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Steuerrecht
05.09.2014
Steuerrecht
FG Münster: Erfassung des Aufgabegewinns eines Mitunternehmers bei rückwirkender Regelung über sein Ausscheiden aus der Gesellschaft

FG Münster, Urteil vom 12.6.2014 – 13 K 3330/11 F

Sachverhalt

Streitig ist, ob dem Kläger eine Zahlung wegen seines Ausscheidens aus der X. Y. GbR, der Beigeladenen, im Streitjahr 2008 oder erst im Folgejahr zuzurechnen ist.

Der Kläger war Gesellschafter der am 01.03.2005 gegründeten Beigeladenen mit einem Anteil am Gesellschaftsvermögen von 30 %. Neben ihm waren Herr D. K. mit einem Anteil von 40 % und Frau B. K. mit einem Anteil von 30 % am Gesellschaftsvermögen der Beigeladenen beteiligt.

Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten unter den Gesellschaftern erklärten die beiden letztgenannten Gesellschafter mit Schreiben vom 06.06.2008 dem Kläger gegenüber seinen Ausschluss aus der Beigeladenen. Zudem hielten diese beiden Gesellschafter am 04.07.2008 eine Gesellschafterversammlung der Beigeladenen ab – ohne Beteiligung des Klägers – und vereinbarten einen Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag. Dieser Nachtrag sah vor, dass der Kläger zum 31.05.2008 aus der Beigeladenen ausgeschieden war und sein Gesellschaftsanteil disquotal auf die verbliebenen Gesellschafter verteilt würde.

Daraufhin erhob der Kläger am 01.10.2008 eine zivilgerichtliche Klage vor dem Landgericht B1. gegen die beiden Gesellschafter D. K. und B. K. und beantragte festzustellen, dass der Ausschluss aus der Beigeladenen nichtig sei, hilfsweise, dass der Kläger nicht aus der Beigeladenen ausgeschieden sei. Das Landgericht B1. gab der Klage (dem Hauptantrag) mit Urteil vom 05.02.2009 statt (Az. …/08). Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil verwiesen.

Daraufhin legten die anderen Gesellschafter der Beigeladenen Berufung zum Oberlandesgericht I. ein. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht am 24.11.2009 schlossen die Parteien einen Vergleich mit folgendem Inhalt:

- 1.

Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Kläger per 1. Juli 2008 aus der X. Y. GbR ausgeschieden ist.

- 2.

Die Beklagten zahlen an den Kläger als Gesamtschuldner ein Abfindungsguthaben in Höhe von 30.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins, beginnend ab 1. Dezember 2009. (...)

- 5. Damit sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus dem gemeinsamen Betreiben der Firma X. Y. GbR abgefunden. Die GbR ist auseinandergesetzt. (...)

Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht I. verwiesen (Az. …/09).

Im Zuge der Auseinandersetzung der Beigeladenen lösten die Gesellschafter das Eigenkapital in der Weise auf, dass der Kläger das ihm zuzurechnende Eigenkapitalkonto mit einem Stand von ./. 9.306,26 EUR nicht ausgleichen musste.

Die Beigeladene hatte bereits am 08.04.2009 eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen des Jahres 2008 abgegeben. Der Beklagte erließ am 21.07.2009 einen erklärungsgemäßen Bescheid, mit dem er die gewerblichen Einkünfte der Beigeladenen mit 58.633,29 EUR und die hiervon auf den Kläger entfallenden Einkünfte mit 8.119,02 EUR feststellte. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung – AO –.

Im Nachgang zu dem vor dem Oberlandesgericht I. geschlossenen Vergleich ging bei dem Beklagten eine Berechnung ein, wonach sich der Gewinn geändert hatte, weil der Kläger im Jahr 2008 aus der Beigeladenen ausgeschieden war. Die Berechnung wies für 2008 für den Kläger ein „Kapitalkonto vor Ausscheiden“ in Höhe von 9.306,26 EUR und eine „Abfindung lt. Vergleich“ in Höhe von 30.000,- EUR aus.

Der Beklagte erließ daraufhin am 23.07.2010 gem. § 164 Abs. 2 AO einen Änderungsbescheid, mit dem er die gewerblichen Einkünfte der Beigeladenen auf 97.393,55 EUR und die hiervon auf den Kläger entfallenden Einkünfte auf 47.425,28 EUR erhöhte. Die auf den Kläger entfallenden Einkünfte setzten sich aus laufenden Gewinnen in Höhe von 8.119,02 EUR (wie zuvor) und einem Veräußerungsgewinn in Höhe von 39.306,26 EUR zusammen. Der Beklagte gab den Bescheid an den Kläger einzeln bekannt.

Der Kläger legte gegen den Änderungsbescheid am 12.08.2010 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 18.08.2011 als unbegründet zurückwies.

Daraufhin hat der Kläger am 19.09.2011 fristgemäß Klage erhoben, mit der er sich weiterhin gegen die Zurechnung der Abfindung von 30.000,- EUR und des übrigen Veräußerungsgewinns von 9.306,26 EUR wendet. Gegen die Zusammensetzung des letztgenannten Betrags hat er hingegen keine Einwendungen erhoben.

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, dass der Veräußerungsgewinn im Streitjahr unzutreffend erfasst worden sei.  Der Kläger sei zwar nur bis zum 01.07.2008 Beteiligter der Beigeladenen gewesen. Er sei aber erst aufgrund der Vereinbarung, die vor dem Oberlandesgericht I. am 24.11.2009 abgeschlossen worden sei, ausgeschieden. Erst in diesem Zeitpunkt sei vereinbart worden, dass dem Kläger ein Abfindungsguthaben in Höhe von 30.000,00 EUR zustehe. Die Vereinbarung sei erst zu diesem Zeitpunkt zivilrechtlich wirksam geworden und vollzogen worden. Für die steuerliche Zurechnung des Veräußerungsgewinns komme es aber auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit und des Vollzugs an. Dies gelte umso mehr, da offen sei, welche Entscheidung das OLG I. getroffen hätte, wenn der Vergleich nicht abgeschlossen worden wäre. Zudem habe der Kläger in erster Instanz obsiegt.

Die vom Beklagten angenommene steuerliche Rückwirkung des Vergleichs komme auch deshalb nicht in Betracht, weil zivilgerichtlich nicht über das „wann“, sondern nur über das „ob“ des Austritts aus der GbR gestritten worden sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung vom 23.07.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.08.2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach seiner Auffassung ist die im Jahr 2009 ausgehandelte Abfindung dem Kläger bei der Gewinnfeststellung für das Jahr 2008 als Veräußerungsgewinn zuzurechnen.

Denn wenn Streit über das Ausscheiden eines Mitgesellschafters bestehe und dieser Streit durch einen gerichtlichen Vergleich beigelegt werde, in dem ein früherer Ausscheidenszeitpunkt vereinbart werde, so sei dieser vereinbarte Ausscheidenszeitpunkt auch steuerrechtlich maßgeblich (Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7. 9. 2001 3 K 1973/98, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsreport – DStRE – 2002, 487). Auch der Bundesfinanzhof – BFH – habe entschieden, dass die spätere vergleichsweise Festlegung eines bisher strittigen Abfindungsanspruchs ein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit sei (BFH-Urteil vom 26. 7. 1984 IV R 10/83, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 141, 488, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1984, 786).

Der Senat hat am 12.06.2014 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Sitzung verwiesen.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

I.

Der angefochtene Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der Beigeladenen ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte war berechtigt, auf der Grundlage des § 164 Abs. 2 AO für das Streitjahr 2008 die Höhe des zuzurechnenden Gewinns zu ändern.

Der Beklagte hat dem Kläger rechtmäßigerweise einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 39.306,26 EUR im Jahr 2008 zugerechnet.

1. Gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die erzielt werden bei der Veräußerung des gesamten Anteils eines Gesellschafters, der – wie im Streitfall – als Mitunternehmer des Betriebs anzusehen ist. Veräußerungsgewinn im Sinne des Absatzes 1 ist gem. § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt. Als Veräußerung gilt gem. § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs sowie eines Anteils im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2. Der letztgenannte Fall liegt im Streitfall vor, da der Kläger im Zuge der Auseinandersetzung der Beigeladenen seinen Anteil an deren Gewerbebetrieb aufgegeben hat.

2. Der Beklagte hat den Veräußerungsgewinn im richtigen Jahr, nämlich im Streitjahr 2008 erfasst.

Zwar ist eine zivilrechtlich mögliche rückwirkende Regelung von Vertragsangelegenheiten steuerrechtlich grundsätzlich unbeachtlich (vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 33. Auflage, § 2 Rz. 50 mit weiteren Nachweisen). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nach der Rechtsprechung des BFH jedoch in bestimmten Fällen bei streitigen oder ungewissen Rechtsverhältnissen. Wird nämlich ein Streit über den Eintritt oder das Ausscheiden eines Mitgesellschafters nachträglich durch einen Vergleich oder ein Urteil klargestellt, sind die Wirkungen dieses Rechtsakts bereits für die Vergangenheit zu beachten (BFH-Urteile vom 18. 1. 1990 IV R 97/88, BFH/NV 1991, 21 mit Nachweisen aus der früheren Rechtsprechung; vom 26. 6. 2002 IV R 55/01, BFHE 199, 529, BStBl II 2003, 13 unter II.3.b der Gründe; vom 16. 5. 2013 IV R 6/10, BFH/NV 2013, 1584 unter II.3.c der Gründe zum umgekehrten Fall der Unwirksamkeit des Rechtsgeschäft; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 33. Auflage, § 2 Rz. 52). Der BFH betrachtet dies als ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (BFH-Urteil vom 16. 5. 2013 IV R 6/10, BFH/NV 2013, 1584 unter II.3.c der Gründe).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen sich der Senat anschließt, ist der Kläger nicht nur zivilrechtlich, sondern auch mit steuerlicher Wirkung zum 01.07.2008 aus der Beigeladenen ausgeschieden, so dass der Veräußerungsgewinn im Streitjahr zu erfassen war. Denn zwischen dem Kläger und den übrigen Gesellschaftern der Beigeladenen bestand Streit über das Ausscheiden des Klägers. Dieser Streit wurde nachträglich durch den vor dem Oberlandesgericht I. geschlossenen Vergleich vom 24.11.2009 beigelegt. Da der Kläger nach dem Inhalt dieses Vergleichs bereits zum 01.07.2008 aus der Beigeladenen ausgeschieden war, sind die Wirkungen des Vergleichs entsprechend der zitierten Rechtsprechung des BFH für die Vergangenheit zu beachten. Auf den Zeitpunkt der zivilrechtlichen „Wirksamkeit“ und des „Vollzugs“ des Vergleichs, wie der Kläger meint, kommt es demgegenüber nicht an.

Dem steht – anders als der Kläger meint - nicht entgegen, dass er zivilgerichtlich in erster Instanz vor dem Landgericht B1. obsiegt und das Landgericht festgestellt hatte, dass sein Ausschluss aus der Beigeladenen nichtig war. Denn dieses Urteil vom 05.02.2009 ist aufgrund des Berufungsverfahrens nicht in Rechtskraft erwachsen. Vielmehr ist eine endgültige und rechtsverbindliche Regelung erst durch den Vergleich vom 24.11.2009 vor dem Oberlandesgericht I. entstanden, der wie beschrieben auch steuerlich ein rückwirkendes Ereignis darstellt.

Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg einwenden, eine steuerliche Rückwirkung des Vergleichs sei ausgeschlossen, weil zivilgerichtlich nicht über das „wann“, sondern nur über das „ob“ des Austritts aus der Beigeladenen gestritten worden sei. Denn die Frage, ob der Kläger aus der Beigeladenen ausgetreten ist, impliziert notwendig auch die Frage, wann er ausgeschieden ist, sofern die erste Frage – wie im Streitfall – bejaht wird. Beide Fragen sind im Vergleich vom 24.11.2009 geregelt worden.

3. Der Beklagte hat auch die Höhe des Veräußerungsgewinns zutreffend ermittelt.

Aus dem zivilgerichtlichen Vergleich vom 24.11.2009 ergab sich ein Abfindungsguthaben von 30.000,- EUR. Soweit der Beklagte dem Kläger darüber hinaus einen Veräußerungsgewinn von 9.306,26 EUR zugerechnet hat, begegnet dies ebenfalls keinen Bedenken. Denn der Beklagte hat das Eigenkapitalkonto des Klägers bei Ausscheiden (./. 9.306,26 EUR) in nicht zu beanstandender Weise gewinnerhöhend berücksichtigt, da der Kläger hierfür keinen Ausgleich an die Beigeladene leisten musste. Der Kläger hat auch keine Einwendungen in Bezug auf die Höhe des Veräußerungsgewinns vorgebracht.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung, dass die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht zu erstatten sind, beruht auf § 139 Abs. 4 FGO.

 

 

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