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Steuerrecht
23.11.2023
Steuerrecht
EuGH-Schlussanträge: Nationale Praxis, einen Erstattungsanspruch aufgrund einer Änderung der Bemessungsgrundlage zu verweigern, da keine Rechnungen ausgestellt wurden, die zuvor berichtigt werden müssten

– Einwand der ungerechtfertigten Bereicherung – Grundsatz des nemo auditur propriam turpitudinem allegans (polnisches Vorabentscheidungsersuchen)

GAin Kokott, Schlussanträge vom 16.11.2023 – C-606/22, Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Bydgoszczy gegen B. sp. z o.o., vormals B. sp.j., Beteiligte: Rzecznik Małych i Średnich Przedsiębiorców

ECLI:EU:C:2023:893

Volltext BB-Online BBL2023-2774-1

Schlussanträge

Die Art. 1 Abs. 2 und Art. 73 in Verbindung mit Art. 78 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie stehen einer Praxis der nationalen Steuerbehörden entgegen, wonach eine Berichtigung der geschuldeten Steuer in der Steuererklärung für unzulässig erachtet wird, wenn Lieferungen und Dienstleistungen an Verbraucher zu einem überhöhten Mehrwertsteuersatz erbracht und nur Kassenbons – d. h. keine Mehrwertsteuerrechnungen – erstellt wurden. Jedenfalls bei einem vereinbarten Festbetrag mit einem Endverbraucher ist der Steuerpflichtige nicht ungerechtfertigt bereichert.

Aus den Gründen

I.          Einleitung

1.         Das Mehrwertsteuerrecht ist für Unternehmen ein riskantes Rechtsgebiet. Legt der Steuerpflichtige fälschlicherweise einen zu niedrigen Steuersatz zugrunde, so schuldet er dennoch den richtigen (höheren) Steuerbetrag, den er an den Staat abführen muss. Denn die Mehrwertsteuer ist immer in der gesetzlich zutreffenden Höhe in dem vereinbarten Preis enthalten. Ob die Parteien dies wussten oder nicht, spielt für den Steuergläubiger keine Rolle. Dies gilt auch, wenn das Unternehmen die höhere Mehrwertsteuer aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht nachträglich auf seine Kunden überwälzen kann.

2.         In diesem Vorabentscheidungsverfahren muss sich der Gerichtshof erneut(2) mit dem umgekehrten Fall beschäftigen, in dem der Steuerpflichtige fälschlicherweise mit einem zu hohen Steuersatz kalkuliert und diesen abgeführt hat. Pikanterweise erfolgte der Fehler hier offenbar erst auf Betreiben der Finanzverwaltung. Mittlerweile hält die Finanzverwaltung einen ermäßigten Steuersatz doch für richtig. Der Steuerpflichtige möchte nun die zu viel abgeführte, aber nicht geschuldete Steuer zurückerhalten.

3.         Die entscheidende Frage ist nun, ob der Staat in diesem Fall die zu viel gezahlte Mehrwertsteuer behalten darf oder ob er sie an den Steuerpflichtigen zurückzuzahlen hat. Immerhin ist die Steuer in der gezahlten Höhe materiell nicht entstanden. Da keine Rechnungen mit ausgewiesener Mehrwertsteuer ausgestellt wurden, stellt sich im Übrigen die Frage nach einer Rechnungsberichtigung nicht. Das polnische Recht soll aber eine Erstattung der zu hohen (fehlerhaften) Steuerschuld ohne vorherige Rechnungsberichtigung nicht erlauben.

4.         Eigentlich müsste der Kunde die von ihm bezahlte zu hohe Mehrwertsteuer vom Leistenden zurückverlangen. Wenn dies rechtlich aber nicht möglich (z. B., wenn als Preis ein Festpreis vereinbart war) oder faktisch ausgeschlossen ist (z. B., weil die Kunden nicht namentlich erfasst oder in Unkenntnis von dem richtigen Mehrwertsteuersatz sind), stellt sich die Frage, wer durch den Irrtum über die richtige Höhe der Steuer endgültig „bereichert“ bleiben darf. Ist dies der Staat oder der Steuerpflichtige?

II.    Rechtlicher Rahmen

A.         Unionsrecht

5.         Den unionsrechtlichen Rahmen bestimmt die Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).(3) Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht auf dem Grundsatz, dass auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine, zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist.

Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat. …“

6.         Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie betrifft die Steuerbemessungsgrundlage und lautet:

„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.“

7.         Art. 78 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt die Elemente, die in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen oder herauszurechnen sind:

„In die Steuerbemessungsgrundlage sind folgende Elemente einzubeziehen:

a)         Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst; …“

8.         Art. 90 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie erläutert die Auswirkungen gewisser nachträglicher Ereignisse auf die Bemessungsgrundlage:

„Im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes wird die Steuerbemessungsgrundlage unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert.“

9.         Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie regelt die Steuerschuld durch Ausweis von Steuern in einer Rechnung:

„Die Mehrwertsteuer wird von jeder Person geschuldet, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist.“

B.         Polnisches Recht

10.       Polen hat die Mehrwertsteuerrichtlinie durch das Gesetz vom 11. März 2004 über die Steuer auf Gegenstände und Dienstleistungen (Ustawa o podatku od towarów i usług, Dz. U. 2006, Pos. 710, mit Änderungen, im Folgenden: Mehrwertsteuergesetz) umgesetzt.

11.       Art. 29 Abs. 4a und Abs. 4c des Mehrwertsteuergesetzes in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung lautete:

„(4a) Verringert sich die Steuerbemessungsgrundlage gegenüber der Bemessungsgrundlage, die in der ausgestellten Rechnung angegeben wurde, so setzt der Steuerpflichtige die Bemessungsgrundlage herab, sofern er vor Ablauf der Frist für die Abgabe der Steuererklärung für den betreffenden Besteuerungszeitraum, in dem der Erwerber des Gegenstands oder der Dienstleistung die Rechnungsberichtigung erhalten hat, in den Besitz einer Bestätigung des Erhalts der Rechnungsberichtigung durch den Erwerber des Gegenstands oder der Dienstleistung gelangt, dem die Rechnung ausgestellt wurde. Gelangt der Steuerpflichtige erst nach Ablauf der Frist für die Abgabe der Steuererklärung für den betreffenden Besteuerungszeitraum in den Besitz der Bestätigung des Erhalts der Rechnungsberichtigung durch den Erwerber des Gegenstands oder der Dienstleistung, ist er berechtigt, die Rechnungsberichtigung in dem Besteuerungszeitraum zu berücksichtigen, in dem er in den Besitz dieser Bestätigung gelangt ist.“

„(4c) Abs. 4a gilt entsprechend, wenn hinsichtlich des Steuerbetrags in einer Rechnung ein Irrtum festgestellt wird und zu der Rechnung, in der ein höherer Steuerbetrag ausgewiesen wurde als geschuldet, eine Rechnungsberichtigung ausgestellt wird.“

12.       Art. 29a Abs. 10, Abs. 13 und Abs. 14 des Mehrwertsteuergesetzes in der seit dem 1. Januar 2014 geltenden Fassung lautet:

„(10) Die Steuerbemessungsgrundlage wird – vorbehaltlich von Abs. 13 – um folgende Beträge herabgesetzt:

1)         Beträge der Rabatte und Preisnachlässe, die nach dem Verkauf eingeräumt wurden;

2)         Wert der zurückgegebenen Gegenstände und Verpackungen – vorbehaltlich der Abs. 11 und 12;

3)         dem Erwerber erstattete, vor der Durchführung des Verkaufs empfangene vollständige oder teilweise Zahlung, sofern der Verkauf nicht zustande gekommen ist;

4)         Wert erstatteter Zuschüsse, Subventionen und anderer Zuzahlungen ähnlicher Art, von denen in Abs. 1 die Rede ist.“

„(13) In den in Abs. 10 Nrn. 1 bis 3 genannten Fällen wird die Steuerbemessungsgrundlage gegenüber der Bemessungsgrundlage, die in der ausgestellten Rechnung mit ausgewiesener Steuer angegeben wurde, herabgesetzt, sofern der Steuerpflichtige vor Ablauf der Frist für die Abgabe der Steuererklärung für den betreffenden Besteuerungszeitraum, in dem der Erwerber des Gegenstands oder der Dienstleistungsempfänger die Rechnungsberichtigung erhalten hat, in den Besitz einer Bestätigung des Erhalts der Rechnungsberichtigung durch den Erwerber des Gegenstands oder den Dienstleistungsempfänger gelangt ist, dem die Rechnung ausgestellt wurde. Gelangt der Steuerpflichtige erst nach Ablauf der Frist für die Abgabe der Steuererklärung für den betreffenden Besteuerungszeitraum in den Besitz der Bestätigung des Erhalts der Rechnungsberichtigung durch den Erwerber des Gegenstands oder den Dienstleistungsempfänger, ist er berechtigt, die Rechnungsberichtigung in dem Besteuerungszeitraum zu berücksichtigen, in dem er in den Besitz dieser Bestätigung gelangt ist.“

„(14) Abs. 13 gilt entsprechend, wenn hinsichtlich des Steuerbetrags in einer Rechnung ein Irrtum festgestellt wird und zu der Rechnung, in der ein höherer Steuerbetrag ausgewiesen wurde als geschuldet, eine Rechnungsberichtigung ausgestellt wird.“

13.       Art. 72 § 1 der polnischen Abgabenordnung (Ordynacja podatkowa) vom 29. August 1997 (Dz. U. 2017, Pos. 201 mit Änderungen, im Folgenden: Abgabenordnung) regelt die Überzahlung von Steuern:

„Als Überbezahlung gilt der Betrag

1)         der überbezahlten oder rechtsgrundlos gezahlten Steuer; …“

14.       Art. 81 §§ 1 und 2 der Abgabenordnung regelt die Korrektur von Steuererklärungen:

„§ 1. Sofern nicht gesonderte Vorschriften etwas anders bestimmen, können Steuerpflichtige, Steuerentrichtungspflichtige und Einziehungsermächtigte ihre zuvor eingereichte Erklärung berichtigen.

§ 2. Die Berichtigung der Erklärung erfolgt durch die Einreichung einer Berichtigungserklärung.“

15.       In der Verordnung des Finanzministers über Registrierkassen (Rozporządzenie Ministra Finansów w sprawie kas rejestrujących) vom 14. März 2013 (Dz. U. 2013, Pos. 363, im Folgenden: Verordnung über Registrierkassen) findet sich folgende Regelung in § 3 Abs. 5 und 6:

„(5)  Enthalten  die Aufzeichnungen einen offensichtlichen Irrtum, berichtigt der Steuerpflichtige diesen unverzüglich, indem er die folgenden Angaben gesondert erfasst:

1)         den fehlerhaft registrierten Verkauf (Verkaufswert brutto und Wert der geschuldeten Steuer);

2)         eine kurze Beschreibung der Ursache des Irrtums und der Umstände, unter denen es zu dem Irrtum gekommen ist, unter Beifügung des originalen Kassenbons, der den Verkauf belegt, bei dem der offensichtliche Irrtum aufgetreten ist.

(6) In dem in Abs. 5 genannten Fall erfasst der Steuerpflichtige mit Hilfe der Kasse den richtigen Verkaufsbetrag.“

III. Sachverhalt und Vorabentscheidungsverfahren

16.       Am 27. Januar 2016 reichte die B. sp. j. (im Folgenden: B) für bestimmte Abrechnungsmonate der Jahre 2012 bis 2014 berichtigte Mehrwertsteuererklärungen ein. Auf die Erbringung von Freizeitdienstleistungen (Betreten eines Clubgeländes und freie Nutzung seiner Infrastruktur) finde ein Steuersatz von 8 % statt des bis dahin angewandten normalen Steuersatzes von 23 % Anwendung.

17.       B hat im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemacht, dass sie den normalen Steuersatz (23 %) deswegen auf die erbrachten Dienstleistungen angewendet habe, weil die Steuerbehörden in ihren Auslegungen des Steuerrechts auf die Besteuerung solcher Dienstleistungen mit diesem Mehrwertsteuersatz hingewiesen hätten. Erst als die Steuerbehörden ihre Auffassung änderten und feststellten, dass diese Dienstleistungen mit dem ermäßigten Steuersatz (8 %) besteuert werden müssten, entschloss sich B dazu, die von ihr in den Steuererklärungen ausgewiesenen Umsätze zu berichtigen.

18.       Mit Bescheid vom 22. Juni 2017 lehnte der Naczelnik Drugiego Urzędu Skarbowego (Leiter des Zweiten Finanzamts) die Feststellung einer Überzahlung der Mehrwertsteuer für die oben genannten Abrechnungszeiträume ab. Der Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Bydgoszczy (Direktor der Finanzverwaltungskammer Bydgoszcz [Bromberg], Polen) hielt den oben genannten Bescheid mit Bescheid vom 24. November 2017 aufrecht.

19.       Er stellte fest, dass in den Berichtigungen der Mehrwertsteuererklärungen der Wert des Einzelhandelsverkaufs, der durch Kassenbons über den Verkauf von Mehrfacheintrittskarten für Fitnesseinrichtungen belegt und bis dahin mit 23 % besteuert worden sei, nunmehr auf 8 % herabgesetzt worden sei, was zu einer Verringerung der geschuldeten Steuer geführt habe. Er wies darauf hin, dass die Bestimmungen des Mehrwertsteuergesetzes die Möglichkeit einer Berichtigung der Steuerbemessungsgrundlage nur dann vorsähen, wenn der Umsatz durch eine Mehrwertsteuerrechnung bestätigt worden sei. Es gebe keine Rechtsvorschriften, die die Möglichkeit einer Berichtigung der Steuerbemessungsgrundlage und der geschuldeten Steuer im Fall eines Verkaufs regelten, über den keine Rechnung ausgestellt worden sei.

20.       Zudem sähen die Bestimmungen der Verordnung über Registrierkassen nur in eng umrissenen Fällen die Möglichkeit einer Berichtigung vor. Dagegen sei nicht geregelt, ob ein Steuerpflichtiger, der Verkäufe an natürliche Personen tätige, die keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübten, und diese mit Hilfe von Fiskalkassen erfasse, im Fall der Anwendung eines falschen Mehrwertsteuersatzes eine Korrektur vornehmen könne.

21.       Nach alledem sei B in Anbetracht des Umstands, dass sie von den Endverbrauchern die Steuer in Höhe von 23 % statt 8 % erhoben habe, konsequenterweise auch verpflichtet gewesen, den gesamten erhobenen Betrag als geschuldete Steuer an den Fiskus abzuführen. Die Mehrwertsteuerlast für die erbrachten Dienstleistungen sei von den Endverbrauchern getragen worden. Würde der Fiskus B die gezahlte Mehrwertsteuer erstatten, so würde er ihr einen ungerechtfertigten Vorteil gewähren.

22.       B klagte gegen den Bescheid. Mit Urteil vom 7. März 2018 hob der Wojewódzki Sąd Administracyjny w Bydgoszczy (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Bydgoszcz, Polen) den Bescheid auf.

23.       Nach seiner Ansicht hat B das Recht, den Wert der Steuerbemessungsgrundlage und der geschuldeten Steuer bei einem durch Kassenbons dokumentierten Verkauf zu berichtigen. Die Bestimmungen der Verordnung zählten nicht alle Fälle abschließend auf, die zu einer Berichtigung berechtigten. Die Möglichkeit oder vielmehr die Notwendigkeit ihrer Vornahme ergebe sich unmittelbar aus den Bestimmungen des Mehrwertsteuergesetzes, die die Steuerbemessungsgrundlage und die Höhe der Besteuerung regelten. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der dem Erwerber ausgehändigte originale Kassenbon fehle, der nach § 3 Abs. 5 der Verordnung über Registrierkassen benötigt werde, wenn „offensichtliche Irrtümer“ berichtigt würden. Im Fall von Fehlern und Irrtümern sei der Besitz eines Belegs in Form des originalen Kassenbons nicht erforderlich, um eine berechtigte Korrektur vornehmen zu können. Der Nachweis des Fehlers durch andere Unterlagen verstoße daher nicht gegen die geltenden Rechtsvorschriften.

24.       Dagegen hat die Finanzverwaltung Rechtsmittel eingelegt. Das mit dem Rechtsstreit nun befasste Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen) legte am 4. Mai 2022 folgende Frage vor:

Sind Art. 1 Abs. 2 und Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie die Grundsätze der Neutralität, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung dahin auszulegen, dass sie einer Praxis der nationalen Steuerbehörden entgegenstehen, wonach – unter Verweis auf das Fehlen einer innerstaatlichen Rechtsgrundlage und eine ungerechtfertigte Bereicherung – eine Berichtigung der Steuerbemessungsgrundlage und der geschuldeten Steuer für unzulässig erachtet wird, wenn der Verkauf von Gegenständen und Dienstleistungen an Verbraucher zu einem überhöhten Mehrwertsteuersatz mit einer Registrierkasse erfasst und durch Kassenbons – d. h. nicht durch Mehrwertsteuerrechnungen – belegt wurde, wobei sich der Preis (Bruttowert des Verkaufs) durch diese Berichtigung nicht ändern würde?

25.       Zu dieser Frage haben im Verfahren vor dem Gerichtshof neben B auch die polnische Finanzverwaltung, der polnische Ombudsmann für kleine und mittlere Unternehmen, die Republik Polen und die Europäische Kommission schriftlich Stellung genommen. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat der Gerichtshof gemäß Art. 76 Abs. 2 der Verfahrensordnung abgesehen.

IV.    Rechtliche Würdigung

A.         Zu den Vorlagefragen und dem Gang der Untersuchung

26.       Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Ergebnis wissen, ob ein Steuerpflichtiger auch dann die Bemessungsgrundlage ändern und einen Erstattungsanspruch geltend machen kann, wenn er eine nicht geschuldete Mehrwertsteuer (dazu unter B.) abgeführt hat, weil er seinen Preis fälschlicherweise mit einem zu hohen Steuersatz kalkuliert hat.

27.       In seiner Frage betont das vorlegende Gericht, dass das polnische Recht im vorliegenden Fall keine Rechtsgrundlage für eine Korrektur der Bemessungsgrundlage enthalte. Folglich ist zu klären, ob es einer solchen bedarf oder es einen unionsrechtlichen Erstattungsanspruch zugunsten des Steuerpflichtigen gibt, wenn dieser eine nicht geschuldete Mehrwertsteuer (fälschlicherweise) abgeführt hat (unter C.). Sollte es einen solchen unionsrechtlichen Erstattungsanspruch geben, stellt sich die Frage, ob dieser möglicherweise ausgeschlossen ist, weil eine Rechnungsberichtigung mangels Rechnung nicht möglich ist. Dafür könnte die Auslegung von Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie hilfreich sein (unter D.). Darüber hinaus könnte dem Erstattungsanspruch noch der Einwand einer ungerechtfertigten Bereicherung entgegenstehen, da die Kunden den Preis in voller Höhe – d. h. inklusive der zu hohen Mehrwertsteuer – bezahlt haben (unter E.). Dies würde aber voraussetzen, dass der Steuergläubiger diesen Einwand überhaupt erheben kann, was hier zweifelhaft erscheint. Offenbar wurde der Steuerpflichtige erst durch die Finanzverwaltung zur Anwendung des falschen Steuersatzes „animiert“ (unter F.).

B.         Zur entstandenen und geschuldeten Mehrwertsteuer bei einem falsch kalkulierten Steuersatz

28.       Damit ist zunächst die Frage nach der tatsächlich entstandenen und geschuldeten Mehrwertsteuer bei einem falsch kalkulierten Steuersatz zu beantworten. Die Antwort ergibt sich aus Art. 73 in Verbindung mit Art. 78 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie und wird durch ihren Art. 1 Abs. 2 bestätigt.

29.       Nach Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie umfasst die Bemessungsgrundlage „alles, was den Wert der Gegenleistung bildet“, die der Dienstleistungserbringer erhält oder erhalten soll. Der Wert der Gegenleistung entspricht dem vereinbarten Preis, den der Leistungsempfänger dafür aufwendet. Anschließend stellt Art. 78 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie klar, dass alle Steuern, mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst, ebenfalls in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind. Auf diese Bemessungsgrundlage ist dann der jeweilige Steuersatz anzuwenden (Art. 93 der Mehrwertsteuerrichtlinie). Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie spricht noch deutlicher davon, dass bei allen Umsätzen die Mehrwertsteuer geschuldet wird, die sich nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags errechnet.

30.       Die Folge davon ist, dass zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage aus jeder Gegenleistung im Sinne von Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie die Mehrwertsteuer nach Art. 78 Buchst. a dieser Richtlinie herauszurechnen ist. Art. 78 Buchst. a (und auch Art. 1 Abs. 2) spricht dabei aber nicht von der vermeintlichen Mehrwertsteuer, der vereinbarten Mehrwertsteuer oder der kalkulierten Mehrwertsteuer, sondern von „der Mehrwertsteuer“. Damit kann nur die kraft Gesetzes geschuldete Mehrwertsteuer gemeint sein.

31.       Bei einem Steuersatz von 8% beträgt die Mehrwertsteuer, die nach Art. 78 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Gegenleistung abzuziehen ist, genau 8/108. Betrug der vereinbarte Preis für die Dienstleistungen (mithin die Gegenleistung) hier 123, dann ist die darin enthaltene Mehrwertsteuer 8/108 von 123, mithin 9,11. Diese ist von 123 abzuziehen, so dass sich eine Bemessungsgrundlage nach Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie von 113,89 ergibt. Darauf wird dann der gesetzlich vorgesehene Steuersatz von 8% angewandt, was eine Mehrwertsteuerschuld von 9,11 zur Folge hat.

32.       Diese in Art. 1 Abs. 2 und Art. 73 in Verbindung mit Art. 78 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie zu findende Grundaussage hat zur Folge, dass in jedem vereinbarten (Brutto-) Preis die Mehrwertsteuer immer in der gesetzlich vorgesehenen (zutreffenden) Höhe enthalten ist. Ob die Vertragsparteien dies wussten oder nicht, spielt für die Steuer, die dem Steuergläubiger (hier der polnische Staat) zusteht, keine Rolle.

33.       Kalkuliert der Leistende zu Unrecht mit einem zu niedrigen Steuersatz (der Preis wäre dann 108), schuldet er dennoch die Steuer in der richtigen Höhe (23/123 aus 108). Ob er nachträglich die Gegenleistung erhöhen kann, um diese höhere Steuer auf den Leistungsempfänger überzuwälzen, ist dann eine Frage des Zivilrechts und das Risiko des Leistenden. Kalkuliert der Leistende zu Unrecht mit einem zu hohen Steuersatz (der Preis wäre dann 123), schuldet er ebenfalls die Steuer (nur) in der richtigen Höhe (8/108 aus 123). Ob er nachträglich die Gegenleistung verringern muss, ist dann ebenfalls wieder eine Frage des Zivilrechts und hier mehr das Risiko des Leistungsempfängers.

34.       In allen Fällen wird der Leistungsempfänger mit der gesetzlich vorgesehenen Mehrwertsteuer belastet, die der Leistende in dieser Höhe an den Steuergläubiger abführen muss. Dies bestätigt den Charakter der Mehrwertsteuer als eine allgemeine Verbrauchsteuer, die den Aufwand des Leistungsempfängers für eine Lieferung oder Dienstleistung besteuern will.(4) Dies meint auch Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie, wenn er von einer „zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale(n) Verbrauchsteuer“ spricht. Eventuelle Kalkulationsirrtümer der Vertragsparteien bei der Preisfindung haben keinen Einfluss auf das richtige Steueraufkommen, welches sich allein aus dem Aufwand des Leistungsempfängers (d. h. dem geschuldeten oder gezahlten Preis) und dem laut Gesetz vorgesehenen (richtigen) Steuersatz ergibt.

35.       Folgerichtig hat der Gerichtshof daher bereits entschieden, dass, wenn der Preis eines Gegenstands von den Vertragsparteien ohne jeglichen Hinweis auf die Mehrwertsteuer festgelegt wurde, der vereinbarte Preis die Mehrwertsteuer bereits enthält.(5) Dies gilt sogar dann, wenn die Parteien in betrügerischer Absicht wissentlich keine Mehrwertsteuer vereinbart und den Umsatz vor der Finanzverwaltung geheim gehalten haben.(6) Auch dann ist die Mehrwertsteuer in der vereinbarten Gegenleistung bereits enthalten und wird in dieser Höhe geschuldet.

36.       Folglich kann – entgegen der Auffassung der Kommission – nicht davon gesprochen werden, dass der Leistungsempfänger (die Kommission spricht insoweit vom Endverbraucher) hier zu viel Mehrwertsteuer getragen habe, wie auch B zutreffend betont. Bei einer Gegenleistung von 123 und einem Steuersatz von 8% hat der Leistungsempfänger die zutreffende Mehrwertsteuer von 9,11 getragen. Dies stellt bereits die Richtlinie sicher.

37.       Soweit die Finanzverwaltung daher hier mit einer notwendigen Änderung der Bemessungsgrundlage argumentiert, geht dies ebenfalls ins Leere. Die Bemessungsgrundlage (d. h. die Gegenleistung) für die Mehrwertsteuer hat sich gerade nicht geändert. Der Betrag, den der Leistungsempfänger aufgewendet hat und den der Leistende erhalten hat, ist immer noch der gleiche. Lediglich über die darin enthaltene Mehrwertsteuer wurde sich bei der Kalkulation des Preises geirrt. Eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach Art. 90 der Mehrwertsteuerrichtlinie kommt hier bislang nicht in Betracht.

38.       Erst sofern nachträglich auf dem Zivilrechtsweg eine Anpassung der Gegenleistung (z. B. von 123 auf 108) erfolgt, kommt es zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage. Für diesen Fall sieht die Mehrwertsteuerrichtlinie in ihrem Art. 90 Abs. 1 die entsprechende Korrektur vor. Erst diese nachträgliche Änderung des Preises führt zu einer nachträglichen Änderung der Steuerbemessungsgrundlage.

39.       Diese Erwägungen werden – entgegen der Ansicht der Kommission – auch nicht durch die Entscheidungen des Gerichtshofs(7) zu Direktansprüchen des Leistungsempfängers gegen den Mitgliedstaat in Frage gestellt. Der Gerichtshof hat dort nämlich entschieden, dass es den Grundsätzen der Effektivität und Neutralität der Mehrwertsteuer genüge, wenn ein System bestehe, bei welchem der Lieferer eines Gegenstands, der die Mehrwertsteuer irrtümlich an die Steuerbehörden entrichtet habe, deren Erstattung verlangen könne, und zum anderen der Erwerber dieses Gegenstands eine zivilrechtliche Klage auf Rückzahlung einer nicht geschuldeten Leistung gegen den Lieferer erheben könne.(8) Diese Möglichkeit besteht für die Leistungsempfänger von B immer noch.

40.       Nur wenn die Erstattung der Mehrwertsteuer unmöglich oder übermäßig schwierig sei, was insbesondere den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Leistenden betrifft, könne der Grundsatz der Effektivität gebieten, dass der Erwerber des betreffenden Gegenstands (hier wären dies die Kunden von B) seinen Antrag auf Erstattung unmittelbar an die Steuerbehörden richten könne.(9) Ein solcher Direktanspruch zur Umsetzung des Neutralitätsgrundsatzes kann aber nur zugunsten eines Steuerpflichtigen in Betracht kommen, der sich außerdem zuvor bereits erfolglos an seinen Vertragspartner gewandt hat.

41.       Der einzelne Endverbraucher – dies scheint die Kommission zu übersehen – steht hier jedoch in keinem Rechtsverhältnis mit dem Steuergläubiger, in dessen Rahmen er eine Rückforderung der von ihm zu viel getragenen Mehrwertsteuer verlangen könnte.

42.       Hier sind die Leistungsempfänger auch keine Steuerpflichtigen, so dass diese Rechtsprechung schon deshalb gar nicht einschlägig ist. Meines Erachtens zeigt sie allein, dass ein Mitgliedstaat sich nicht an den Fehlern zweier Steuerpflichtiger bereichern kann, wenn diese sich z. B. über den Ort der Leistung oder die Höhe des Steuersatzes geirrt haben und eine zivilrechtliche Behebung des Fehlers scheitert. Dies gilt erst recht, wenn der Irrtum wie hier von der Finanzverwaltung gefördert wurde.

43.       Im Ergebnis ergibt sich damit die tatsächlich entstandene und geschuldete Mehrwertsteuer auch bei einem falsch kalkulierten Steuersatz allein aus Art. 1 Abs. 2 und Art. 73 in Verbindung mit Art. 78 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie. Entscheidend ist die vereinbarte oder erhaltene Gegenleistung (d. h. der Preis), der die Mehrwertsteuer in der richtigen Höhe per se enthält. Diese ergibt sich aus der Höhe der Gegenleistung und muss daraus herausgerechnet werden. Etwaige Kalkulationsirrtümer der Parteien sind für die vom Steuerpflichtigen geschuldete Steuer insoweit zunächst unbeachtlich. Erst eine Änderung der Gegenleistung (z. B. im Wege einer Vertragsanpassung mit einer Preisanpassung) führt über Art. 90 der Mehrwertsteuerrichtlinie zu einer veränderten Bemessungsgrundlage und dann zu einer veränderten Steuerschuld.

C.         Unionsrechtlicher Erstattungsanspruch bei zu viel gezahlter Mehrwertsteuer

44.       Das vorlegende Gericht fragt, ob es mit Art. 1 Abs. 2 und Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie den Grundsätzen der Neutralität, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung zu vereinbaren sei, dass es keine Rechtsgrundlage für eine Änderung der Steuerbemessungsgrundlage im polnischen Recht gäbe. Hintergrund ist der Umstand, dass eine Änderung der Steuerbemessungsgrundlage im polnischen Recht eine Korrektur von Rechnungen voraussetzt. Letzteres scheitert hier bereits daran, dass B gar keine Rechnungen ausgestellt hat. Die Korrektur von Kassenbons sei hingegen nicht vorgesehen.

45.       Insoweit ist jedoch zwischen einer Änderung der Steuerbemessungsgrundlage (Art. 90 der Mehrwertsteuerrichtlinie) und einer Änderung der Steuererklärung des Leistenden zu trennen.

46.       Erstere wäre z. B. einschlägig, wenn es zu einer Veränderung der Gegenleistung aufgrund des Kalkulationsirrtums (z. B. im Wege einer zivilrechtlichen Vertragsanpassung) käme. Dies ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Bislang ist die Gegenleistung (d. h. der vereinbarte und gezahlte Preis) unverändert. Folglich liegt keine Änderung der Steuerbemessungsgrundlage vor (dazu oben, Nr. 37). Allein die Steuererklärung des Steuerpflichtigen war aufgrund des falsch angenommenen Mehrwertsteuersatzes inkorrekt.

47.       Wie im Fall einer Korrektur von Rechnungen enthält die Mehrwertsteuerrichtlinie keine Bestimmungen über die Berichtigung von Steuererklärungen durch den Steuerpflichtigen bei einer falsch selbstberechneten Steuer. Ohne eine solche Regelung fällt die Ausgestaltung der Korrektur von Steuererklärungen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (Grundsatz der Verfahrensautonomie).(10) Ihre Grenzen findet diese Autonomie aber in den Prinzipien der Effektivität und der Äquivalenz.(11)

48.       Wenn ich das polnische Recht richtig verstehe, sieht die polnische Abgabenordnung (Art. 81 der Abgabenordnung) eine Korrektur einer eingereichten Steuererklärung vor, was aber letztlich durch das vorlegende Gericht zu prüfen ist. Im Mehrwertsteuerrecht ist der Unternehmer lediglich der Steuereinnehmer im Interesse des Staates(12) und muss deshalb auch nur die gesetzlich geschuldete (und nicht die von ihm falsch kalkulierte) Steuer abführen. Diese beträgt im vorliegenden Fall 8/108 und nicht 23/123 der Bemessungsgrundlage. Das Prinzip der Effektivität verlangt daher – anders als die polnische Regierung vorträgt – grundsätzlich die Möglichkeit einer Korrektur der fehlerhaft erklärten Mehrwertsteuerschuld hin zur tatsächlich geschuldeten Mehrwertsteuer. Anders als die polnische Regierung meint, führt die Erstattung zu viel gezahlter, nicht geschuldeter Steuern auch nicht zu einem ungerechtfertigten Vorteil des Steuerpflichtigen zulasten des Staatshaushaltes.

49.       Ein entsprechender Erstattungsanspruch bezüglich einer überzahlten Mehrwertsteuer scheint im nationalen Recht auch zu existieren (so wohl in Art. 81 § 1 und Art. 72 der Abgabenordnung). Falls dem nicht so sein sollte, hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung bereits anerkannt, dass unionsrechtswidrig erhobene Abgaben – wie auch die Kommission insoweit zutreffend betont – zu erstatten sind.(13) Sollte das nationale Recht daher tatsächlich keine Möglichkeit vorsehen, die Steuererklärung zu berichtigen und einen entsprechenden Erstattungsanspruch geltend zu machen, ergibt sich ein solcher aus dem Unionsrecht.

D.         Steuerschuld nach Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie

50.       Einem solchen Erstattungsanspruch könnte aber Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie entgegenstehen, wie die polnische Regierung und die Finanzverwaltung im Ergebnis vertreten. Danach sei eine Korrektur – wohl der Kassenbons – nötig, um eine Erstattung der Steuer zu ermöglichen.

51.       Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor, dass der Aussteller einer Rechnung die in dieser Rechnung ausgewiesene Steuer schuldet. Wie der Gerichtshof bereits klargestellt hat, erfasst Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie somit nur Fälle, in denen zu Unrecht eine zu hohe Steuer ausgewiesen wurde.(14) In einem solchen Fall wird nicht nur die gesetzliche, sondern auch die zu hoch ausgewiesene Mehrwertsteuer geschuldet.

52.       Der Zweck dieser Vorschrift liegt in der Vermeidung eines etwaigen unberechtigten(15) Vorsteuerabzugs durch den Inhaber einer inkorrekten Rechnung und des dadurch entstehenden Steuerschadens, wenn die eigentlich geschuldete und abgeführte Steuer niedriger wäre. Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie schafft aus diesem Grund einen abstrakten Gefährdungstatbestand.(16) Voraussetzung ist daher, dass eine Rechnung vorliegt und dass darin eine zu hohe Mehrwertsteuer ausgewiesen wurde, woraus sich die Gefahr eines unberechtigten Vorsteuerabzugs der Leistungsempfänger ergibt.

53.       Wie aber bereits das vorlegende Gericht in der Frage ausführt, wurden die Leistungen „durch Kassenbons – d. h. nicht durch Mehrwertsteuerrechnungen … belegt“. Wenn aber keine Rechnungen (mithin auch keine vereinfachten Rechnungen im Sinne von Art. 226b der Mehrwertsteuerrichtlinie) vorliegen, ist der Tatbestand von Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht erfüllt. Mangels Rechnung stellt sich somit auch die Frage nach einer Korrektur einer Rechnung zur Vermeidung der Rechtsfolgen von Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht.

54.       Selbst wenn die vorliegenden Kassenbons doch Rechnungen darstellen sollten, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie auch nicht greift, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, weil diese Dienstleistung ausschließlich an Endverbraucher erbracht wurde, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind.(17) Eine solche Konstellation könnte auch hier(18) mit Blick auf die Art der erbrachten Dienstleistung (Freizeitaktivitäten und Dienstleistungen mit Bezug auf körperliche Fitness) naheliegen, was das vorlegende Gericht zu prüfen hätte.

55.       Im Ergebnis schuldet B keine Mehrwertsteuer aufgrund eines unberechtigten Ausweises in einer Rechnung. Deswegen ist auch eine Korrektur der Kassenbons nicht nötig.

E.         Zum Einwand der ungerechtfertigten Bereicherung

56.       Mit der Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht außerdem wissen, ob es einem etwaigen Erstattungsanspruch der B entgegensteht, dass die Endverbraucher die zu hohe Mehrwertsteuer im Rahmen des Preises getragen haben, so dass bei einer Rückerstattung der Mehrwertsteuer letztendlich der leistende Steuerpflichtige (hier B) ungerechtfertigt bereichert wäre.

57.       Das Unionsrecht lässt zu, dass ein nationales Rechtssystem die Erstattung von zu Unrecht erhobenen Steuern ablehnt, wenn diese zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führt.(19) Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, liegt eine Bereicherung aber nicht bereits dann vor, wenn die unionsrechtswidrige Steuer mittels des Preises auf den Endverbraucher übergewälzt worden ist, mithin der Endverbraucher diese getragen hat. Denn dem Steuerpflichtigen kann selbst dann, wenn die Steuer in vollem Umfang in den Preis eingeflossen ist, aus einem Absatzrückgang ein wirtschaftlicher Schaden entstanden sein.(20)

58.       Im vorliegenden Fall wäre ein Unternehmen, das mit B konkurriert und den richtigen Steuersatz angewandt hätte, deutlich besser im Markt positioniert gewesen, da der Konkurrent einen niedrigeren Preis anbieten konnte. Bei gleichem Preis hingegen hätte der Konkurrent eine deutlich höhere Gewinnspanne als B. All dies spricht hier bereits gegen eine ungerechtfertigte Bereicherung von B.

59.       Wie der Gerichtshof des Weiteren ausgeführt hat, setzt ein erfolgreicher Bereicherungseinwand des Mitgliedstaats voraus, dass die wirtschaftliche Belastung, zu der die zu Unrecht erhobene Steuer für den Steuerpflichtigen geführt hat, vollständig neutralisiert wurde.(21)

60.       Vorliegen und Umfang der ungerechtfertigten Bereicherung, zu der die Erstattung einer gemeinschaftsrechtswidrig erhobenen Abgabe bei einem Abgabepflichtigen führt, lassen sich daher nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs erst nach einer wirtschaftlichen Untersuchung feststellen, bei der – wie auch die Finanzverwaltung zutreffend betont – alle maßgeblichen Umstände berücksichtigt werden.(22) Hierbei liegt die Beweislast für eine ungerechtfertigte Bereicherung bei dem Mitgliedstaat.(23) Es könne im Fall indirekter Abgaben (Gleiches gilt für die hier indirekt erhobene Mehrwertsteuer) nicht vermutet werden, dass die Abwälzung erfolgt sei.(24) Diesen Beweis scheint Polen nicht erbracht zu haben.

61.       Dabei ist noch die Tatsache zu berücksichtigen, dass in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Endverbraucher als die eigentlichen Steuerträger der Mehrwertsteuer nicht bekannt sind, die fälschlicherweise zu hoch eingesammelte Mehrwertsteuer entweder bei dem Staat oder dem leistenden Unternehmer verbleibt. Das polnische Steuergesetz gewährt hier dem Staat nur einen ermäßigten Steueranspruch (d. h. in Höhe von 8/108 der Gegenleistung) hinsichtlich der erbrachten Leistungen von B. Der darüber hinausgehende Betrag führt materiell-rechtlich daher zu einer „ungerechtfertigten Bereicherung“ des Staates. Demgegenüber hatte B, wie oben (Nrn. 28 ff.) bereits betont, zivilrechtlich einen Anspruch auf den mit den Endverbrauchern ausgehandelten Preis in seiner vollen Höhe. Bis zu einer Vertragsanpassung ist sie – dies scheint auch die Kommission zu übersehen – jedenfalls nicht unberechtigt bereichert. Der Vertragspartner war ja mit diesem Preis einverstanden.

62.       Insofern hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass bei der gebotenen Gesamtwürdigung maßgeblich sein kann, ob die zwischen den Parteien geschlossenen Verträge als Vergütung für die Dienstleistungen Festbeträge oder um gegebenenfalls anfallende Steuern erhöhte Grundbeträge vorsehen. Im ersten Fall – d. h. bei der Vereinbarung eines Festbetrages – liege möglicherweise keine ungerechtfertigte Bereicherung des Leistenden vor.(25)

63.       Laut der Vorlagefrage würden sich die Preise bei einer Berichtigung der Steuerbemessungsgrundlage und der geschuldeten Steuer nicht ändern. Insoweit liegen hier Festbeträge (sogenannte Bruttopreise) vor, deren nachträgliche Anpassung – und zwar sowohl zugunsten als auch zu Ungunsten des Endverbrauchers(26) – ausgeschlossen scheint. Ich würde daher bei einem vereinbarten Festbetrag gegenüber einem Endverbraucher per se eine ungerechtfertigte Bereicherung des Steuerpflichtigen ausschließen. Dieser hat im Moment des Umsatzes entweder eine geringere Gewinnspanne oder eine geringere Wettbewerbsfähigkeit als seine Konkurrenten hinnehmen müssen.

64.       Etwas anderes mag gelten, wenn vertraglich ausdrücklich ein Grundpreis „zuzüglich der gesetzlich geschuldeten Mehrwertsteuer“ vereinbart wurde. Dieser Fall – der aber auch primär das Verhältnis zwischen Leistenden und Leistungsempfänger (mithin das Zivilrecht) und nicht das Verhältnis Steuerschuldner zum Steuergläubiger betreffen würde – liegt hier nicht vor.

65.       Entgegen der Ansicht des polnischen Staates kann in der Rückgewähr auch keine Ungleichbehandlung mit Leistenden gesehen werden, die Rechnungen ausstellen. Letztere würden ebenfalls im Grundsatz nicht den Preis für die Leistung (z. B. 123) verändern, sondern nur die auszuweisende Mehrwertsteuer (von 23 auf die ermäßigte Steuer – hier 9,11) anpassen. Erst wenn sich (z. B. im Wege des Zivilrechts) auch eine Veränderung des Preises ergibt, kommt es zu einer Berichtigung der Bemessungsgrundlage. Dies ist allerdings unabhängig davon, ob der Leistende eine Rechnung ausgestellt hat oder nicht. Auch insofern fehlt es an einer Ungleichbehandlung.

66.       Damit steht der Umstand, dass die Endverbraucher einen Endpreis bezahlt haben, der falsch kalkuliert war (weil er einen zu hohen Mehrwertsteueranteil und damit eine zu geringe Gewinnspanne enthielt), einer Erstattung der Steuer nicht entgegen. Eine ungerechtfertigte Bereicherung des Steuerpflichtigen folgt daraus jedenfalls dann nicht, wenn ein sogenannter Festbetrag (Festpreis) vereinbart war.

F.         Hilfsweise: Maßgeblicher Verursachungsbeitrag

67.       Selbst wenn unterstellt werden würde, dass B hier ungerechtfertigt bereichert wäre, wäre noch zu klären, ob der polnische Staat die gesetzlich nicht geschuldete Steuer seinerseits behalten darf, obwohl er die fehlerhafte Kalkulation selbst veranlasst hat. Im letzteren Fall erscheint es – jedenfalls für einen Rechtsstaat – widersprüchlich, wenn derjenige, der die fehlerhafte Mehrwertsteuerkalkulation beim Steuerpflichtigen verursacht hat, dem Steuerpflichtigen eine ungerechtfertigte Bereicherung entgegenhält, um seinerseits eine gesetzlich nie entstandene Steuer zu behalten.

68.       Der Gerichtshof hat erst kürzlich in einer Entscheidung den Grundsatz des nemo auditur propriam turpitudinem allegans (niemand kann sich auf sein eigenes rechtswidriges Verhalten berufen) angewandt und damit festgehalten, dass es nicht zugelassen werden könne, dass eine Partei aus ihrem rechtswidrigen Verhalten wirtschaftliche Vorteile ziehe.(27) Die früheren Aussagen Polens gegenüber B, wonach der Regelsteuersatz Anwendung fände, waren falsch und damit rechtswidrig. Die Herausgabe der dadurch zu Unrecht erlangten Steuer zu verweigern, würde Polen die wirtschaftlichen Vorteile belassen, die das eigene rechtswidrige Verhalten erst verursacht hat.

69.       Hinzu kommt, dass B als Steuerpflichtige die geschuldete Steuer auf Rechnung und im Interesse des Staates abführt.(28) Insoweit nimmt sie eine Vermittlerposition ein. Sie trägt dabei vor allem das Risiko einer zutreffenden Berechnung der geschuldeten Steuer, da sich bei fehlerhafter Annahme eines zu niedrigen Steuersatzes ihre Gewinnspanne mindert (siehe dazu oben, Nr. 58). Demgegenüber erhält der Steuergläubiger immer die Steuer in der richtigen Höhe.

70.       Wenn der Staat aber stets die korrekte Steuer erhält und somit kein Risiko trägt, erschiene es unbillig, wenn nicht sogar widersprüchlich, eine Erstattung zu Unrecht gezahlter Mehrwertsteuer zu verweigern, die erst und nur entstanden ist, weil der Staat zunächst selbst auf den falschen Steuersatz bestanden hat. Die Bereicherung tritt nämlich zwangsläufig beim Staat oder beim Steuerpflichtigen ein. Von diesen beiden Parteien war es aber hier der polnische Staat, welcher durch die „Vorgabe“ eines falschen Steuersatzes die Einnahme einer zu hohen Steuer und damit die Bereicherung veranlasst hat.

71.       Wie selbst die Kommission anerkennt und der Ombudsmann zutreffend betont, handelte hier der Steuerpflichtige (d. h. B) in gutem Glauben. Aufgrund dieses Verursachungsbeitrages des polnischen Staates wäre es nun aber widersprüchlich, gerade B, die auf die Angaben der Finanzverwaltung vertrauen durfte und vertraut hat, die dadurch eingetretene „Bereicherung“ entgegenzuhalten und den Verursacher des Irrtums (hier dem polnischen Staat) eine gesetzlich in dieser Höhe gar nicht entstandene Steuer behalten zu lassen.

72.       Somit ist es dem polnischen Staat selbst bei einer hilfsweise unterstellten Annahme einer ungerechtfertigten Bereicherung hier nicht möglich, sich auf diesen Umstand zu berufen, da er diesen selbst verursacht hat.

V.         Ergebnis

73.       Somit schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt auf die Vorlagefrage des Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen) zu antworten:

Die Art. 1 Abs. 2 und Art. 73 in Verbindung mit Art. 78 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie stehen einer Praxis der nationalen Steuerbehörden entgegen, wonach eine Berichtigung der geschuldeten Steuer in der Steuererklärung für unzulässig erachtet wird, wenn Lieferungen und Dienstleistungen an Verbraucher zu einem überhöhten Mehrwertsteuersatz erbracht und nur Kassenbons – d. h. keine Mehrwertsteuerrechnungen – erstellt wurden. Jedenfalls bei einem vereinbarten Festbetrag mit einem Endverbraucher ist der Steuerpflichtige nicht ungerechtfertigt bereichert.


1          Originalsprache: Deutsch.


2          Urteil vom 8. Dezember 2022, Finanzamt Österreich (Endverbrauchern fälschlicherweise in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer) (C‑378/21, EU:C:2022:968).


3          Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der für die Streitjahre 2012 bis 2014 geltenden Fassung; insoweit zuletzt geändert durch die Richtlinie 2013/42/EU des Rates vom 22. Juli 2013 (ABl. 2013, L 201, S. 1), durch die Richtlinie 2013/43/EU des Rates vom 22. Juli 2013 (ABl. 2013, L 201, S. 4) und die Richtlinie 2013/61/EU des Rates vom 17. Dezember 2013 (ABl. 2013, L 353, S. 5).


4          Vgl. exemplarisch: Urteile vom 3. Mai 2012, Lebara (C‑520/10, EU:C:2012:264, Rn. 23), vom 11. Oktober 2007, KÖGÁZ u. a. (C‑283/06 und C‑312/06, EU:C:2007:598, Rn. 37 – „Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhält“), und vom 18. Dezember 1997, Landboden-Agrardienste (C‑384/95, EU:C:1997:627, Rn. 20 und 23 – „Entscheidend ist allein die Natur der eingegangenen Verpflichtung: Damit eine solche Verpflichtung unter das gemeinsame Mehrwertsteuersystem fällt, muss sie einen Verbrauch implizieren“).


5          Urteil vom 7. November 2013, Tulică und Plavoşin (C‑249/12 und C‑250/12, EU:C:2013:722, Rn. 34 ff. und 43).


6          Urteil vom 1. Juli 2021, Tribunal Económico Administrativo Regional de Galicia (C‑521/19, EU:C:2021:527, Rn. 34 und 39).


7          Urteile vom 15. März 2007, Reemtsma Cigarettenfabriken (C‑35/05, EU:C:2007:167), und vom 26. April 2017, Farkas (C‑564/15, EU:C:2017:302), zuletzt bestätigt durch Urteil vom 7. September 2023, Schütte (C‑453/22, EU:C:2023:639).


8          Urteile vom 15. März 2007, Reemtsma Cigarettenfabriken (C‑35/05, EU:C:2007:167, Rn. 38 und 39), und vom 26. April 2017, Farkas (C‑564/15, EU:C:2017:302, Rn. 51), zuletzt bestätigt durch Urteil vom 7. September 2023, Schütte (C‑453/22, EU:C:2023:639, Rn. 22).


9          Urteile vom 15. März 2007, Reemtsma Cigarettenfabriken (C‑35/05, EU:C:2007:167, Rn. 41), und vom 26. April 2017, Farkas (C‑564/15, EU:C:2017:302, Rn. 53), zuletzt bestätigt durch Urteil vom 7. September 2023, Schütte (C‑453/22, EU:C:2023:639, Rn. 23).


10        Urteile vom 18. Juni 2009, Stadeco (C‑566/07, EU:C:2009:380, Rn. 35), vom 6. November 2003, Karageorgou u .a. (C‑78/02 bis C‑80/02, EU:C:2003:604, Rn. 49), vom 19. September 2000, Schmeink & Cofreth und Strobel (C‑454/98, EU:C:2000:469, Rn. 49), und vom 13. Dezember 1989, Genius (C‑342/87, EU:C:1989:635, Rn. 18), zur vergleichbaren Konstellation bei der Korrektur von Rechnungen.


11        Urteile vom 16. Juli 2020, UR (Mehrwertsteuerpflicht von Rechtsanwälten) (C‑424/19, EU:C:2020:581, Rn. 25), vom 4. März 2020, Telecom Italia (C‑34/19, EU:C:2020:148, Rn. 37), vom 24. Oktober 2013, Rafinăria Steaua Română (C‑431/12, EU:C:2013:686, Rn. 20), vom 21. Januar 2010, Alstom Power Hydro (C‑472/08, EU:C:2010:32, Rn. 17), und vom 3. September 2009, Fallimento Olimpiclub (C‑2/08, EU:C:2009:506, Rn. 24).


12        So der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung: Urteile vom 21. Februar 2008, Netto Supermarkt (C‑271/06, EU:C:2008:105, Rn. 21), vom 11. November 2021, ELVOSPOL (C‑398/20, EU:C:2021:911, Rn. 31), vom 15. Oktober 2020, E. (Mehrwertsteuer – Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage) (C‑335/19, EU:C:2020:829, Rn. 31), und vom 8. Mai 2019, A-PACK CZ (C‑127/18, EU:C:2019:377, Rn. 22).


13        Vgl. u. a. Urteile vom 8. März 2001, Metallgesellschaft u. a. (C‑397/98 und C‑410/98, EU:C:2001:134, Rn. 84), vom 10. April 2008, Marks & Spencer (C‑309/06, EU:C:2008:21, Rn. 35), und vom 6. Oktober 2015, Târșia (C‑69/14, EU:C:2015:662, Rn. 24).


14        Urteil vom 8. Dezember 2022, Finanzamt Österreich (Endverbrauchern fälschlicherweise in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer) (C‑378/21, EU:C:2022:968, Rn. 21 ff.).


15        Soweit der Gerichtshof häufig meint, dass Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie einer Gefährdung des Steueraufkommens entgegenwirken solle, „die sich aus dem Recht auf Vorsteuerabzug“ ergäbe – vgl. Urteile vom 8. Dezember 2022, Finanzamt Österreich (Endverbrauchern fälschlicherweise in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer) (C‑378/21, EU:C:2022:968, Rn. 20), vom 29. September 2022, Raiffeisen Leasing (C‑235/21, EU:C:2022:739, Rn. 36), vom 8. Mai 2019, EN.SA. (C‑712/17, EU:C:2019:374, Rn. 32), vom 11. April 2013, Rusedespred (C‑138/12, EU:C:2013:233, Rn. 24), und vom 31. Januar 2013, Stroy trans (C‑642/11, EU:C:2013:54, Rn. 32) –, ist dies ungenau und wohl auch nicht gemeint, da ein berechtigter Vorsteuerabzug keine Gefährdung des Steueraufkommens darstellen kann.


16        So ausdrücklich u. a. Urteile vom 18. März 2021, P (Tankkarten) (C‑48/20, EU:C:2021:215, Rn. 27), und vom 8. Mai 2019, EN.SA. (C‑712/17, EU:C:2019:374, Rn. 32), und zuletzt bestätigt im Urteil vom 8. Dezember 2022, Finanzamt Österreich (Endverbrauchern fälschlicherweise in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer) (C‑378/21, EU:C:2022:968, Rn. 20).


17        Urteil vom 8. Dezember 2022, Finanzamt Österreich (Endverbrauchern fälschlicherweise in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer) (C‑378/21, EU:C:2022:968, Rn. 25).


18        Vgl. die ähnliche Konstellation im Urteil vom 8. Dezember 2022, Finanzamt Österreich (Endverbrauchern fälschlicherweise in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer) (C‑378/21, EU:C:2022:968), und meine Schlussanträge in der Rechtssache Finanzamt Österreich (Endverbrauchern fälschlicherweise in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer) (C‑378/21, EU:C:2022:657, Nrn. 38 ff.).


19        Urteile vom 18. Juni 2009, Stadeco (C‑566/07, EU:C:2009:380, Rn. 48), vom 10. April 2008, Marks & Spencer (C‑309/06, EU:C:2008:211, Rn. 41), vom 21. September 2000, Michaïlidis (C‑441/98 und C‑442/98, EU:C:2000:479, Rn. 31), und vom 24. März 1988, Kommission/Italien (104/86, EU:C:1988:171, Rn. 6).


20        Urteile vom 6. September 2011, Lady & Kid u. a. (C‑398/09, EU:C:2011:540, Rn. 21), vom 10. April 2008, Marks & Spencer (C‑309/06, EU:C:2008:211, Rn. 42 und 56), und vom 14. Januar 1997, Comateb u. a. (C‑192/95 bis C‑218/95, EU:C:1997:12, Rn. 29 ff.).


21        Urteil vom 16. Mai 2013, Alakor Gabonatermelő és Forgalmazó Kft. (C‑191/12, EU:C:2013:315, Rn. 28). Dies ist z. B. denkbar, wenn der Mitgliedstaat zugleich eine Subvention des fälschlicherweise zu hohen Preises durchgeführt hat. Diese Konstellation liegt hier aber nicht vor.


22        Urteile vom 18. Juni 2009, Stadeco (C‑566/07, EU:C:2009:380, Rn. 49), vom 10. April 2008, Marks & Spencer (C‑309/06, EU:C:2008:211, Rn. 43), und vom 2. Oktober 2003, Weber's Wine World u. a. (C‑147/01, EU:C:2003:53, Rn. 100).


23        So dürften wohl die Ausführungen im Urteil vom 24. März 1988, Kommission/Italien (104/86, EU:C:1988:171, Rn. 11), zu verstehen sein. In die gleiche Richtung geht das Urteil vom 6. September 2011, Lady & Kid u. a. (C‑398/09, EU:C:2011:540, Rn. 20), das bezüglich der Nichterstattung nicht geschuldeter Steuern von einer eng auszulegenden Ausnahme spricht. Siehe auch Urteil vom 21. September 2000, Michaïlidis (C‑441/98 und C‑442/98, EU:C:2000:479, Rn. 33).


24        So ausdrücklich Urteil vom 14. Januar 1997, Comateb u. a. (C‑192/95 bis C‑218/95, EU:C:1997:12, Rn. 25 a. E.).


25        So ähnlich schon Urteil vom 18. Juni 2009, Stadeco (C‑566/07, EU:C:2009:380, Rn. 50).


26        Das schützt den Endverbraucher z. B. davor, dass der Unternehmer bei einem fälschlicherweise zu niedrig angesetzten Steuersatz in den Grenzen der zivilrechtlichen Verjährung noch nachträglich einen höheren Preis verlangt, erlaubt aber im Gegenzug keine Reduktion des Preises, wenn der Irrtum in die andere Richtung ging.


27        Urteil vom 15. Juni 2023, Bank M. (Folgen der Nichtigerklärung des Vertrags) (C‑520/21, EU:C:2023:478, Rn. 81).


28        So der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung: Urteile vom 21. Februar 2008, Netto Supermarkt (C‑271/06, EU:C:2008:105, Rn. 21), vom 11. November 2021, ELVOSPOL (C‑398/20, EU:C:2021:911, Rn. 31), vom 15. Oktober 2020, E. (Mehrwertsteuer – Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage) (C‑335/19, EU:C:2020:829, Rn. 31), und vom 8. Mai 2019, A-PACK CZ (C‑127/18, EU:C:2019:377, Rn. 22).

 

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