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Steuerrecht
08.02.2018
Steuerrecht
FG Köln: Internationaler Auskunftsverkehr: Zulässigkeit einer Prüferentsendung

FG Köln, Beschluss vom 20.10.2017 – 2 V 1055/17

ECLI:DE:FGK:2017:1020.2V1055.17.00

Volltext: BB-Online BBL2018-341-3

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Frage, ob die deutsche Finanzverwaltung im Rahmen eines Auskunftsersuchens bei der schwedischen Finanzverwaltung Entstrickungswerte abfragen bzw. die Entsendung eines deutschen Finanzbeamten nach Schweden vorschlagen darf.

Die Antragstellerin ist Teil eines international operierenden Konzerns. Inhaberin der relevanten Markenrechte war bis zur Verschmelzung auf die Antragstellerin im Jahr 201... die 196... gegründete schwedische K AB (K AB).

Am ... wurde die K AB mit Wirkung zum Ablauf des ... im Wege der Verschmelzung auf die Antragstellerin (seinerzeit noch K1 GmbH) verschmolzen. Die Aktionäre der K AB erhielten durch Kapitalerhöhung Anteile an der Antragstellerin.

Die Verschmelzung fiel aufgrund eines abweichenden Wirtschaftsjahres in den Veranlagungszeitraum 2013, der in Deutschland Gegenstand einer am 31.03.2014 angeordneten Betriebsprüfung ist.

Im Rahmen der Betriebsprüfung wurde die Bewertung der Markenrechte thematisiert. Am 08.06.2015 teilte das zuständige Finanzamt B der Antragstellerin mit, dass beabsichtigt sei, einen Informationsaustausch mit der schwedischen Finanzverwaltung gemäß EU Amtshilfegesetz durchzuführen und zwar durch Entsendung eines Bediensteten ins Ausland oder Anwesenheit eines ausländischen Bediensteten in Deutschland. Hiergegen wandte die Antragstellerin ein, dass keine Berechtigung zur Inanspruchnahme von Amtshilfe aus Schweden vorliege.

Im Rahmen eines Aktenvermerks vom 23.02.2016 hielt die Betriebsprüfungsstelle des Finanzamts B fest, dass die K AB zum Zeitpunkt der Verschmelzung Eigentümerin zahlreicher Marken unter den Dachmarken „K“ und „Q“ gewesen sei und darüber hinaus kein nennenswertes Anlagevermögen vorhanden gewesen sei. Sie habe zuletzt überwiegend Einnahmen aus der Lizenzierung von Markenrechten gegenüber Unternehmen im Konzernverbund und in geringem Umfang gegenüber fremden Dritten erzielt. Weiterhin habe die K AB Einnahmen aus Marketingumlagen erzielt. Die K AB habe zum ....2012 eine Schlussbilanz nach den Regelungen des deutschen Steuerrechts aufgestellt. Ein abweichender Ansatz zur bisherigen Bilanzierung in Schweden sei für die beiden Markenrechte „K“ und „Q“ erfolgt. Diese seien gemäß einem Markenrechtsgutachten nach IDW S 5 mit ... € („K“) und ... € (und „Q“) bewertet worden. Maßgeblicher Aspekt des Wertansatzes sei die marktübliche, angemessene Lizenzrate. Diese sei in Höhe von 7 % des Umsatzes angesetzt worden und damit deutlich von der bislang angesetzten Lizenzrate i.H.v. 3 % des Umsatzes abgewichen. Darüber hinaus erschienen entscheidende Teile des zur Bewertung vorgelegten Rechtsgutachtens fragwürdig, insbesondere auch, da die Marke „Q“ zum Frühjahr 2016 aufgegeben werden sollte. Ausgehend von den Informationen zum schwedischen Besteuerungsverfahren und dem dort vermutlich zugrunde gelegten Entstrickungswert, sei eine Zusammenarbeit mit der schwedischen Finanzverwaltung zur Plausibilisierung der Wertansätze notwendig. Im Bereich der Markenrechte seien Bewertungsgrundlagen in hohem Maße wertend aufgeladen. Die Bewertungsgrundlagen seien letztlich aber Tatsachen, beispielsweise Informationen über die Einschätzungen von Kunden zur Positionierung einer Marke im Vergleich zu Konkurrenzmarken. Die Informationen, die die Bewertungsgrundlagen darstellten, könnten in unterschiedlichen Steuerrechtsordnungen nicht voneinander abweichen.

Mit Schreiben vom 20.06.2016 informierte das Ministerium der Finanzen, für ... die Antragstellerin darüber, dass der Antragsgegner über den in der Betriebsprüfung streitigen Sachverhalt der Markenbewertung informiert worden sei und um Einleitung eines Auskunftsaustausches mit der schwedischen Steuerverwaltung mittels Prüferentsendung nach §§ 4, 6, 10 und 11 EU Amtshilfegesetz ersucht werde.

Das Ersuchen ging bei der Antragstellerin am 28.06.2016 ein.

Zur Begründung trug das Ministerium vor, dass eine deutliche Diskrepanz der Wertansätze in Schweden und in Deutschland gegeben sei. Als einzige von der schwedischen Schlussbilanz der K AB abweichende Bilanzansätze bei der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin seien die Markenrechte i.H.v. ca. ... € angesetzt worden, wobei der Wert durch ein Gutachten ermittelt worden sei. Die Nutzungsdauer der Markenrechte sei mit 15 Jahren angesetzt worden. Aus Unterlagen, die bei der inländischen Betriebsprüfung vorgelegt worden seien, sei geschlossen worden, dass bei der schwedischen Finanzverwaltung den Markenrechten ein Entstrickungswert in Höhe von rund ... € angesetzt worden sei. Diese deutliche Abweichung könne aus der rein nationale Perspektive nicht nachvollzogen werden. Daher sei eine gründliche Sachverhaltsermittlung notwendig. Eine genaue Aufklärung könne letztlich nur zusammen mit der schwedischen Steuerverwaltung erfolgen. Die Aufklärungspflicht beruhe auf dem Amtsermittlungsgrundsatz, § 88 AO. Selbst wenn die unterschiedlichen Wertansätze das Ergebnis von unterschiedlichen nationalen Bewertungsvorschriften sein sollten, was bislang von der Antragstellerin jedoch nicht dargelegt worden sei, sei dennoch sicherzustellen, dass den Wertermittlungen in beiden Staaten die gleichen Sachverhalte zugrunde gelegt worden seien. Der beabsichtigte Auskunftsaustausch ziele auf einen konkreten steuerlich erheblichen Sachverhalt ab. Die Höhe der Wertansätze der Markenrechte wirke sich zweifellos auf die Besteuerung in beiden Staaten aus, so dass der Auskunftsaustausch voraussichtlich für beide Staaten in steuerlicher Hinsicht erheblich sei. Der Auskunftsaustausch sei auch erforderlich, da die Betriebsprüfung mehrfach die Vorlage aller relevanten Unterlagen angefordert habe, jedoch der in Schweden erklärte Entstrickungswert bislang ausdrücklich nicht mitgeteilt worden sei und das der schwedischen Besteuerung zugrunde gelegte Wertgutachten nicht vorgelegt worden sei. Die Durchführung eines Auskunftsaustauschs durch ein Prüfertreffen sei geeignet, um offene Sachverhaltsfragen aufzuklären. Jeweils vorhandene Unterlagen könnten ausgetauscht und im Gespräch diskutiert werden. Die Maßnahme sei auch aus Zeit- und Kostengesichtspunkten gerechtfertigt, da mit einer oder wenigen Dienstreisen die erforderliche Sachverhaltsaufklärung erfolgen könne. Die Antragstellerin sei mehrfach angehört worden.

Bezugnehmend auf den Antrag auf Prüferentsendung führte die Antragstellerin am 18.08.2016 aus, dass die Entstrickung auf Grundlage eines Bewertungsgutachtens nach schwedischem Steuerrecht erfolgt sei. Nach Auskunft des schwedischen Steuerberaters sei der die Entstrickung betreffende Veranlagungszeitraum bereits abgeschlossen und Festsetzungsverjährung eingetreten. Eine Änderung der Ansätze sei nicht mehr möglich. Daher könnten Informationen aus Deutschland für die schwedischen Finanzbehörden nicht mehr sachdienlich sein.

Darüber hinaus bestünde keine Befugnis zur Inanspruchnahme von Amtshilfe aus Schweden, da die ersuchten Informationen für die deutsche Besteuerung nicht erforderlich seien. Die in Schweden der Entstrickung zugrunde gelegten Werte hätten keine Relevanz für das deutsche Besteuerungsverfahren. Es existiere materiellrechtlich keine Wertverknüpfung. Soweit das Ersuchen sich nicht auf den Entstrickungswert als solchen, sondern auf wertbestimmende Faktoren beziehen sollte, wäre es nicht erforderlich, da zunächst die innerstaatlichen Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen seien. Diesbezüglich sei mitgeteilt worden, welche Informationen den schwedischen Behörden zum Zwecke der Bewertung überlassen worden seien.

Am 24.04.2017 teilte der Antragsgegner mit, dass eine Entsendung von Bediensteten nach Schweden gemäß § 11 i.V.m. 10 EUAHiG beabsichtigt sei. Zur Begründung wiederholt er die im bisherigen Verfahren vorgetragenen Argumente.

Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit dem vorliegenden Antrag vom 21.04.2017.

Diesbezüglich trägt die Antragstellerin vor, dass ein Unterlassungsanspruch analog § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit § 30 AO bestehe.

Der Antragsgegner habe kein Recht, Daten, die die Antragstellerin beträfen, an die schwedische Finanzverwaltung weiterzuleiten, was zwangsläufig die Folge eines Auskunftsersuchens sei. Das beabsichtigte Auskunftsersuchen sei unzulässig. Die ersuchten Informationen seien für die Besteuerung unerheblich. Der in Schweden zugrunde gelegte Entstrickungswert habe für die Besteuerung in Deutschland keine Relevanz. Es bestehe keine materiellrechtliche Verknüpfung zwischen der Bewertung in Schweden und in Deutschland. Hierauf habe der Gesetzgeber bewusst verzichtet.

Überdies sei ein zwischenstaatlicher Informationsaustausch auf Sachinformationen beschränkt. Die Antragstellerin habe allerdings den für die Marktbewertung relevanten Sachverhalt ausführlich und voll umfassend offengelegt. Die Antragstellerin sei gemäß § 93 und § 97 AO lediglich dazu verpflichtet, den für die Besteuerung erheblichen Sachverhalt aufzuklären. Vermutungen, Werturteile, Rechtsauffassungen oder Rechtsfolgen unterfielen nicht der Mitwirkungspflicht. Bei Bewertungsgutachten seien in diesem Zusammenhang die Bewertungsgrundlagen von den hieraus gezogenen Schlussfolgerungen zu unterscheiden. Vor diesem Hintergrund habe die Antragstellerin die Entstrickungswerte der Finanzverwaltung nicht mitgeteilt. Vorgelegt werde allerdings das schwedische Bewertungsgutachten (vgl. übersetzte Fassung, Bl. 354ff. GA), wobei Bewertungsergebnisse selbst herausgeweißt worden seien (herausgeweißt wurden Daten zur Ermittlung der Kosten für das Eigenkapital (Bl. 370 GA), Daten zur Ermittlung des Werts der Geschäftstätigkeit (Bl. 371 GA) und die Daten zur Schlussfolgerung hinsichtlich der Wertermittlung (Bl. 374 GA)).

Das von der Firma D erstellte schwedische Bewertungsgutachten habe die Gesellschaft K AB selbst zum Bewertungsgegenstand gehabt und ziehe zur Wertermittlung die in Zukunft fortgeschriebenen Gewinne heran. Das für deutsche steuerliche Zwecke angefertigte Bewertungsgutachten habe demgegenüber lediglich die Markenrechte zum Gegenstand und bewerte diese anhand der Lizenzpreisanalogiemethode.

Fragen zur Bewertung von Marken in Schweden, der Wertermittlung im schwedischen Besteuerungsverfahren und die Frage, ob einzelne Markennamen oder ein zusammenfassender Unternehmenswert der Besteuerung zugrunde gelegt worden seien, seien für die deutsche Besteuerung unerheblich, so dass das Ersuchen auf Entsendung eines Prüfers auf der Basis von § 11 EUAHiG rechtswidrig sei.

Gemäß § 117 Abs. 1 in Verbindung mit § 111 Absatz 1 S. 1 AO müsse ein Auskunftsersuchen nach Maßgabe des deutschen Rechts erforderlich sein. Die Subsumtionsrelevanz müsse also zuvor abschließend geklärt sein. Auf das Merkmal der „voraussichtlichen Erheblichkeit“ könne nicht abgestellt werden, da dieser Prüfungsmaßstab nur gelte, wenn Informationen auf ein ausländisches Ersuchen hin erteilt würden.

Unabhängig davon sei eine Entsendung von Prüfern mangels Komplexität eines Ersuchens nicht erforderlich. Eine Bewertung erfolge allgemein im Rahmen eines schriftlichen Bewertungsverfahrens. Weshalb im vorliegenden Fall die Anwesenheit eines deutschen Beamten in Schweden notwendig sei, sei nicht ersichtlich. Im Kern indiziere die Begründung der Entsendung ein unzulässiges Ausforschen.

Keine der von dem Antragsgegner formulierten Fragen könne schließlich nicht in einem schriftlichen Verfahren beantwortet werden.

Jedenfalls sei die Entsendung unverhältnismäßig.

Die Antragstellerin beantragt,

a) dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens zu untersagen, der schwedischen Finanzverwaltung ein Auskunftsersuchen zu übermitteln, in welchem im Zusammenhang mit der Verschmelzung zum Ablauf des 1. Juni 2012 in Bezug auf die Marken “K" und “Q" insbesondere die folgenden Fragen gestellt werden:

•          Welcher Sachverhalt einschließlich der Grundannahmen und Zuordnungen wurde in Schweden bei der Bewertung der hier betroffenen Markennamen zugrunde gelegt?

•          Wie erfolgte die Wertermittlung der Markennamen einschließlich zugrunde gelegter nationaler (eventuell befreiender) Vorschriften?

•          Wurden in Schweden einzelne Markennamen oder eventuell ein (zusammenfassender) Unternehmenswert der Besteuerung zugrunde gelegt?

•          Wie hoch ist der tatsächliche steuerlich wirksame Wert der Markennamen?

•          Sind der schwedischen Steuerverwaltung eventuell Gründe bekannt, warum die Bewertungen so unterschiedlich hoch ausfallen (Deutschland: € ... Mio. und Schweden: € ... Mio.)?

b) dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens zu untersagen, der schwedischen Steuerverwaltung unter Bezugnahme auf die Bewertung der Marken "K" und "Q" die Entsendung eines deutschen Finanzbeamten nach Schweden vorzuschlagen.

Der Antragsgegner beantragt,

              den Antrag abzulehnen

Der Antragsgegner trägt vor, dass weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch für den Erlass einer einstweiligen Anordnung bestehe.

Die Ermächtigung zur zwischenstaatlichen Amtshilfe im Wege des Informationsaustauschs durch Prüferentsendung ergebe sich aus § 117 AO i.V.m. den Regelungen des § 11 EUAHiG.

Die Komplexität des Auskunftsersuchens im Streitfall erfordere eine Entsendung eines Bediensteten nach Schweden. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Erwägungen der europäischen Kommission zur EU-Amtshilferichtlinie hinzuweisen, wonach es mehr Direktkontakte zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten solle. Das Fehlen direkter Kontakte beeinträchtige die Effizienz, führe dazu, dass die vorhandenen Vereinbarungen zur Verwaltungszusammenarbeit nicht in dem möglichen Umfang genutzt würden und verursache Verzögerungen in der Kommunikation (Tz. 8). Gemäß Tz. 13 sei es wichtig, dass sich Bedienstete der Steuerverwaltung eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Staates aufhalten dürften.

Im Streitfall sei von Interesse, welche Berechnungsmethode für den Markenwert in Schweden gewählt worden sei und welche wertbestimmenden Umstände und Annahmen Grundlage der Bewertung worden seien, z.B. Umstände und Annahmen zur Wahrnehmung der Marke, zu Markenpositionierung, zu Markenrelevanz, Reichweite der Marke, zum Marktumfeld, zu Wachstumschancen des Marktsegments sowie Zustellung gegenüber Wettbewerbsmarken bzw. zu vergleichbaren Drittlizenzierungen.

Es sei nicht ersichtlich, dass in Deutschland und in Schweden von unterschiedlichen Sachverhalten ausgegangen werden könne, so dass zu hinterfragen sei, weshalb in beiden Ländern unterschiedliche Markenrechtswerte angesetzt worden seien. Insoweit gehe es um die Frage, welcher detaillierte Sachverhalt und welche wertbestimmenden Faktoren und Annahmen Grundlage für die Wertermittlungen in Schweden gewesen seien. Es sei davon auszugehen, dass die Grundlagen der Wertermittlung in Schweden offensichtlich nicht mit den in Deutschland dargelegten Grundlagen übereinstimmten. Die Antragstellerin habe selbst vorgetragen, dass die Wertermittlung in Schweden auf einer Fortschreibung der bisherigen Ertragswerte beruht habe, die sich aus einem zum Teil unüblichen Lizenzsatz i.H.v. 3 % gegenüber einem nach eigener Einschätzung fremdüblichen Satz von 7 % ergeben hätte.

Die Entsendung eines deutschen Bediensteten erscheine aus Zeit- und Kostengesichtspunkten effizienter als ein schriftliches Auskunftsersuchen, welches wiederum zu einem Folgeauskunftsersuchen führen könne. Darüber hinaus sei ein persönliches Gespräch zwischen fachkundigen Personen die effizienteste Möglichkeit, um komplizierte Sachverhalt in kurzer Zeit zu durchdringen.

Abgesehen davon sei nach der Rechtsprechung des BFH ein Auskunftsverlangen nur dann rechtswidrig, wenn offenkundig und in eindeutiger Weise jeglicher Anhaltspunkt für eine Steuererheblichkeit fehle (Bl. 242 GA). Hiervon könne im vorliegenden Fall jedoch nicht ausgegangen werden, da es um die Festsetzung der zutreffenden Steuer in Deutschland gehe.

Der nach Schweden zu entsendende Beamte solle sein Informationsersuchen mit folgenden Fragen einleiten:

    Welcher Sachverhalt einschließlich der Grundannahmen und Zuordnungen wurde in Schweden bei der Bewertung der hier betroffenen Markennamen zugrunde gelegt?

    Wie erfolgte die Wertermittlung der Markennamen einschließlich zugrunde gelegter nationaler (evtl. befreiender) Vorschriften?

    Wurden in Schweden einzelne Markennamen oder eventuell ein (zusammenfassender) Unternehmenswert der Besteuerung zugrunde gelegt?

    Wie hoch ist der tatsächliche steuerlich wirksame Wert der Markennamen?

    Sind der schwedischen Steuerverwaltung eventuell Gründe bekannt, warum die Bewertungen so unterschiedlich hoch ausfallen (Deutschland ... Mio. EUR – Schweden ... Mio. EUR)?

Die deutsche Finanzverwaltung habe im Vorfeld sämtliche anderen Informationsquellen ausgeschöpft (§ 6 Abs. 3 EUAHiG). Nach seinem, des Antragsgegners, Kenntnisstand seien zwei Gutachten zur Wertermittlung in Auftrag gegeben worden, von denen bislang nur das Gutachten der Firma D vorgelegt worden sei.

Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die EU mit der Richtlinie 2016/1164 vom 12.07.2016, L 193/1, eine Regelung erlassen habe, mit der missbräuchliche Gestaltungen verhindert werden sollten. Dies betreffe insbesondere die zwingende Besteuerung immaterieller Wirtschaftsgüter bei einer Verlegung der steuerlichen Ansässigkeit in einen anderen Mitgliedstaat gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. c. Dies belege die Wichtigkeit und Komplexität der zutreffenden Besteuerung des immateriellen Wirtschaftsgutes im vorliegenden Sachverhalt.

 

Aus den Gründen

54        II. Der Antrag ist unbegründet.

55        1. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch, dem Antragsgegner einstweilen zu untersagen, ein Ersuchen an die schwedische Finanzverwaltung mit dem Ziel zu übersenden, dass ein deutscher Finanzbeamter die schwedische Finanzverwaltung besucht, um Fragen bezüglich der Markenbewertungen zu klären.

56        Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass der im Hauptverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) bezeichnet und glaubhaft gemacht werden (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. §  920 Abs. 1, 2 der Zivilprozessordnung - ZPO -). Bezeichnung und Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs bedeuten, dass der Antragsteller den Anspruch rechtlich schlüssig darlegen und dessen tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft machen muss (§ 155 FGO i.V.m. § 294 ZPO).

57        a. Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer Sicherungsanordnung, denn durch die gerichtliche Anordnung möchte sie verhindern, dass der Antragsgegner mit der Finanzverwaltung Schwedens in Kontakt tritt, dieser Informationen über die Antragstellerin übermittelt und eine Vereinbarung trifft, um einen Betriebsprüfer mit einem Auskunftsersuchen zu entsenden.

58        b. Ein Anordnungsanspruch ist jedoch nicht gegeben.

59        Ein solcher ergibt sich nicht aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog i.V.m. § 30 AO im Hinblick auf Weiterleitung von Informationen im Zusammenhang mit der Übersendung eines Auskunftsersuchens und dem Abschluss einer Vereinbarung über die Anwesenheit eines deutschen Finanzbeamten in Schweden, denn die Antragstellerin hat eine entsprechende Informationsweitergabe gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden.

60        c. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO erlaubt die Offenbarung der Verhältnisse eines Steuerpflichtigen, soweit sie durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist. Zu diesen Gesetzen gehören auch die Rechtsgrundlagen der Auskunftserteilung bzw. -einholung (vgl. Bozza-Bodden, DStJG Band 36, 2013, 133, 154).

61        d. Gemäß § 117 Abs. 1 AO können die Finanzbehörden zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe nach Maßgabe des deutschen Rechts in Anspruch nehmen.

62        Die Vorschrift ist Ausdruck des Amtsermittlungsgrundsatzes.

63        Die mit einem Amtshilfeersuchen begehrten Auskünfte müssen für Zwecke der deutschen Besteuerung erforderlich sein (vgl. § 111 Abs. 1 S. 1 AO). Es muss ein Bezug zur Besteuerung im ersuchenden Staat gegeben sein und die ernstliche Möglichkeit bestehen, dass die begehrten Informationen Bedeutung in einzelnen konkreten Steuerfällen haben können. Zudem darf eine deutsche Finanzbehörde aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen im Inland oder aus staatsrechtlichen Gründen im Ausland die Ermittlungen hinsichtlich der begehrten Informationen nicht oder nur mit wesentlich größerem Aufwand als die ersuchte Behörde vornehmen können (Subsidiarität). Schließlich steht es im Ermessen der deutschen Finanzbehörde, ob sie Amtshilfe in Anspruch nimmt. Sie hat dabei die allgemeinen Ermessensgrenzen der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit zu beachten (vgl. zum Ganzen: Seer in Tipke/Kruse § 117 AO Rn. 23 ff.; Matthes in Pfirrmann/Rosenke/Wagner, BeckOK AO § 117 AO Rn. 53ff. jeweils m. w. N.)

64        Gemäß § 1 Abs. 1 EUAHiG regelt das Gesetz den Austausch von voraussichtlich erheblichen Informationen in Steuersachen zwischen Deutschland und anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Es ist anzuwenden auf jede Art von Steuern, die von einem oder für einen Mitgliedstaat für dessen Gebiets- oder Verwaltungseinheiten einschließlich der örtlichen Behörden erhoben werden. Ausnahmen regelt Abs. 2.

65        Gemäß § 6 Abs. 1 EUAHiG ist die deutsche Finanzbehörde befugt, ein Ersuchen an eine Finanzbehörde in einem anderen Mitgliedstaat zu stellen. Gemäß Abs. 3 hat die Behörde alle nach der Abgabenordnung vorgesehenen Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen, bevor sie ein Ersuchen stellt, es sei denn die Durchführung der Ermittlungen wäre mit unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten verbunden oder stellt sich als nicht erfolgversprechend dar (Subsidiarität).

66        Gemäß § 11 EUAHiG können bevollmächtigte inländische Bedienstete in andere Mitgliedstaaten entsandt werden, sofern die Komplexität eines Ersuchens dies erfordert. Voraussetzung ist eine Vereinbarung im Sinne von § 10 EUAHiG mit dem ersuchten Mitgliedstaat. Von einer Komplexität des Ersuchens ist auszugehen, wenn ohne Anwesenheit des inländischen Bediensteten die Beantwortung des Ersuchens erschwert wird (Rätke in Klein, § 117 AO Rn. 200).

67        e. Nach Maßgabe dieser Grundsätze darf der Antragsgegner Informationen an die schwedische Finanzverwaltung zur Vorbereitung einer Prüferentsendung zum Zwecke der Einholung von Auskünften übersenden.

68        aa. Soweit im Verfahren die Frage aufgeworfen wurde, ob das Auskunftsersuchen für die Besteuerung in Deutschland „erforderlich“ oder „voraussichtlich erheblich“ sein muss, sind die Tatbestandsmerkmale einheitlich zu verstehen. Dasselbe Merkmal ist in den Normen nur unterschiedlich umschrieben, allerdings ohne praktische Unterschiede. § 117 Abs. 1 AO gilt als Rechtsgrundlage für Auskunftsersuchen in andere Staaten und erfordert weder ein Amtshilfeabkommen noch eine sonstige zwischenstaatliche Regelung (vgl. Rätke in Klein, § 117 AO, Rn. 21). Das Merkmal der Erforderlichkeit wird über den in § 111 Abs. 1 AO geregelten Grundsatz, wonach Gerichte und Behörden die zur Durchführung der Besteuerung erforderliche Amtshilfe zu leisten haben, in § 117 Abs. 1 AO hineingelesen.

69        Gemäß § 117 Abs. 1 AO können Finanzbehörden zwischenstaatliche Amtshilfe „nach Maßgabe des deutschen Rechts“ in Anspruch nehmen. Dies bedeutet, dass neben anderen gegebenenfalls einschlägigen zwischenstaatlichen Rechtsnormen alle Normen des nationalen Rechts zwingend beachtet werden müssen (vgl. Hendricks in Beermann/Gosch, 3 117 AO, Rn. 50). Zum deutschen Recht gehört jedenfalls auch das EUAHiG, welches seinerseits Rechtsgrundlagen für die zwischenstaatliche Amtshilfe enthält. § 1 Abs. 1 EUAHiG bestimmt, dass in dem Gesetz der Austausch von „voraussichtlich erheblichen Informationen“ in Steuersachen geregelt ist. Mit dem Tatbestandsmerkmal der „voraussichtlichen Erheblichkeit“ wurde der OECD-Standard (vgl. Art. 26 OECD-MA) im EUAHiG übernommen. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass ein Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten im größtmöglichen Umfang stattfindet (vgl. Schwarz in Schwarz/Pahlke, § 1 EUAHiG, Rn. 3). Zugleich soll klargestellt werden, dass es den Mitgliedstaaten nicht gestattet ist, sich an Beweisausforschungen ("Fishing Expeditions") zu beteiligen oder um Informationen zu ersuchen, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie für die Steuerangelegenheiten eines bestimmten Steuerpflichtigen erheblich sind (vgl. Begründung zum Entwurf des EU-Amtshilfegesetz der Bundesregierung vom 25. Mai 2012, BR-Drucks. 302/12, S. 66 f.; FG Köln, Beschluss vom 07. September 2015, 2 V 1375/15, EFG 2015, 1769; FG Köln, Beschluss vom 23. Mai 2017, 2 V 2498/16, EFG 2017, 1322 m. Anm. Hennigfeld und Anm. Müller, DB 2017, 1744; EuGH vom 15.5.2017, C-682/15, ECLI:EU:C:2017:373). Im alten OECD-MA war noch das Tatbestandsmerkmal der „Erforderlichkeit“ der Auskunftserteilung enthalten. Rechtsprechung und Literatur gehen allerdings davon aus, dass in diesem Kontext das Merkmal der voraussichtlichen Erheblichkeit und das Merkmal der Erforderlichkeit einheitlich zu verstehen seien (Matthes in BeckOK AO, § 117 AO Rn. 64 m.w.N.).

70        Nichts anderes gilt im Hinblick auf das in § 117 Abs. 1 AO hineinzulesende Merkmal der Erforderlichkeit im Verhältnis zu dem im EUAHiG verwendeten Terminus der voraussichtlichen Erheblichkeit. Entscheidend ist, dass die begehrten Daten für die Subsumtion unter Besteuerungstatbestände in Deutschland vernünftigerweise für bedeutsam gehalten werden können. Stellt sich später heraus, dass die Daten tatsächlich nicht steuerlich relevant sind, kann hierdurch ein Ersuchen nicht rechtswidrig werden, auch wenn nach einem strengen Wortlautverständnis das Ersuchen um Daten, die im Ergebnis steuerlich nicht relevant sind, nicht erforderlich sein kann. Da die Frage, ob ersuchte Auskünfte tatsächlich für eine Besteuerung erforderlich sind, erst beantwortet werden kann, wenn die Auskünfte tatsächlich gegeben werden, muss das Merkmal der Erforderlichkeit dahingehend verstanden werden, dass die begehrten Auskünfte für die Besteuerung „voraussichtlich erheblich“ sein müssen. Eine solche Auslegung stellt auch sicher, dass die Voraussetzungen in den einzelnen Regelungen zum Informationsaustausch (§ 117 Abs. 1 AO, EUAHiG, DBA) einheitlich verstanden werden.

71        bb. Gemäß § 199 Abs. 1 AO hat die Betriebsprüfung die tatsächlichen rechtlichen Verhältnisse, die für die Besteuerungspflicht und die Bemessung der Steuer maßgebend sind, zu Gunsten und zu Ungunsten des Steuerpflichtigen zu prüfen. Die Finanzbehörde trägt also die Verantwortung für die Sachaufklärung, sie hat zugleich die Verfahrensherrschaft bei der Sachaufklärung. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen (vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 199 AO, Rn. 1 mit Verweis auf § 88, Rn. 1). Die Finanzverwaltung hat in diesem Zusammenhang das Recht und die Pflicht, Angaben eines Steuerpflichtigen zu verifizieren. Soweit eigene Sachaufklärungen im Ausland unzulässig sind, muss sich die Finanzbehörde der zwischenstaatlichen Amtshilfe bedienen, um dem Untersuchungsgrundsatz zu entsprechen. (vgl. FG Köln, Beschluss vom 23. Mai 2017, 2 V 2498/16, EFG 2017, 1322; Seer in Tipke/Kruse, § 88 AO Rn. 6; Hendricks in Beermann/Gosch, § 117 AO, Rn. 7; Schäffkes/Fechner/Schreiber, Simultane Betriebsprüfung mit dem EU-Ausland, DB 2017, 1668).

72        cc. Ziel der bayerischen Finanzverwaltung ist es, die Angaben der Antragstellerin hinsichtlich der Markenbewertungen zu prüfen und zu verifizieren. Im Betriebsprüfungsverfahren ergaben sich Anhaltspunkte dafür, dass in Schweden Entstrickungswerte angesetzt wurden, die mehrere Millionen € unter den Wertansätzen lagen, die in Deutschland im Rahmen der Verstrickung angegeben wurden. Aufgrund dieser deutlichen Diskrepanz hat die Finanzverwaltung das Recht und die Pflicht, die Angaben der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Einbuchung der Markenrechte kritisch zu hinterfragen.

73        Die Art und Weise der Prüfungsmethoden steht im Ermessen der Finanzverwaltung. Die Finanzverwaltung verfolgt die Absicht, durch Entsendung eines Prüfers nach Schweden festzustellen, welche Entstrickungswerte dort steuerlich angesetzt wurden und welcher Sachverhalt und welche Bewertungsmethoden zur Wertermittlung geführt haben. Ein solches Vorgehen ist sachgerecht, um zu prüfen, ob die Antragstellerin gegebenenfalls gegenüber der schwedischen Finanzverwaltung andere Angaben zur Markenbewertung gemacht hat, als gegenüber der deutschen Finanzverwaltung. Die Erkenntnisse hieraus sind für die deutsche Besteuerung insoweit von Bedeutung, als die Klärung der Frage, ob in Schweden möglicherweise andere Angaben als in Deutschland der Besteuerung zugrunde gelegt wurden, dazu dienen kann, eine Verifikation der im deutschen Besteuerungsverfahren vorgetragenen Ausführungen durchzuführen. Das Ergebnis kann bedeutsam für die Frage der Prüfungstiefe und weitere Ermittlungsmaßnahmen hinsichtlich der Markenbewertung sein.

74        dd. Hierfür ist ein Auskunftsersuchen gemäß § 6 Abs. 1 EUAHiG ein geeignetes Mittel, um die von dem Antragsgegner benannten Fragen hinsichtlich der Bewertung und der Ermittlung der Wertansätze in Schweden aufzuklären.

75        Die bayerische Finanzverwaltung hat auch gemäß § 6 Abs. 3 EUAHiG sämtliche Ermittlungsmaßnahmen hinsichtlich der in Schweden angesetzten Entstrickungswerte ausgeschöpft, da die Antragstellerin zwar im gerichtlichen Verfahren ein Bewertungsgutachten vorgelegt hat, entscheidende Wertansätze jedoch unkenntlich gemacht hat. Außerhalb einer grenzüberschreitenden Amtshilfe ist die Finanzverwaltung nicht in der Lage, die begehrten Informationen zu erhalten.

76        ee. Das Vorgehen der Finanzverwaltung ist ermessensgerecht. Grundsätzlich hat die Finanzverwaltung im Rahmen einer Betriebsprüfung einen weiten Ermessensspielraum, in welcher Weise und in welcher Prüfungstiefe sie Angaben eines Steuerpflichtigen prüft. Sie ist insofern „Herrin des Verfahrens“. Vor dem Hintergrund der angenommenen erheblichen Diskrepanzen zwischen den Wertansätzen in beiden Ländern, die von der Antragstellerin nicht substantiiert bestritten wurden, ist es nicht unverhältnismäßig, wenn sich die deutsche Finanzverwaltung mit der schwedischen Finanzverwaltung über die Ermittlung der Wertansätze austauscht. Dies gilt auch im Hinblick auf die beabsichtigte Entsendung eines Prüfers nach Schweden gemäß § 11 EUAHiG. Der Antragsgegner vertritt insoweit die Auffassung, dass ein schlichtes Übersenden eines Fragenkatalogs nicht in gleicher Weise geeignet wäre, beabsichtigte Ermittlungen zu einem Abschluss zu bringen, da durch die Anwesenheit eines Prüfers in Schweden Rückfragen vermieden und Unklarheiten vor Ort beseitigt werden könnten. Diese Einschätzung ist für das Gericht nachvollziehbar. Das Gericht geht insoweit auch von einer hinreichenden Komplexität des Ersuchens aus, da die Frage der Bewertung von Markenrechten – und dies zeigt bereits das Erstellen umfangreicher Gutachten seitens der Antragstellerin – von zahlreichen Aspekten (Bewertungsmethode, Grundannahmen, Vergleichszahlen etc.) abhängig ist.

77        Die beabsichtigte Prüferentsendung dient auch den Zielen der dem EUAHiG zu Grunde liegenden Richtlinie 2011/16/EU vom 11.3.2011. Die Richtlinie hat der Rat der EU vor dem Hintergrund der Einschätzung erlassen, dass im Zeitalter der Globalisierung der Bedarf der Mitgliedstaaten an gegenseitiger Amtshilfe im Bereich der Besteuerung immer vordringlicher werde, da durch die erhebliche Zunahme der Mobilität der Steuerpflichtigen sowie der Anzahl der grenzüberschreitenden Transaktionen es den Mitgliedstaaten immer schwieriger werde, die geschuldeten Steuern ordnungsgemäß festzusetzen (Erwägungsgrund 1). Ein einzelner Mitgliedstaat sei daher nicht in der Lage, sein internes Steuersystem zu verwalten, ohne Informationen aus anderen Mitgliedstaaten zu erhalten, weshalb es unumgänglich sei, eine neue Verwaltungszusammenarbeit zwischen den Steuerbehörden der Mitgliedstaaten zu entwickeln (Erwägungsgrund 2). Daher solle es mehr direkte Kontakte zwischen den für die Zusammenarbeit zuständigen lokalen und nationalen Behörden der Mitgliedstaaten geben, da das Fehlen direkter Kontakte die Effizienz beeinträchtige (Erwägungsgrund 8). In diesem Zusammenhang sei es wichtig, dass sich Bedienstete der Steuerverwaltung eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhalten dürften (Erwägungsgrund 13).

78        Es entspricht also dem ausdrücklichen Willen des Richtliniengebers, dass grenzüberschreitende Transaktionen durch eine grenzüberschreitende Verwaltungszusammenarbeit der Finanzbehörden begleitet werden. Es soll verhindert werden, dass Steuerpflichtige einzelnen nationalen Finanzbehörden gegenüber im Rahmen grenzüberschreitender Transaktionen unterschiedliche Angaben machen und die Unterschiedlichkeit der Angaben aufgrund nationaler Grenzen den Finanzverwaltungen der jeweils beteiligten Mitgliedstaaten nicht bekannt werden. Da im vorliegenden Fall die Möglichkeit besteht, dass in Schweden und Deutschland Bewertungsansätze erklärt wurden, die erheblich voneinander abweichen, ist es erforderlich, verhältnismäßig und auch zumutbar, wenn die deutsche Finanzverwaltung das Instrument des grenzüberschreitenden Auskunftsersuchens sowie einer Prüferentsendung nutzt, um die Steuern in Deutschland ordnungsgemäß festzusetzen.

79        f. Somit war der Antrag der Antragstellerin abzulehnen.

80        2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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