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Steuerrecht
10.09.2020
Steuerrecht
FG Köln: Europarechtliche Zweifel an der Umsatzbesteuerung von Freizeitparks

FG Köln, Beschluss vom 25.8.2020 – 8 K 1092/17

ECLI:DE:FGK:2020:0825.8K1092.17.00

Volltext des Beschlusses://BB-ONLINE BBL2020-2083-1

TENOR

I. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Kann die in Anhang III Kategorie 7 i.V.m. Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL erfolgte Benennung von Jahrmärkten und Vergnügungsparks im Sinne einer Differenzierung für eine Besteuerung eines Freizeitparks zum Regelsteuersatz herangezogen werden, obwohl die Bezeichnung „Vergnügungspark“ sowohl ortsgebundene als auch ortsungebundene Schaustellerunternehmen umfasst?

2. Ist die Rechtsprechung des EuGH, nach der der Kontext von verschiedenen Leistungen dazu führen kann, dass sie ungleichartig sind, auf die Leistungserbringung von ortsungebundenen Schaustellern und ortsgebundenen Schaustellerunternehmen in Gestalt von Freizeitparks anwendbar?

3. Sofern die Vorlagefrage zu 2. verneint wird:

Ist die „Sicht des Durchschnittsverbrauchers“, die entsprechend der EuGH-Rechtsprechung ein wesentliches Element des Grundsatzes der Neutralität der Umsatzsteuer darstellt, eine einer Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten nicht zugängliche „gedankliche Perspektive“?

II. Das Klageverfahren wird bis zu einer abschließenden Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union ausgesetzt.

MwStSystRL Art. 98, Abs. 2 i. V. m. Anhang III Kategorie 7, Art. 53; Art. 32 Durchführungserordnung (EU) Nr. 282/2011, Richtlinie 2006/112 EG (MwSt-DVO); Anhang H Kategorie 7 Richtlinie 77/388/EWG;  AEUV Art. 267 Abs. 2; UStG § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d; FGO § 90 Abs. 2, § 74;

Sachverhalt

Die Klägerin wurde im letzten Jahrhundert unter anderem durch Herrn A als Märchenwald eröffnet und entwickelte sich zu einem der bekanntesten europäischen Freizeitparks.

Mit Zahlung eines Eintrittsgeldes erwarben die Besucher im Streitjahr 2014, ebenso wie in den Jahren zuvor und danach, das Recht, die Einrichtungen des Freizeitparks zu nutzen.

Mit Antrag vom 09.11.2015 auf Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2014, erfolgt mit Umsatzsteuererklärung vom 04.11.2015, geändert durch Umsatzsteuerbescheide 2014 vom 30.03.2016, 10.01.2017 und 12.07.2017, machte die Klägerin geltend, dass die Eintrittsberechtigungen nach dem ermäßigten Umsatzsteuersatz gemäߧ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG zu versteuern seien.

Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 06.01.2016 ab. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 04.04.2017 als unbegründet zurückwies.

Mit ihrer Klage trägt die Klägerin vor:

Der ermäßigte Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d Umsatzsteuergesetz

(– UStG –) sei auch auf Freizeitparks anzuwenden. Es verstoße gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, dass die Finanzverwaltung und die Rechtsprechung die Umsätze ortsungebundener Schausteller anlässlich von saisonal und zeitlich begrenzten Jahrmärkten im Gegensatz zu den Umsätzen der ortsgebundenen Schaustellerunternehmen in Gestalt von Freizeitparks ermäßigt besteuerten.

Ein Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität liege vor, wenn gleichartige und deshalb untereinander im Wettbewerb stehende Waren und Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt würden.

Ob ein Verstoß vorliege, sei aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen.

Zur Unterstützung der richterlichen Entscheidungsfindung sei die Sicht des Durchschnittsverbrauchers im Streitfall durch ein Sachverständigengutachten zu ermitteln.

Die Wettbewerbssituation folge daraus, dass ein ortsgebundenes Schaustellerunternehmen in Gestalt eines Freizeitparks die gleichen Bedürfnisse der Verbraucher befriedige wie ortsungebundene Schausteller auf Jahrmärkten, wobei sich die Verbraucher aus der gleichen Zielgruppe zusammensetzten.

Das Bedürfnis nach einer optimalen Freizeitgestaltung und die Erlebnissuche in künstlichen Erlebniswelten würden durch ein gleiches Leistungsangebot der Jahrmärkte und Freizeitparks erreicht (Fahrgeschäfte aller Art, Achterbahn, TopSpins, Wasserbahnen, Freefall-Tower, Riesenräder, Karussells etc., Vorführungen artistischer Art sowie Imbiss- und Restaurationsleistungen).

Diverse, von ortsungebundenen Schaustellern veranstaltete Jahrmärkte stünden zudem in räumlicher Konkurrenz zu ihrem, der Klägerin, Freizeitpark und hätten zu denselben Zeitpunkten wie sie ihre umsatzstärksten Zeiten.

Gegen die geschilderte, durch die ermäßigte Besteuerung nur der Leistungen der ortsungebundenen Schausteller gegebene Wettbewerbsverzerrung im Verhältnis zu den ortsgebundenen Schaustellerunternehmen in Gestalt von Freizeitparks könne nicht ein unterschiedlicher Kontext der Leistungserbringung durch die ortsungebundenen Schausteller angeführt werden.

Der Kontext einer Leistungserbringung werde von dem EuGH bei der Überprüfung, ob die unterschiedliche Besteuerung von Wettbewerbern gegen den Grundsatz der Neutralität verstoße, herangezogen, wenn einer der Wettbewerber nach besonderen rechtlichen Vorgaben tätig sei.

Derartige rechtliche Vorgaben existierten aber weder für ortsgebundene noch ortsungebundene Schausteller. Beiden Gruppen von Schaustellern schreibe der Gesetzgeber nicht vor, ob sie ihre Leistungen nur temporär und zeitlich beschränkt oder ganzjährig erbringen. Ortsgebundene Schaustellerunternehmen in Gestalt von Freizeitparks könnten, wie die ortsungebundenen Schausteller auf Jahrmärkten, frei entscheiden, ob sie Eintrittsgelder für die Nutzung sämtlicher Leistungsangebote oder nur einen Preis pro Leistungsangebot berechneten.

Die in Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang III Kategorie 7 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das Mehrwertsteuersystem – MwStSystRL –  erfolgte Aufzählung von kulturellen Ereignissen und Einrichtungen, unter anderem Jahrmärkte und Vergnügungsparks, sei nicht abschließend und belege nicht, dass temporär und zeitlich beschränkte Jahrmärkte einen anderen Kontext hätten als ein ortsfester Vergnügungspark.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verpflichten, unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2014 vom 12.07.2017 die Umsatzsteuer 2014 unter Besteuerung ihrer Umsätze aus den Eintrittsberechtigungen für ihren Freizeitpark mit dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG festzusetzen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung seines Antrags beruft er sich auf das BFH-Urteil vom 02.08.2018 – V R 6/16 [BB 2018, 2723], ECLI:DE:BFH:2018:U.020818.VR6.16.0, mit dem der BFH die Revision eines Freizeitparks aus Baden-Württemberg gegen ein Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 23.09.2015 – 14 K 4220/12 als unbegründet zurückgewiesen hatte. Dort hatte das Finanzgericht eine Besteuerung der Umsätze aus Eintrittsberechtigungen in den Freizeitpark nach dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG abgelehnt.

Die Beteiligten haben gemäß § 90 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Aus den Gründen

Das Verfahren wird ausgesetzt

II. Der Senat legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die im Tenor genannten Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vor und setzt das vorliegende Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus.

Die Anrufung des EuGH ist gemäß Art. 267 AEUV geboten,

- 1. weil das Verständnis der in Art. 98 in Verbindung mit Anhang III Kategorie 7 MwStSystRL verwendeten Begriffe „Jahrmärkte“ und „Vergnügungsparks“ in entscheidungserheblicher Weise zweifelhaft ist;

- 2. weil in entscheidungserheblicher Weise zweifelhaft ist, ob die Rechtsprechung des EuGH, nach der der Kontext von zwei verschiedenen Leistungen zu berücksichtigen ist für die Beurteilung, ob ein Verstoß gegen den Grundsatz der Neutralität vorliegt, im vorliegenden Fall zur Anwendung kommt;

- 3. weil in entscheidungserheblicher Weise zweifelhaft ist, wie die für die Feststellung eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Neutralität nach der EuGH-Rechtsprechung maßgebliche „Sicht des Durchschnittsverbrauchers“ durch das nationale Gericht zu bestimmen ist.

Zeitraum 2014

1. Den Vorlagefragen liegt für den Zeitraum 2014 folgender rechtlicher Rahmen zugrunde:

Nationale Vorschriften

a) Nationales Recht

 

aa) § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG 2005 (Bundesgesetzblatt, Teil I 2005, Nr. 13, S. 386, 405):

Die Steuer ermäßigt sich auf 7 % für die folgenden Umsätze: ...

7. ...

d) die Zirkusvorführungen, die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller sowie die unmittelbar mit dem Betrieb der zoologischen Gärten verbundenen Umsätze;....

§ 30 UStDV

bb) § 30 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung – UStDV – (Bundesgesetzblatt Teil I 2005, Nr. 13, S. 434, 442) zu § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG

Als Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller gelten Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen.

Europarechtliche Vorschriften

b) Unionsrecht

Mehrwertsteuersystemrichtlinie

aa) Art. 98 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das Mehrwertsteuersystem – MwStSystRL –

Abs. 1

Die Mitgliedstaaten können ein oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden.

Abs. 2

Die ermäßigten Steuersätze sind nur auf die Leistungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien anwendbar.

Ermäßigte Steuersätze im Falle der Kategorie 7

bb) Anhang III – Verzeichnis der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, auf die ermäßigte Steuersätze gemäß Artikel 98 MwStSystRL angewandt werden können, Kategorie 7

DE:

Eintrittsberechtigungen für Veranstaltungen, Theater, Zirkus, Jahrmärkte, Vergnügungsparks, Konzerte, Museen, Tierparks, Kinos und Ausstellungen sowie ähnliche kulturelle Ereignisse und Einrichtungen;

EN:

admission to shows, theatres, circuses, fairs, amusement parks, concerts, museums, zoos, cinemas, exhibitions and similar cultural events and facilities;

FR:

le droit d'admission aux spectacles, théâtres, cirques, foires, parcs d'attraction, concerts, musées, zoos, cinémas, expositions et manifestations et établissements culturels similaires;

Dienstleistungen betreffend Eintrittsberechtigungen

cc) Art. 32 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwSt-DVO) zu Art. 53 MwStSystRL

DE:(1) Zu den Dienstleistungen betreffend die Eintrittsberechtigungen zu Veranstaltungen auf dem Gebiet. … der Unterhaltung, der ähnlichen Veranstaltungen im Sinne des Artikels 53 … gehören Dienstleistungen, deren wesentliche Merkmale darin bestehen, gegen eine Eintrittskarte … das Recht auf Eintritt … zu gewähren.

DE:

Eintrittsberechtigungen für Freizeitparks

(2) Abs. 1 gilt insbesondere für

a) das Recht auf Eintritt zu … Zirkusvorstellungen, Freizeitparks, Konzerten… sowie anderen ähnlichen kulturellen Veranstaltungen; …

EN:2.   Paragraph 1 shall apply in particular to:

(a) the right of admission to ... circus performances, fairs, amusement parks, concerts....and other similar cultural events;...

FR:

2.   Le paragraphe 1 s’applique notamment:

a) au droit d’accès à des ...spectacles de cirques, foires, parcs d’attraction, concerts....ainsi qu’à d’autres manifestations culturelles similaires; ….

Anwendung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität

2. Zur Rechtslage

Das vorlegende Gericht hat u.a. zu überprüfen, ob in Anwendung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers eine Gleichartigkeit der nach nationalem Recht ermäßigt besteuerten Schaustellerleistungen auf Jahrmärkten und ähnlichen temporären Veranstaltungen mit den Schaustellerleistungen in Gestalt von ortsfesten Vergnügungsparks bzw. Freizeitparks, die entsprechend nationaler höchstrichterlicher Rechtsprechung nach dem Regelsteuersatz besteuert werden, besteht.

Der BFH hat mit Urteil vom 02.08.2018 (BFH, Urteil vom 02.08.2018 – V R 6/16 [BB 2018, 2723], ECLI:DE:BFH:2018:U.020818.VR6.16.0, Juris) entschieden, dass die unterschiedliche umsatzsteuerliche Behandlung von Leistungen von Schaustellern, die ein Reisegewerbe betreiben, und von Leistungen eines dem von der Klägerin betriebenen, vergleichbaren ortsgebundenen Vergnügungsparks nicht gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstößt.

Hierzu hat der BFH unter Bezugnahme auf seine langjährige Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 22.10.1970 – V R 67/70, Juris; BFH, Urteil vom 22.06.1972 – V R 36/71, Juris; BFH, Urteil vom 25.11.1993 – V R 59/91 [BB 1994, 1277], Juris) ausgeführt:

§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG erfasse nur die Schausteller, die ein Reisegewerbe betreiben, nicht aber ortsgebundene Schaustellerunternehmen. Dies liege darin begründet, dass ein ortsgebundenes und zeitlich unbeschränkt tätiges Schaustellerunternehmen nicht als volksfestähnliche Veranstaltung anzusehen sei. Entscheidendes Kriterium sei die Begünstigung „des allgemeinen Volksvergnügens auf Volksfesten“ (BFH, Urteil vom 22.10.1970 – V R 67/70, Juris). Gegen die Einschränkung des Begünstigungstatbestandes auf Schausteller, die ein Reisegewerbe betreiben unter Ausschluss der ortsgebundenen Schaustellerunternehmen, bestünden im Hinblick auf das Unionsrecht keine Bedenken. Es stehe dem nationalen Gesetzgeber frei, in den Grenzen des Anhangs H Kategorie 7 zur Richtlinie 77/388/EWG die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes anzuordnen. Entscheide sich der nationale Gesetzgeber dafür, den durch die Kategorien des Anhangs H eingeräumten Gesetzgebungsspielraum auszunutzen, bestehe für ihn keine Verpflichtung, die einzelnen dort genannten Kategorien in ihrer Gesamtheit umzusetzen. Dementsprechend sei der nationale Gesetzgeber auch befugt, bei Ausübung der Ermächtigung in Anhang H Kategorie 7 der Richtlinie die Steuersatzermäßigung auf die Eintrittsberechtigung für Jahrmärkte sowie ähnliche Einrichtungen bei einem gleichzeitigen Ausschluss der in dieser Kategorie auch genannten Vergnügungsparks anzuordnen.

Der nationale Gesetzgeber habe dabei seine Umsetzungsentscheidung nicht nach Maßgabe der in anderen Mitgliedstaaten bestehenden Rechtslage auszurichten.

Es liege kein Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität vor. Dieser Grundsatz lasse es nicht zu, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. Dabei sei in erster Linie auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen, wobei künstliche, auf unbedeutenden Unterschieden beruhende Unterscheidungen zu vermeiden seien, so dass zwei Dienstleistungen als gleichartig anzusehen seien, wenn sie ähnliche Eigenschaften hätten und beim Verbraucher nach Maßgabe eines Kriteriums der Vergleichbarkeit in der Verwendung denselben Bedürfnissen dienten und wenn die bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers, die eine oder die andere dieser Dienstleistung zu wählen, nicht erheblich beeinflussten. Für die Beurteilung der Vergleichbarkeit von Leistungen sei auch der Kontext zu berücksichtigen, in dem sie erbracht würden. Könnten die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der ihnen zustehenden Befugnisse auch den Kontext der Leistungserbringung berücksichtigen, bestünden für den erkennenden Senat keine Zweifel, dass der Kontext eines nur temporär und zeitlich beschränkten Volksfestes oder Jahrmarktes, insbesondere auch aus der Sicht des Leistungsempfängers, ein anderer sei, als der bei einem ortsfesten Vergnügungspark. Hierfür spreche auch die sich letztlich bereits aus Anhang H Kategorie 7 zur Richtlinie 77/388/EWG selbst ergebende Differenzierung.

Grundsatz der Neutralität widerspricht der Besteuerung von Freizeitparks zum Regelsteuersatz

3. Entscheidungserhebliche Zweifel des beschließenden Senats

Der beschließende Senat hat entscheidungserhebliche Zweifel in Zusammenhang mit der Anwendung des Grundsatzes der Neutralität der Umsatzsteuer auf die Besteuerung der Leistungen durch Schaustellerunternehmen in Gestalt von Freizeitparks zum Regelsteuersatz.

Der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuerbesteuerung als Element des EU-Sekundärrechts (EuGH, Urt. v. 19.7.2012 – C-44/11 [RIW 2012, 644], ECLI:EU:C:2012:484 – Deutsche Bank AG, Juris, Rz.45; EuGH, Urt. v. 15.11.2012 – C-174/11 , ECLI:EU:C:2012:716 – Zimmermann, Juris, Rz.50; EuGH, Urt. v. 19.12.2012 – C-310/11, ECLI:EU:C:2012:822 – Grattan, Juris, Rz.29 ; EuGH, Urt. v. 13.3.2014 – C-366/12, ECLI:EU:C:2014:143 – Klinikum Dortmund, Juris, Rz.40 ; EuGH, Urt. v. 9.3.2017 – C-573/15, ECLI:EU:C:2017:189 – Oxycure Belgium, Juris, Rz.32), verlangt die steuerliche Gleichbehandlung von untereinander im Wettbewerb stehenden Waren und Dienstleistungen, mit denen Ausgangsumsätze getätigt werden (EuGH, Urt. v. 7.9.1999 – C-216/97 [EWS 2000, 177], ECLI:EU:C:1999:390 – Gregg, Juris, Rz.19  f.; EuGH, Urt. v. 3.5.2001 – C-481/98 [EWS 2001, 506], ECLI:EU:C:2001:237 – Kommission/Frankreich, Juris, Rz.22 ; EuGH, Urt. v. 17.2.2005 – C-453/02 und C-462/02 , ECLI:EU:C:2005:92 – Linneweber und Akritidis, Juris, Rz.24; EuGH, Urt. v. 26.5.2005 – C-498/03 , ECLI:EU:C:2005:322 – Kingscrest Associates und Montecello, Juris, Rz.54 ; EuGH, Urt. v. 8.6.2006 – C-430/04, ECLI:EU:C:2006:374 – Feuerbestattungsverein Halle, Juris, Rz.24).

Im Wettbewerb stehende Wirtschaftsteilnehmer sind umsatzsteuerlich gleich zu besteuern

Wirtschaftsteilnehmer, die untereinander im Wettbewerb stehende Umsätze tätigen, müssen umsatzsteuerrechtlich gleichbehandelt werden (EuGH, Urt. v. 6.11.2003 – C-45/01, ECLI:EU:C:2003:595 – Christoph Dornier-Stiftung für klinische Psychologie, Juris, Rz.44).

Die Anforderung der Gleichbehandlung erfasst dabei auch den Mehrwertsteuersatz.

Im Fall der Ermäßigung des Steuersatzes auf Grundlage von Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang III MwStSystRL billigt der EuGH, wenn die Mitgliedstaaten einen ermäßigten Steuersatz im Bereich der in Anhang III MwStSystRL aufgeführten Leistungen nur selektiv zur Anwendung bringen. Auch dann darf daraus jedoch keine den Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Umsatzsteuer verletzende Wettbewerbsverzerrung resultieren (EuGH, Urt. v. 6.5.2010 – C-94/09, ECLI:EU:C:2010:253 – Kommission/Frankreich, Juris, Rz.26; EuGH, Urt. v. 27.2.2014 – C-454/12 und C-455/12,ECLI:EU:C:2014:111 – Pro Med Logistik GmbH und Pongratz, Juris, Rz.43; EuGH, Urt. v. 9.3.2017 – C-573/15, ECLI:EU:C:2017:189 – Oxycure Belgium, Juris, Rz.28).

Ein Wettbewerbsverhältnis erfordert Leistungserbringer die gleichartige Leistungen erbringen

Ein Wettbewerbsverhältnis liegt vor, wenn Leistungserbringer gleichartige Leistungen erbringen. Die Gleichartigkeit indiziert das Wettbewerbsverhältnis (EuGH, Urt. v. 10.11.2011 – C-259/10 und C-260/10, ECLI:EU:C:2011:719 – The Rank Group, Juris, Rz.33; EuGH, Urt. v. 11.9.2014 – C-219/13 [BB 2015, 294 m. BB-Komm. Becker], ECLI:EU:C:2014:2207 – K, Juris, Rz.24 ; EuGH, Urt. v. 9.3.2017 – C-573/15, ECLI:EU:C:2017:189 – Oxycure Belgium, Juris, Rz.30).

Gleichartigkeit liegt vor, wenn zwei Leistungen ähnliche Eigenschaften haben und bei den Verbrauchern die gleichen Bedürfnisse bedienen, und zwar nicht anhand eines Kriteriums der strengen Identität der Leistungen, sondern aufgrund ihrer Ähnlichkeit und Vergleichbarkeit in der Anwendung (EuGH, Urt. v. 11.8.1995 – C-367/93 bis C-377/93 [RIW 1995, 955] – Roders, Juris, Rz.27; EuGH, Urt. v. 27.2.2002 – C-302/00, ECLI:EU:C:2002:123 – Kommission/Frankreich, Juris, Rz.23).

Die bestehenden Unterschiede der Leistungen dürfen die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers, die eine oder andere Leistung zu wählen, nicht erheblich beeinflussen (EuGH, Urt. v. 10.11.2011 – C-259/10 und C-260/10, ECLI:EU:C:2011:719 – The Rank Group, Juris, Rz.44 ; EuGH, Urt. v. 11.9.2014 – C-219/13 [BB 2015, 294 m. BB-Komm. Becker], ECLI:EU:C:2014:2207 – K, Juris, Rz.25 ; EuGH, Urt. v. 9.11.2017 – C-499/16 , ECLI:EU:C:2017:846 – AZ, Juris, Rz. Auch 31).

Die Vergleichbarkeit von zwei Leistungen ist nicht auf ihre Gegenüberstellung zu beschränken, vielmehr ist auch der Kontext zu berücksichtigen, in dem die Leistungen erbracht werden (EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – C-357/07, ECLI:EU:C:2009:248 – TNT Post, Juris, Rz.38; EuGH, Urt. v. 27.2.2014 – C-454/12 und C-455/12, ECLI:EU:C:2014:111 – Pro Med Logistik GmbH und Pongratz, Juris, Rz.55).

Begrifflichkeit Vergüngungspark ist nicht eindeutig zur umsatzsteuerlichen Abgrenzung geeignet

a. Entscheidungserhebliche Zweifel bezüglich der Begrifflichkeit „Vergnügungspark“

Der Bundesfinanzhof (BFH, Urteil vom 02.08.2018 – V R 6/16 [BB 2018, 2723], ECLI:DE: BFH:2018: U. 020818.VR6.16.0, Juris, Rz.30) beruft sich zur Begründung der Rechtmäßigkeit der Besteuerung von ortsgebundenen Schaustellerleistungen in Gestalt von Freizeitparks zum Regelsteuersatz unter anderem auf die in Anhang H Kategorie 7 i.V.m. Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabsätze 3 und 4 der Richtlinie 77/388/EWG (entspricht Anhang III Kategorie 7 i.V.m. Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL) erfolgte Aufzählung, in der neben Jahrmärkten auch Vergnügungsparks aufgeführt werden.

Die entsprechenden Bezeichnungen lauten im englischen Text „faires“ für Jahrmärkte und „amusement parks“ für Vergnügungsparks und im französischen Text „foires“ für Jahrmärkte und „parcs d’attraction“ für Vergnügungsparks.

In dem zu Art. 53 MwStSyStRL ergangenen Art. 32 MwSt-DVO werden die Bezeichnungen „faires“ und „amusement parks“ bzw. „foires“ und „parcs d’attraction“ hingegen in der deutschen Fassung lediglich durch den Begriff „Freizeitpark“ belegt.

Nach deutschem Sprachgebrauch werden unter einem Freizeitpark ortsgebundene Schaustellerunternehmen verstanden, während der Begriff des Vergnügungsparks sowohl für dauerhaft angelegte Vergnügungsparks, die dann Freizeitparks genannt werden, oder für zeitlich begrenzte Vergnügungsparks steht, die als Kirmes, Jahrmarkt oder Volksfest bezeichnet werden (https:/de.wikipedia.org/wiki -> vergnuegungspark, Aufruf 17.02.2020).

Synonyme für den Begriff „Vergnügungspark“ sind laut Duden.Online: Rummel, Jahrmarkt, Kirchweih(fest), Messe, Volksfest, (siehe www.duden.de/synonyme/vergnuegungspark, Aufruf am 09.08.2020).

Vielfältigkeit der Begriffe führt zur sprachlichen Konfusion

Der beschließende Senat hält es angesichts der dargestellten sprachlichen Konfusion für wünschenswert, dass sich der EuGH dazu äußert, wie die Begriffe „Jahrmärkte“, „Vergnügungsparks“ und „Freizeitparks“ in der MwStSystRL und MwSt-DVO zu definieren und voneinander abzugrenzen sind.Fraglich ist, ob vor dem Hintergrund, dass Vergnügungsparks sowohl ortsgebunden als auch ortsungebunden sein können, die Aufzählung der Begriffe  „Jahrmärkte“ und „Vergnügungsparks“ in Anhang III Kategorie 7 i.V.m. Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL (entspricht Anhang H Kategorie 7 i.V.m. Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabsätze 3 und 4 der Richtlinie 77/388/EWG) entsprechend den Ausführungen des Bundesfinanzhofs in Rz.30 seines Urteils vom 02.08.2018 (BFH, Urteil vom 02.08.2018 – V R 6/16 [BB 2018, 2723], ECLI:DE:BFH:2018:U.020818.VR6.16.0, Juris) als Argument für eine dem Grundsatz der Neutralität des Umsatzsteuerrechts entsprechende Umsatzbesteuerung von Schaustellern, die Schaustellerunternehmen in Gestalt von ortsgebundenen Vergnügungsparks betreiben, im Sinne einer Differenzierung herangezogen werden kann.

Die Beantwortung dieser Fragestellung ist entscheidungserheblich, denn sie ist (mit-) maßgeblich dafür, ob ortsungebundene Schausteller und ortsgebundene Schaustellerunternehmen wie die Klägerin wegen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität im Wettbewerb beim Steuersatz für ihre Leistungen mit ortsungebundenen Schaustellern gleich zu behandeln sind.

Anwendung der Kontext-Rechtsprechung

b. Entscheidungserhebliche Zweifel bezüglich der Anwendung der Kontext- Rechtsprechung des EuGH auf den vorliegenden Streitfall

Der Bundesfinanzhof (BFH, Urteil vom 02.08.2018 – V R 6/16 [BB 2018, 2723], ECLI:DE:BFH:2018: U.020818.VR6.16.0, Juris, Rz.29, 30) beruft sich zur Begründung der von ihm angenommenen Richtlinienkonformität der Besteuerung von Freizeitparks zum Regelsteuersatz auch darauf, dass eine Gleichartigkeit der Leistungen eines ortsgebundenen Schaustellerunternehmens in Gestalt eines Freizeitparks und den ermäßigt besteuerten Leistungen von Schaustellern, die ihr Reisegewerbe auf Jahrmärkten betreiben, wegen des unterschiedlichen Kontextes, in dem die Leistungen erbracht würden, zu verneinen sei.

Dass Schaustellerleistungen auf temporären und zeitlich beschränkten Jahrmärkten einerseits und Schaustellerleistungen in Gestalt von Freizeitparks andererseits in einem unterschiedlichen Kontext erbracht werden, steht für den Bundesfinanzhof, und nach seiner Meinung auch aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers derart ohne Zweifel fest, dass sich weitere Ausführungen zur Begründung dieser Auffassung zu erübrigen scheinen.

Der Begriff der Gleichartigkeit ist weit auszulegen

Der beschließende Senat weist insofern darauf hin, dass nach der EuGH-Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom 27.02.2002 – C-302/00, ECLI:EU:C:2002:123 – Kommission/ Frankreich, Juris, Rz.23) der Begriff der Gleichartigkeit der Leistung weit auszulegen ist.

In diesem Sinn hat der EuGH (EuGH, Urteil vom 10.11.2011 – C-259/10 und C-260/10, ECLI:EU:C:2011:719 – The Rank Group, Juris, Rz.50) entschieden, dass unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Wirtschaftszweige Unterschiede im rechtlichen Rahmen und der rechtlichen Regelung der betreffenden Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen in bestimmten Ausnahmefällen als Kontext der jeweils zu vergleichenden Leistungen dazu führen können, dass dieser Kontext aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu einer die Gleichartigkeit der Leistungen verhindernden Unterscheidbarkeit im Hinblick auf die Befriedigung seiner Bedürfnisse führen könne (vergleiche auch EuGH, Urteil vom 23.04.2009 – C-357/07, ECLI:EU:C:2009:248 – TNT Post UK, Juris Rz.38, 39,45; EuGH, Urteil vom 27.02.2014 – C-454/12 und C-455/12, ECLI: EU:C:214:111; – Pro Med Logistik und Pongratz, Juris, Rz.52 ff.).

Der beschließende Senat hat Zweifel, ob die Kontext-Rechtsprechung des EuGH, bezogen auf die Leistungen von Schaustellern, die ihre Leistungen auf Jahrmärkten temporär und zeitlich beschränkt darbringen, und auf die Schaustellerleistungen eines ortsgebundenen Schaustellerunternehmens, wie dem Freizeitpark der Klägerin, anwendbar ist.

Es existieren unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen

Der Kontext beider Schaustellerleistungen zeichnet sich nicht, wie in den vom EuGH entschiedenen zitierten Fällen (C-259/10 und C-260/10, C-357/07, C-454/12 und C-455/12), durch jeweils unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen aus.

So ist sowohl Schaustellerunternehmen, wie dem der Klägerin, als auch den Schaustellern auf Jahrmärkten nicht rechtlich vorgeschrieben, ob sie Eintrittsgelder für die Nutzung sämtlicher Schaustellerleistungen oder Einzelpreise pro Schaustellerleistung berechnen (siehe bezüglich einer ermäßigt zu besteuernden Eintrittsberechtigung für ein Dorffest, BFH, Urteil vom 05.11.2014 – XI R 42/12 [StB 2015, 6 Ls], Juris). Sowohl für die Fahrgeschäfte in Freizeitparks als auch auf Jahrmärkten gilt die Sicherheitsnorm DIN EN 13814 (www.tuev-nord.de/explorer/de unter: Was beschreibt die Norm DIN EN 13814?, aufgerufen am 10.08.2020).

Weder den ortsgebundenen Schaustellerunternehmen noch den ortsungebundenen Schaustellern ist gesetzlich vorgeschrieben, zu welchem Zeitpunkt im Jahr sie die Schaustellerleistungen darzubieten haben.

Keine rechtliche Rahmenbedingung im Sinne der Kontext-Rechtsprechung des EuGH ist nach Auffassung des beschließenden Senats der Umstand, dass die von Jahrmarkt zu Jahrmarkt reisenden Schausteller neben Reise- und Beförderungskosten auch einen erhöhten, den ständigen Abbau und Aufbau geschuldeten Verschleiß ihrer Anlagen zu tragen haben (vergleiche BFH, Urteil vom 22.06.1972 – V R 36/71, Juris).

Die Frage der Anwendbarkeit der Rechtsprechung des EuGH, nach der der Kontext von verschiedenen Leistungen dazu führen kann, dass sie ungleichartig sind und demzufolge der Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht auf sie anwendbar ist, ist für den vorliegenden Fall entscheidungserheblich dafür, ob ortsungebundene Schausteller und Freizeitparks, wie die Klägerin, beim Steuersatz für ihre Leistungen unterschiedlich behandelt werden können.

Die Perspektive des Durchschnittsverbrauchers trägt nicht

c. Entscheidungserhebliche Zweifel an dem Verständnis der „Sicht des Durchschnittsverbrauchers“ als einer Beweisaufnahme nicht zugänglichen, lediglich gedanklichen Perspektive

Der Bundesfinanzhof (BFH, Urteil vom 02.08.2018 – V R 6/16 [BB 2018, 2723], ECLI:DE:BFH:2018: U.020818.VR6.16.0, Juris, Rz.29, 30) beruft sich zur Begründung der von ihm angenommenen Richtlinienkonformität der Besteuerung von Freizeitparks zum Regelsteuersatz ebenfalls darauf, dass die seiner Auffassung nach bestehenden Unterschiede zwischen der Leistungserbringung durch ortsgebundene Schaustellerunternehmen in Gestalt von Freizeitparks zu der Leistungserbringung durch reisende Schausteller auf Jahrmärkten die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers, die eine oder andere dieser Leistungen zu wählen, nicht unerheblich beeinflussen und die Leistungen deshalb mit einem unterschiedlichen Steuersatz belegt werden können.

In Freizeitparks werden verschiedene Leistungen in Anspruch genommen wie auf Jahrmärkten

Aus dem Gesamtzusammenhang des BFH-Urteils vom 02.08.2018 (BFH, Urteil vom 02.08.2018 – V R 6/16 [BB 2018, 2723], ECLI:DE:BFH:2018:U.020818.VR6.16.0, Juris) könnte zu entnehmen sein, dass der wesentliche Unterschied nicht nur in der Ortsgebundenheit der Schaustellerleistungen zu erkennen sein soll, sondern auch darin, dass ein ortsgebundenes und zeitlich unbeschränkt tätiges Schaustellerunternehmen nicht – so wie die von Jahrmarkt zu Jahrmarkt reisenden Schausteller – einem allgemeinen Volksvergnügen auf Volksfesten diene (BFH, Urteil vom 02.08.2018 – V R 6/16 [BB 2018, 2723], ECLI:DE: BFH:2018:U.020818.VR6.16.0, Juris, Rz.23 mit Verweis auf BFH, Urteil vom 22.10.1970 – V R 67/70, Juris) und folglich nicht als eine volksfestähnliche Veranstaltung zu beurteilen sei.

Zu bedenken ist, dass auch in den Augen des BFH der Durchschnittsverbraucher in beiden Fällen, auf Jahrmärkten und in Freizeitparks, Schaustellerleistungen (typischerweise sind das Karussells, Riesenräder, Schaukeln, Achterbahn, Autodrome, Autoscooter, Belustigungsgeschäfte, Schaubuden, Ponyreiten, artistische Vorführungen, Konzerte, Bier- und Festzelte, verschiedene Themenbereiche etc.) in Anspruch nimmt.

Zwar tritt beim Freizeitpark ein Schaustellerunternehmen und beim Jahrmarkt eine Vielzahl von Schaustellern dem Durchschnittsverbraucher entgegen, d. h. es gibt erkennbare Unterschiede bei den räumlichen und zeitlichen Zugangsmöglichkeiten sowie auch beim Ambiente.

Die rechtlichen Aspekte müssen für die Vergleichbarkeit unerheblich sein

Aus der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urt. v. 10.11.2011 – C-259/10 und C-260/10, ECLI:EU:C:2011:719 – The Rank Group, Juris, Rz.47; EuGH, Urt. v. 17.2.2005 – C-453/02 und C-462/02 , ECLI:EU:C:2005:92 – Linneweber und Akritidis, Juris, Rz.29, 30), folgt jedoch, dass für die Vergleichbarkeit von Leistungen gerade diese Aspekte, die vom rechtlichen Kontext der Leistungserbringung zu unterscheiden sind, unerheblich sein sollen.

Der beschließende Senat gibt ferner zu bedenken, dass sich die Sicht des Durchschnittsverbrauchers des Jahres 2014 von der des Verbrauchers vor ca. 45 Jahren, der zwischen Volksfesten und Jahrmärkten einerseits und Freizeitparks andererseits nach dem Kriterium des fehlenden „allgemeinen Volksvergnügens“ bei einem ortsgebundenen Schaustellerunternehmen vermutlich begründet differenziert hat, verändert haben dürfte (siehe dazu auch Entscheidung des Österreichischen Unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Linz vom 10.03.2011 – ZI.RV/1355-L/09, Permalink unter III.1-3.1., findok.bmf.gv.at, aufgerufen am 17.02.2020, bestätigt durch Entscheidung des Österreichischen VwGH vom 27.11.2014 – VwGH 2011/15/0079, ECLI:AT:VWGH:2014:2011150079.X00).

Schaustellerleistungen lassen sich nicht in ortsungebunden und ortsgebunden unterscheiden

Unter der Voraussetzung, dass der Kontext zwischen der Leistung der ortsungebundenen Schausteller auf Jahrmärkten und den ortsgebundenen Schaustellerunternehmen, wie dem Freizeitpark der Klägerin, sich nicht unterscheidet, ist nach Auffassung des beschließenden Senats daher maßgeblich, welche Bedürfnisse aus der Sicht des heutigen Durchschnittsverbrauchers auf einem Jahrmarkt einerseits und in einem Freizeitpark andererseits bzw. gleichermaßen auf dem Jahrmarkt und im Freizeitpark befriedigt werden. Denkbar sind heutzutage neben der Teilnahme am allgemeinen Volksvergnügen und Brauchtumspflege, individuelles Glücksgefühl, Abenteuerlust, Kontaktmöglichkeiten, Freizeitvergnügen oder Wechsel aus dem Alltäglichen in künstliche Vergnügungswelten (siehe z.B. Szabo (Hsg.), Kultur des Vergnügens: Kirmes und Freizeitparks – Schausteller und Fahrgeschäfte, Facetten nicht alltäglicher Orte, transcript Verlage, 01.10.2019, ISBN13: 978-3837610703).

Nach Klärung der Bedürfnisse wäre festzustellen, ob die Schaustellerleistungen auf Jahrmärkten und in Freizeitparks für den Durchschnittsverbraucher nach einem Kriterium der Ähnlichkeit und Vergleichbarkeit in der Verwendung denselben Bedürfnissen dienen und die eventuell bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers, die Leistungen auf dem Jahrmarkt oder im Freizeitpark zu wählen, erheblich oder eben nicht erheblich beeinflussen (EuGH, Urt. v. 10.11.2011 – C-259/10 und C-260/10, ECLI:EU:C:2011:719 – The Rank Group, Juris, Rz.44 ; EuGH, Urt. v. 11.9.2014 – C-219/13 [BB 2015, 294 m. BB-Komm. Becker], ECLI:EU:C:2014:2207 – K, Juris, Rz.25 ; EuGH, Urt. v. 9.11.2017 – C-499/16 [BB 2015, 294 m. BB-Komm. Becker], ECLI:EU:C:2017:846 – AZ, Juris, Rz.31).

Ein empirisches Sachverständigengutachten ist notwendig

Hierzu sieht sich der beschließende Senat unter den nach Prozessrecht vorgesehenen Methoden nur mit Hilfe eines empirischen Sachverständigengutachtens in der Lage, denn er ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die ihm zur Verfügung stehende Sachkunde nicht ausreicht, um die Bedürfnisse des durchschnittlichen Jahrmarkt- und Freizeitpark-Besuchers so umfassend wie nötig zu kennen. Auf der Grundlage der ihm wahrscheinlich erscheinenden Bedürfnisse zu beurteilen, ob die Schaustellerleistungen auf Jahrmärkten und durch Freizeitparks aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers dieselben Bedürfnisse befriedigen, erscheint dem beschließenden Senat nicht sachgerecht.

Dabei geht der beschließende Senat davon aus, dass sich das empirische Sachverständigengutachten auf die Sicht des „angesprochenen“ Verbrauchers (vergleiche EuGH, Urteil vom 16.07.1998 – C-210/96, Juris, Rz.14, 15, 35; EuGH, Urteil vom 28. 01.1999 – C-303/97 [RIW 1999, 379], Juris, Rz.28; BVerwG, Beschluss vom 18.10.2000 – 1 B 45/00, Juris, Rz.4,5) beziehen sollte, d. h. als Referenzpersonen diejenigen ausscheiden sollten, die Jahrmärkte und Freizeitparks grundsätzlich nicht frequentieren (vergleiche Opaschowski, Pries, Reinhardt, Freizeitwirtschaft – die Leitökonomie der Zukunft, Bd. 2, Hamburg 2006, LitVerlag, ISBN 13: 9783825892975, Seite 126; Stiftung für Zukunftsfragen (vormals BAT Freizeit-Forschungsinstitut, www.stiftungfuerzukunftsfragen.de unter Publikationen, Freizeitmonitor 2014 (Download), zur Frequentierung von Volksfesten, Seite 98, zur Frequentierung von Freizeitparks, Seite 103, aufgerufen am 10.08.2020).

Allerdings ist fraglich, ob der beschließende Senat berechtigt ist, über die „Sicht des Durchschnittsverbrauchers“ bzw. über die Sicht des „angesprochenen Verbrauchers“ Beweis zu erheben.

Der Begriff gedankliche Perspektive ist unverständlich

Der BFH hat im Gegensatz zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Beschluss vom 18.10.2000 – 1 B 45/00, Juris, Rz.4 und 5 in Einklang mit dem EuGH, Urteil vom 16.07.1998 – C-210/96 Juris, Rz.14, 15, 35) entschieden, dass es keiner Beweiserhebung durch empirische Untersuchungen zur „Sicht des Durchschnittsverbrauchers“ auf zwei Leistungen in Zusammenhang mit dem Grundsatz der umsatzsteuerlichen Neutralität bedürfe, weil es sich dabei lediglich um eine „gedankliche Perspektive“ handele (BFH, Urteil vom 17.04.2008 – V R 39/05, Juris, Rz.40; BFH, Urteil vom 23.11. 2011 – XI R 6/08 [RIW 2010, 332], Juris, Rz.47; BFH, Beschluss vom 08.04.2014 – V B 38 / 13, Juris, Rz.19; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. 10.2016 – 7 K 7248/14,ECLI:DE:FGBEBB:2016:1013.7K7248.14.O.A, Juris, Rz.24; siehe auch Peltner in Weymüller, UStG, 2019, Verlag Beck, ISBN: 9783406717031, § 1 Rz.53.6).

Der Begriff „gedankliche Perspektive“ ist für den beschließenden Senat allerdings nicht verständlich.

Sollte damit zum Ausdruck kommen, dass die „Sicht des Durchschnittsverbrauchers“ ein objektivierter, allein juristisch zu interpretierender Verbraucherbegriff ist, ließe sich nicht erklären, dass tatsächlich die Sichtweise der Finanzgerichte bzw. letztlich des BFH, d. h. der entscheidenden Richter/innen, zur „Sicht des Durchschnittsverbrauchers“ zu werden scheint, wenn im Rahmen der Überprüfung des Grundsatzes der umsatzsteuerlichen Neutralität in einem Streitfall die Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu bestimmen ist (siehe beispielweise BFH, EuGH-Vorlage vom 02.08.2018 – V R 33/17 [BB 2018, 2773 Ls], ECLI:DE:BFH:2018:VE.020818.V R33.17.0, Juris, Rz.27, 28, 32 (dazu EuGH, Urteil vom 19.12.2019 – C-715/18, ECLI:EU:C:2019:1138 – Segler-Vereinigung Cuxhaven, Juris, Rz.37); BFH, Urteil vom 02.08.2018 – V R 6/16 [BB 2018, 2723], ECLI:DE:BFH:2018:U.020818.VR6.16.0, Juris, Rz.29, 30; BFH, Urteil vom 23.11. 2011 – XI R 6/08 [RIW 2010, 332, Juris, Rz.47; BFH, Urteil vom 10.08.2006 – V R 38/05 [BB 2006, 2346 Ls.], Juris, Rz.33-35; dazu Lipross, StbG (Die Steuerberatung) 2006, 577, II.2: „ein Phantom, der Durchschnittsverbraucher“ und II. 2b; FG Hamburg, Urteil vom 15.07.2014 – 3 K 207/13, ECLI:DE:FGHH:2014:0715.3K207.13OA, Juris, Rz.160-162; zur ähnlichen Problematik bei der einheitlichen Leistung, deren dominierender Teil ebenfalls aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu bestimmen ist: Tehler, EU-UStB 2018,7-9 zu EuGH, Urteil vom 18.01.2018 – C-463/16 [EWS 2016, 360 Ls], ECLI:EU:C:2018:22 – Stadion Amsterdam: „EuGH als Durchschnittsverbraucher“; BFH, Urteil vom 17.04.2008 – V R 39/05, Juris, Rz.40; auch Robisch in Bunjes, UStG, 19. Aufl., 2020, § 1, Rz.59b: „am Ende Perspektive der Richterinnen und Richter“).

Die Frage, ob der beschließende Senat berechtigt ist, über die „Sicht des Durchschnittsverbrauchers“ Beweis zu erheben, oder ob die „Sicht des Durchschnittsverbrauchers“ lediglich eine einer Beweiserhebung nicht zugängliche „gedankliche Perspektive“ ist, ist für den vorliegenden Streitfall entscheidungserheblich, denn eine Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten würde dem beschließenden Senat ermöglichen, die Tatsachen in Erfahrung zu bringen, um im Sinne des Grundsatzes der umsatzsteuerlichen Neutralität zu bestimmen, ob neben der Leistungserbringung durch ortsungebundene Schausteller auf Jahrmärkten auch Leistungen durch ortsfeste Schaustellerunternehmen wie dem der Klägerin in Gestalt ihres Freizeitparks dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen sind. 

4. Rechtsgrundlage der Vorlage

Die Einleitung des Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH beruht auf Art. 267 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).

Das Verfahren wird ausgesetzt

5. Zur Verfahrensaussetzung

Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Beschwerde ist ausgeschlossen

6. Eine Beschwerde gegen den Beschluss ist ausgeschlossen.

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