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Steuerrecht
20.10.2016
Steuerrecht
FG Münster: Sind Versorgungsleistungen für die Übertragung eines GmbH-Anteils auch dann als Sonderausgaben abzugsfähig, wenn der bisherige Anteileigner Geschäftsführer bleibt?

FG Münster, Urteil vom 31.8.2016 – 12 K 3245/15 E

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob Versorgungsleistungen eines Vermögensübernehmers gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG 2013 als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind.

Die verheirateten Kläger (Kl.) werden zur Einkommensteuer (ESt) zusammen veranlagt. Der Kl. erzielt unter anderem aus seiner Beteiligung an der T 4 GmbH & Co. KG (T 4-KG) Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von X €. Enthalten sind Erträge aus der im Sonderbetriebsvermögen gehaltenen Beteiligung an der T 5 GmbH (T 5 GmbH). Die T 5 GmbH ist Komplementärin der T 5 GmbH & Co. KG und ist zu 100 % am Vermögen dieser KG beteiligt.

Mit notariellem Vertrag vom 17.12.2012 (Urk. Nr. 000/0010; Notar C, S) hatte der Vater des Kl., der bisherige alleinige Gesellschafter der T 5 GmbH, der Beigeladene T 3, seinen Geschäftsanteil an der T 5 GmbH im Nennwert von X € zur Regelung der vorweggenommenen Erbfolge auf den Kl. übertragen. Der Wert des übertragenen Anteils wurde als nach § 13a ErbStG begünstigtes Vermögen mit X € festgestellt.

Der Kl. wurde zum alleinvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten weiteren Geschäftsführer der T 5 GmbH bestellt. Nach § 5 des Vertrages blieb der übertragende Vater weiterhin Geschäftsführer der Gesellschaft. Er kann nur mit seiner eigenen Zustimmung abberufen werden.

Nach § 2 des Vertrages verpflichtete sich der Kl. zur Zahlung einer indexgebundenen Versorgungsrente an die Eltern in Höhe von monatlich X € ab dem 01.01.2013 bis zum Tode des Längstlebenden.

In der ESt-Erklärung 2013 machten die Kl. die Zahlungen an die Eltern des Kl. in Höhe von X € als dauernde Lasten im Rahmen der Sonderausgaben geltend. Der Beklagte (Bekl.) lehnte eine Berücksichtigung im ESt-Bescheid 2013 vom 10.11.2014 ab. Zur Begründung wies er darauf hin, dass Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung eines GmbH-Anteils nur abzugsfähig seien, wenn der Übergeber die Geschäftsführertätigkeit vollständig und ausnahmslos eingestellt habe. Das sei im Streitfall unter Berücksichtigung der Regelung in § 5 des Vertrages vom 17.12.2012 nicht geschehen.

Zur Begründung des dagegen erhobenen Einspruchs trugen die Kl. vor, die Beibehaltung der Geschäftsführer-Stellung des übertragenden Vaters stehe dem Abzug der Versorgungsleistungen im Rahmen der Sonderausgaben nicht entgegen. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG 2013 müsse der Übernehmer die Tätigkeit des Übergebers als Geschäftsführer übernehmen. Das sei im Streitfall geschehen. Der Beigeladene sei seit der Übertragung lediglich Mitglied des mehrköpfigen Geschäftsführungsgremiums und nicht mehr operativ tätig. Er erhalte auch keine Vergütung für die Tätigkeit.

Es komme bei der Anwendung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG 2013 ausschließlich auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Die fortbestehende Organstellung des Vermögensübergebers könne allenfalls dann zu einer Versagung des Sonderausgabenabzugs führen, wenn neben der Organstellung auch die tatsächliche Geschäftsführung aufrecht erhalten geblieben wäre.

Der Bekl. wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 17.09.2015 zurück. Der Beigeladene habe seine Geschäftsführertätigkeit nicht vollständig und ausnahmslos eingestellt. Er sei nach § 5 des Vertrages Geschäftsführer geblieben.

Mit Schreiben vom 15.10.2015 erhoben die Kl. gegen die Einspruchsentscheidung Klage und halten in der Begründung an ihrer Rechtsauffassung fest.

Aufgrund der Komplexität und des Umfangs der Geschäftstätigkeit der T 5 GmbH seien neben dem Übergeber und dem Kl. drei weitere Fremd-Geschäftsführer bestellt. Seit der Bestellung der ersten beiden Fremd-Geschäftsführer am 15.07.2011 verfüge die Gesellschaft über eine Geschäftsordnung für die Geschäftsführung, die u.a. einen Geschäftsverteilungsplan und detaillierte Regeln zur Entscheidungsfindung enthalte. Entscheidungen der Gesamtgeschäftsführung würden grundsätzlich mit einfacher Mehrheit beschlossen. Sei ein Geschäftsführer zugleich Mehrheitsgesellschafter, sei er automatisch Vorsitzender der Geschäftsführung. Dem Vorsitzenden der Geschäftsführung stehe bei Meinungsverschiedenheiten nach der Geschäftsordnung ein Letztentscheidungsrecht zu. Mit der Übertragung der Anteile sei der Kl. Vorsitzender der Geschäftsführung. Dieses Amt habe bis dahin der beigeladene Überträger, innegehabt. Dem Übergeber seien seither weder Geschäftsführungsaufgaben zugewiesen noch nehme er solche tatsächlich wahr. Die Tätigkeit des Beigeladenen beschränke sich auf repräsentative Aufgaben sowie interne und externe Kommunikation. Eine Vergütung erhalte er insoweit nicht. Für seine frühere Tätigkeit beziehe er aufgrund einer von der T 5 GmbH erteilten Versorgungszusage eine Pension.

Durch das Jahressteuergesetz 2008 sei die Möglichkeit der Übertragung Ertrag bringenden Vermögens gegen Versorgungsleistungen auf den betrieblichen Kernbereich reduziert worden. Sinn sei es gewesen, die Verlagerung von Unterhaltszahlungen in vermögenden Familien zu verhindern. Dabei hätten Arbeitsplätze und die Altersversorgung des Übergebers gefördert werden sollen. Bei der Übertragung von GmbH-Anteilen sei neben der Übertragung einer Mindestbeteiligung von mindestens 50 %  für den Sonderausgabenabzug erforderlich, dass „… der Übergeber als Geschäftsführer tätig war und der Übernehmer diese Tätigkeit nach der Übertragung übernimmt.“

Der Gesetzeswortlaut sehe eine Aufgabe der Geschäftsführertätigkeit nicht ausdrücklich vor. Die Finanzverwaltung gehe eindeutig über den Wortlaut hinaus, wenn sie verlange, dass der Übergeber seine Tätigkeit als Geschäftsführer aufgeben und als Organ der Gesellschaft abberufen werden müsse. Die Möglichkeiten einer gleitenden Vermögens- und Verantwortungsübergabe werde bei Kapitalgesellschaften über die Intention des Gesetzgebers hinaus eingeengt. Es sei nicht ersichtlich, dass durch die Aufrechterhaltung einer formalen Geschäftsführerstellung des Übergebers das gesetzgeberische Ziel einer Erleichterung der Vermögensübergabe verhindert werde. Werde das Verlangen nach Niederlegung der Geschäftsführerstellung zur Voraussetzung eines Sonderausgabenabzugs der Versorgungsleistungen gemacht, komme es zu einer Diskriminierung der mittelständischen GmbH gegenüber einer Mitunternehmerschaft.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klagebegründungsschrift vom 26.11.2015 verwiesen.

Die Kl. beantragen,

den ESt-Bescheid 2013 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 17.09.2015 zu ändern und die ESt 2013 auf der Basis eines um X € auf X € geminderten zu versteuernden Einkommens niedriger festzusetzen,

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,

hilfsweise, im Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, im Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren. Er sei an das BMF-Schreiben vom 11.03.2010 (BStBl I 2010, 227, Tz. 18) gebunden. Danach sei es allenfalls unschädlich, wenn der Vermögensübergeber eine andere selbständige oder nichtselbständige Tätigkeit für die GmbH ausübe.

Das Gesetz solle die Betriebsnachfolge begünstigen. Bleibe der Übergeber Geschäftsführer, habe er die Möglichkeit, in die Geschäftsführung des Sohnes einzugreifen. Der Betrieb sei dann noch nicht vollständig abgegeben.

Unerheblich sei es, dass im Streitfall weitere Geschäftsführer bestellt seien und der Übergeber nur noch repräsentative und kommunikative Aufgaben wahrnehme.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Durch Beschluss vom 17.08.2016 ist Herr T 3, gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO zum Verfahren beigeladen worden. Am 31.08.2016 hat der Senat mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Aus den Gründen

II.

Die Klage ist unbegründet. Der Bekl. hat zutreffend die Berücksichtigung der Versorgungsleistungen als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG 2013 abgelehnt.

Der begehrte Sonderausgabenabzug der Versorgungsleistungen ist nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a lit. c EStG 2013 eröffnet, wenn die Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung eines mindestens 50 % betragenden Anteils an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gewährt werden, der Übergeber als Geschäftsführer tätig war und der Übernehmer diese Tätigkeit nach der Übertragung übernimmt. Das Erfordernis, dass der Übergeber als Geschäftsführer tätig war und der Übernehmer diese Tätigkeit nach der Übertragung übernimmt, soll sicherstellen, dass nur eine solche GmbH in den Begünstigungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG 2013 fällt, bei der der Übergeber, ähnlich wie der Inhaber eines Einzelunternehmens und typischerweise auch ein Mitunternehmer, persönlich in der Geschäftsführung tätig ist (Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 10 EStG Anm. 91).

Zwar hat der Vater des Kl. als Übergeber im Streitfall einen Geschäftsanteil von 100 % an der T 5 GmbH auf den Kl. übertragen. Der Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 1a Buchstabe c EStG 2013 erfordert jedoch darüber hinaus, dass der Übergeber vor der Übertragung als Geschäftsführer tätig war, dies nach der Übertragung nicht mehr der Fall ist und die Tätigkeit des Übergebers als Geschäftsführer der Vergangenheit angehört, er nach der Übertragung also nicht mehr Geschäftsführer ist. Begünstigt sollen nach dem Wortlaut Fälle sein, in dem der Übergeber aus der Geschäftsführung ausscheidet. Das Gesetz unterscheidet dabei nicht zwischen Geschäftsführern, die auch operativ unter Zuordnung von Zuständigkeiten tätig sind und solchen, denen die Geschäftsordnung keine Zuständigkeiten zuordnet. Die Organstellung soll in der Form übertragen werden, dass sie auf den Übernehmer übergeht und bei dem Übergeber fortan der Vergangenheit angehört.

Es entspricht im Übrigen auch der Absicht des Gesetzgebers, Gestaltungsspielräume im streitigen Zusammenhang einzuengen, wenn keine Differenzierung nach der Ausgestaltung der Geschäftsführeraufgaben vorgenommen, sondern schlicht und einheitlich daran angeknüpft wird, ob der Übergeber nach der Übertragung noch die Stellung als Geschäftsführer innehat oder nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 4 FGO. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

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