffassung fest, wonach die Klägerin steuerpflichtige Telekommunikationsdienstleistungen zunächst selbst von den Firmen A GmbH bzw. C GmbH erworben und diese an ihre Abnehmer steuerpflichtig im Wege von Abtretungen der Rechte auf Abschluss von Mobilfunkverträgen weiter veräußert habe. Sie sei nicht lediglich als Vertreterin in Leistungsbeziehungen zwischen den Telekommunikationsdienstleistern und den Endkunden eingeschaltet gewesen, sondern habe diese Leistungen selbst bezogen und - wie sich eindeutig aus den Verträgen mit den Telekommunikationsdienstleistern A GmbH bzw. C GmbH ergebe - diese im eigenen Namen und für eigene Rechnung an ihre Abnehmer weiter veräußert.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist unbegründet, da die Klägerin durch den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 3.12.2012 nicht in ihren Rechten verletzt ist (§ 100 Abs.1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -.

Der Senat legt den Klageantrag wie im Tatbestand dargelegt aus, da zwischen den Beteiligten nur noch die steuerliche Behandlung der Abgabe der sog. „Starterpakete“ durch die Klägerin und die hiermit zusammenhängende Steuererhöhung um 304.316,25 € streitig ist, während sämtliche weiteren, früher noch streitigen Punkte – insbesondere die Höhe der abziehbaren Vorsteuerbeträge – im Rahmen des Einspruchsverfahrens zwischen den Beteiligten geklärt werden konnten, insbesondere im Rahmen der getroffenen tatsächlichen Verständigung vom 5.8.2011.

Die Klägerin hat von ihren Vertragspartnern A GmbH bzw. C GmbH selbst Telekommunikationsdienstleistungen und damit steuerpflichtige sonstige Leistungen bezogen und diese umsatzsteuerpflichtig in eigenem Namen und für eigene Rechnung an ihre Anbieter weiter veräußert (siehe §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 3 Abs. 9 und 11, 3a Abs. 4 Nr. 11 UStG).

Der Senat sieht vorliegend von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist diesbezüglich gemäß § 105 Abs. 5 FGO auf die ausführlichen und zutreffenden Gründe in der Einspruchsentscheidung des beklagten Finanzamts vom 3.12.2012.

Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass diese steuerliche Betrachtungsweise nicht nur der Rechtsprechung des EuGH entspricht, wie sie sich aus dessen - vom Finanzamt zur Begründung seiner Auffassung herangezogenem - Urteil vom 24.9.2012 – Az C-520/10 - (BStBl II 2012, 755) ergibt, sondern auch der Rechtsauffassung, welche das BMF bereits in seinem Schreiben vom 3. Dezember 2001 - IV B 7 - S 7100 - 292/01 - (BStBl I 2001, 1010) zum Ausdruck gebracht hatte.

Schon hierin hatte das BMF die im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vorgenommene Abgabe von „Starterpaketen“ der hier streitigen Art auf jeder Stufe als umsatzsteuerbare und –steuerpflichtige Leistung beurteilt und die von der Klägerin vertretene Sichtweise lediglich auf die Abgabe bloßer Guthabenkarten (im aktuellen Schreiben des BMF vom 24. September 2012, BStBl I 2012, 947 als „Einzweckguthabenkarten“ bezeichnet) bezogen.

Von daher widerspricht die von der Klägerin und ihren Vertragspartnern bei Vertragsabschluss zugrunde gelegte umsatzsteuerrechtliche Beurteilung (siehe Art. 7.7 des Vertrages mit der A GmbH) ganz offensichtlich nicht nur der Rechtsprechung, wie sie in dem Urteil des EuGH vom 3.5.2012 – Az.: C-520/10 (a.a.O.) zum Ausdruck gekommen ist, sondern darüber hinaus auch der von der Finanzverwaltung bereits 2001 publizierten Auffassung.

Es steht der Klägerin frei, sich bei ihren Vertragspartnern A GmbH bzw. C GmbH, von denen sie die „Starterpakete“ bezogen hat, um korrigierte Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis auch hinsichtlich der bezogenen Telekommunikationsdienstleistungen zu bemühen, die ihr nachträglich den Vorsteuerabzug eröffnen könnten.

Gleichzeitig bleibt es der Klägerin unbenommen, ihren Abnehmern, bei denen es sich offensichtlich selbst um Unternehmer und Wiederverkäufer der von der Klägerin erworbenen „Starterpakete“ handelte, nachträglich Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis hinsichtlich der vom Gericht als steuerpflichtig beurteilten Leistungen auszustellen, welche diesen ebenfalls nachträglich – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen - den Vorsteuerabzug ermöglichen könnten.

Die Klage war aus den hier bzw. in der Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 3.12.2012 dargelegten Gründen mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.

stats