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Steuerrecht
12.03.2024
Steuerrecht
FG Münster: Einkommensteuer auf Veräußerungsgewinn als Masseverbindlichkeit

FG Münster, Urteil vom 25.1.2024 – 10 K 1934/21 E, Rev. eingelegt (Az. BFH IX R 6/24)

ECLI:DE:FGMS:2024:0125.10K1934.21E.00

Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2024-611-1

NICHT AMTLICHE LEITSÄTZE

1. Die Einkommensteuer ist verschiedenen insolvenzrechtlichen Forderungskategorien zuzuordnen, nämlich Insolvenzforderungen, Masseverbindlichkeiten als Forderungen gegen die Insolvenzmasse sowie Forderungen gegen das insolvenzfreie Vermögen.

2. Wird ein mit einem Absonderungsrecht belastetes Grundstück des Insolvenzschuldners im Rahmen des Insolvenzverfahrens auf Betreiben des absonderungsberechtigten Gläubigers versteigert, hängt die Frage, ob die Einkommensteuer aus dem Veräußerungserlös Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung ist davon ab, wann die Beschlagnahme des Grundstücks vorgenommen wurde. Wird ein Zwangsvollstreckungsverfahren vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingeleitet, so ist die auf den Veräußerungsgewinn anfallende Einkommensteuer keine Massenverbindlichkeit.

EStG § 23; InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 38; FGO § 90 Abs. 2 § 100 Abs. 1 S. 1, § 135 Abs. 1, § 151 Abs. 3, § 155; ZPO § 708 Nr. 10, § 711

Sachverhalt

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob durch die Zwangsversteigerung eines in der Insolvenzmasse befindlichen Grundstücks der Tatbestand des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllt ist und ob die auf diesen Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer eine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) darstellt.

Der Insolvenzschuldner B (B) war seit November 2012 Eigentümer einer in C D gelegenen Eigentumswohnung WE Nr. … in der Immobilie „E“ (nachfolgend ETW). Aufgrund von Steuerrückständen beantragte der Beklagte (das Finanzamt --FA--) aus einer auf diesem Grundstück zu seinen Gunsten eingetragenen Zwangshypothek die Zwangsversteigerung in dieses Objekt beim Amtsgericht (AG) C. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des AG C vom 14.12.2018 positiv beschieden.

Über das Vermögen des B wurde am … 05.2020 mit Beschluss des AG C (Az.: … IN …/19) das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit Zuschlagsbeschluss des AG C vom 25.11.2020 (Az.: … K …/18) wurde die ETW durch ein Bargebot von 222.222,- € [Betrag wurde zwecks Neutralisierung im gesamten Urteil geändert] veräußert. Das FA ermittelte auf der Grundlage dieses Verkaufspreises einen - der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitigen - Veräußerungsgewinn gemäß § 23 EStG in Höhe von 111.111,- € und vertrat insoweit die Auffassung, dass es sich bei der auf diesen Veräußerungsgewinn entfallenden Einkommensteuer um Masseverbindlichkeiten i.S. des § 55 InsO handeln würde. In dem an den Kläger adressierten Einkommensteuerbescheid für 2020 vom 19.05.2021 berücksichtige das FA daher u.a. einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 111.111,- € und setzte die Einkommensteuer 2020 gegenüber dem Kläger auf … € [zweck Neutralisierung wurde der Betrag entfernt] fest. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf die Steuerberechnung des FA vom 19.05.2021 sowie die entsprechende Anlage „Abrechnungsteil zum Einkommensteuerbescheid 2020 („Masseverbindlichkeiten“)“ in der Steuerakte des B Bezug genommen.

Gegen diesen Einkommensteuerbescheid legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein und wandte sich gegen den Ansatz eines steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns. Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 28.06.2021 als unbegründet zurück.

Der Kläger hat daraufhin die vorliegende Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung führt er aus, entgegen der Auffassung des FA läge im Streitfall kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 EStG vor. Zwar sei es zutreffend, dass auch ein Grundbesitzwechsel im Rahmen der Zwangsversteigerung grundsätzlich den Tatbestand der Veräußerung i.S.d. § 23 EStG erfülle. Dies sei dem Umstand geschuldet, dass ein „normaler“ Grundstückseigentümer durch Zahlung der Schuld die Zwangsversteigerung abwenden könne. Im vorliegenden Streitfall gelte aber die Besonderheit, dass noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Beschlagnahme des Grundstücks durch einen absonderungsberechtigten Vollstreckungsgläubiger erfolgt sei. Dies habe im Streitfall zur Folge, dass der Veräußerung im Wege der Zwangsversteigerung keine willentliche wirtschaftliche Betätigung des B bzw. des Insolvenzverwalters mehr zugrunde gelegen habe. Denn die Zwangsversteigerung könne in dieser Fallkonstellation ohne die Einwirkungsmöglichkeit des Insolvenzschuldners bzw. des Insolvenzverwalters von Seiten des Vollstreckungsgläubigers durchgeführt werden. Die fehlende Einwirkungsmöglichkeit des Insolvenzschuldners beruhe darauf, dass dieser aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr verfügungsberechtigt sei (§ 80 InsO). Dem Insolvenzverwalter sei es ebenfalls nicht mehr möglich auf die Verwertung des bereits zuvor wirksam beschlagnahmten Gegenstandes Einfluss zu nehmen. So sei dem absonderungsberechtigten Vollstreckungsgläubiger gemäß § 49 InsO ein eigenes Versteigerungsrecht eingeräumt. Diese Möglichkeit zur Verwertung könne der Insolvenzverwalter nicht abwenden. Insbesondere sei die freihändige Verwertung des Insolvenzverwalters gemäß § 165 InsO dem Recht des Vollstreckungsgläubigers nach § 49 InsO insoweit nachrangig. Der Insolvenzverwalter könne daher in diesem Fall die Versteigerung durch den absonderungsberechtigten Vollstreckungsgläubiger nicht abwenden, ohne gegen die zwingenden Vorschriften der §§ 38, 87 InsO zu verstoßen. Da im Streitfall also weder der B als Vollstreckungsschuldner noch der Insolvenzverwalter die Zwangsversteigerung hätten verhindern können, mangele es an dem Tatbestandsmerkmal der „Veräußerung“ im Sinne des § 23 EStG. Der vorliegende Sachverhalt sei mit der Zwangsenteignung eines Grundbesitzers aufgrund eines staatlichen Hoheitsaktes kraft Gesetzes vergleichbar. In seiner Entscheidung vom 23.07.2019 (Az. IX R 28/18) habe der BFH hierzu die Auffassung vertreten, dass ein Entzug des Eigentums durch Sonderungsbescheid nach dem Bodensonderungsgesetz keine Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG darstelle, da der Verlust des Eigentums am Grundstück ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen stattfinde. Diese Rechtsprechung sei auch auf den vorliegenden Streitfall übertragbar.

Darüber hinaus könne der Veräußerungsvorgang, unterstellt, dass dieser steuerbar und steuerpflichtig sei, nicht als Masseverbindlichkeit Berücksichtigung finden. Die Zwangsversteigerung sei im Streitfall bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den absonderungsberechtigten Vollstreckungsgläubiger beantragt worden. Der Insolvenzverwalter selbst habe weder gehandelt, noch die Verwertung der Immobilie betrieben. Auch sei er an der Verteilung des Veräußerungserlöses nicht beteiligt gewesen, da die Verteilung des Erlöses auf Antrag der Vollstreckungsgläubigerin durch Teilungsbeschluss des AG C durchgeführt worden sei. Hinzu komme, dass der Insolvenzmasse auch kein Gewinn erstanden sei, da der Versteigerungserlös in voller Höhe an die Gläubiger ausgekehrt worden sei.

Zumindest hätte das FA konsequenterweise auch die Ergebnisse des Zwangsversteigerungsverfahrens gemäß Zuschlag vom ….06.2021 betreffend das Grundstück „F“ berücksichtigen müssen, was im Streitfall allerdings unterblieben sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Einkommensteuerbescheid für 2020 vom 19.05.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.06.2021 dahingehend zu ändern, dass die bisher angesetzten Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 111.111 € nicht mehr angesetzt werden.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach seiner Ansicht ist die Klage unbegründet. Entgegen der Auffassung des Klägers sei im Zusammenhang mit der Zwangsversteigerung der ETW zu Recht ein Veräußerungsgewinn gemäß § 23 EStG angesetzt worden. Die Voraussetzungen für eine Veräußerung i S. der §§ 22 Nr. 2, 23 EStG lägen vor. Veräußerung i.S.d. § 23 EStG sei jede entgeltliche Übertragung des angeschafften Wirtschaftsguts an einen Dritten. Für das Entstehen der Steuerpflicht sei es auch unerheblich, ob der Steuerpflichtige in spekulativer Absicht gehandelt habe. Bei privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG sei das Motiv einer Veräußerung nach dem Gesetzeswortlaut unerheblich. Eine Veräußerungsabsicht brauche nicht vorzuliegen. Daher fielen auch Veräußerungen aus wirtschaftlichem Zwang wie bei einer Zwangsversteigerung unter die Regelung des § 23 EStG.

Die Ergebnisse aus der Zwangsversteigerung der in C gelegenen Eigentumswohnung F seien im Streitjahr nicht zu berücksichtigen, da zwischen der Anschaffung dieses Objekts durch den Insolvenzschuldner und der Veräußerung im Rahmen der Zwangsversteigerung mehr als 10 Jahre liegen würden und daher der Tatbestand des § 23 EStG insoweit nicht erfüllt sei.

Mit Schreiben vom 22.06.2022 bzw. mit Schreiben vom 28.06.2022 haben der Kläger und das FA einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen, die beigezogenen Verwaltungsakten des FA sowie die beigezogenen Zwangsversteigerungsakten des AG C Bezug genommen.

Aus den Gründen

I. Der Senat hat gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entschieden.

II. Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2020 vom 19.05.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.06.2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. Satz 1 FGO. Das FA hat den Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften i.H.v. 111.111,- € zu Unrecht in die Festsetzung der Einkommensteuer 2020 einbezogen.

Vom Gericht konnte im Streitfall unentschieden bleiben, ob die Zwangsversteigerung der in der Insolvenzmasse befindlichen ETW eine „willentliche“ Veräußerung i.S. des § 23 EStG darstellt und damit der Tatbestand des § 23 EStG tatsächlich verwirklicht ist. Das FA hat jedenfalls zu Unrecht die Einkommensteuer, soweit sie aus der Verwertung der zur Insolvenzmasse gehörenden ETW resultiert, als Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfasst und dementsprechend auch rechtswidrig eine auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer gegenüber dem Kläger durch Steuerbescheid festgesetzt.

1. Bei der im angefochtenen Einkommensteuerbescheid festgesetzten Einkommensteuer, soweit diese auf den vom FA angesetzten Veräußerungsgewinn gemäß §§ 22, 23 Abs. 1 EStG entfällt, handelt es sich - entgegen der Auffassung des FA - nicht um Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Dies beruht auf Folgendem:

a. Im Fall der Insolvenz ist die Einkommensteuer verschiedenen insolvenzrechtlichen Forderungskategorien zuzuordnen. Zu unterscheiden ist zwischen Insolvenzforderungen, Masseverbindlichkeiten als Forderungen gegen die Insolvenzmasse sowie Forderungen gegen das insolvenzfreie Vermögen.

Insolvenzforderungen i.S.v. § 38 InsO sind solche Forderungen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren. Dagegen handelt es sich um Masseverbindlichkeiten i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, soweit die Verbindlichkeiten entweder durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder aber in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Sie werden nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet. Die Zuordnung der Steuerforderung bestimmt sich dabei nicht nach dem Steuerrecht, sondern nach dem Insolvenzrecht. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der gegen den Insolvenzschuldner gerichtete Anspruch begründet wird. Dabei wird die Einkommensteuerschuld für die insolvenzrechtliche Zuordnungsentscheidung schon dann begründet, wenn im Laufe des Veranlagungszeitraums die einzelnen für die Höhe des Jahreseinkommens maßgeblichen Besteuerungsmerkmale verwirklicht werden. Ob und wann ein Besteuerungstatbestand nach seiner Art und Höhe tatbestandlich verwirklicht und damit insolvenzrechtlich begründet ist, richtet sich auch im Anschluss an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausschließlich nach steuerrechtlichen Grundsätzen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 29. August 2007 IX R 4/07, BStBl II 2010, 145; vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BStBl II 2009, 682). Bezogen auf die Einkommensteuer kommt es für die insolvenzrechtliche Begründung der Steuerforderung folglich darauf an, ob der einzelne (unselbständige) Besteuerungstatbestand - insbesondere die Einkünfte nach § 2 Abs. 1 EStG - vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde (vgl. insoweit auch BFH-Urteil vom 09. Dezember 2014  X R 12/12, BStBl II 2016, 852). Auf die Entstehung des Steueranspruchs im Sinne des § 38 AO kommt es dagegen nicht an (vgl. Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 251 AO Rn. 40, m.w.N.). Sind in einem Veranlagungszeitraum mehrere insolvenzrechtliche Forderungskategorien betroffen, so ist die einheitlich ermittelte Einkommensteuerschuld aufzuteilen. Der Insolvenzverwalter ist allein Adressat der Steuerbescheide über Ansprüche, die Masseverbindlichkeiten darstellen. Hingegen ist er nicht Adressat der Verwaltungsakte, die das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners betreffen. Diese sind dem Insolvenzschuldner bekannt zu geben (Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 3.196). Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Steuerforderungen sind beim Insolvenzverwalter zur Tabelle anzumelden (§ 174 Abs. 1 Satz 1 InsO).

b) Zu der vorliegend in Rede stehenden Konstellation, in der ein mit einem Absonderungsrecht belastetes Grundstück des Insolvenzschuldners im Rahmen des Insolvenzverfahrens auf Betreiben des absonderungsberechtigten Gläubigers versteigert wird, hat der BFH bislang die folgenden Entscheidungen getroffen:

Mit Urteil vom 14. Februar 1978 (VIII R 28/73, BStBl II 1978, 356) hat der BFH – noch zu der seinerzeit geltenden Konkursordnung – entschieden, dass für den Fall, dass die Zwangsversteigerung durch den absonderungsberechtigten Gläubiger bereits vor der Eröffnung des Konkursverfahrens eingeleitet und das Grundstück beschlagnahmt wurde, die Einkommensteuer, die auf den später während des Konkursverfahrens entstandenen Veräußerungsgewinn anfällt, nicht zu den Massenverbindlichkeiten gehört (s. hierzu auch Sächsisches FG , Urteil vom 18. Oktober 2013 4 K 579/13, juris).

Mit Urteil vom 7. Juli 2020 (X R 13/19, BStBl II 2021, 174) hat der BFH – zur heute geltenden Insolvenzordnung – demgegenüber entschieden, dass für den Fall, dass für ein zur Insolvenzmasse gehörendes und mit einem Absonderungsrecht belastetes Grundstück die Zwangsversteigerung durch den absonderungsberechtigten Gläubiger nach Insolvenzeröffnung eingeleitet wird und in der Folge versteigert wird, die auf den Veräußerungsgewinn anfallende Einkommensteuer zu den Massenverbindlichkeiten i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO gehört. Sie ist dann eine „in anderer Weise“ durch die Verwaltung bzw. Verwertung begründete Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 2. Fall InsO.

Zugleich hat der BFH sich in seinem vorgenannten Urteil vom 7. Juli 2020 (X R 13/19, BStBl. II 2021, 174) von seiner sehr viel älteren Entscheidung vom 14. Februar 1978 (VIII R 28/73, BStBl II 1978, 356) abgegrenzt. Diese frühere Entscheidung stehe seiner nunmehrigen Beurteilung nicht entgegen. Sie sei zu einem anderen Sachverhalt ergangen, nämlich zu dem Sonderfall, dass ein absonderungsberechtigter Gläubiger eine vor der Eröffnung des Konkursverfahrens eingeleitete Zwangsversteigerung eines Grundstücks weiter betrieben habe.

Der Senat versteht die vorgenannten Entscheidungen des BFH so, dass die Abgrenzung danach vorzunehmen ist, ob es vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu der Beschlagnahme des Grundstücks gekommen ist.

c) Nach diesen Maßstäben stellt im vorliegenden Streitfall die Einkommensteuer 2020, soweit sie auf den Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften entfällt, keine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar.

Zwar ist der Zuschlag zur Versteigerung der ETW erst im November 2020 und damit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des B im Mai 2020 erteilt worden. Damit wäre ein entsprechender Steuertatbestand i.S.d. § 23 EStG grundsätzlich erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden. Die Zwangsvollstreckung beruhte aber auf einem bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingeleiteten Verfahren. Es war bereits zuvor durch den Beschluss des AG C vom ….12.2018 zur Beschlagnahme des Grundstücks i.S.v. § 22 ZVG gekommen. Damit gehörte nach der o.g. Rechtsprechung des BFH die auf den Veräußerungsgewinn anfallende Einkommensteuer nicht zu den Massenverbindlichkeiten i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO).

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

IV. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Es handelt sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung. Zwar versteht der Senat die Rechtsprechung des BFH auf die o.g. Weise und folgt ihr. Jedoch hält er gleichwohl die Frage für klärungsbedürftig, ob die danach bestehende und auf seine noch zur Konkursordnung ergangene Entscheidung vom 14. Februar 1978 (VIII R 28/73, BStBl II 1978, 356) zurückgehende Differenzierung danach, ob es vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu der Beschlagnahme des Grundstücks gekommen ist, tatsächlich (noch) uneingeschränkt so zu verstehen ist.

In seiner Entscheidung vom 7. Juli 2020 (X R 13/19, BStBl II 2021, 174) hat der BFH – so das Verständnis des Senats – im Wesentlichen die folgenden drei Umstände zur Begründung dafür angeführt, dass für den Fall, dass für ein zur Insolvenzmasse gehörendes und mit einem Absonderungsrecht belastetes Grundstück die Zwangsversteigerung durch den absonderungsberechtigten Gläubiger nach Insolvenzeröffnung eingeleitet wird, die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer eine „in anderer Weise“ durch die Verwaltung bzw. Verwertung begründete Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 2. Fall InsO ist: Er hat zunächst ausgeführt, Anknüpfungspunkt für die Zuordnung zu den Masseverbindlichkeiten sei der Umstand, dass das Grundstück bis zur Verwertung Teil der Insolvenzmasse gewesen sei und der Insolvenzverwalter bis zum Versteigerungstermin die Möglichkeit gehabt habe, das Grundstück aus der Insolvenzmasse freizugeben (unter II.1.c bb (2)). Des Weiteren hat er ausgeführt, eine Kontrollüberlegung zeige, dass die Zuordnung zu den Masseverbindlichkeiten die zutreffende Auslegung der Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sei: Sähe man das anders, wäre die durch eine Zwangsversteigerung der vorliegenden Art entstehenden Einkommensteuerschuld selbst dann keine Masseverbindlichkeit, wenn ein solcher Veräußerungserlös erzielt werde, dass nach Vorwegbefriedigung des absonderungsberechtigten Gläubigers ein (erheblicher) Erlös auch der Masse zuflösse und diese bereicherte (unter II.1.c bb (3) (a)). Schließlich hat der BFH – zur Abgrenzung von seiner früheren Entscheidung vom 14. Februar 1978 (VIII R 28/73, BStBl II 1978, 356) – ausgeführt, in dem ihm vorliegenden Fall, in dem das Zwangsversteigerungsverfahren erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingeleitet worden sei, habe der Insolvenzverwalter bis zu dessen späteren Beschlagnahme eine eigene Verwertungsmöglichkeit gehabt, und zwar die Möglichkeit zu einer freihändigen Veräußerung. Diese Möglichkeit habe in dem Sachverhalt, der seiner früheren Entscheidung zugrunde gelegen habe, von vornherein nicht bestanden (unter II.1.c bb (3) (c)).

Der Senat geht davon aus, dass zwei der vorgenannten drei Umstände auch für den Fall gelten, dass es vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Beschlagnahme des Grundstücks gekommen ist: Auch in diesem Fall gehört das mit einem Absonderungsrecht belastete Grundstück zur Insolvenzmasse. Den Erlös aus der Verwertung erhält zunächst der absonderungsberechtigte Gläubiger in der Höhe seines Absonderungsrechts. Ein evtl. überschießender Erlös würde aber zur Insolvenzmassen gehören und stünde nicht etwa dem Insolvenzschuldner zu (vgl. allg. und ohne Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Beschlagnahme etwa Ganter in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2019, § 47 InsO Rz 12 und Vorb. Vor §§ 49 bis 52 InsO Rz 3; Andres in Römermann, Insolvenzordnung, § 49 InsO Rz 34; so auch bereits BFH, Urteil vom 14.2.1978 VIII R 28/73, BStBl II 1978, 356, unter 2.b). Des Weiteren geht der Senat davon aus, dass der Insolvenzverwalter auch im Falle einer bei Insolvenzeröffnung bereits erfolgten Beschlagnahme die Möglichkeit hat, das Grundstück aus der Insolvenzmasse freizugeben (s. zur Möglichkeit einer Freigabe noch nach einer – allerdings nach Insolvenzeröffnung erfolgten – Beschlagnahme BGH, Beschluss vom 14.4.2005 V ZB 25/08, WM 2005, 1324; Kern in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2019, § 165 InsO Rz 227). Demgegenüber trifft der weitere o.g. Umstand bei einer Beschlagnahme bereits vor Insolvenzeröffnung dem Insolvenzverwalter nicht zu: Der Insolvenzverwalter hat in diesem Fall von vornherein keine Möglichkeit, das beschlagnahmte Grundstück noch selbst zu verwerten, etwa durch eine freihändige Veräußerung.

Angesichts dessen hält der Senat es für geboten, dass der BFH die Möglichkeit erhält, auf der Grundlage der heutigen Rechtslage zu einem Sachverhalt zu entscheiden, wie er seiner früheren und noch zur Konkursordnung ergangenen Entscheidung vom 14. Februar 1978 (VIII R 28/73, BStBl II 1978, 356) zugrunde lag.

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