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Steuerrecht
14.11.2014
Steuerrecht
FG Sachsen-Anhalt: Keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung von PKW bei unrichtigen Angaben

FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.1.2014 – 2 K 1122/11

Sachverhalt

Streitig ist, ob die Klägerin Fahrzeuglieferungen gem. § 6a Abs. 4 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) als steuerfrei behandeln darf.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist nach § 2 des Gesellschaftsvertrages die Beschaffung und Verwaltung von Fahrzeugen und die damit verbundenen oder sich ergebenden Dienstleistungen sowie Leasing und Finanzierung.

Die Klägerin erteilte im Streitjahr u.a. an die Fa. C. ... (Österreich), Inh. S. D., über die Lieferung von Fahrzeugen der Marke ... 4 Rechnungen. S. D. ist deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in ... (Deutschland). Er war im Streitjahr in seinem Beruf als ... tätig. Er hatte im Juni 2008 bei der Bezirkshauptmannschaft ... ein Handelsgewerbe mit Sitz in ... (Österreich) angemeldet und war damit seit 2008 steuerlich beim Finanzamt .../Österreich gemeldet. Ihm war eine österreichische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt und im Herbst 2009 entzogen worden.

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Rechnungen:

 

Datum

Fahrzeug

Betrag

Bp-Akte

a)

20.02.2009

1

... €

Bl.

b)

02.04.2009

2

... €

Bl.

c)

09.06.2009

3

... €

Bl.

d)

09.06.2009

4

... €

Bl.

 

Die vorgenannten Rechnungen enthalten jeweils den folgenden Vermerk: „Es handelt sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung gem. § 6 a UstG in Verbindung mit $ 4 Nr. 1 b UstG“. Umsatzsteuer wurde nicht ausgewiesen.

In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Februar, April und Juni 2009 behandelte die Klägerin die 4 Fahrzeuglieferungen als innergemeinschaftliche Lieferungen i.S.d. § 6a UStG.

Im Sommer 2009 führte der Beklagte (das Finanzamt FA-) bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Im Rahmen dieser Prüfung wurde bekannt, dass die Fahrzeuge nicht von S. D., sondern von einem M. L. bestellt wurden. Gegenüber der Prüferin hatte der Geschäftsführer der Klägerin angegeben, dass er zu S. D. keinen Kontakt gehabt habe. M. L., der in R. als Geschäftsführer der M-GmbH im Fahrzeughandel tätig war, war dem Geschäftsführer der Klägerin, der zuvor im Raum R. beruflich tätig war, persönlich bekannt. M. L. hatte die Klägerin wegen der hier in Streit stehenden Fahrzeuglieferungen jeweils gebeten, die Rechnungen per Fax zu ihm nach R. und per Post an die Fa. C. nach Österreich zu übersenden. Zugleich hatte er zugesichert, sich selbst um die umgehende Bezahlung der Rechnungen zu kümmern. Der Kaufpreis für das erste Fahrzeug wurde am 27. Februar 2009 per Überweisung von einer österreichischen Bank als EU-Standardüberweisung überwiesen. Am 5. Mai 2009 folgte die Bezahlung für das zweite Fahrzeug in gleicher Weise. Als Auftraggeber ist in den Kontoauszügen der Klägerin D. S. C.“ angegeben. Die weiteren Fahrzeuge wurden bei der Übernahme bar bezahlt. Abgeholt wurden die Fahrzeuge jeweils von M. L. Dieser erklärte bei der Übernahme schriftlich, das jeweilige Fahrzeug im Auftrage des in der Rechnungsstellung angeführten Erwerbers S. D. zu übernehmen und es an die in der Rechnungsstellung genannte Anschrift in Österreich auszuführen sowie eine entsprechende amtliche Bescheinigung über die Ausfuhr nachzureichen.

Ebenfalls im Jahre 2009 ermittelte die Steuerfahndung R. wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen verschiedene Unternehmen im Bereich R., die im Fahrzeughandel tätig waren. Im Rahmen dieser Ermittlungen wurde S. D. als Beschuldigter vernommen. Er gab gegenüber der Steuerfahndung R., dass er M. D. keine Vollmacht erteilt habe. Er sei nur für einen Herrn E. tätig gewesen. Für diesen habe er das Unternehmen in Österreich gegründet. Herr E. habe alleinige Kontovollmacht gehabt. Rechnungsvordrucke der Fa. C. habe nur Herr E. besessen. Fahrzeuge seien nie an den Firmensitz der Fa. C. in Österreich überführt worden. Die Fahrzeuge seien vielmehr immer direkt nach R. gegangen. Daraufhin forderte die Prüferin die Klägerin ohne Erfolg auf, einen Nachweis über die Bevollmächtigung des M. L. durch S. D. vorzulegen.

Die Ermittlungen der Steuerfahndung R. hatten des Weiteren ergeben, dass nach dem Verkauf der hier in Rede stehenden Fahrzeuge mindestens 2 Fahrzeuge in Deutschland und ein weiteres in Ungarn zugelassen wurden.

Die Prüferin sah die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung im Sinne des § 6a UStG in keinem Fall als erfüllt an. Sie ging ferner davon aus, dass § 6a Abs. 4 UStG nicht zur Anwendung kommen könne, da die Klägerin nicht mit der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns gehandelt habe. Das FA schloss sich den Feststellungen an und behandelte die Lieferungen als umsatzsteuerpflichtig.

Zur Begründung der gegen die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Februar, April und Juni 2009 jeweils vom 12. Oktober 2009- eingelegten Einsprüche trug die Klägerin vor, mit der Beförderung der Fahrzeuge nach Österreich sei die Firma X. GmbH beauftragt worden. Dies habe die Fa. X. GmbH mit ihrer Unterschrift“ bestätigt. Damit habe der Klägerin eine vom Beauftragten des ausführenden Unternehmers erteilte Übernahmebestätigung vorgelegen, aus der hervorgehe, dass der Beauftragte den PKW erhalten habe und die Ausfuhr nach Österreich übernehme. Damit seien die Nachweise gem. § 17 a Abs. 2 Umsatzsteuer-Durchführungs-verordnung (UStDV) erbracht.

Bei der Erstellung der Rechnungen habe sie, die Klägerin, eine qualifizierte Abfrage der USt-Identifikationsnummer vorgenommen. Dabei sei ihr mitgeteilt worden, dass diese in Ordnung sei. Des Weiteren haben ihr ein Gewerberegisterauszug der Stadt B. und ein Schreiben des Finanzamts B. über die Erteilung der Umsatzsteueridentifikationsnummer vorgelegen.

Die Einsprüche blieben ohne Erfolg. Zur Begründung führte das FA aus, die Klägerin habe sich nicht durch einen Anruf bei S. D. rückversichert, dass dieser die Fahrzeuge habe erwerben wollen. Dies sei aber geboten gewesen, nachdem M. D. die Fahrzeuge bei der Klägerin bestellt hatte. Es habe auch keinen Email-Verkehr zwischen der Klägerin und S. D. gegeben. Die Klägerin habe sich auf die Aussagen des M. D. verlassen.

Mit der hiergegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin die umsatzsteuerfreie Behandlung der 4 Fahrzeuglieferungen. Zur Begründung führt die Klägerin aus, sie habe den Belegnachweis gem. § 17a UStDV geführt. Eine Vollmacht für den Beauftragten werde in § 17a UStDV nicht explizit gefordert. Nachdem die beiden ersten Fahrzeuge per Überweisung reibungslos bezahlt worden seien und eine Empfangsvollmacht des Beauftragten vorlag, habe sie, die Klägerin, darauf vertrauen können, dass die Fahrzeuge in das EU-Ausland gelangen. Das Landgericht M. habe den Autohändler M. L. zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Damit sei jetzt erkennbar, dass M. L. falsche Angaben gemacht habe. Dies sei im Zeitpunkt der Verkäufe der Fahrzeuge für sie, die Klägerin, nicht erkennbar gewesen.

Während des Klageverfahrens hat das FA am 5. Oktober 2011 einen Umsatzsteuerbescheid für 2009 erlassen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Februar, April und Juni 2009 vom 12. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. September 2011 –geändert durch den Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 5. Oktober 2011 – die Umsatzsteuer 2009 um 51.153,37 € herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist das FA auf seine Einspruchsentscheidung. Die Klägerin habe ausschließlich mit M. L. verhandelt und gewusst, das dieser selbst mit Fahrzeugen handelt. Ein ordentlicher Kaufmann hätte bei dieser Sachlage mit dem angeblichen Abnehmer unmittelbar Kontakt aufgenommen und sich über die Wirksamkeit der Vertretungsmacht und das Verbringen der Fahrzeuge nach Österreich Gewissheit verschafft. Die Klägerin habe dies unterlassen und könne sich deshalb nicht auf die Billigkeitsregelung des § 6a Abs. 4 UStG berufen.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

Die im Streit stehenden Fahrzeuglieferungen sind nicht steuerfrei, da die Klägerin die Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne von § 6a Abs. 1 UStG nicht nachgewiesen hat. Die Steuerfreiheit setzt nämlich u.a. voraus, dass die Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangen. Diesen Nachweis konnte die Klägerin nicht führen. Vielmehr hat S. D. in seiner Beschuldigtenvernehmung angegeben, dass sämtliche Fahrzeuge nach R. verbracht wurden. Einen Nachweis über die Beförderung oder Versendung der Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet fehlt hingegen.

Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Sie setzt mithin voraus, dass der Unternehmer alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Streuerhinterziehung führt. Bestehende Zweifel hat der Unternehmer auszuräumen. Einzelne Anhaltspunkte für Zweifel hat der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 14.11.2012 XI R 17/12, BStBl II 2013, 407, aufgeführt. So bestehen zur Nachforschung verpflichtende Zweifel bereits dann, wenn zwischen dem Unternehmer und dem Abnehmer keine längeren Geschäftsbeziehungen bestehen und der Unternehmer keine Kenntnis von der Vertretungsberechtigung der für den Abnehmer auftretenden Person hat. Dies ist vorliegend der Fall. Die Klägerin hatte bis zur ersten Fahrzeuglieferung zum vermeintlichen Abnehmer keine Geschäftsbeziehungen unterhalten. Die Klägerin hat es unterlassen, zum vermeintlichen Abnehmer Kontakt aufzunehmen und sich stattdessen auf die Angaben des dem Geschäftsführer der Klägerin persönlich bekannten angeblichen Bevollmächtigten des Abnehmers verlassen. Dessen Bevollmächtigung hat sie sich nicht nachweisen lassen.

Zur Nachforschung verpflichtende Zweifel bestehen nach dem vorgenannten Urteil des BFH aber auch dann, wenn die Geschäftsanbahnung - wie im vorliegenden Fall - mit dem Unternehmer durch einen zwischengeschalteten Dritten erfolgt und der Abnehmer -  außer auf dem Papier - nicht in Erscheinung tritt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin reicht es nach Auffassung des Senats noch nicht aus, dass der (vermeintliche) Abnehmer über eine gültige USt-ID-Nr. verfügt und sie sich diese und die Gewerbeanmeldung hat bestätigen lassen. Ebenso wenig reicht es schon, dass den beiden ersten Lieferungen kein Bargeschäft über hochwertige Fahrzeuge zu Grunde lag. Gerade hier hätte der Klägerin auffallen müssen, dass M. L. ihr die umgehende Zahlung der Rechnung nach einer Übersendung an ihn in R. zugesagt hatte.

Zudem liegen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 4 UStG in formeller Hinsicht nicht vor. Danach muss die Inanspruchnahme auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruhen. Der Abnehmer (S. D.) ist gegenüber der Klägerin nicht in Erscheinung getreten. Die Erklärung über die Verbringung der Fahrzeuge nach Österreich stammt von M. L. Dessen Erklärung kann dem S. D. nur zugerechnet werden, wenn dieser M. D. bevollmächtigt hat. Hieran fehlt es.

Der Senat hat die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung zugelassen wegen der Frage, ob die Vertrauensregelung des § 6a Abs. 4 UStG auch dann angewendet werden kann, wenn die unrichtigen Angaben von einer Person stammen, deren Bevollmächtigung durch den Abnehmer nicht nachgewiesen wurde.

 

 

 

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