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Steuerrecht
02.10.2012
Steuerrecht
FG Düsseldorf: Körperschaftsteuerpflicht eines Berufsverbandes

FG Düsseldorf, Urteil vom 10.7.2012 - 6 K 218/10 K

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Ausgabe von Presseausweisen gegen Entgelt an Nichtmitglieder einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 Abgabenordnung - AO -) eines Berufsverbandes begründet.

Die Klägerin ist ein Zusammenschluss von Zeitungsverlegern "..." und - unstreitig - nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 Körperschaftsteuergesetz (KStG) körperschaftsteuerbefreit. Gestützt auf den Runderlass des Innenministeriums vom 25.11.1993 (Ministerialblatt NRW Nr. 76 vom 23.12.1993, 1854) gibt sie an Verbandsmitglieder ohne weiteres, aber auch an Nichtmitglieder nach besonderer Prüfung Presseausweise aus. Der Beklagte sieht in der Ausgabe von Presseausweisen gegen eine Gebühr von "..." Euro an Nichtmitglieder einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) der Klägerin, der zur partiellen Steuerpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 Buchst. a KStG führe. Dementsprechend erließ der Beklagte am 4.9.2008 für die Streitjahre 2004 bis 2006 Körperschaftsteuerbescheide. Die hiergegen gerichteten Einsprüche vom 23.9.2008 wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 16.12.2009 als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die Klage vom 20.1.2010.

Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, dass die Ausgabe an Nichtmitglieder zwar ein umsatzsteuerpflichtiger Vorgang, aber keine selbständige Tätigkeit im Sinne des § 14 AO sei, mit der sie im Wettbewerb zu anderen steuerpflichtigen Organisationen stehe. Unter Berufung auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu Unterlassungsrechtstreiten bzgl. der Ausgabe von Presseausweisen sieht sie keine Konkurrenzlage mit regelbesteuerten Unternehmen in diesem Tätigkeitsfeld. Insoweit übe sie bereits keine "Tätigkeit" im Sinne von § 14 AO aus. Darunter fallen nach ihrer Ansicht nur Tätigkeiten, die unter Teilnahme am Markt auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet seien. Jedenfalls fehle es bei der Ausgabe an Nichtmitglieder an der Selbständigkeit der Tätigkeit, weil eine nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) von der sonstigen Tätigkeit der Körperschaft wirtschaftlich abgrenzbare Tätigkeit von ihr nicht ausgeübt werde. Vielmehr sei die Ausstellung von Presseausweisen für Mitglieder wie für Nichtmitglieder eine einheitliche Tätigkeit. Insbesondere setze sie für die Ausstellung von Presseausweisen an Nichtmitglieder kein besonderes Personal ein.

Die Klägerin beantragt,

die Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2004 bis 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.12.2009 aufzuheben und hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und hilfsweise die Revision zuzulassen.

Aus seiner Sicht ist die Ausgabe von Presseausweisen an Nichtmitglieder keine Tätigkeit zur Förderung des Satzungszweckes "...". Da die Ausgabe von Presseausweisen nicht auf steuerbegünstigte Organisationen beschränkt sei, werde die Klägerin wirtschaftlich tätig. Die Selbständigkeit dieser Tätigkeit setze nicht den Einsatz von besonderem Personal für diesen Bereich voraus.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

1. Die Klägerin ist als Berufsverband insoweit körperschaftsteuerpflichtig, als sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 a KStG). Das Ausstellen von Presseausweisen an Nichtmitglieder gegen Entgelt ist ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Den Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs bestimmt allgemein § 14 AO. Die Auslegung dieser Vorschrift für steuerbegünstigte (gemeinnützige) Körperschaften ist auf die partielle Steuerpflicht von Berufsverbänden nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 KStG insgesamt übertragbar (Kuhner, Die Steuerbefreiung der Berufsverbände, 2008, 263; Alvermann, Finanzrundschau - FR - 2006, 262, 271; Eggers, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2007, 461, 463).

Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgehen (§ 14 Satz 1 AO). Die Klägerin ist in den Streitjahren durch die wiederholte Ausstellung von Presseausweisen an Nichtmitglieder gegen eine Gebühr von jeweils "..." EUR - unstreitig - nachhaltig und mit der Absicht, Einnahmen zu erzielen, außerhalb einer Vermögensverwaltung im Sinne von § 14 Satz 3 AO tätig geworden. Entgegen ihrer Ansicht wurde sie damit auch selbständig im Sinne von § 14 Satz 1 AO tätig.

a) Tätigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 AO kann jedes Tun, Dulden oder Unterlassen sein (Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 14 AO Rn. 6 [Jan. 2010]). Darum ist das Ausstellen von Presseausweisen ohne Rücksicht auf die unter den Beteiligten umstrittene Frage, ob und welche anderen Organisationen dazu berechtigt sind, eine hinreichende Tätigkeit. Auch wenn der Klägerin einzuräumen ist, dass der Wettbewerbsgedanke der tragende Leitgedanke der partiellen Steuerpflicht bei wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben ist (näher Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 69 ff.), kommt es für den Begriff der Tätigkeit im Sinne von § 14 Satz 1 AO nicht auf ihre Wettbewerbsrelevanz an, vielmehr reicht jedes aktive Tun aus (ebenso Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 96). Eine Tätigkeit am Marktgeschehen zur Erzielung von Einnahmen ist für dieses Tatbestandsmerkmal dagegen nicht erforderlich. Darum sind "Erwerbshandlungen" wie der Handel mit Waren, Dienstleistungen, Vermittlungen und Vermietungen typische Beispiele für Tätigkeiten im Sinne des § 14 Satz 1 AO (Tipke/Kruse, § 14 AO Rn. 6 [Jan. 2010] mit weiteren Beispielen), ohne dass der Begriff der Tätigkeit darauf beschränkt ist.

b) Die Ausstellung von Presseausweisen an Nichtmitgliedern des Berufsverbandes nach besonderer Prüfung der Voraussetzungen erfolgte auch selbständig. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass das Merkmal der Selbständigkeit umstritten ist (näher Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 97 ff.; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 14 AO Rn. 59 [März 2011]). Soweit ein Teil der Literatur Selbständigkeit mit guten Gründen allein als Abgrenzungsmerkmal des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs zur unselbständigen Arbeit und als Bezugnahme auf die Organschaft begreift (Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 99; Tipke/Kruse, § 14 AO Rn. 7; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 14 AO Rn. 59 f. [März 2011]), folgt die persönliche Selbständigkeit der Klägerin bereits aus ihrer Eigenschaft als Körperschaft.

Allerdings hat der BFH dieses persönliche Verständnis der Selbständigkeit im Sinne der Abgrenzung zur nichtselbständigen Tätigkeit für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb explizit abgelehnt und stattdessen sachliche Selbständigkeit der Betätigung im Sinne einer Abgrenzbarkeit von einem steuerbegünstigten Wirkungsbereich gefordert (BFH, Urteil vom 18.1.1984 - I R 138/79, BStBl. 1984, 451, 452). Dieses sachliche Verständnis Selbständigkeit der Tätigkeit entspricht auch der überwiegenden Ansicht der Literatur (Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 10. Aufl. 2010, S. 289 f.; Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine und Stiftungen und der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 6. Aufl. 2009, Rn. F 7). Die ältere Rechtsprechung stellt darauf ab, ob sich der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb von der übrigen Betätigung als eine gesonderte wirtschaftliche Einheit abhebt (BFH, Urteil vom 20.9.1963 - III 328/59 U, BStBl. III 1963, 532, 533). Darauf aufbauend begreift der BFH eine Tätigkeit als selbständig, wenn sie nicht mit anderweitigen Betätigungen der Körperschaft dergestalt zusammenhängt, dass ihre Ausübung ohne die anderweitige Betätigung nicht möglich wäre (BFH, Urteil vom 15.10.1997 - I R 2/97, BStBl. 1998, 175, 176, im Anschluss an BFH, Urteil vom 18.1.1984 - I R 138/79, BStBl. 1984, 451, 452; dem folgend Kuhner, Die Steuerbefreiung der Berufsverbände, 2008, S. 274; Gosch/Heger, KStG, 2. Aufl. 2009, § 5 Rn. 20). Eine derartige wechselseitige Verflechtung verneint der BFH, wenn bestimmte Tätigkeiten an Nichtmitglieder erbracht werden (BFH, Urteil vom 15.10.1997 - I R 2/97, BStBl. 1998, 175, 176 zur Trennung von Rettungsmaßnahmen und Versicherungsleistungen). Das spricht dafür, die Ausstellung von Presseausweise an Nichtmitglieder als selbständige Tätigkeit im Sinne der Rechtsprechung anzusehen.

Der Senat hält indes den sachlichen Abgrenzungsansatz der herrschenden Ansicht für überprüfungsbedürftig. Das wettbewerbsbezogene Konzept der partiellen Steuerpflicht steht nach seiner Ansicht einer Qualifikation und Differenzierung einheitlicher oder verbundener Tätigkeiten allein aus der organisatorischen Perspektive der steuerbegünstigten Körperschaft entgegen. Der bezweckte Wettbewerbsschutz spricht vielmehr dafür, die Einzelmerkmale des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs wirkungsorientiert und - im Einklang mit dem Wortlaut - allein tätigkeitsbezogen zu bestimmen. Dass die Klägerin die Ausstellung der Presseausweise an Nichtmitglieder besonders prüft und gesondert abrechnet, spricht für die Selbständigkeit der Tätigkeit und deckt sich mit der - auch von der Klägerin nicht angegriffenen - Behandlung bei der Umsatzsteuer. Überdies ist bei der Auslegung der zusammengehörigen Tatbestandsmerkmale "selbständige ... Tätigkeit" zu bedenken, dass der Gesetzgeber in § 14 AO im Gegensatz zum Betrieb gewerblicher Art (§ 4 Abs. 1 Satz 1 KStG) bewusst auf irgendeine organisatorische Verselbständigung oder besondere Gewichtigkeit verzichtet hat (Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 96). Darum sind besondere Anforderungen im Sinne einer gesetzlichen nicht geforderten "Eigenständigkeit" verfehlt. Selbständig bedeutet nicht eigenständig. Insbesondere ist - entgegen der Ansicht der Klägerin - kein besonderes Personal für die Ausstellung der Presseausweise an Nichtmitglieder erforderlich. Aus dem Urteil des BFH zur Bewirtschaftung eines Rittergutes (BFH, Urteil vom 20.9.1963 - III 328/59 U, BStBl. III 1963, 532, 533), bei dem das parallel unterhaltene Waisenhaus über eigenes Personal verfügte, kann - worauf der Beklagte zu Recht hinweist - nicht auf ein allgemeines Erfordernis von besonderem Personal für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe geschlossen werden. Vielmehr kann ein solcher bereits durch den temporären Einsatz des allgemeinen Personals der Körperschaft für wirtschaftliche Tätigkeiten begründet werden. Das hat im Recht der steuerbegünstigsten Körperschaften die anteilige Aufteilung des Personalaufwands nach zeitlichen Verursachungsanteilen zur Folge (vgl. Anwendungserlass zur AO, Rn. 6 zu § 64 zur Personalkosten; Alvermann, FR 2006, 262, 270). Eine von der Klägerin als konstitutiv erachtete Trennung des Personals fordert das Gesetz nicht.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

3. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil der Streitfall die umstrittene Auslegung des § 14 Satz 1 AO und damit eine grundsätzliche Frage des Steuerrechts steuerbegünstigter Körperschaften aufwirft.

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