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Steuerrecht
05.11.2015
Steuerrecht
FG Düsseldorf: Liegt keine GiG vor, kann der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Gaststätteninventars nicht versagt werden

FG Düsseldorf, Urteil vom 12.7.2013 – 1 K 4421/10 U

Sachverhalt

Streitig ist das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen im Jahr 2006.

Die Klägerin ist eine juristische Person in der Rechtsform einer GmbH. Gegenstand des Unternehmens war zunächst der Getränkehandel und ab Januar 2006 der Betrieb einer Gaststätte im () Schützenhaus L unter der Bezeichnung „Schützenhaus L“. Eigentümerin des Schützenhauses ist die Schützenbruderschaft T in (). Diese hatte die Räumlichkeiten – die Gaststätte C sowie Säle -, Biergarten und Inventar nebst angrenzender Wohnung zunächst ab dem 1.3.2005 für die Dauer von 10 Jahren an Herrn A verpachtet. Die Regelungen des Pachtvertrages sahen unter anderem vor, dass der gastronomische Betrieb als gut bürgerliches Lokal zu führen und dabei auf gute Getränkepflege besonderer Wert zu legen sei, und dass für die Schützenbruderschaft bestimmte, genau beschriebene Veranstaltungen durchzuführen seien. Zudem war A gemäß den vertraglichen Verpflichtungen der Schützenbruderschaft mit der Klägerin dazu verpflichtet, Fass- und Flaschenbier sowie alkoholfreie Getränke von der Klägerin zu beziehen. A betrieb sodann in der Gaststätte C eine griechische Speisegaststätte. Gläser etc. für die von ihm durchgeführten Großveranstaltungen in den Sälen wurden von der Klägerin zur Verfügung gestellt.

Bereits nach kurzer Zeit zeigte sich, dass keine der Vertragsparteien mit der Durchführung des Pachtvertrages zufrieden war. A gelang es nicht, einen Kundenkreis für das griechische Speiserestaurant aufzubauen, und die Schützenbruderschaft sah ihre Erwartung enttäuscht, eine Schankwirtschaft mit gepflegtem Getränkeangebot vorzufinden. Aus diesem Grunde hoben auf Betreiben der Schützenbruderschaft diese und A bereits nach 9 Monaten den Pachtvertrag einvernehmlich zum 31.12.2005 auf, nachdem die Klägerin signalisiert hatte, dass sie in den Räumlichkeiten eine Schankwirtschaft betreiben wolle.

Mit Vertrag vom 17.12.2005 verpachtete die Schützenbruderschaft sodann die Räumlichkeiten ab dem 1.1.2006 an die Klägerin unter der Auflage, dort eine Gaststätte zu führen. Das ebenfalls – entsprechend dem Vertragsverhältnis der Schützenbruderschaft mit A von der Schützenbruderschaft angepachtete Inventar des Schützenhauses umfasste die vollständige Inneneinrichtung der Gaststätte und der Säle wie Bestuhlung, Thekenanlagen, Lampen etc. mit Ausnahme der Kücheneinrichtung (Bl 53 ff FG). Mit „Übernahmevereinbarung“ ebenfalls vom 17.12.2005 trafen die Klägerin und A Vereinbarungen zum Übergang des Betriebes des Schützenhauses (Bl 21 ff FG), u.a. zum Warenbestand, zur Gartenbestuhlung und zu bereits gebuchten Veranstaltungen. Zudem wurde vereinbart, dass die Klägerin Inventar iHv 50.000 € zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer von A übernimmt. Diese Übernahmevereinbarung wurde von der Familie A, einem Vertreter der Klägerin und dem Geschäftsführer der Schützenbruderschaft unterschrieben. Mit Datum vom 1.1.2006 berechnete A unter der Bezeichnung „Schützenhaus L“ der Klägerin „Abrechnung für den Verkauf des Betriebs und Geschäftsausstattung des Schützenhaus L gesamt Betrag 50.000 €, Umsatzsteuer 8.000 €“ (Bl 23 FG). Das von A übernommene Inventar bestand im Wesentlichen aus der Kücheneinrichtung mit einem aus Februar 2005 resultierenden Neuwert von 30.033 € sowie Geschirr und diversen Küchenartikeln (Bl 59 FG).

A führte mit seinem bisherigen Personal ab dem 1.1.2006 ein griechisches Speiserestaurant in einem neu angepachteten Geschäftslokal im gleichen Ort.

Die Klägerin machte den aus der Rechnung des A resultierenden Vorsteuerbetrag iHv 8.000 € in der am 24.10.2007 beim beklagten Finanzamt M FA eingegangenen Umsatzsteuerjahreserklärung für 2006 erfolgreich geltend.

In ihrer Bilanz auf den 31.12.2006 erfasste die Klägerin entsprechend den Erwerb der Betriebs- und Geschäftsausstattung des Schützenhauses L unter dem Aktiv-Konto Sonstige Betriebs- und Geschäftsausstattung mit den Anschaffungskosten von 50.000 €. Dieser Betrag wurde linear über 12 Jahre mit 4.167 € jährlich abgeschrieben.

Im Rahmen einer für die Jahre 2005 bis 2007 durchgeführten Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, dass die Klägerin den Gaststättenbetrieb im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen iSv § 1 Abs. 1a UStG erworben habe. Es seien sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen auf die Klägerin übertragen worden, wozu auch Pachtverhältnis und Geschäftsbeziehungen gehörten. Die offen ausgewiesene Umsatzsteuer iHv 8.000 € sei nicht als Vorsteuer abziehbar. Die Anschaffungskosten für die Betriebs-und Geschäftsausstattung seien entsprechend um 8.000 € nicht abzugsfähige Umsatzsteuer zu erhöhen Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 16.9.2009 über die bei der Klägerin durchgeführte Betriebsprüfung Bezug genommen.

Das FA folgte der Auffassung des Betriebsprüfers und versagte mit einem gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 12.1.2010 den Vorsteuerabzug iHv 8.000 €.

Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 11.11.2010 als unbegründet zurück.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage begehrt die Klägerin weiterhin den Vorsteuerabzug aufgrund der Rechnung des A vom 1.1.2006 iHv 8.000 €. Zur Begründung führt sie aus, dass keine Geschäftsveräußerung im Ganzen iSv § 1 Abs. 1a UStG vorliege. Die Klägerin habe das Schützenhaus L von der Schützenbruderschaft gepachtet und lediglich Teile des Inventars vom Vorpächter A übernommen. Wie sich aus der Übernahmevereinbarung vom 17.12.2005 ergebe, werde A von der Schützenbruderschaft als Verpächterin aus dem Pachtvertrag entlassen. Die weiteren Vereinbarungen beträfen Abgrenzungsfragen wie Zählerstände, Liste der für 2006 gebuchten Veranstaltungen, Bestandsaufnahme der Gegenstände der der Verpächterin gehörenden Grundausstattung des Schützenhauses sowie die Übernahme einiger dem A gehörenden Gegenstände durch die Klägerin als neue Pächterin. Die Klägerin habe nicht den Betrieb des A, also das griechische Speiserestaurant, sondern lediglich einen Teil des von A nicht mehr benötigten Inventars übernehmen sollen. Aus diesem Grund habe die Klägerin auch einen Gastwirt als Betreiber des Schützenhauses eingestellt.

A habe seinen Geschäftsbetrieb, ein griechisches Speiserestaurant, nicht auf die Klägerin übertragen, sondern diesen unter Mitnahme seines Kundenkreises und seines Personals in geringer Entfernung vom Schützenhaus fortgeführt. Entsprechend sei auch kein Wettbewerbsverbot zwischen der Klägerin und A vereinbart worden. A habe vergeblich versucht, aus der seit Jahren als Schankwirtschaft betriebenen Gaststätte C ein griechisches Speiserestaurant zu machen. Bei den in den Sälen durchzuführenden Veranstaltungen habe es sich für A lediglich um Nebenleistungen neben seinem griechischen Speiserestaurant gehandelt.

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 12.1.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.11.2010 dergestalt zu ändern, dass ein weiterer Vorsteuerabzug iHv 8.000 € berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Klägerin stehe ein Vorsteuerabzug aufgrund der Rechnung vom 1.1.2006 nicht zu, weil sie das Inventar im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen iSv § 1 Abs. 1a UStG erworben habe. Die Klägerin habe von A den Betrieb des Schützenhauses L übernommen.

Aus dem Übernahmevertrag zwischen der Klägerin und A gehe hervor, dass die Klägerin in den mit der Schützenbruderschaft bestehenden Pachtvertrag des A eintrete und die Gaststätte weiterführe. Hieraus und aus der Art der übertragenen Gegenstände lasse sich entnehmen, dass A den Betrieb der Gaststätte mit allen wesentlichen Betriebsgrundlagen auf die Klägerin übertragen habe. Das Schützenhaus verfüge neben der Kneipe „C“ über einen großen und zwei kleine Säle mit bis zu 800 Sitzplätzen sowie einen eigenen Biergarten. Gemäß den Regelungen des Pachtvertrages der Klägerin mit der Schützenbruderschaft vom 17.12.2005 (Bl 31 ff FG) sei die Klägerin neben der Führung der Gaststätte als gutbürgerliches Lokal insbesondere verpflichtet gewesen, der Schützenbruderschaft für ihre eigenen Veranstaltungen während des Jahres Termine in den angepachteten Räumlichkeiten freizuhalten. Die Klägerin sei auch zur Durchführung der bereits von A vereinbarten Veranstaltungen in den Sälen verpflichtet gewesen.

Dass A einige Teile seines Inventars in das neue Speiserestaurant mitgenommen habe, sei unerheblich. Mit der Neuverpachtung und der Übertragung des Inventars durch A sei der Betrieb der Schützenhalle nahtlos weitergeführt worden.

Unerheblich sei auch, dass die Klägerin mit dem Grundstückseigentümer einen neuen Pachtvertrag geschlossen habe und dieser nicht von A auf die Klägerin übertragen worden sei. In Hinblick auf den Normzweck des § 1 Abs. 1a UStG mache es keinen Unterschied, ob die Übertragung des für die Betriebsfortführung erforderlichen Nutzungsrechtes direkt durch den Veräußerer oder zeitgleich mit dem Erwerb durch den Grundstückseigentümer erfolge.

Dass A unmittelbar nach Beendigung des Pachtvertrages mit der Schützenbruderschaft im gleichen Ort ein griechisches Speiserestaurant eröffnet habe, spreche nicht gegen eine Geschäftsveräußerung im Ganzen. Hierbei handele es sich um eine andere wirtschaftliche Betätigung als der Betrieb eines Schützenhauses.

Es sei auch nicht anzunehmen, dass sich ein Kundenkreis für das vom Vorpächter A betriebene Speiserestaurant gebildet habe. Der Pachtvertrag sei entscheidend vom Betrieb des Schützenhauses und den Veranstaltungen geprägt worden, was von der Klägerin übernommen worden sei. Dass gegebenenfalls einige Kunden mit der Vorliebe für griechische Speisen das Lokal des Schützenhauses nun nicht mehr nutzen würden, ändere hieran nichts.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die dem Gericht übersandten Steuerakten Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin wird durch den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2006 nicht in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung. Der Beklagte hat zu Recht den Vorsteuerabzug aufgrund der Rechnung des A vom 1.1.2006 versagt.

Der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG steht der Klägerin nicht zu, weil sie die Geschäftsausstattung des A im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen iSv § 1 Abs. 1a UStG erworben hat.

Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 2005 kann der Unternehmer als Vorsteuerbetrag die gesetzlich geschuldete und in Rechnungen im Sinne des § 14 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Dies entspricht den Vorgaben der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern vom 17.05.1977 6. EG-Richtlinie, wonach nur die für den Umsatz gesetzlich geschuldete Steuer zum Vorsteuerabzug berechtigt (EuGH-Urteil vom 13.12.1989 Rs. C-342/87, Genius Holding, EuGHE I 1989, 4227, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 1991, 83).

Die in der Rechnung vom 1.1.2006 über den „Verkauf des Betriebs und Geschäftsausstattung Schützenhaus L“ ausgewiesene Umsatzsteuer ist jedoch keine gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer, weil der Verkauf der Geschäftsausstattung des Schützenhauses L durch A als Geschäftsveräußerung im Sinne des § 1 Abs. 1 a UStG anzusehen ist.

Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 a Satz 1 UStG nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt nach § 1 Abs. 1 a Satz 2 UStG vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. § 1 Abs. 1 a UStG setzt Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-Richtlinie in nationales Recht um. Danach können die Mitgliedstaaten die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen. Die Mitgliedstaaten treffen gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen, um Wettbewerbsverzerrungen für den Fall zu vermeiden, dass der Begünstigte nicht voll steuerpflichtig ist.

Die Frage, ob ein Unternehmen oder ein in der Gliederung gesondert geführter Betrieb „im Ganzen“ übereignet wird, kann nicht nach nationalen ertragsteuerlichen Kriterien, sondern nur unter Berücksichtigung der Regelung der 6. EG-Richtlinie entschieden werden. Der EuGH hat den Begriff „Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt“ dahingehend ausgelegt, dass er die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbständigen Unternehmensteils erfasst, die jeweils materielle und ggf. immaterielle Bestandteile umfassen, die zusammen genommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der durch die Übertragung Begünstigte muss jedoch beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben und nicht nur die betreffende Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln sowie ggf. den Warenbestand zu verkaufen (EuGH, Urteil vom 27.11.2003 Rs. C-497/01, Zita Modes Sàrl, BFH/NV Beilage 2004, 128, UR 2004, 24; BFH, Urteil vom 19.12.2012 XI R 38/10, BStBl II 2013, 221). Eine Übereignung eines Unternehmens in diesem Sinn erfordert daher, dass eine organische Zusammenfassung von Sachen und Rechten übertragen wird, die dem Erwerber die Fortführung des Unternehmens oder des in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Teils ohne großen finanziellen Aufwand ermöglicht. Dabei ist es nicht erforderlich, dass alle Wirtschaftsgüter übertragen werden. Eine Geschäftsveräußerung im Sinne des § 1 Abs. 1 a UStG liegt vielmehr auch vor, wenn einzelne wesentliche Betriebsgrundlagen nicht mit übereignet worden sind, sofern sie dem Übernehmer langfristig zur Nutzung überlassen werden und eine dauerhafte Fortführung des Unternehmens oder des gesondert geführten Betriebs durch den Übernehmer gewährleistet ist (vgl. BFH, Urteil vom 04.07.1995 V R 10/01, BFHE 199, 66, BStBl II 2004, 662).

Wesentlich ist, dass die übertragenen Vermögensgegenstände ein hinreichendes Ganzes bilden, um die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen, und der Übernehmer diese Tätigkeit ausübt. Um zu ermitteln, ob dies der Fall ist, sind der Vorgang und seine Begleitumstände einer Gesamtbewertung zu unterziehen, bei der insbesondere die Art der übertragenen Vermögensgegenstände und der Grad der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit zwischen den vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten zu berücksichtigen sind (BFH, Urteil vom 28.11.2002 V R 3/01, BFHE 200, 160, BStBl II 2004, 665; Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.11.2007 5 K 5201/04 B, EFG 2008, 654). Der unternehmerischen Fortführbarkeit und der Fortführungsabsicht durch den Erwerber, und zwar auch aus der Sicht des Erwerbers, kommen entscheidendes Gewicht zu (BFH, Urteil vom 29.08.2012 XI R 10/12, BStBl II 2013, 221).

Nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse hat die Klägerin das von A berechnete Inventar im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen erworben. A hat der Klägerin eine wesentliche Gesamtheit von Sachen und Gegenständen übertragen, die für den Betrieb des Schützenhauses notwendig war. Die Klägerin hat den Betrieb des Schützenhauses auch im Wesentlichen unverändert fortgeführt. Dass die Klägerin die weiteren, für den Betrieb des Schützenhauses erforderlichen Vermögensgegenstände pachtweise von der Schützenbruderschaft erhielt, steht dem nicht entgegen.

Bei dem vom A übertragenen Inventar handelt es sich im Wesentlichen um die – offensichtlich von A bei Antritt des Pachtvertrages neu erworbene – Kücheneinrichtung des Schützenhauses.

Ausweislich der Inventarliste des A hat dieser der Klägerin die Kücheneinrichtung mit einem Neuwert von 30.033 € sowie sonstige Geschirr- und Küchenartikel übertragen. Ohne Kücheneinrichtung ist keine Gaststätte zu betreiben. Dass A einige Teile der Kücheneinrichtung wie den Wärmeschrank und den Speiseausgabewagen mit ursprünglichen Anschaffungskosten von insgesamt 4.608 € nicht auf die Klägerin übertragen hat, ist in der Gesamtschau nicht erheblich, weil der Betrieb einer Speisegaststätte auch ohne solche Wirtschaftsgüter möglich ist.

In Zusammenschau mit der Anpachtung der Räumlichkeiten einschließlich des übrigen Inventars von der Schützenbruderschaft erhielt die Klägerin eine organische Zusammenfassung von Sachen und Rechten, die ihr als Erwerberin die Fortführung des Unternehmens ohne großen finanziellen Aufwand ermöglichte.

Dass die Klägerin den überwiegenden Teil der für die Fortführung des Schützenhauses erforderlichen Betriebsgrundlagen wie Räumlichkeiten und sonstiges Inventar nicht von A, sondern pachtweise von der Schützenbrüderschaft erhielt, steht der Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen durch A nicht entgegen.

Entscheidend für die Frage, ob eine Geschäftsveräußerung im Ganzen gegeben ist, ist die konkrete Gestalt des Betriebes und die Nutzung der darin zusammengefassten Wirtschaftsgüter in der Hand des Unternehmers vor der Übertragung (vgl. FG Köln, Urteil vom 14.11.2007 4 K 605/05, juris). Bei der Gesamtwürdigung ist der Grad der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit zwischen den vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten zu würdigen (BFH, Beschluss vom 11.11.2009 V B 46/09, juris). Das von A betriebene Unternehmen, der Betrieb des Schützenhauses, entspricht dem des von der Klägerin betriebenen Unternehmens, nämlich ebenfalls der Betrieb des Schützenhauses. Genau wie A, so pachtete auch die Klägerin den überwiegenden Teil der - identischen – Betriebsgrundlagen von der Schützenbruderschaft, auch die Bezeichnung des Unternehmens, „Schützenhaus L“ sowie „Gaststätte C im Schützenhaus L“, wurde beibehalten. Dass A griechische Speisen reichte und die Klägerin nunmehr eine gutbürgerliche Küche anbietet, ändert hieran nichts. Die Klägerin führte den bislang von A betriebenen Gastronomiebetrieb fort, wenn auch mit Abweichungen in der Art der gereichten Speisen. Schließlich wurden auch die bereits bei A gebuchten Großveranstaltungen in den Sälen von der Klägerin ausgerichtet und weiterhin angeboten.

Der Geschäftsveräußerung im Ganzen steht nicht entgegen, dass die Klägerin nicht in den zwischen A und der Schützenbruderschaft bestehenden Pachtvertrag eingetreten ist, sondern sie einen neuen, im Wesentlichen inhaltsgleichen Vertrag mit der Schützenbruderschaft geschlossen hat.

Werden dem Erwerber eines Betriebes auch wesentliche Betriebsgrundlagen miet- oder pachtweise überlassen, ist eine Beendigung des alten und Abschluss eines neuen Miet- oder Pachtvertrages mit dem Eintritt in einen bestehenden Überlassungsvertrag vergleichbar, wenn hierdurch die bisherige wirtschaftliche Tätigkeit des Übertragenden fortgeführt wird und sämtliche Umstände den an der Geschäftsveräußerung beteiligten Personen bekannt sind (vgl. BFH, Urteil vom 06.05.2010 V R 25/09, BFH/NV 2010, 1873).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. A und die Schützenbruderschaft haben den erst zum 01.03.2005 für die Dauer von 10 Jahren geschlossenen Pachtvertrag über das Schützenhaus im Dezember 2005 einvernehmlich aufgehoben, nachdem die Klägerin ihre Bereitschaft bekundet hatte, das Schützenhaus zu übernehmen. Die Übernahmevereinbarung vom 17.12.2005 wurde dementsprechend auch von A, der Klägerin und einem Vertreter der Schützenbruderschaft unterschrieben.

Der Erwerb der Kücheneinrichtung ist auch nicht vergleichbar mit dem Erwerb allein des Warenbestandes.

Werden einzelne Wirtschaftsgüter oder andere, den Geschäftsbetrieb des Veräußerers ausmachende Sachgesamtheiten auf einen Erwerber übertragen, und verwendet dieser das Wirtschaftsgut oder die Sachgesamtheiten in einem anderen, u.U. sogar bereits bestehenden Betrieb, ist dies keine Übertragung eines Geschäftsbetriebes oder eines selbständigen Unternehmensteiles, weil hierdurch allein der Erwerber keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortführen kann (vgl. EuGH, Urteil vom 27.11.2003 Rs. C-497/01, Zita Modes Sàrl, BFH/NV Beilage 2004, 128, UR 2004, 24; Thüringer Finanzgericht, Urteil vom 25.3.2009 4 K 988/07, DStRE 2010, 1258).

Im Streitfall hat die Klägerin die von A erworbene Kücheneinrichtung in dem bis zur Veräußerung von A betriebenen Gastronomiebetrieb Schützenhaus weiter benutzt, die Klägerin hat den von A betriebenen Gastronomiebetrieb mit unveränderten sachlichen Betriebsgrundlagen und unter identischer Bezeichnung fortgeführt.

Aufgrund dieser Fortführung steht der Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen auch nicht entgegen, dass die Klägerin kein Personal von A übernommen, sondern einen Gastwirt zur Führung der Geschäfte eingestellt hat.

Unbeachtlich ist zudem, dass A nach Beendigung des Pachtvertrages mit der Schützenbruderschaft ein griechisches Speiserestaurant im gleichen Ort eröffnet hat.

Entscheidend für das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen ist nicht die Aufgabe der wirtschaftlichen Tätigkeit durch den Veräußerer, sondern die Unternehmensfortführung durch den Erwerber (vgl. EuGH, Urteil vom 27.11.2003 Rs. C-497/01, Zita Modes Sàrl, BFH/NV Beilage 2004, 128, UR 2004, 24; BFH, Urteil vom 06.05.2010 V R 25/09, BFH/NV 2010, 1873; Thüringer FG, Urteil vom 25.03.2009 4 K 988/07, DStRE 2010, 1258). Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen setzt keine Beendigung der unternehmerischen Betätigung des Veräußerers voraus (BFH, Urteil vom 29.08.2012 XI R 10/12, BStBl II 2013, 221). Wie bereits dargelegt, stimmen die vor und nach der Übertragung von A und der Klägerin ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten, nämlich der Betrieb des Schützenhauses L, hinreichend überein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, weil höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, ob auch dann eine Geschäftsveräußerung im Ganzen iSv § 1 Abs. 1a UStG anzunehmen ist, wenn es sich bei der übertragenen Geschäftsausstattung zwar um eine für die Fortführung des Betriebes wesentliche Sachgesamtheit handelt, der Erwerber jedoch die weiteren, zum Betrieb erforderlichen Gegenstände einschließlich der Räumlichkeiten von einem Dritten anpachtet.

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