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Steuerrecht
20.10.2016
Steuerrecht
FG Münster: Bestimmt sich der Begriff der nicht im Inland belegenen Betriebsstätte i. S. v. § 9 Nr. 3 GewStG nach § 12 AO oder nach dem jeweiligen DBA?

FG Münster, Urteil vom 17.6.2016 – 9 K 593/13 K,G,F

Volltext:BB-ONLINE BBL2016-2582-3

Sachverhalt

Streitig ist, ob die Klägerin in den Streitjahren 2009 ff. unbeschränkt körperschaftpflichtig i.S. des § 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) war und ob sie im Inland einen stehenden Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) betrieb, hilfsweise, ob der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen zutreffend geschätzt hat.

Die Klägerin, eine polnische Kapitalgesellschaft, wurde im Jahr 1995 gegründet (Amtsgericht in A, Landesgerichtsregister, KRS-Nummer …, Stand 08.11.2010, gekürzte Arbeitsübersetzung des Dolmetschers B vom 10.11.2010, nachfolgend bezeichnet als PL-HR) und nahm am 11.11.2009 ihre gewerbliche Tätigkeit auf (Protokoll über die Steuerprüfung in Polen betreffend u.a. die Einkommensteuer von juristischen Personen für den Zeitraum vom 11.11.2009 bis 31.12.2010 und die Mehrwertsteuer für April 2011 vom 04.10.2012 – PL-Bp-Bericht - i.d.F. der Übersetzung durch die Dolmetscherin C – PL-Bp-Bericht-Ü –). Der satzungsmäßig sehr weitgefasste Gegenstand der Tätigkeit umfasste u.a. die Suche von Arbeitsplätzen und die Anwerbung (Gewinnung) von Arbeitskräften, die Tätigkeit als Agentur der vorübergehenden Arbeit und sonstige Tätigkeiten, die mit der zur Verfügungstellung von Arbeitskräften verbunden sind (PL-HR). Tatsächlicher Gegenstand der Gewerbetätigkeit war nach der polnischen Gewerbeklassifikation die Sozialhilfe ohne Unterbringung für Alte und Behinderte (PL-Bp-Bericht-Ü, Tz. B.11.). Zumindest seit dem 11.11.2009 waren Anteilseigner Frau D E mit einer Beteiligung i.H.v. 4.200 Zloty des Stammkapitals i.H.v. insgesamt 5.000 Zloty und F mit einer Beteiligung i.H.v. 800 Zloty des Stammkapitals (PL-Bp-Bericht-Ü i.V.m. PL-Bp-Bericht, Tz. B.10; s.a. PL-HR). Die Klägerin hatte ihren Gewerbesitz vom 28.12.2009 bis 22.07.2011 in A, … (mit Telefon- und Faxanschluss) und ab dem 23.07.2011 in A, … (PL-HR; PL-Bp-Bericht-Ü, A.5, B.7; Online-PL-HR-Auszug vom 09.02.2011). Alleiniger Vorstand/Vorstandsvorsitzender war zumindest seit dem 11.11.2009 H E – E – (PL-Bp-Bericht-Ü, B.5; PL-HR). Seine Tochter D E hielt ihre Beteiligung an der Klägerin (nach den sinngemäßen Angaben des E in der mündlichen Verhandlung) treuhänderisch für E.

Bereits vor der Geschäftsaufnahme durch die Klägerin war E mit seinem Einzelunternehmen I gewerblich tätig geworden: Im Jahr 1982 übernahm er die J GmbH, deren Geschäftsführer er war. Die Firma produzierte Sanitärprodukte und Sportboote in Polen. Etwa zeitgleich heiratete er seine Ehefrau, K E (KE). Die Familie wohnt zumindest seit dem Jahr 2007 in einem Haus in L, … [Inland], welches im Alleineigentum der KE steht. Ob und für welchen Zeitraum E seinen Wohnsitz zeitweise nach Frankreich verlegt hatte, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Im Jahr 2004 meldete E eine neue Einzelfirma mit dem Namen I in Polen an, mit der er zunächst in Polen Kunststoffprodukte herstellen wollte. Ab dem Jahr 2005 entschloss er sich, mit dieser Firma in Deutschland Pflegeleistungen zu erbringen. Mit Hilfe einer Cousine warb er in Polen dafür Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ganz überwiegend Frauen an, die ausschließlich in Deutschland Dienstleistungen erbrachten. In Deutschland akquirierte er mit Hilfe seiner Ehefrau KE die Kunden, nahm Aufträge entgegen, führte die Verwaltung aus und veranlasste die Bezahlung der Mitarbeiter. Erst ab Januar 2007 teilte er dem deutschen Sozialversicherungsträger mit, dass er Mitarbeiter beschäftigte, die in Deutschland sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten ausübten. Er gab das monatliche Gehalt mit einem Mindestbetrag i.H.v. 401 € pro Mitarbeiter an und zahlte die Abgaben auf dieser Gehaltsgrundlage. Dabei war ihm bekannt, dass er höhere Beiträge auf der Grundlage eines höheren Lohns zu zahlen gehabt hätte. Denn er zahlte tatsächlich neben den 401 €, die er den Mitarbeitern auf Konten in Polen überwies, weitere Beträge i.H.v. monatlich bis zu 549 € in bar, wovon nur bis zu 150 € monatlich auf Spesen entfielen. Lohnsteuer führte er für die Beschäftigten nicht ab. Auch gab er in Deutschland keine Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2005 bis 2007 und keine Umsatzsteuervoranmeldungen für Januar 2008 bis November 2009 ab, obwohl die Geschäfte von L aus geleitet wurden. E wohnte dort und hatte dort ein Büro für die Firma I angemietet. In den Jahren 2008/2009 beschäftigte die Firma I zumindest 40 Mitarbeiter, die jeweils pro Monat ein Gehalt (incl. Spesen) von mindestens 950 € bezogen. Die Umsätze je Arbeitnehmer und Monat beliefen sich in den Jahren 2008/2009 auf mindestens 1.200 €/Monat. Aus dem Verhalten des E ergab sich damit ein Gesamtschaden i.H.v. 808.365,02 € (Lohnsteuer Januar 2007 bis November 2009 i.H.v. insgesamt 149.085,78 €, Sozialversicherung Januar 2007 bis November 2009 i.H.v. 354.293,24 € und Umsatzsteuer 2005 bis November 2009 i.H.v. 304.986,00 €). Aufgrund der vorgenannten Feststellungen, die auf dem glaubhaften Geständnis des E und dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens beruhten, verurteilte das Landgericht M E am ….03.2011 (Az. .. KLs … Js …/08) wegen Steuerhinterziehung und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt aus den nach dem 01.01.2007 beendeten Taten und bezogen auf einen Betrag in Höhe von 786.020,02 € (d.h. ohne die USt 2005) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten.

In dem vorgenannten Strafverfahren waren bereits am 16.04.2008 Durchsuchungen durchgeführt (Strafakte Bl. 358 ff.) und nachfolgend verschiedene Zeugen vernommen worden. Danach war E unter den Firmenbezeichnungen I und J auch außerhalb des Pflegebereichs tätig. Auf die Aussage des Zeugen N vom 20.10.2008, die Rechnungen an die Firma O über „Verpackungsarbeiten“ betreffend Arbeiten an einem Privathaus (Strafakte Bl. 424, 426) und die Aussage der Zeugin P vom 17.12.2008 (Strafakte Bl. 605 ff.) wird Bezug genommen.

E befand sich wegen des vorgenannten Strafverfahrens vom 08.09.2010 (Festnahme in L) bis zum 25.03.2011 in Untersuchungshaft.

Bereits vor Abschluss des Strafverfahrens nahm der Beklagte E unter Berufung auf § 42d des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Bescheid vom 29.05.2009 wegen Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag in Haftung. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Auf das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 02.07.2014 unter dem Az. 12 K 143/10 L wird Bezug genommen.

Ebenfalls bereits vor Abschluss des Strafverfahrens hatte die Deutsche Rentenversicherung gegenüber E mit Bescheid vom 8.7.2009 für den Zeitraum vom 01.01.2004 bis 31.10.2008 Nachforderungen i.H.v. 1.075.297,12 € geltend gemacht (Strafakte Bl. 1308 ff.). Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob E am 18.12.2009 bei dem Sozialgericht M Klage gegen die Deutsche Rentenversicherung Westfalen wegen der Beitragsbescheide vom 08.07.2009 über 1.075.296,12 und 24.08.2009 (Az. … R …/09). Das Sozialgericht M wies durch Gerichtsbescheid vom 03.05.2011 die Klage ab und führte zur Begründung aus, E sei Inhaber der Firma I. Eine durchgeführte Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 01.01.2004 bis 31.10.2008 habe zu einem Bescheid vom 08.07.2009 über eine Beitragsnachforderung in Höhe von 1.075.296,12 € (einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 194.730 €) geführt. Dieser Bescheid sei bindend geworden, da die Widerspruchsfrist nicht eingehalten worden sei. E legte dagegen Berufung ein. In diesem Verfahren machte E u.a. geltend, die Mitarbeiterinnen hätten (umgerechnet) einen Bruttobetrag von 401 € erhalten. Da es sich um einen Auslandseinsatz gehandelt habe, seien für Fahrtaufwendungen, persönlichen Bedarf und Aufwendungen im Zusammenhang mit Dienstleistungen im Ausland Spesen (Handgeld) zusätzlich zwischen 10 und 20 € pro Tag gezahlt worden. In der Sitzung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom ….02.2015 nahm der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Berufung zurück und beantragte gleichzeitig eine Überprüfung des Bescheides vom 08.07.2009 durch die Deutsche Rentenversicherung Westfalen gem. § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch- Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SG-Akte Bl. 200 f.).

Aufgrund der vorgenannten strafrechtlichen Verfolgung sowie der Nachforderung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen im Zusammenhang mit der Firma I entschloss E sich, Pflegeleistungen nunmehr mittels einer GmbH, d.h. durch die Klägerin zu erbringen.

Aufgrund eines Antrags der Klägerin erteilte das Finanzamt Q am 22.02.2010 eine verbindliche Auskunft zu Umsatzsteuerzwecken, in der es die Seniorenbetreuung im Inland als nicht steuerbare Leistung beurteilte, falls keine inländische Betriebsstätte der Klägerin bestehe (FG-Akte Bl. 3 ff.).

Ende 2009 schrieb die Firma I zumindest einzelne ihrer Kunden an und bat um Abschluss eines neuen Vertrages mit der Klägerin (Firma R). So wurde betreffend Frau S in T verfahren, der nachfolgend von der Klägerin ein Betrag von 1.800 € für den Monat Dezember 2009 in Rechnung gestellt wurde, unter Angabe einer polnischen Bankverbindung (Strafakte Bl. 1533 ff.). Gegenüber dem Kunden U kündigte die Fa. I den Dienstleistungsvertrag zum 31.11.2009. Nachfolgend schloss die Klägerin mit diesem ab dem 01.12.2009 einen Dienstleistungsvertrag ab (KSt-Akte 2008 und Sonderakte Bl. 232). Die Kunden V und W wurden jeweils mit Schreiben vom 18.05.2010 darauf hingewiesen, dass keinerlei Überweisungen auf das Konto der Firma I mehr möglich seien und alle künftigen Überweisungen auf das Konto der Klägerin erfolgen müssten (Sonderakte Bl. 218, 220).

Ausweislich des Vertrages mit U und einem in den Strafakten befindlichen Mustervertrag (Strafakten Bl. 1534) lautete der jeweilige Vertragstext wie folgt:

„R

A, …

Dienstleistungsvertrag

zwischen

Vertragsgeberin:

Firma R; …, A (Polen)

Ansprechpartner in Deutschland:

Frau KE, …, L,

Tel. …

                                                                                                                Fax …

und ____________________________________________________________

                  (Name, Adresse, Tel-Nr.)                                          (Vertragsnehmer)

I. Vertragsgegenstand

Die Firma R übernimmt ab dem                             die Hilfe im Haushalt mit Betreuung. Die Hilfe im Haushalt umfasst alle Arbeiten im Zusammenhang mit den Aufgaben, die bei der Lebensführung der betreffenden Person(en) anfallen.

Die Aufgaben werden zwischen Vertragsnehmer und der Firma R als Vertragsgeber abgestimmt.

II. Unterbringung des Personals

Für die Dauer dieses Vertrages gewährt der Vertragsnehmer/in dem jeweils betreuenden Personal freie Unterkunft und Verpflegung.

III. Urlaub

Unser Betreuungspersonal hat 30 Urlaubstage (allgemeine Tarifrichtlinie) im Jahr. Für die Zeit des Urlaubsanspruchs besteht kein Anspruch auf Vertretung.

Eine Urlaubsvertretung kann nach Absprache gestellt werden. Dies wird gesondert berechnet.

IV. Freizeit

Die Freizeit wird individuell mit dem Vertragsnehmer abgestimmt und soll regelmäßig gewährt werden.

V. Krankheit

Im Falle einer längerfristigen Erkrankung des Personals wird – soweit möglich – Ersatz gestellt. Sollte dieses nicht möglich sein, ist der Vertragsnehmer berechtigt, die monatliche Vergütung entsprechend herabzusetzen. Weitergehende Schadensersatzansprüche sind ausgeschlossen. …

VI. Vergütung

Als monatliche Vergütung wird ein Betrag in Höhe von                     € mit freier Unterkunft und Verpflegung für das Personal vereinbart. ….

VII. Kündigung

VIII. Weiterbeschäftigung

…“

Im Rahmen der Ermittlungshandlungen im Verfahren gegen E suchten die Mitarbeiter X und Y des Hauptzollamts M am 21.01.2010 das Wohnhaus in L, … auf und fertigten darüber den Außendienstbericht vom 21.01.2010 (FG-Akte Bl. 312), auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird.

Außerdem wurden im vorgenannten Strafverfahren betreffend die Tätigkeiten des E unter Firma I am 07/08.09.2010 die Wohn- und Geschäftsräume des E durchsucht und E am 08.09.2010 verhaftet (Strafakte Bl. 1829). Das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung M (Steufa) führte in einem Aktenvermerk vom 20.12.2010 zur Klägerin aus:

„Das Büro der I später R (ab 12/09) befindet sich im Wohnhaus in L, …. Dort wurden ebenfalls die Rechner gesichert. … Die Rechnungslegung (Faktura) erfolgt wie bei der I von L aus. Weiterhin wird die Zahlung der Vertragspartner von dort überwacht. Auch die Einsatzplanung, Vertragsgestaltung sowie die Bezahlung (zumindest teilweise) erfolgt von L aus. Hinsichtlich der Bezahlung wurden einige Quittungen an Arbeitnehmerinnen vorgefunden. Es handelt sich vermutlich um bar gezahlte Beträge. Außerdem erfolgte einiger Schriftverkehr für Arbeitnehmerinnen der R mit dem Computer im Wohnhaus des Beschuldigten.“ (KSt-Akte 2008)

In einem „Aktenvermerk zur Art der Steuerpflicht“ der Klägerin vom 21.12.2010 heißt es (KSt-Akte):

„Nach den bisher vorliegenden Unterlagen ist eine abschließende Prüfung der Art der Steuerpflicht zur Zeit nicht möglich. … Allerdings unterhält die R in Deutschland zumindest eine Betriebsstätte (…, L, Büro KE). In den dortigen Büroräumen werden Rechnungen für die R geschrieben und es werden Anfragen neuer bzw. bestehender Kunden bearbeitet. Ob sich dort auch der Sitz der Geschäftsleitung befindet kann z.Zt. nicht abschließend beurteilt werden. Aus der Zeugenvernehmung von Frau P ergeben sich durchaus Anhaltspunkte dafür, dass sich der Sitz der Geschäftsleitung in L befindet. …“

Ein weiterer Aktenvermerk vom 22.11.2010 (KSt-Akte) betrifft Durchsuchungsbeschlüsse für Polen.

Wegen des in L aufgefundenen Schriftverkehrs und der ausgedruckten Dateien (u.a. ausführliche Notizen zur Personalplanung) betreffend die Klägerin wird auf den Inhalt der Sonderakte verwiesen.

Bezogen auf die Klägerin ergeben aus der vorgenannten Sonderakte, den Strafakten und den übrigen dem Gericht vorliegenden Akten u.a. folgende weitere Erkenntnisse:

Am 23.12.2009 schrieb die Klägerin an die Agentur für Arbeit in Z, dass KE nur Ansprechpartnerin in Deutschland sei und nicht befugt sei, irgendwelche Einstellungen von Mitarbeiterinnen vorzunehmen oder ohne Rücksprache Entscheidungen jeglicher Art zu treffen. Die Klägerin sei zu 100 % ein polnischer Betrieb ohne Niederlassung oder Filiale in Deutschland (Sonderakte Bl. 6).

Am 20.09.2010 wurde die Zeugin P vom Hauptzollamt M im Strafverfahren gegen E nochmals vernommen. Wegen der Einzelheiten des darüber erstellten Protokolls wird auf dieses Bezug genommen (Strafakte Bl. 1907 ff.).

In dem o.g. Klage- bzw. Berufungsverfahren vor den Sozialgerichten legte E zur Klägerin des vorliegenden Verfahrens (der R) u.a ein Schreiben der Deutschen Rentenversicherung vom 30.10.2013 vor, in dem eine Betriebsprüfung für das Jahr 2014 angekündigt worden war. Außerdem beinhalteten an die Firma I adressierte Schreiben des GKV-Spitzenverbandes DVKA zum Versicherungsrecht von in Deutschland eingesetzten Arbeitnehmern vom 28.07.2009 und der ZUS Soziale Versicherungsanstalt in Polen vom 01.03.2010 allgemeine Aussagen zum Versicherungsrecht betreffend in Deutschland eingesetzte Arbeitnehmer (SG-Akte Bl. 167, 172, Hefter zur SG-Akte). Vorgelegt wurde in den sozialgerichtlichen Verfahren außerdem weiterer Schriftwechsel mit der Deutschen Rentenversicherung Westfalen und mit der AOK. In einem Schreiben an die AOK Ä vom 07.01.2010 führte die Klägerin u.a. aus:

„wir beziehen uns auf die Anmeldung unserer Mitarbeiter zur Krankenversicherung bei Ihnen.

Folgende Punkte sind unstrittig:

Solange wir unseren Hauptumsatz nicht in Polen erwirtschaften, müssen wir unsere Mitarbeiterinnen bei Ihnen versichern.

Die erforderliche Betriebsnummer haben wir vom Arbeitsamt erhalten und Ihnen mitgeteilt. …

… informieren wir Sie, dass Frau KE als Repräsentantin der Firma R als Kontaktadresse für die schnelle Weiterleitung Ihrer Entscheidung zur Verfügung steht: …“

Eine Anfrage der Klägerin vom 18.01.2011 an die Zentrale der Sozialen Versicherungsanstalt in Polen beantwortete diese am 12.07.2011 dahingehend, dass Personen, die die Arbeit als Realisierung des Auftragsvertrages ausschließlich in Deutschland ausübten, der deutschen Gesetzgebung in Bezug auf die soziale Versicherung unterlägen. Demzufolge könnten sie nach Art. 11.1 der Verordnung 883/2004 nicht gleichzeitig der polnischen Gesetzgebung in diesem Bereich unterliegen (SG-Akte, Hefter)

Nach einer Mitteilung vom 04.08.2011 des Hauptzollamts M an die Steufa hat die Klägerin soweit ersichtlich seit dem 01.02.2011 keine Arbeitnehmer mehr beschäftigt. Im Jahr 2010 hatte die Klägerin danach 91 Versicherte beschäftigt, im Januar 2011 noch 16 Versicherte, die im Laufe dieses Monats abgemeldet wurden, und zwar 2 wohl bereits zum 01.01., 3 innerhalb des ersten Monatsdrittels, 3 etwa zur Monatsmitte und die Übrigen zum Ende des Monats (Rb-Hefter-LSt).

Mit Schreiben vom 01.02.2011, adressiert an die Klägerin unter der Adresse in L, kündigte der Beklagte die Festsetzung von Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen und die Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrags für Vorauszahlungszwecke für das Jahr 2010 an und forderte die Klägerin auf, unverzüglich die Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Lohnsteuer-Anmeldungen für Dezember 2009 bis Januar 2011 einzureichen.

Mit Datum vom 29.03.2011 fertigte der Beklagte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung einen Körperschaftsteuer-Bescheid für das Jahr 2009, in dem er die Körperschaftsteuer ausgehend von einem Bilanzgewinn und einem zu versteuernden Einkommen i.H.v. 11.800 € mit 1.770,00 € festsetzte. Dabei schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen wie folgt:

              Umsätze lt. Ö 01/2010-09/2010 (brutto)                                                         632.894,90 €

              Umrechnung auf 12 Monate (brutto)                                                              843.859,87 €

              Nettoumsatz für 12 Monate im Jahr 2010                                                      709.126,05 €

              Reingewinn 20 % des Nettoumsatzes 2010                                                  141.825,21 €

              Schätzung für 12/2009 = 1/12 des Betrages für 2010 = rd.                               11.800,00 €

Wegen der Einzelheiten der „Umsätze lt. Ö“ wird auf die tabellarische Aufstellung in der Umsatzsteuerakte Bezug genommen. Danach schwankte die Anzahl der Auftraggeber im Januar bis September 2010 zwischen 38 bis 48. Die monatlichen Rechnungsbeträge (brutto) beliefen sich in der Regel zwischen 1.300 € und 1.900 €

Da der Bescheid mit dem Vermerk Empfänger verzogen an den Beklagten zurückgelangte, stellte dieser einen gleichlautenden, auf den 07.04.2011 datierten Körperschaftsteuerbescheid 2009 nunmehr mit Zustellungsurkunde unter der Adresse in L am 08.04.2011 zu.

Am 29.03.2011 hatte der Beklagte ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 KStG  zum 31.12.2009 gefertigt, in dem u.a. das steuerliche Einlagekonto mit 0 € festgestellt wurde.

Mit Datum vom 05.05.2011 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ein Gewerbesteuermessbescheid 2009, der einen Gewinn aus Gewerbebetrieb i.H.v. 11.800 € zugrunde legte. Unter demselben Datum übersandte die Gemeinde L einen Vorauszahlungsbescheid ab 2010 über den Gewerbesteuermessbetrag.

Bereits zuvor hatte der Beklagte am 10.02.2011 einen Vorauszahlungsbescheid für 2010, 2011 und ab 2012 über Körperschaftsteuer erlassen, in dem er Vorauszahlungen ausgehend von dem vorgenannten (geschätzten) Reingewinn für das Jahr 2010 i.H.v. 141.825 € festsetzte. Am 14.02.2011 erreichte den Beklagten ein Schreiben ohne Absenderangabe, wonach die Klägerin sich nicht unter der vom Beklagten angegebenen Adresse befinde, sondern in Polen. Der Geschäftsführer der Klägerin befinde sich zur Zeit in der JVA M. Das FA datierte die Bescheide daraufhin auf den 18.03.2011 und übersandte diese an E unter der Adresse der JVA M. Ein Absendevermerk fehlt in der Akte. Ausweislich der Austrittsmitteilung der JVA M wurde E am 25.03.2011 aus der JVA entlassen. Als Austrittsadresse wurde „…, L“ benannt (LSt-Akte).

Mit Schreiben vom 07.05.2011 legte E (eingegangen beim Beklagten am 08.05.2011) im eigenen Namen und im Namen der Klägerin u.a. Einspruch ein wegen Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer und Lohnsteuer betreffend die Jahre 2009, 2010 und 2011 ein und zwar auch gegen die Bescheide „die mich nicht erreicht haben“. Die Post des Beklagten sei nicht vollständig.

Der Beklagte forderte die Klägerin (unter Adressierung an E in L als Empfangsbevollmächtigter für die Klägerin) mit Schreiben vom 12.05.2011 zur Begründung der Einsprüche wegen Körperschaftsteuer 2009, 2010, 2011, Umsatzsteuer 2009 und Gewerbesteuer 2009 und 2010 auf. Ausweislich einer Aktennotiz wurden alle angeführten Bescheide nochmals in Kopie übersandt.

Mit Schreiben vom 28.06.2011 machte E unter Hinweis auf seine Einsprüche gegen die gegenüber der Klägerin ergangenen Steuerfestsetzungen geltend, die Klägerin existiere unter der Anschrift in L nicht. Sie habe dort nie eine Betriebsstätte oder Filiale unterhalten. Auch die Buchführung sei dort nicht erstellt worden. Des Weiteren sei sein Hauptwohnsitz im Jahr 2010 in Frankreich gewesen; einen weiteren Wohnsitz habe er in Polen. Falls irgendwelche Bescheide ihn wegen der falschen Adressierung nicht erreicht haben sollten, lege er dagegen Einspruch ein.

Bereits zuvor hatte der Beklagte in Bescheiden vom 17.06.2011 über Lohnsteuer für die Monate 12/2009, 1-7, 9-11/2010, 1-4/2011 die Lohnsteuer bzw. den Solidaritätszuschlag auf monatlich 11.000 € bzw. 600 € geschätzt. Dagegen legte E (Absenderangabe L) im Namen der Klägerin am 28.06.2011 Einspruch ein. Ausweislich eines Aktenvermerks vom .07.2011 wurden anscheinend für die Monate 8, 12/2010 versehentlich zunächst keine Bescheide versandt (Rb-Hefter-LSt). Dies wurde am 04.08.2011 nachgeholt (FG-Akte Bl. 19, 20).

Am 14.11.2011 erließ der Beklagte ausgehend von einem Steuerbilanzgewinn i.H.v. 141.334 € einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Körperschaftsteuerbescheid 2010 sowie einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 KStG auf den 31.12.2010. Des Weiteren erging annähernd zur gleichen Zeit ein ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender undatierter Gewerbesteuermessbescheid 2010, der einen Gewerbeertrag i.H.v. 141.334 € zugrunde legte.

Am 25.11.2011 legte E (mit Absenderangabe JVA) gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2010, den Umsatzsteuerbescheid 2010 und den Bescheid vom 31.12.2010 über die „gesonderte Verlustfeststellung von Besteuerungsgrundlagen“, jeweils vom 14.11.2011, Einspruch ein.

Mit Schriftsatz vom 05.12.2011 hat die Klägerin (vertreten durch E) Klage erhoben und beantragt, die gegen die Klägerin ergangenen Bescheide „als nichtig zu deklarieren“. Die Klägerin sei eine polnische Gesellschaft, habe ihren einzigen Firmensitz in Polen und komme dort ihren steuerlichen Verpflichtungen unter der Nr. PL … nach. Auf die verbindliche Auskunft des Finanzamts Q vom 22.02.2010 werde verwiesen. Die Klage wurde unter dem Aktenzeichen 12 K 4327/11 registriert.

Mit Schriftsatz vom 25.03.2012 hat die Klägerin ihre Klage auf die Körperschaftsteuer 2009 und Vorauszahlungen 2010 und 2011, Umsatzsteuer 2009 und 2010, Gewerbesteuer 2009 und Vorauszahlungen 2010, Lohnsteuer Dezember 2009 bis April 2011 erweitert.

Mit Beschluss vom 19.02.2013 hat der 12. Senat des FG Münster das Verfahren betreffend die im vorliegenden Tenor bezeichneten Bescheide abgetrennt und an den erkennenden Senat abgegeben (Aktenzeichen des vorliegenden abgetrennten Verfahrens nunmehr 9 K 593/13).

Zur Begründung macht die Klägerin des Weiteren geltend:

1. Der (sinngemäß: erste) Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheid für die Jahre ab 2010 sei ihr nicht zugegangen.

2. In L bestehe keine Betriebsstätte der Klägerin. Allerdings sei dort die Fa. E-J von KE im Sanitärbereich tätig und diese arbeite auch für Seniorenbetreuungsfirmen.

3.a) Zu den Tätigkeiten/Aufgabenbereichen von Frau P, KE und Frau F:

Frau P habe zu keiner Zeit die Befugnis gehabt, eine Entscheidung über Freizeitansprüche der Betreuungspartnerinnen zu treffen. Die Freizeitansprüche bzw. die Gestaltung der Dauer der Betreuung seien von Anfang an in Polen unter Berücksichtigung der Wünsche der Betreuerinnen festgelegt worden. Die Listen mit Zeitangaben und Gestaltungen seien hilfsweise aus Polen der Frau P bzw. KE zur Verfügung gestellt worden, um somit die reibungslose Betreuung zu gewährleisten und den vielen Fragen der Familien bzw. der betreuungsbedürftigen Personen beantworten zu können. Sowohl Frau P wie KE seien zu keiner Zeit Angestellte der Klägerin (oder der Firma I) gewesen und hätten daher auch keinerlei Weisungsbefugnis über das Betreuungspersonal gehabt. Falls Probleme entstanden seien, seien diese erörtert, nach Polen weitergeleitet und dort entschieden worden. Falls notwendig sei das Betreuungspersonal ausgetauscht worden. Die Abrechnung mit der Firma R und der Firma I für die Leistungen von KE und Frau P basiere auf der Einsatzdauer des Personals und sei dementsprechend berechnet worden. KE arbeite nicht nur mit der Klägerin zusammen, sondern auch mit deren Konkurrenz. Ihre Aufgabe sei es, als selbständige Unternehmerin, Betreuungspersonal im Namen der Firma R an entsprechende Stellen zu vermitteln. Dafür bekomme sie eine Provision. Hier entstehende sprachliche Probleme und allgemeine andere Probleme zwischen dem Personal und den Familien gehörten ebenfalls zu ihrem Aufgabenbereich. Alle Verträge und Entscheidungen zwischen Dienstleistungsnehmer und –geber (Klägerin) oblägen ausschließlich der Klägerin. KE habe keinerlei Vollmachten und keinerlei Verpflichtung gehabt, die Klägerin zu vertreten. Frau F sei von Anfang an bei der Firma I und bei der Klägerin als diplomierte Buchhalterin aktiv gewesen und bei der Klägerin außerdem als Gesellschafterin. Für ihre Leistungen habe sie von der Klägerin (als polnischer Gesellschaft) ein festes Monatsgehalt als Angestellte erhalten. Ihre Aufgabe habe nicht nur in der Buchhaltung bestanden. Vielmehr sei Frau F ebenfalls eine Entscheidungsperson gewesen (Schriftsatz der Klägerin vom 11.05.2015).

KE habe die Kunden ermittelt, die Aufträge beschrieben und nach Polen übermittelt. Abgeschlossen würden die Verträge von der Klägerin. KE habe keine Entscheidungsbefugnis und dürfte z.B. keine Personen entlassen, oder Aufträge kündigen oder Einigungen treffen. KE versuche, den Kontakt zu den Kunden zu halten und habe die Betreuerinnen teilweise bei den Kunden eingeführt. E erledige den Schriftwechsel mit Behörden und regele nicht allzu häufig vorkommende Probleme mit den Kunden schriftlich. Frau F kümmere sich um Gelder/Zahlungen. Zwar spreche Frau F schlecht Deutsch, doch werde im Sekretariat deutsch gesprochen. Frau Ü sei für die juristischen Fragen zuständig. Sie sei regelmäßig jede Woche im Betrieb und bearbeite auch etwaige Mahnverfahren (Darstellung des Geschäftsführers E in der mündlichen Verhandlung). Im Ergebnis sei auch aus den Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung des vorliegenden Klageverfahrens abzuleiten, dass sie, die Klägerin, in L weder ihre Geschäftsleitung gehabt noch eine Betriebsstätte unterhalten habe.

b) Dazu hat die Klägerin einen „Vertrag zwischen R … und Firma KE …“ vom 02/03.11.2009 mit auszugsweise folgendem Wortlaut vorgelegt (FG-Akte Bl. 164).

 „Zwischen den Vertragspartnern wird eine Zusammenarbeit in nachstehend genannten Punkten vereinbart.

§ 1 Aktivitätsbereich

1.               Firma KE wirbt zu Gunsten der Firma R Kunden an.

2.               Die Firma KE wird beauftragt, Mitarbeiterinnen der Firma R zum vereinbarten Ort der Dienstleistung zu bringen und im entsprechenden Haushalt einzuweisen.

3.              Die Firma KE fungiert bei Unstimmigkeiten, Beschwerden und bei sprachlichen Problemen als Ansprechpartnerin.

              Wir beauftragen Firma KE weiterhin, Hilfestellung beim Verfassen von Korrespondenz in deutscher Sprache zu leisten.

4.              Frau KE ist nicht befugt, Vereinbarungen irgendwelcher Art mit Kunden zu treffen, ohne vorab Rücksprache mit Firma R zu halten.

§ 3 Entgelt

1.              Firma KE erstellt für erbrachten Leistungen Rechnungen an Firma R

…“

Eingereicht wurde außerdem eine Aufstellung der Rechnungen „KE“ i.H.v. insgesamt 4.000 € im Jahr 2009, 141.300 € im Jahr 2010 und 32.390 € im Jahr 2011, sowie Kopien der einzelnen Rechnungen für „Akquisition sowie Kunden- und Mitarbeiterbetreuung“, wobei die erste Rechnung vom 07.12.2009 und die letzte Rechnung von „KE“ vom 17.12.2010 datiert und die weiteren Rechnungen vom 30.12.2010 („Akquisition sowie Kunden- und Mitarbeiterbetreuung“) sowie vom 08.06.2011 bis 14.12.2011 („Provisionen für im … geleistete Arbeiten“ oder ähnliche Formulierungen) von der E-J ausgestellt wurden (FG-Akte Bl. 165, 269, 176 ff.).

Wegen des Inhalts des ebenfalls eingereichte Vertrages der Klägerin (für diese unterzeichnet mit A2 und dem nicht eindeutig lesbaren Nachnamen B2 oder einem ähnlichen Nachnamen) mit der Firma E-J vom 19./27.04.2011 (FG-Akte Bl. 267 ff.) wird auf diesen Bezug genommen.

Vorgelegt hat die Klägerin des Weiteren einen Vertrag mit Frau F vom 25.01.2010 (FG-Akte Bl. 170, 276, 278) und eine Anstellungsbescheinigung mit einer Einzelaufstellung der darauf geleisteten Zahlungen (27.884,00 PTL im Jahr 2010, 38.746 PTL im Jahr 2011, 46.760 PTL im Jahr 2012, 43.760 PTL im Jahr 2013 und 10.020 PTL für Januar bis März 2014 (FG-Akte Bl. 172). Dieser Vertrag hatte ausweislich der vorgelegten Übersetzung folgenden Wortlaut:

„Auftragsvertrag“

§ 1

Der Auftraggeber gibt in Auftrag, und die Auftragnehmerin verpflichtet sich, folgende Tätigkeiten durchzuführen:

Sammeln und Ordnen von Buchhaltungsunterlagen, Vorbereitung der Unterlagen für die Anfertigung der Berichte, Anordnung der Dokumente und deren Versehen mit entsprechenden Buchhaltungsvermerken, Ausdrucken von Kontoauszügen, Umrechnung des Wertes der in Fremdwährung ausgestellten Buchhaltungsunterlagen, Anfertigung der Steuererklärungen VAT-7, Anfertigung der Lohnliste, Anmeldung und Abmeldung der Auftragnehmer bei der Sozialversicherungsanstalt ZUS.

§ 2

Die Auftragnehmerin verpflichtet sich, die im § 1 genannten Tätigkeiten in der Zeit vom 28.01.2010 bis 31.12.2011 auszuführen.

§ 3

Für ordnungsgemäße Ausführung der im § 1 genannten Tätigkeiten wird die Auftragnehmerin eine Vergütung in Höhe von 2.372,00 PLN … erhalten. …

…“

4.a) Zum Wohnort des E macht die Klägerin geltend, dieser habe ab Anfang 2010 einen festen Wohnsitz in Frankreich und habe dort eine Firma für Fertighäuser aufgebaut (Schriftsatz vom 11.05.2015, FG-Akte Bl. 143). E habe ab Januar 2010 bis Oktober 2010 seinen (Haupt-)Wohnsitz in Frankreich gehabt (Schriftsatz vom 20.5.2015, FG-Akte Bl. 148). Zunächst habe E über eine Wohnung in C2 verfügt, später dann ein Appartement in D2. E habe nach den Schwierigkeiten mit dem Pflegebereich ein neues Unternehmen aufbauen wollen. Geplant sei gewesen, Fertighäuser in Polen zu produzieren und dann in Frankreich aufzustellen. Deshalb sei E ausgesprochen viel mit dem PKW in Polen, in der Schweiz und in Frankreich gewesen. In Polen habe er bei Frau F im Haus gewohnt. In L habe E sich vielleicht jedes zweite Wochenende aufgehalten; die Ehe zwischen E und KE sei „nicht mehr ganz so toll“ gewesen (Erläuterungen des E in der mündlichen Verhandlung).

b) Dazu hat die Klägerin einen Verkaufsprospekt der Firma E2 SARL, F-D2 … und einen Mietvertrag in französischer Sprache über die Anmietung eines möblierten Zimmers ab dem 01.07.2010 in D2, Frankreich, vorgelegt (FG-Akte Bl. 282, Übersetzung in Strafakte Bl. 2294). Auf den Inhalt dieser Unterlagen und auf das diesbezügliche Untersuchungsprotokoll im Wege eines Rechtshilfeersuchens (Strafakte Bl. 2293) wird Bezug genommen. Ausweislich vorgelegter Ab- bzw. Anmeldebescheinigungen der Gemeinde L hat E sich dort am 15.01.2010 abgemeldet und zum 01.12.2010 mit alleiniger Wohnung angemeldet.

5.a) Zu dem Vertrag mit der „F2“ trägt die Klägerin vor, es handele sich um einen solchen mit einem selbständigen Betrieb. Die Dienstleistungen dieses Betriebs seien in Deutschland durchgeführt worden.

b) Auf den von der Klägerin vorgelegten „Dienstleistungsvertrag“ vom 01.12.2009, auf die eingereichten Rechnungen und auf die Aufstellung der geleisteten Zahlungen i.H.v. insgesamt 1.100 € im Jahr 2009, 10.429 € im Jahr 2010, 1.100 € im Jahr 2011 wird Bezug genommen (FG-Akte Bl. 272 bis 275, Bl. 231 ff.).

c) Zur früheren Firma I ist außerdem ein Urteil des Amtsgerichts A vom 26.05.2010 betreffend den Rechtsstreit der Klägerin G2 gegen E wegen Entgelt und Urlaubsäquivalent ergangen (Strafakte Bl. 1961). Das polnische Gericht ging von einem zivilrechtlichen Vertrag aus (keine arbeitsrechtlichen Verhältnisse).

6.a). Die Klägerin macht geltend, sie erfülle ihre steuerlichen Pflichten in Polen. Auf das Protokoll der polnischen Steuerprüfung vom 04.10.2012 (FG-Akte Bl. 49 ff., 150 ff., 67 ff., 375-378) und auf die vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen (FG-Akte Bl. 263 ff.) werde Bezug genommen. Die Firma R habe keine Gewinne erwirtschaftet.

b) Aus dem vorgenannten (übersetzten) Protokoll der polnischen Steuerprüfung u.a. betreffend die Einkommensteuer von juristischen Personen für den Zeitraum vom 11.11.2009 bis 31.12.2010, auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, ergibt sich neben Details zu den gesellschaftlichen Verhältnissen u.a. Folgendes:

---               E erteilte am 17.07.2011 Frau F eine Vollmacht zur Vertretung der Klägerin vor dem Finanzamt von H2 und I2 [Polen].

---               Der Nettoumsatz betrug 967.791,08 € im Jahr 2010 und 335.950,01 € im Jahr 2011.

---               Vorgelegt wurden Dienstleistungsverträge betreffend Dienstleistungen für das Büro.

---               Weitere Dienstleistungsverträge betrafen Dienstleistungen als Altenpflegerin, Haushaltshilfe etc. mit:

              --- J2 vom 01.01.2010 bis 21.01.2010 für 1.800 Zloty brutto,

              --- K2 vom 24.02.2010 bis 26.04.2010 für monatlich 1.800 Zloty brutto,

              --- L2 vom 11.03.2010 bis 30.06.2010 für monatlich 1.800 Zloty brutto,

              --- M2 vom 04.06.2010 bis 01.10.2010 für monatlich 1.800 Zloty brutto,

              --- N2 vom 01.08.2010 bis 01.10.2010 für monatlich 1.800 Zloty brutto.

---               Der Bilanzabschluss für den Zeitraum vom 11.11.2009 bis zum 31.12.2010 erfolgt mit einem Gewinn i.H.v. 4.531,08 Zloty.

---               Die Vertriebskosten i.H.v. 3.788.425,51 Zloty gliedern sich wie folgt auf:

              --- Material und Energieverbrauch                                                                                            15.457,15 Zloty

              --- Fremddienstleistungen                                                                                                  2.008.088,97 Zloty

                            davon [polnische Bezeichnung]                                55.496,96 Zloty

                            davon sonstige Dienstleistungen

                            [lt. Klägerin z.B. Taxi, Hotelkosten

                            lt. Buchführung = FG Bl. 391 wohl

                            im wesentlichen Provisionen i.H.v.

                            538.038,36 Zloty]                                            721.199,81 Zloty

                           davon Personentransport, sonstige

                           [lt. Klägerin Transportkosten für die

                           Haushaltshilfen, d.h. = FG-Akte Bl.391

                            --- Transport      10.398,00 Zloty

                            --- Spesen     1.220.994,20 Zloty]                  1.231.392,20 Zloty

              --- Löhne                                                                                                                1.586.944,40 Zloty

              --- Sozialversicherung und andere Leistungen                                                              185.615,89 Zloty.

---               Die zunächst erklärten Einnahmen wurden später auf 3.848.571,60 Zloty und die Einnahmekosten auf 3.844.040,42 Zloty korrigiert.

Die Klägerin hat außerdem Gewinn- und Verlustrechnungen für die Jahre 2011 und 2012 vorgelegt, aus denen sich auch die Beträge für das vorangehende Jahr 2010 ergeben (FG-Akte Bl. 263 ff.). Insbesondere werden darin folgende betriebliche Daten ausgewiesen:

 

2010

– PLN –

2011

– PLN –

2012

– PLN –

Erlöse netto aus dem Produktenverkauf

3.792.956,59

1.478.389,96

2.492.123,88

Kosten des Verkaufs

3.788.425,51

1.511.711,54

2.419.551,43

       

Gewinn (Verlust) brutto

./.    66.912,24

./.   52.548,45

36.828,32

Einkommensteuer

   

861,00

Gewinn (Verlust) netto

./.    66.912,24

./.   52.548,45

35.967,32

Nach den Angaben der Klägerin beinhalten die Kosten des Verkaufs im Jahr 2011 insbesondere die Positionen „Konto 4032 – Sonstige Dienstleistungen“ i.H.v. 698.404,57 Zloty, „Konto 4033 – Beförderung der Personen nach Deutschland bzw. Przewoz Osob Do Niemiec“ i.H.v. 1.196.784,31 € und „Konto 405 Löhne“ i.H.v. 1.459.734,40 € (FG-Akte Bl. 392 ff.).

Ergänzend hat die Klägerin mitgeteilt, sie sei im Dezember 2009 gegründet worden und habe in diesem Monat noch keine Betriebstätigkeit ausgeübt. Nach polnischem Recht sei es zulässig – und so sei im Streitfall auch verfahren worden – dass der Jahresabschluss 2009 im Folgejahr gefertigt bzw. im Jahresabschluss 2010 erfasst worden sei. Im Jahresabschluss 2010 seien unter der Position „uslugi pozostale“ (= sonstige Dienstleistungen) sämtliche Fremdleistungen erfasst worden, z.B. Taxi, Hotelkosten. Unter „przewoz osob, inne“ (= Personentransport, sonstige) seien die Transportkosten für die Haushaltshilfen von Polen nach Deutschland und zurück verbucht worden, wie Kosten mit Bahn, Bus. Unter „wynagrodzenia“ (= Gehälter) seien Personalkosten ausgewiesen. Bei den „Kosten des Verkaufs“ im Jahresabschluss 2011 handele es sich um Vermittlungsprovisionen und Werbungskosten. Nachforderungen der Deutschen Rentenversicherung seien nicht erhoben worden, und außerdem dürfe insoweit zwischenzeitlich bereits Verjährung eingetreten sein.

7.a) Die Klägerin hat zunächst im Schriftsatz vom 11.05.2015 (FG-Akte Bl. 142) ergänzend ausgeführt: „Es ist noch darauf hinzuweisen, dass ab Mai 2011 die Betreuerinnen, die im Auftrag der Firma R die Dienstleistung in Deutschland ausführen, im Besitz der A1 sind. Zum Verständnis ist hinzuzufügen, dass arbeitsrechtliche Verträge in Polen und Deutschland unterschiedlich gehandhabt werden. Die Arbeitsverträge zwischen R und den Betreuerinnen sind keine Verträge, die dem Arbeitsrecht unterliegen. Es handelt sich hier um rein zivilrechtliche Verträge (Umowa Zlecenie = Vertrag nach Auftrag).“ Mit Schriftsatz vom 27.05.2016 hat die Klägerin zur Aufforderung der Berichterstatterin, beispielhaft A1 Bescheinigungen vorzulegen, ausgeführt: „Hinsichtlich Punkt 9 ist mitzuteilen, dass ab April 2011 keine Entsendung mehr erfolgte und daher Dokumente A1 hiernach nicht vorgelegt werden können.“

b) Die Klägerin hat einen Dienstleistungsvertrag vom 01.04.2011 mit „dem Ausführer O2 – P2 …“ über die „Erbringung durch den Ausführer im Namen des Bestellers der Pflegedienstleistungen für Senioren und Behinderte“ vorgelegt und eine Anlage zu diesem Vertrag, wonach die Firma O2 sich sich gegenüber der Klägerin verpflichtete, die der Klägerin von Familien erteilten Aufträge über Pflegeleistungen unter Einsatz des eigenen Personals der Firma O2 abzuwickeln. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des vorgenannten (übersetzten) Vertrages nebst Anlage und auf das Schreiben der Klägerin an die Firma O2 vom 05.04.2011 verwiesen (FG-Akte Bl. 379, 382, 384, 388, 386, 387).

Die Klägerin beantragt,

den Feststellungsbescheid gem. §§ 27, 28 KStG zum 31.12.2009 vom 29.03.2011, den Körperschaftsteuerbescheid 2009 vom 07.04.2011, den Gewerbesteuermessbescheid 2009 vom 05.05.2011, den Vorauszahlungsbescheid zur Körperschaftsteuer für das Jahr 2011 vom 18.03.2011, den Vorauszahlungsbescheid zur Gewerbesteuer für das Jahr 2011 vom 05.05.2011, den Körperschaftsteuerbescheid 2010 vom 14.11.2011, den Feststellungsbescheid gem. §§ 27, 28 KStG zum 31.10.2010 vom 14.11.2011 und den etwa zeitgleich ergangenen Gewerbesteuermessbescheid 2010 ersatzlos aufzuheben (d.h. einschließlich etwaiger vorhergehender Bescheide).

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung macht er insbesondere geltend, die Klägerin sei unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, da sie ihre Geschäftsleitung (§ 10 der Abgabenordnung – AO –) im Inland habe. Er, der Beklagte, sei für die Besteuerung nach dem Einkommen der Klägerin zuständig, da sich in seinem Bezirk die Geschäftsleitung befinde (§ 20 Abs. 1 AO). Nach den im Rahmen einer Durchsuchung der Wohnräume des E am 08.09.2010 in L beschlagnahmten Unterlagen und der Vernehmung der Zeugin P im Strafverfahren erfolgten in bzw. von L aus die Rechnungslegung für die Betreuungsleistungen, die Überwachung des Zahlungseingangs, die Einsatzplanung, Vertragsgestaltung und Betreuung der Kunden und die Erstellung der Abrechnungen im Zusammenhang mit dem Freizeitanspruch der Arbeitnehmerinnen. Die Arbeitsanweisungen habe die Zeugin von E erhalten; um die Entlohnung der Arbeitnehmerinnen habe sich KE gekümmert. Zwar verfüge die Klägerin unstreitig in Polen über ein eigenes Büro sowie über Angestellte und werbe über das Büro in Polen die Betreuungskräfte an. Jedoch werde in Polen eindeutig nur ein Teil der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten erbracht. Der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeiten habe in den Streitjahren in L gelegen. An dieser Sachverhaltseinschätzung sei auch unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht festzuhalten. Hiervon ausgehend müsse eine allerdings eine Rückstellung für nachgeforderte Lohnsteuer in dem Zeitpunkt gebildet werden, in dem die Klägerin ernsthaft mit ihrer Inanspruchnahme habe rechnen müssen. Bei den nachgeforderten Sozialversicherungsbeträgen handele es sich um gewisse Verbindlichkeiten, die in dem Wirtschaftsjahr zu berücksichtigen seien, in dem sie entstanden seien. Für die Jahre ab 2011 seien bisher keine konkreten Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt worden, doch lägen diverse Rechnungskopien für die Jahre 2010 bis 2013 der Klägerin vor.

Wegen der Hinweise der Berichterstatterin wird auf das gerichtliche Schreiben vom 18.03.2016 und die Zusätze zu den Ladungen verwiesen. Zugezogen wurden die Akten des Landgerichts M betreffend das Strafverfahren gegen E unter dem Az. … KLs … Js …/08, die Akten des Verfahrens des E (Firma I) vor dem Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen unter dem Az. L … R …/11 sowie die Akten des Ausgangsverfahrens vor dem Finanzgericht Münster unter dem Az. 12 K 4327/11. Der Senat hat den Rechtsstreit am 13.06.2016 mündlich verhandelt und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen KE, P und Ü. Auf das Sitzungsprotokoll wird insoweit Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage ist im Wesentlichen begründet. Der Beklagte hat zwar zu Recht angenommen, dass die Geschäftsleitung der Klägerin sich zumindest in den Jahren 2009 und 2010 im Inland befand und diese deshalb in den Veranlagungszeiträumen 2009 und 2010 unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig war (§ 1 Abs. 1 KStG) sowie im Inland einen stehenden Gewerbebetrieb betrieb (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Jedoch wurden die Besteuerungsgrundlagen unzutreffend geschätzt (§ 162 AO) und die überwiegende Anzahl der angefochtenen Bescheide verletzen die Klägerin dadurch in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

I. Die Klage wegen der gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 KStG auf den 31.12.2009 und 31.12.2010 ist mangels Beschwer im Sinne des § 40 Abs. 2 FGO unzulässig.

1. Eine Anfechtungsklage ist – soweit wie hier gesetzlich nichts anderes bestimmt ist – nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 40 Abs. 2 FGO). Für eine Feststellungsklage gemäß § 41 Abs. 1 FGO muss ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung bestehen. Im Streitfall wird die Klägerin durch die vorgenannten Bescheide nicht beschwert, so dass die Klage unabhängig davon, ob es sich um eine Anfechtungs- oder Feststellungsklage handelt, unzulässig ist.

Der Beklagte hat die vorgenannten Besteuerungsgrundlagen jeweils mit 0 € festgestellt. Die Klägerin begehrt keine anderweitige (positive) Feststellung dieser Besteuerungsgrundlagen (auch nicht sinngemäß hilfsweise), sondern allein die Aufhebung der vorgenannten Feststellungsbescheide. Ist das Klagebehren aber letztlich nicht auf die Feststellung eines positiven Bestands des Einlagekontos gem. § 27 Abs. 2 KStG bzw. eines Bestandes nach § 28 Abs. 1 KStG gerichtet, wird ein Kläger durch die Nullfeststellungen nicht beschwert. Insbesondere hält der erkennende Senat allein ein Interesse an der abstrakten Klärung der Frage, ob die Klägerin im Sinne des § 1 Abs. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig und deshalb zur Gliederung ihres Eigenkapitals nach § 27 KStG verpflichtet ist, für nicht ausreichend, um von einer Beschwer der Klägerin auszugehen (vgl. auch, wenngleich dort zur Frage einer Steuerbefreiung, das Urteil des erkennenden Senats vom 23.09.2014 9 K 2451/10, EFG 2015, 744, Rev. V R 49/15). Dies gilt erst recht, wenn sich – wie hier – die Frage der Steuerpflicht auch in Bezug auf den Körperschaftsteuerbescheid stellt und dort geklärt werden kann.

2. Im Übrigen wäre die Klage – sofern entgegen der Auffassung des erkennenden Senats von deren Zulässigkeit ausgegangen würde – auch unbegründet.

Die Klägerin hat ursprünglich die Feststellung der Nichtigkeit der Bescheide über die  gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 KStG auf den 31.12.2009 und 31.12.2010 gemäß § 41 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 FGO begehrt. Im Rahmen der Klageerweiterung (§ 67 FGO) vom 25.03.2012 wurden die vorgenannten Feststellungsbescheide nicht erwähnt, so dass diesbezüglich nur von einer Feststellungsklage gemäß § 41 FGO und nicht (auch) von einer Anfechtungsklage auszugehen ist. Diese Feststellungsbescheide sind aber – wovon die Klägerin zwischenzeitlich selbst ausgeht – nicht nichtig. Weitere Ausführungen erübrigen sich daher.

II. Im Übrigen ist die Klage zulässig.

1. Die Klage ist als Nichtigkeitsfeststellungsklage gem. § 41 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 FGO zulässig, soweit die Klägerin zunächst die Feststellung der Nichtigkeit des Körperschaftsteuerbescheides 2009, des Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheides für die Jahre 2010, 2011 ff., des Gewerbesteuermessbescheides 2009 und des Bescheides über den Gewerbesteuermessbetrag für Vorauszahlungszwecke ab 2010 begehrt hat. Diese Klage war an keine Frist gebunden und sie setzte weder ein Vorverfahren noch ein erfolgloses Antragsverfahren nach § 125 Abs. 5 AO voraus (vgl. BFH-Urteil vom 24.01.2008 V R 36/06, BFH/NV 2008, 1053). Der während des Klageverfahrens ergangene Körperschaftsteuerbescheid 2010 und der Gewerbesteuermessbescheid 2010 sind gem. § 68 FGO anstelle der entsprechenden Vorauszahlungsbescheide zum Gegenstand des Verfahrens geworden, denn die vorgenannte Norm findet auch auf Nichtigkeitsfeststellungsklagen Anwendung (BFH-Urteil vom 25.02.1999 IV R 36/98, BFH/NV 1999, 1117; Herbert in Gräber, FGO, 8. Aufl., § 68 Rz. 15).

Die Klägerin hat zwar in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben, dass sie selbst nicht mehr von einer Nichtigkeit der Bescheide ausgeht. Auch hat sie keinen ausdrücklichen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der vorgenannten Bescheide gestellt. Andererseits ist keine förmliche Rücknahme der Feststellungsklage erfolgt. Aufgrund dessen sieht der Senat auch die Nichtigkeitsfeststellungsklage noch als Gegenstand des vorliegenden Verfahrens an.

2. Die Klägerin hat ihre Klage zulässigerweise im Wege einer Klageänderung gem. § 67 FGO um eine Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) in Form der Untätigkeitsklage (§ 46 FGO) gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2009 und 2010, die Gewerbesteuermessbescheide 2009 und 2010, den Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheid 2011 und den Gewerbesteuermessbescheid für Vorauszahlungszwecke 2011 erweitert.

a) Nach § 67 Abs. 1 FGO ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Eine Klageänderung liegt auch vor, wenn ein weiterer Klagegegenstand in das Verfahren eingeführt wird bzw. die Klage um eine weitere Klageart erweitert wird (nachträgliche Klagenhäufung, ggf. auch in Form einer Eventual-Klagenhäufung; vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 67 FGO Rz. 2; Herbert in Gräber, FGO, 8. Aufl., § 67 Rz. 12). Eine derartige Klageänderung ist allerdings nur zulässig, wenn die Sachurteilsvoraussetzungen auch für den weiteren Klagegegenstand gegeben sind (vgl. BFH-Urteil vom 18.07.2013 III R 59/11, BStBl II 2014, 843).

b) Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen liegt eine zulässige Klageänderung (u.a.) in Form der Erweiterung um eine Anfechtungsklage gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2009 und den Gewerbesteuermessbescheid 2009 vor.

Gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2009 vom 07.04.2011 (zugestellt am 08.04.2011) und den Gewerbesteuermessbescheid 2009 vom 05.05.2011 hat die Klägerin am 07.05.2011 fristgerecht Einspruch eingelegt. Mit Schriftsatz vom 25.03.2012 hat die Klägerin ihre Klage auf die Körperschaftsteuer 2009 und den Gewerbesteuermessbetrag 2009 erweitert und damit insoweit sinngemäß eine Anfechtungsklage erhoben. Zwar hatte der Beklagte bis dahin noch nicht über den Einspruch entschieden, doch ist die Klage zumindest zwischenzeitlich als Untätigkeitsklage gemäß § 46 FGO zulässig geworden. Die entsprechende Klageerweiterung (Klageänderung) war nach Auffassung des Senats sachdienlich i.S. des § 67 FGO. Gegenteiliges macht auch der Beklagte nicht geltend.

c) Von einer zulässigen Klageerweiterung ist auch in Bezug auf die Anfechtung des Gewerbesteuermessbescheides 2010 und des Bescheides über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags für Vorauszahlungszwecke des Jahres 2011 auszugehen.

Der Gewerbesteuermessbescheid für Vorauszahlungszwecke 2010 ff. ist am 05.05.2011 von der Gemeinde L zur Post gegeben worden. Mit Schreiben vom 07.05.2011 hat die Klägerin dagegen fristgerecht Einspruch eingelegt. Der später (undatiert) erlassene Gewerbesteuermessbescheid 2010 ist zum Gegenstand dieses Einspruchsverfahrens geworden (§ 365 Abs. 3 AO). Die Klägerin hat die Klage mit Schriftsatz vom 25.03.2012 u.a. auf den Gewerbesteuermessbescheid für Vorauszahlungen 2010 erweitert und dazu auf die im Schriftsatz des Finanzamts vom 30.01.2012 bezeichneten Rechtsbehelfsverfahren (u.a.) wegen Gewerbesteuer-Vorauszahlungen 2010 verwiesen. Sinngemäß ist dies als Klageerweiterung um eine Anfechtungsklage in Bezug auf den Gewerbesteuermessbescheid 2010 auszulegen, da dieser den entsprechenden Vorauszahlungsbescheid bereits ersetzt hatte und wohl nur versehentlich in dem Schriftsatz des Finanzamts vom 30.01.2012 noch nicht aufgeführt war.

Die Klageerweiterung betreffend die Anfechtung der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags für Vorauszahlungszwecke des Jahres 2011 ist spätestens in der mündlichen Verhandlung erfolgt. Demgegenüber ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und ausweislich des Klageantrags keine Anfechtungsklage in Bezug auf die Jahre 2012 ff. erhoben worden.

Zwar fehlt(e) es bezüglich der vorgenannten Anfechtungsklage(n) an einem abgeschlossenen Vorverfahren (§ 44 FGO), doch ist die Klage zwischenzeitlich als Untätigkeitsklage (§ 46 FGO) zulässig geworden. Die entsprechende Klageerweiterung (Klageänderung) war nach Auffassung des Senats sachdienlich i.S. des § 67 FGO. Gegenteiliges macht auch der Beklagte nicht geltend.

d) Zulässig ist des Weiteren die Klageerweiterung hinsichtlich der Anfechtung des Körperschaftsteuerbescheides 2010 und des Körperschaftsteuer-Vorauszahlungs-bescheides 2011.

Die Klägerin hat gegen den Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheid für 2010, 2011 und ab 2012 mit dem angegebenen Datum 18.03.2011 zulässigerweise vor dessen wirksamer Bekanntgabe Einspruch eingelegt. Der vorgenannte Bescheid ging der Klägerin bzw. ihrem Geschäftsführer nicht zu. Dies hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich geltend gemacht. Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit dieser Angabe bestehen nach Aktenlage nicht. Mit Schreiben vom 07.05.2011 legte die Klägerin vertreten durch ihren Geschäftsführer u.a. Einspruch ein wegen Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer und Lohnsteuer betreffend die Jahre 2009, 2010 und 2011 und zwar auch gegen die Bescheide „die mich nicht erreicht haben“. Die Post des Finanzamts sei nicht vollständig. Der Beklagte forderte daraufhin am 12.05.2011 eine Begründung des Einspruchs an und übersandte den Bescheid nochmals in Kopie an die Klägerin. In Bezug auf diese Bekanntgabe des Bescheides mittels Übersendung einer Bescheidkopie ist der Einspruch mit Schreiben vom 07.05.2011 zwar vorzeitig erfolgt und nachfolgend kein fristgerechter Einspruch mehr eingelegt worden. Allerdings ist ausnahmsweise ein wirksamer Einspruch gegen einen noch nicht wirksam bekanntgegebenen Bescheid zulässig, wenn der Steuerpflichtige mit der Möglichkeit der bereits bewirkten Bekanntgabe rechnen musste (BFH-Urteil vom 28.03.1994 I R 83/81, juris; wohl bestätigt durch BFH-Urteil vom 14.11.2012 II R 14/11, BFH/NV 2013, 693). Davon ist im Streitfall auszugehen, weil der Beklagte mit Schreiben vom 01.02.2011 den Erlass eines Vorauszahlungsbescheides für das Jahr 2010 schon angekündigt hatte, ein Vorauszahlungsbescheid für das Jahr 2009 bereits vor der vorgenannten Einspruchseinlegung ergangen war und die Entlassung ihres Geschäftsführers aus der Justizvollzugsanstalt am 25.03.2011 verzögerte Briefzustellungen nicht unwahrscheinlich erscheinen ließ.

Der nachfolgende Körperschaftsteuerbescheid 2010 vom 14.11.2011 wurde Gegenstand des Einspruchsverfahrens gegen den entsprechenden Vorauszahlungsbescheid (§ 365 Abs. 3 AO). Im Übrigen läge insoweit andernfalls ein zulässiger Einspruch vom 25.11.2011 vor.

Ausgehend von diesem Verfahrensstand hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 25.03.2012, der sich nach seinem Wortlaut auf die Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen 2010 und 2011 bezog, die Klage sinngemäß um eine Anfechtung des Körperschaftsteuerbescheids 2010 und des Körperschaftsteuer-Vorauszahlungs-bescheides 2011 erweitert. Demgegenüber ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und ausweislich des Klageantrags keine Anfechtungsklage in Bezug auf die Jahre 2012 ff. erhoben worden.

Zwar fehlt(e) es bezüglich der vorgenannten Anfechtungsklage(n) an einem abgeschlossenen Vorverfahren (§ 44 FGO), doch ist die Klage zwischenzeitlich als Untätigkeitsklage (§ 46 FGO) zulässig geworden. Die entsprechenden Klageerweiterung (Klageänderung) war nach Auffassung des Senats sachdienlich i.S. des § 67 FGO. Gegenteiliges macht auch der Beklagte nicht geltend.

III. Die Anfechtungsklage wegen Körperschaftsteuer 2009 und 2010 ist im Wesentlichen begründet.

1. Die Klägerin war zumindest in den Streitjahren 2009 und 2010 entgegen ihrer Auffassung unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG.

Unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG Kapitalgesellschaften (insbesondere auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung), die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben. Der Klammerzusatz „insbesondere“ verdeutlicht, dass unter die vorgenannte Norm auch ausländische Gesellschaften fallen, die nach einem Typenvergleich einer inländischen Kapitalgesellschaft entsprechen (vgl. Bundestagsdrucksache 16/2710, S. 30).

Die Klägerin ist eine polnische Gesellschaft in der Rechtsform einer Sp.z.o.o. und damit eine ausländische Kapitalgesellschaft (vgl. BFH-Urteil vom 23.06.2010 I R 71/09, BStBl II 2011, 129). Sie war (zumindest) in den Streitjahren 2009 und 2010 unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, weil sie ihre Geschäftsleitung im Inland hatte.

a) Geschäftsleitung ist der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung (§ 10 AO).

Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung ist dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebliche Wille gebildet wird, d. h. wo die für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden (BFH-Urteil vom 09.07.2003 I R 4/02, BFH/NV 2004, 83; BFH-Beschluss vom 03.04.2008 I B 77/07, BFH/NV 08, 1445). Abzustellen ist auf die sogenannte laufende Geschäftsführung („Tagesgeschäfte“). Zu ihr gehören die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsbetrieb der Gesellschaft mit sich bringt und solche organisatorischen Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören (BFH-Urteil vom 19.03.2001 I R 15/01 v. 19.3.02, DStRE 03, 346 m. w. N.; s. a. FG Hamburg, Urteil vom 16.04.2010 5 K 114/08, EFG 2011, 539, insoweit bestätigt durch BFH-Urteil vom 23.02.2011 I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354 zum Ort der Kapitaleinwerbung einer Immobilienfonds-KG). Nicht entscheidend ist, wo die abgegebenen Willenserklärungen wirksam werden oder wo sich die Geschäftsführungsmaßnahmen auswirken bzw. durchzuführen sind (Musil; in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 10 AO Rz. 31).

Regelmäßig wird der maßgebende Wille in den Büroräumen der Gesellschaft gebildet. Bei einer Aufteilung in kaufmännische und technische Leitung kommt es nicht auf die oberste (technische) Betriebsleitung, sondern darauf an, wo sich das kaufmännische Büro befindet, notfalls auch der Wohnsitz des leitenden Geschäftsführers (BFH-Urteile vom 23.01.1991 I R 22/90, BStBl II 1991, 554; vom 30.01.2002 I R 12/01, BFH/NV 2002, 1128; vom 09.07.2003 I R 4/02, BFH/NV 2004, 83 zu inländischem Büro bei ganzjährigen Bauarbeiten im Ausland), das Büro einer beauftragten Managementgesellschaft (vgl. BFH-Urteile vom 13.10.2010 I R 61/09, BStBl II 2011, 249; vom 24.08.2011 I R 46/10, BStBl II 2014, 764; BFH-Beschluss vom 08.06.2015 I B 3/14, BFH/NV 2015, 1553; krit.: Wassermeyer IStR 2011, 931, Ditz/Quilitzsch FR 2012, 495; Blumers/Weng DStR 2012, 551 u. Reiser/Cortez IStR 2013, 6, wonach eine hinreichende Verfügungsmacht über die Räumlichkeiten der Managementgesellschaft erforderlich sein soll) oder ein zur Unterkunft bereit gestellter Baucontainer (BFH-Urteil vom 16.12.1998 I R 138/97, BStBl II 1999, 437). Der Ort einer Zweigniederlassung (vgl. BFH-Urteil vom 08.04.1976 III R 55/74, BStBl II 1976, 708) oder Einzelmaßnahmen auf Geschäftsreisen sind nicht maßgebend (BFH-Urteile vom 23.01.1991 I R 22/90, BStBl II 1991, 554; vom 15.10.1997 I R 76/95, BFH/NV 1998, 434; vom 30.01.2002 I R 12/01, BFH/NV 2002, 1128; FG München, Beschluss vom 09.02.2006 6 V 2602/05, BeckRS 2006, 26020961, rkr.; FG Münster, Urteil vom 24.05.2004 9 K 5177/99, EFG 2004, 1498).

Wird ein Geschäftsführer an verschiedenen Orten geschäftsführend tätig, so sind die an verschiedenen Orten ausgeübten Tätigkeiten nach ihrer Bedeutung für die Gesellschaft zu gewichten, um auf diese Weise den Ort der Geschäftsleitung zu bestimmen (BFH-Urteile vom 03.07.1997 IV R 58/95, BStBl II 1998, 86; vom 07.12.1994 I K 1/93, BStBl II 1995, 175; BFH-Beschluss vom 07.09.1993 VII B 169/93, BFH/NV 1994, 193). Nach dem BFH-Urteil vom 16.12.1998 I R 138/97 (BStBl II 1999, 437) ist im Rahmen der Abwägung der Ausführung von Werkverträgen im Inland ein größeres Gewicht beizumessen als der Personalanwerbung im Ausland. Unter Umständen können nach der Rechtsprechung des BFH auch mehrere Mittelpunkte der geschäftlichen Oberleitung i.S. des § 10 AO bestehen (BFH-Urteile vom 15.10.1997 I R 76/95, BFH/NV 1998, 434; vom 30.01.2002 I R 12/01, BFH/NV 2002, 1128; vom 05.11.2014 IV R 30/11, BStBl II 2015, 601).

Der maßgebende Wille kann auch von anderen Personen als den gesetzlichen Vertretern gebildet werden, z. B. bei einer „faktischen“ Geschäftsführung durch einen Gesellschafter (Hessisches FG, Urteil vom 20.10.1997 3 K 204/09, EFG 98, 518; Niedersächsisches FG, Urteil vom 30.04.2010 6 K 276/05, BeckRS 2011, 94 939) oder einem Managementvertrag mit einer ausländischen Gesellschaft (BFH-Urteile vom 03.07.1997 IV R 58/95, BStBl II 1998, 86; vom 25.08.1999 VIII R 76/95, BFH/NV 2000, 300).

b) Ausgehend von den vorgenannten Rechtsprechungsgrundsätzen, denen der erkennende Senat folgt, hatte die Klägerin ihre Geschäftsleistung zumindest in den Jahren 2009 und 2010 in L und damit im Inland.

aa) Die Klägerin unterhielt zwar unstreitig in Polen eigene Büroräume und verfügte damit über eine feste Geschäftseinrichtung, die dem Betrieb diente und eine Betriebsstätte im Sinne des § 12 Satz 1 AO darstellte. Ebenso unstreitig verfügte sie in Polen über eigenes Personal. Gleichwohl steht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, dass sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung in den Jahren 2009 und 2010 in L befand. Denn von dort aus erfolgte die Abwicklung der Geschäftsbeziehung mit den inländischen Kunden der Klägerin, und zwar mittels eines in L bestehenden Büros und gegebenenfalls auch in der dort bestehenden Wohnung des Geschäftsführers E. Unerheblich ist insoweit, dass die Klägerin mit KE einen Vertrag über die Zusammenarbeit abgeschlossen hatte, KE das Büro für ihre eigene Tätigkeit nutzte, sich das Büro in dem KE gehörenden Gebäude befand und viele Arbeiten für die Klägerin von der Zeugin P, einer Angestellten der KE, ausgeübt wurden. Ausschlaggebend ist, dass die Klägerin mittels der vertraglichen Überantwortung von Aufgaben an KE und dadurch mittels eines entsprechenden sachlichen und personellen „Apparats“ in der Lage war, ihrer unternehmerischen Tätigkeit „operativ“ nachzugehen, und dass sie infolgedessen Zugriff in Gestalt der Verfügungsmacht über die fraglichen Räumlichkeiten hatte (vgl. auch BFH-Urteil vom 24.08.2011 I R 46/10, BStBl II 2014, 764 zu einer eingeschalteten Managementgesellschaft). Im Streitfall kommt hinzu, dass sich die faktische Verfügungsmacht der Klägerin über die Räumlichkeiten in L auch aus der persönlichen Beziehung ihres Geschäftsführers E zu seiner Ehefrau KE ergab. Über das vorgenannte Büro in L wurden die gesamten Kundenkontakte abgewickelt (Aushandlung der Vertragskonditionen, Führung von Telefonaten, Erstellung der Rechnungen, Bearbeitung von Beanstandungen, Mahnung der Kunden bei verspäteten Zahlungen) und die Betreuerinnen eingewiesen. Dieser Leistungserbringung gegenüber den Kunden der Klägerin von L aus misst der erkennende Senat in Anlehnung an das BFH-Urteil vom 16.12.1998 I R 138/97 (BStBl II 1999, 437) größeres Gewicht bei als der Personalanwerbung in Polen und der dort teilweise durchgeführten Buchführung.

bb) Die vorgenannten Sachverhaltsannahmen beruhen auf den im Rahmen des Strafverfahrens gegen E aufgefundenen Unterlagen, den dortigen Zeugenaussagen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch den erkennenden Senat.

aaa) Unstreitig wurden die Kundenkontakte durch KE hergestellt. Diese klärte in Gesprächen mit den Kunden auch unstreitig den Leistungsumfang und benannte gegenüber den Kunden des Weiteren zumindest die Höhe der voraussichtlich zu erbringenden Zahlungen. Zwar sollen die Verträge mit den Kunden nach dem Vorbringen der Klägerin und der Aussage der Zeugin KE letztlich verbindlich in Polen unterzeichnet worden sein. Die Aussage der Zeugin KE erscheint dem Senat insoweit jedoch wenig glaubhaft. Zum einen erscheint es naheliegend, dass E die Grundsätze der Preisgestaltung vorgegeben hat. Dafür spricht auch die Aussage der KE, dass ihr die Preisliste der Klägerin (wie die Preisliste anderer Firmen) bekannt gewesen sei und dass die von ihr gegenüber den Kunden genannten (voraussichtlichen) Preise normalerweise von der jeweiligen Firma (und damit auch von der Klägerin) akzeptiert worden seien. Darüber hinaus hat die Zeugin KE auf Nachfrage eingeräumt, vielleicht auch einmal einen Vertrag selbst unterschrieben zu haben und konkret bekundet, den Dienstleistungsvertrag mit Q2 unterzeichnet zu haben. Des Weiteren ist nicht plausibel, aus welchen Gründen sie in Sonderfällen die Vertragskonditionen nicht direkt mit E als alleinigem Geschäftsführer der Klägerin abgestimmt hat, zumal dieser sich zwar überwiegend auf Reisen aber gleichwohl noch etwa jedes zweite Wochenende in L aufgehalten haben will. Auch im Rahmen der Ermittlungshandlungen im Strafverfahren gegen E wurde dieser am 21.01.2010 im Wohnhaus in L angetroffen. Außerdem wurde E ausweislich der Aussage der Zeugin P vom 20.09.2010, die diese in der mündlichen Verhandlung insoweit bestätigt hat, täglich von Büro in L angerufen und war somit telefonisch gut erreichbar. Auf weitergehende Befugnisse der Zeugin KE (gegebenenfalls nach persönlicher oder telefonischer Abstimmung mit E) deutet auch der Umstand hin, dass sie zwar angegeben hat, eine Preisdifferenzierung sei nur nach der Anzahl der Personen erfolgt, nach den im Rahmen des Strafverfahrens aufgefundenen Unterlagen die Rechnungsbeträge aber über sehr unterschiedliche Beträge lauteten (vgl. die Zusammenstellung der aufgefundenen Rechnungen in der Umsatzsteuerakte).

In Bezug auf die Vertragsabschlüsse mit den inländischen Kunden ist für den erkennenden Senat entscheidend, dass von der Klägerin nicht nachgewiesen wurde, welche Person in dem Büro in Polen über weitergehende Befugnisse verfügt haben sollte als KE. Die Zeugin KE benannte in ihrer Aussage betreffend die Vertragsabschlüsse keine konkrete Kontaktperson, sondern regelmäßig „das Büro in Polen“. Der Geschäftsführer E befand sich nach seinen eigenen Angaben vielfach auf Reisen, und zwar nicht zuletzt wegen des Aufbaus einer Firma in Frankreich. Seine Angaben zu jeweils vierzehntätig einwöchigen Aufenthalten in Polen bei Frau F stehen damit nicht in Einklang. Weder die Zeugin KE noch die Zeugin P haben sich auf Gespräche mit E anlässlich dessen etwaiger Aufenthalte im polnischen Büro bezogen. Vielmehr hat die Zeugin P bekundet, dass sie sich in der Anfangszeit (d.h. in den Jahren 2009 bis 2011) mit dem polnischen Büro aus sprachlichen Gründen nicht habe verständigen können und deshalb die Kontakte zum polnischen Büro über KE gelaufen seien. Bestätigt hat die Zeugin P lediglich, dass die im Inland geschriebenen Rechnungen einmal im Monat von E nach Polen gebracht worden seien. Auch die Zeugin Ü hat keine längeren Aufenthalte des E in Polen bestätigt, sondern nur, dass dieser etwa alle zwei bis drei Wochen bzw. einmal im Monat dort gewesen sei. Gegen längerfristige Aufenthalte des E im polnischen Büro spricht des Weiteren die Bekundung der KE, dass in der Anfangszeit die Rechnungserstellung in Deutschland erfolgt sei, weil eine Rechnungserstellung in Polen aus sprachlichen Gründen schwierig gewesen sei. Schließlich kann E sich während der Dauer seiner Untersuchungshaft vom 08.09.2010 bis zum 25.03.2011 ohnehin nicht in Polen aufgehalten haben.

Soweit der Geschäftsführer der Klägerin angegeben hat, auch die Zeugin Ü habe über eine volle Entscheidungsbefugnis verfügt, die Verträge gemacht und etwaige Mahnverfahren bearbeitet, steht dies zumindest für die Streitjahre 2009 und 2010 in Widerspruch zu der Aussage der Zeugin Ü. Diese hat bekundet, mit den Verträgen zwischen der Klägerin und den Kunden in Deutschland nicht beschäftigt gewesen zu sein. Verbindliche Entscheidungen darüber, ob ein Vertrag so abgeschlossen werden sollte oder nicht, hätten nur die Gesellschafter der Klägerin treffen können, also Frau F und Frau D E, wobei Letztere E bevollmächtigt habe. Auf Nachfrage, ob Frau F die Geschäftsangelegenheiten ihrerseits mit KE abgesprochen habe, konnte die Zeugin Ü nur vermuten, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Zu den Mahnverfahren hat die Zeugin Ü bekundet, diese erst ab dem Jahr 2015 im sog. vereinfachten Verfahren abgewickelt zu haben.

Soweit die Klägerin geltend gemacht hat, Frau F sei Gesellschafterin und ebenfalls eine Entscheidungsperson, vermag der erkennende Senat deren konkrete Kompetenzen und Tätigkeiten nicht festzustellen. Der mit Frau F abgeschlossene Vertrag vom 25.01.2010 weist als auszuführende Tätigkeiten lediglich Buchführungsarbeiten etc. aus, aber keine weitergehenden Vollmachten. Auch im Rahmen der Betriebsprüfung in Polen werden Vollmachten für Frau F lediglich im Zusammenhang mit ihrem Auftreten gegenüber dem Finanzamt erwähnt. Von unmittelbaren Kontakten zwischen Frau F und den Kunden der Klägerin ist bereits deshalb nicht auszugehen, weil diese dafür offensichtlich nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügte. Nach der Stellungnahme des Geschäftsführers E in der mündlichen Verhandlung spricht die „Buchhalterin Frau F“ schlecht Deutsch und auch die Zeugin P hat – wie bereits dargelegt – bekundet, dass mit dem polnischen Büro in der Anfangszeit aus sprachlichen Gründen keine Verständigung möglich gewesen sei. Gegenteilige Andeutungen der Zeugin Ü beruhen zum einen nur auf ihrer Wiedergabe von anderweitigen Gesprächen, aber nicht auf eigenen Wahrnehmungen, und zum anderen hat sie auch bekundet, es sei damals ein Mitarbeiter mit ausreichenden Sprachkenntnissen gesucht worden, um deutsche Kunden ansprechen zu können. Zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hatte die Vorsitzende die Klägerin deshalb bereits mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung aufgefordert, die im Ausland ansässige Frau F als Zeugin zu stellen. Dem ist die Klägerin trotz der für Auslandssachverhalte geltenden erhöhten Mitwirkungspflichten (§ 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) nicht nachgekommen.

bbb) Behördenkontakte und die eher seltenen Probleme mit Kunden regelte E nach seinen eigenen Angaben selbst. Wie bereits dargelegt, lässt sich nicht feststellen, dass E diese Angelegenheiten überwiegend von dem Büro in Polen aus erledigt hat. Auch diesbezüglich hätte eine Aussage von Frau F zur weiteren Sachverhaltsaufklärung beitragen können. Soweit E geltend macht, er habe sich ab Januar 2010 bis Oktober 2010 weitgehend in Frankreich aufgehalten, schließt dies eine Leitung der Geschäftstätigkeit über das Büro in Deutschland (L) nicht aus, zumal in Frankreich ab dem 01.07.2010 lediglich ein möbliertes Zimmer angemietet wurde, zu der geltend gemachten vorherigen Anmietung einer Wohnung in C2 keine Nachweise vorgelegt wurden und die Klägerin selbst nicht geltend gemacht hat, dass sich wesentliche Teile ihrer Geschäftsunterlagen in Frankreich befunden hätten. Zwar mag E wegen seiner anderweitigen Tätigkeiten häufig auf Reisen gewesen sein, doch sind Einzelmaßnahmen auf Geschäftsreisen nicht maßgebend für die Bestimmung des Ortes der Geschäftsleitung.

ccc) Auch im Übrigen verfügte die Klägerin in den Streitjahren 2009 und 2010 nur in L über den sachlichen und personellen Apparat, um ihrer unternehmerischen Tätigkeit operativ nachzugehen. In den Dienstleistungsverträgen wurde jeweils ausdrücklich KE als Ansprechpartnerin in Deutschland benannt. Die vielfältigen Aufgaben im Zusammenhang mit der Kundenbetreuung wurden von L durch KE und deren Angestellte, die Zeugin P, ausausgeübt. Dies hat der Geschäftsführer der Klägerin selbst bestätigt und entspricht dem Vertrag zwischen der Klägerin und KE vom 02./03.11.2009 über die Zusammenarbeit, den Bekundungen der Zeuginnen KE und P und den im Rahmen des Strafverfahrens aufgefundenen umfangreichen Aufzeichnungen zu den an einzelnen Tagen zu erledigenden Arbeiten im März 2010. Zumindest in den vorgenannten Jahren wurden ausweislich der aufgefundenen Dokumente und der Aussagen der vorgenannten Zeuginnen auch die Rechnungen an die Kunden in L geschrieben und etwaige Mahnungen vom Büro in L aus durchgeführt.

2. Die von der Klägerin erzielten Einkünfte waren auch nicht ganz oder teilweise nach Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 24 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 14.05.2003 (DBA-Polen) von der inländischen Besteuerung freizustellen.

a) Nach Art. 7 Abs. 1 DBA-Polen können Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaates nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, das Unternehmen übt seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte aus. Übt das Unternehmen seine Tätigkeit auf diese Weise aus, so können die Gewinne des Unternehmens im anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können. Dabei bedeuten die Ausdrücke „Unternehmen eines Vertragsstaates“ und „Unternehmen des anderen Vertragsstaates“, je nachdem, ein Unternehmen, das von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird, oder ein Unternehmen, das von einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Polen). Eine Kapitalgesellschaft ist eine in einem Vertragsstaat ansässige Person, wenn sie nach dem Recht dieses Staates dort aufgrund des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist (Art. 4 Abs. 1 DBA-Polen). Ist eine Kapitalgesellschaft danach in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt sie als in dem Staat ansässig, in dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet (Art. 4 Abs. 3 DBA-Polen). Im Ergebnis gelten damit zumindest weitgehend die gleichen Grundsätze wie bei § 10 AO (so wohl auch Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, DBA, zu Art. 4 MA Rz. 37 f., dem Art. 4 Abs. 3 DBA-Polen entspricht), wenngleich ein doppelter Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung i.S. des Art. 4 Abs. 3 DBA-Polen insoweit ausgeschlossen sein dürfte (vgl. Hummel in Gosch, KStG, 3. Aufl., § 1 Rz. 47 f.).

b) Im Streitfall befand sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung der Klägerin i.S. des Art. 4 Abs. 3 DBA-Polen in den Jahren 2009 und 2010 im Inland. Die Ausführungen unter III.1 zum Ort der Geschäftsleitung i.S. des § 10 AO gelten insoweit entsprechend. Der Gewinn des Unternehmens der Klägerin unterlag in den Jahren 2009 und 2010 nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz DBA-Polen damit grundsätzlich der deutschen Besteuerung.

c) Der Gewinn des Unternehmens der Klägerin war auch nicht wegen einer Betriebsstätte in Polen teilweise nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz i.V.m. Art. 24 DBA-Polen von der inländischen Besteuerung auszunehmen.

Zwar könnte die Klägerin in Polen eine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 1, 2 DBA-Polen unterhalten haben, sofern unter die dort benannten festen Geschäftseinrichtungen, durch die die Tätigkeit ganz oder teilweise ausgeübt wird, bzw. die beispielhaft aufgeführten Sachverhalte eines Orts der Leitung, einer Zweigniederlassung oder einer Geschäftsstelle auch solche Räumlichkeiten zu verstehen sein sollten, die vorrangig nur der Anwerbung von Personal dienen. Jedoch bestimmt Art. 5 Abs. 4 DBA-Polen (und ebenso Art. 5 Abs. 4 OECD-MA) einschränkend, dass ungeachtet der vorstehenden Bestimmungen dieses Artikels nicht als Betriebsstätten u.a. gelten

 „d) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen oder Informationen zu beschaffen;

e) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen andere Tätigkeiten auszuüben, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen andere Tätigkeiten auszuüben, die vorbereitender Art sind oder eine Hilfstätigkeit darstellen;

f) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, mehrere der unter den Buchstaben a bis e genannten Tätigkeiten auszuüben, vorausgesetzt, dass die sich daraus ergebende Gesamttätigkeit der festen Geschäftseinrichtung vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt.“

Im Streitfall geht der erkennende Senat aus den bereits dargelegten Gründen davon aus, dass die Klägerin ihre operative Tätigkeit im Inland von dem Büro in L aus ausführte und das Büro in Polen in den Streitjahren 2009 und 2010 lediglich die Personalbeschaffung und Teile der Buchführungsarbeiten übernommen hatte. Bei den letztgenannten Tätigkeiten handelte es sich lediglich um solche, die vorbereitender Art waren bzw. um Hilfstätigkeiten i.S. des Art 5 Abs. 4 Buchst. e DBA-Polen. Eine Vorbereitungstätigkeit ist gegeben, wenn sie zeitlich vor der Haupttätigkeit ausgeübt wird (BFH-Urteil vom 23.01.1985 I R 292/81, BStBl II 1985, 417). Von Hilfstätigkeiten ist auszugehen, wenn diese lediglich die Leistungserbringung des Unternehmens am Markt unterstützen (vgl. Hruschka in Schönfeld/Ditz, Doppelbesteuerungsabkommen, 2013, Art. 5 Rz. 120). Die Personalanwerbung ist als solche noch kein Gewinnrealisationstatbestand und Umsatzakt auf dem örtlichen Markt. Vielmehr betrifft sie ausschließlich die Beschaffungsseite und ähnelt damit einem Güter- und Wareneinkauf, der nach Art. 5 Abs. 4 Buchst. d DBA-Polen ausdrücklich nicht zur Begründung einer DBA-Betriebsstätte geeignet ist (vgl. zum Wareneinkauf auch Hruschka, a.a.O., Art. 5 Rz. 115 zu Art. 5 Abs. 4 Buchst. d OECD-MA). Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Personalbeschaffung für das Unternehmen der Klägerin eine erhebliche Bedeutung hat, doch gilt Entsprechendes für den Wareneinkauf eines Handelsunternehmens und gleichwohl haben die Vertragsstaaten insoweit ausdrücklich die Annahme einer DBA-Betriebsstätte ausgeschlossen.

3. Die Körperschaftsteuer 2009 und 2010 ist jedoch unter Berücksichtigung des polnischen Jahresabschlusses, eines Sicherheitszuschlags und von Rückstellungen wegen einer drohenden Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen i.H.v. 13.335 € zum 31.12.2009 bzw. i.H.v. 173.360 € zum 31.12.2010 und von Rückstellungen wegen einer drohenden Inanspruchnahme für Lohnsteuer i.H.v. 6.668 € zum 31.12.2009 bzw. i.H.v. 86.680 € zum 31.12.2010 und von Umsatzsteuerrückstellungen i.H.v. 12.669 € zum 31.12.2009 bzw. i.H.v. 164.692,57 € zum 31.12.2010 ausgehend von einem Verlust in den Streitjahren 2009 und 2010 mit jeweils 0 € festzusetzen.

a) Die Klägerin hat trotz ihrer unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht für die Streitjahre 2009 und 2010 keine Steuererklärungen eingereicht. Die Besteuerungsgrundlagen sind deshalb gemäß § 162 AO i.Vm. § 96 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FGO zu schätzen.

b) Die Schätzung des Gewinns der Klägerin ist nach Bilanzierungsgrundsätzen vorzunehmen.

Als unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG erzielt die Klägerin gem. § 8 Abs. 2 KStG Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Klägerin war auch buchführungspflichtig, wobei dahingestellt bleiben kann, ob sich die Buchführungspflicht aufgrund ihrer gewerblichen Betätigung und ihrer Zweigniederlassung im Inland bereits aus § 1, § 238 HGB ergab (vgl. BFH-Urteil vom 15.09.2004 I R 5/04, BStBl II 2009, 100), oder ob sie als eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem EU-Staat ihre polnische Buchführungspflicht nach § 140 AO auch für Zwecke der deutschen Besteuerung zu erfüllen hatte (vgl. Anwendungserlass zur Abgabenordnung       – AEAO – zu § 140 Satz 4; zweifelnd BFH-Urteil vom 25.06.2014 I R 24/13, BStBl II 2015, 141). Unabhängig davon ist nach der BFH-Rechtsprechung die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG die vorrangige Gewinnermittlungsart bei Einkünften aus Gewerbebetrieb. In Schätzungsfällen muss deshalb eine Schätzung auf dieser Basis erfolgen, es sei denn, es besteht keine Buchführungspflicht und der Steuerpflichtige hat durch die Art der Einrichtung seiner Buchführung oder auf andere Weise eine Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG gewählt und diese Wahl nach außen kenntlich gemacht (vgl. BFH-Urteil vom 06.04.2000 IV R 31/99, BStBl II 2001, 536). Im Streitfall liegen die letztgenannten Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht vor, weil die Klägerin tatsächlich Jahresabschlüsse erstellte.

c) Im Rahmen der Schätzung sind zum 31.12.2009 und 31.12.2010 dem Grunde nach Rückstellungen für die drohende Inanspruchnahme der Klägerin wegen Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben zu bilden (§ 4 Abs. 1 bzw. § 5 Abs. 1 des EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG).

Sozialversicherungsabgaben sind, auch falls sie hinterzogen wurden, bereits in dem Wirtschaftsjahr zu passivieren, in dem sie entstanden sind (BFH-Urteil vom 16.02.1996 I R 73/95, BStBl II 1996, 592; OFD Niedersachsen vom 22.08.2013, juris). Allein der Umstand, dass es nach den jetzigen Angaben der Klägerin nicht zu einer Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen gekommen ist, rechtfertigt es nicht, von einer Rückstellungsbildung zum 31.12.2009 und 31.12.2010 abzusehen. Ein Grund dafür, die Vorgängerfirma I für Sozialversicherungsbeträge in Anspruch zu nehmen, nicht jedoch Klägerin, ist weder aus damaliger noch aus heutiger Sicht zu erkennen. Insbesondere hat die polnische Sozialversicherung (ZUS) auch der Klägerin gegenüber am 12.07.2011 die Auskunft erteilt, dass die Betreuerinnen der deutschen Gesetzgebung in Bezug auf die soziale Versicherung unterliegen.

Darüber hinaus sind im Streitfall Rückstellungen für die drohende Inanspruchnahme der Klägerin wegen Lohnsteuer zu bilden, und zwar unabhängig davon, ob insoweit von einer Steuerhinterziehung auszugehen ist. Nach der BFH-Rechtsprechung, welcher der erkennende Senat folgt, dürfen Rückstellungen für hinterzogene Steuern zwar noch nicht angesetzt werden, solange die Tat noch nicht entdeckt ist, weil eine Bilanz, die keine Rückstellungen für hinterzogene Steuern ausweist, nicht als fehlerhaft angesehen wird, wenn die Steuerhinterziehung zum Zeitpunkt des Bilanzstichtags noch nicht aufgedeckt war und auch noch nicht mit Ermittlungen begonnen wurde (BFH-Urteile vom 16.02.1996 I R 73/95, BStBl II 1996, 592; vom 27.11.2011 VIII R 36/00, BStBl II 2002, 731; vom 15.03.2012 III R 96/07, BStBl II 2012, 716; vom 22.08.2012 X R 23/10, BStBl II 2013, 76). Im Streitfall waren bereits im Jahr 2008 bei der Vorgängerfirma I erste Durchsuchungen durchgeführt worden. Im Hinblick auf die dadurch erkennbar gewordenen Risiken wurde zum Jahreswechsel 2009/2010 die Geschäftstätigkeit auf die Klägerin verlagert, wobei angesichts des zumindest in den Streitjahren 2009 und 2010 weitgehend unveränderten Geschäftsmodells und der zumindest teilweisen Kundenübername auch mit einer späteren Prüfung der Klägerin und entsprechenden Lohnsteuernachforderungen zu rechnen war. Aufgrund weiterer Ermittlungsmaßnahmen im Jahr 2010 (Aussage der Zeugin P, Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des E am 08.09.2010) sah das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung M (Steufa) weiteren Ermittlungsbedarf in Bezug auf die Klägerin (vgl. die Aktenvermerke vom 20.12.2010 und 21.12.2010). Bereits mit Schreiben vom 01.02.2011 kündigte das Finanzamt gegenüber der Klägerin den Erlass von Steuerbescheiden an und erließ diese dann im Verlauf des Jahres 2011. Hiervon ausgehend war der Sachverhalt im Kern bereits am 31.12.2009 bzw. 31.12.2010 entdeckt und es musste zu diesen Stichtagen damit gerechnet werden, dass der Sachverhalt von der Finanzverwaltung zu Lasten der Klägerin gewürdigt werden würde.

d) Die Beteiligten gehen im Anschluss an die mündliche Verhandlung übereinstimmend davon aus, dass im Falle einer unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht der Klägerin, die der erkennende Senat wie dargelegt bejaht hat, der Gewinn ausgehend von dem (korrigierten) polnischen Jahresabschluss für die Jahre 2009/2010 unter Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlags von 10 % zu schätzen ist, allerdings unter Ansatz von Rückstellungen bzw. Verbindlichkeiten für Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeträge, so dass sich letztlich eine Steuer in Höhe von 0 € ergibt und die Höhe der angesetzten Rückstellungen bzw. Verbindlichkeiten darüber hinaus für den Bilanzenzusammenhang von Bedeutung ist. Dem folgt der erkennende Senat. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass es sich nach den Angaben der Klägerin bei den in Polen ausgewiesenen Umsätzen um Bruttoumsätze handelte.

Anstelle der vom Beklagten bislang geschätzten Umsätze der Klägerin für 2009/2010 (Umsatz brutto 914.181 €, Umsatz netto 768.220 € netto) ist dementsprechend für die Gewinnermittlung nunmehr von folgenden Umsätzen auszugehen:

Umsatz für 2009/2010 laut polnischer Buchführung nach

              Korrektur laut polnischem Betriebsprüfungsbericht               3.848.571 Zloty (brutto)

              umgerechnet in € bei einem geschätzten Kurs von                            4,1

              ergibt einen Bruttoumsatz für 2009/2010 i.H.v.                       938.676 €       (brutto)

              und einen Nettoumsatz bei der vom Beklagten

              angenommenen Umsatzsteuerpflicht i.H.v.                            788.803 €       (netto)

Die Hinzuschätzung (Sicherheitszuschlag) beträgt danach

              abgerundet                                                                                                         78.000 €        (netto)

Somit ergibt sich ein Gewinn vor Berücksichtigung von Rückstellungen für Lohnsteuer, Umsatzsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen i.H.v.

Gewinn 2009/2010 bisher laut polnischem Jahresabschluss

              4.521 Zloty, umgerechnet zum Kurs von 4,1                                                                     1.100 €

Hinzuschätzung                                                                                                                         78.000 €

Gewinn vor Rückstellungen                                                                                                         79.100 €

Die Umsatzsteuerrückstellung für 2009/2010 beträgt dementsprechend

              (788.803 € + 78.000 € = 866.803 € Umsätze) x 19 % =                             164.692,57 €.

Die Lohnsteuerrückstellung schätzt der erkennende Senat

              mit 10 % vom Nettoumsatz von 866.803 € =                                               86.680,00 €.

Die Rückstellung (bzw. Verbindlichkeit) für Sozialversicherungs-

beiträge schätzt der erkennende Senat

mit 20 % vom Nettoumsatz von 866.803 € =                                                            173.360,00 €.

Die vorgenannte prozentuale Schätzung der Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge erfolgt zwar in Anlehnung an das in der mündlichen Verhandlung vorgestellte „Beispiel zur Bedeutung der Lohnsteuer und Sozialversicherung“, setzt aber niedrigere Beträge an, weil die vom Beklagten geschätzte Lohnsteuer noch einer Überprüfung bedarf und weil bezogen auf Teilbeträge bereits Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden sind.

Die vorstehend für 2009/2010 bezifferten Beträge beziehen sich jeweils auf einen Zeitraum von 13 Monaten, wobei davon 1/13 auf das Streitjahr 2009 und 12/13 auf das Streitjahr 2010 entfallen.

Unter Berücksichtigung der Rückstellungen ergibt sich damit für die Streitjahre 2009 und 2010 jeweils ein Verlust, so dass die Körperschaftsteuer 2009 und 2010 jeweils mit 0 € beträgt.

4. Die Körperschaftsteuer 2009 und 2010 ist aus den vorgenannten Gründen und unter Berücksichtigung der vorgenannten Besteuerungsgrundlagen unter Abänderung der angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide 2009 und 2010 mit 0 € festzusetzen (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO). Entgegen der ursprünglichen Auffassung der Klägerin sind die angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide nicht nichtig, d.h. ihre Aufhebung ist nicht geboten.

a) Ein Verwaltungsakt ist gemäß § 125 AO nichtig, wenn er entweder an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (§ 125 Abs. 1 AO) oder wenn ein Fall des § 125 Abs. 2 AO vorliegt. Für Letzteres bestehen keine Anhaltspunkte. Auch ein besonders schwerwiegender Fehler liegt im Streitfall nicht vor. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist sie unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig (vgl. dazu unter III.1) und die vom Beklagten vorgenommene Schätzung mag zwar überhöht gewesen sein (vgl. dazu unter III.3), doch sind wesentliche Teile des Sachverhalts erst nach dem Erlass der vorgenannten Feststellungsbescheide bekannt geworden.

b) Die Änderung der angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide 2009 und 2010 ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin deren Aufhebung beantragt hat. Zwar hat die Klägerin vorrangig geltend gemacht, die Bescheide seien aufzuheben, weil sie weder unbeschränkt noch beschränkt körperschaftsteuerpflichtig i.S. der §§ 1, 2 KStG sei. Unter Berücksichtigung ihres Vorbringens in der mündlichen Verhandlung ist dieser Antrag aber dahingehend auszulegen, dass sie hilfsweise eine Aufhebung oder Änderung der Körperschaftsteuerbescheide 2009 und 2010 auch deshalb begehrt, weil sie keine Gewinne erzielt habe.

IV. Die Anfechtungsklage wegen der Gewerbesteuermessbeträge 2009 und 2010 ist im Wesentlichen begründet.

1. Die Klägerin unterhielt allerdings zumindest in den Streitjahren 2009 und 2010 – entgegen ihrer Auffassung – im Inland einen stehenden Gewerbebetrieb und war deshalb gemäß § 2 Abs. 1 GewStG gewerbesteuerpflichtig. Die Gewerbesteuerpflicht umfasste allerdings nicht die in Polen unterhaltene Betriebsstätte.

a) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Die Tätigkeit von inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaften gilt stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 GewStG, BFH-Urteil vom 28.07.1982 I R 196/79, BStBl II 1983, 77). Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrieb, soweit für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Der Begriff der Betriebsstätte ergibt sich insoweit aus § 12 AO (R 2.9 Abs. 1 Satz 1 GewStR). Befindet sich – wie im Streitfall (vgl. III.1) – die Geschäftsleitung in Deutschland, liegt auch eine inländische Betriebsstätte (§ 12 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 AO) und damit ein im Inland betriebener stehender Gewerbetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 GewStG vor.

b) Das DBA-Polen betrifft nach dessen Art. 2 Abs. 3 Buchst. a), cc) zwar auch die Gewerbesteuer. Doch verbleibt es nach dem DBA-Polen grundsätzlich bei der inländischen Gewerbesteuerpflicht der Klägerin, weil sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung i.S. des Art. 4 Abs. 3 DBA-Polen in L befand. Auf die Ausführungen unter III.1, III.2 wird Bezug genommen.

c) Die Gewerbesteuerpflicht der Klägerin bezieht sich jedoch nicht auf ihre Betriebsstätte in Polen.

aa) Nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG ist die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen zu kürzen um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt. Diese Norm kommt aber nur klarstellende Bedeutung zu, weil sie lediglich die bereits aus § 2 Abs. 1 Sätze 1, 3 GewStG folgende Begrenzung der Gewerbesteuerpflicht wiederholt, die sich aus den dortigen Zusätzen „soweit er [der stehende Gewerbebetrieb] im Inland betrieben wird“ bzw. „soweit für ihn im Inland … eine Betriebsstätte unterhalten wird“ ergibt (Gosch in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 9 Rz. 212; Schnitter in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 9 GewStG Rz. 156; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 8. Aufl., § 9 Nr. 3 Rz. 1; Ziehr in Deloitte, GewStG, § 9 Nr. 3 Rz. 2; Roser in Lenski/Steinberg, GewStG, § 9 Rz. 3; eventuell ebenso BFH-Urteil vom 06.07.2005 VIII R 72/02, BStBl II 2010, 828). Sowohl für den Begriff der Betriebsstätte i.S. des § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG als auch für denjenigen i.S. des § 2 Abs. 1 Sätze 1, 3 GewStG ist deshalb § 12 AO maßgebend. Ein Doppelbesteuerungsabkommen vermag die Gewerbesteuerpflicht zwar einzuschränken, sofern sein Betriebsstättenbegriff von demjenigen des § 12 AO abweicht. Durch eine enger gefasste Betriebsstättendefinition in DBA, die der Vermeidung der Doppelbesteuerung dienen, können ausländische Betriebsstätten aber nicht entgegen dem innerstaatlichen Recht in die Gewerbesteuerpflicht einbezogen werden, d.h. in derartigen Fällen ist sowohl für § 2 Abs. 1 Sätze 1, 3 GewStG wie für § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG auf die weiter gefasste Betriebsstättenbestimmung des deutschen Steuerrechts in § 12 AO abzustellen und nicht auf die engere Betriebsstättendefinition des DBA (Ziehr in Deloitte, GewStG, § 9 Nr. 3 GewStG Rz. 4; Schnitter in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 9 GewStG Rz. 158; Roser in Lenski/Steinberg, GewStG, § 9 Rz. 3). Der gegenteiligen Auffassung des FG Köln im Urteil vom 07.05.2015 10 K 73/13 (EFG 2015, 1558, Rev. I R 50/15), wonach der Begriff der „nicht im Inland belegenen Betriebsstätte“ in § 9 Nr. 3 GewStG nicht nach § 12 AO, sondern nach dem jeweiligen zwischenstaatlich vereinbarten DBA zu bestimmen sein soll, vermag der erkennende Senat deshalb nicht zu folgen (kritisch bzw. ablehnend zur Entscheidung des FG Köln auch Kollruss, IStR 2016, 419; Kahlenberg, ISR 2015 380; van der Ham/Retzer, DStR 2015, 2650; Hielscher, BB 2015, 2088; Lüdicke, IStR 2015, 770). Ob ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte, sofern das in Rede stehende DBA ausdrücklich auch das Ziel verfolgen würde, eine gewerbesteuerliche Nichtbesteuerung von Gewinnen/Einkünften zu vermeiden, kann im Streitfall dahingestellt bleiben. Das „zur Vermeidung der Doppelbesteuerung“ abgeschlossene DBA-Polen enthält keine Regelungen, welche eine Besteuerung abweichend von dem Territorialitätsprinzip der Gewerbesteuer rechtfertigen würde.

b) Im Streitfall unterhält die Klägerin in Polen ein Büro und damit unstreitig eine Betriebsstätte i.S. des § 12 Satz 1 AO. Da – wie dargelegt – die in Art. 5 Abs. 4 DBA-Polen vorgesehenen Einschränkungen des Betriebsstättenbegriffs für den Umfang der Gewerbesteuerpflicht der Klägerin nicht maßgeblich sind und § 12 AO seinerseits keine entsprechenden Einschränkungen enthält, bezieht sich die Gewerbesteuerpflicht der Klägerin gemäß § 2 Abs. 1 Sätze 1, 3 GewStG nicht auf ihre Betriebsstätte in Polen und dementsprechend ist die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen gemäß § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG um den Teil des Gewerbeertrags der Klägerin zu kürzen, der auf diese Betriebsstätte entfällt.

2. Der Gewerbesteuermessbetrag 2009 und 2010 ist jeweils mit 0 € festzusetzen.

a) Gewerbeertrag einer Kapitalgesellschaft ist nach § 7 GewStG der nach den Vorschriften des KStG zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt oder vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge.

b) Der erkennende Senat schätzt den Gewerbeertrag der Klägerin in Höhe des Verlustes aus Gewerbebetrieb abzüglich des Teils des Gewerbeertrags, der auf die Betriebsstätte der Klägerin in Polen entfällt.

aa) Zur Höhe des Verlustes aus Gewerbebetrieb wird auf die Ausführungen unter III.3 verwiesen.

bb) Den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Betriebsstätte der Klägerin in Polen entfällt und um den damit die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen zu gemäß § 9 Nr. 3 GewStG zu kürzen ist, schätzt der erkennende Senat griffweise mit 5 % des Verlustes aus Gewerbebetrieb.

Für die Ermittlung des Teils des Gewerbeertrags, der auf die ausländische Betriebsstätte entfällt, kommen die sog. sog. direkte und die sog. indirekte Methode in Betracht. Grundlage der direkten Methode sind die für die einzelnen Betriebsstätten isoliert ermittelten Ergebnisse. Die Betriebsstätte wird also wie ein selbständiges Unternehmen behandelt. Bei der indirekten Methode erfolgt hingegen eine schätzungsweise Aufteilung des Ertrags des Gesamtunternehmens. Grundsätzlich ist die direkte Methode vorzuziehen (BFH-Urteil vom 28.03.1985 IV R 80/82, BStBl II 1985, 405). Wenn die im In- und Ausland ausgeübten Tätigkeiten gleichwertig sind, soll nach der Verwaltungsauffassung (Hinweis H 9.4 zu den GewStR) § 29 GewStG gegebenenfalls sinngemäß angewendet, d.h. eine Aufteilung nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne vorgenommen werden.

Im Streitfall schätzt der erkennende Senat den Anteil der polnischen Betriebsstätte griffweise mit 5 %. Die Klägerin beschäftigte nach Aktenlage in den Jahren 2009 und 2010 nur ca. 3 bis 4 Arbeitnehmer in Polen, jedoch – ausgehend von Anzahl der Auftraggeber im Januar bis September 2010 – monatlich zwischen 38 bis 48 Betreuerinnen im Inland. Außerdem wurden an die im Inland tätigen Betreuerinnen deutlich höhere Gehälter als an die in Polen beschäftigten Arbeitnehmer bezahlt.

c) Der Gewerbeertrag in den Jahren 2009 und 2010 beträgt damit im Ergebnis 95 % des Verlustes aus Gewerbebetrieb. Dementsprechend sind die Gewerbesteuermessbeträge 2009 und 2010 mit 0 € festzusetzen.

3. Die Gewerbesteuermessbeträge 2009 und 2010 sind aus den vorgenannten Gründen und unter Berücksichtigung der vorgenannten Besteuerungsgrundlagen unter Abänderung der angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide 2009 und 2010 mit 0 € festzusetzen (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO). Entgegen der ursprünglichen Auffassung der Klägerin sind die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide 2009 und 2010 nicht nichtig, d.h. ihre Aufhebung ist nicht geboten.

a) Ein Verwaltungsakt ist gemäß § 125 AO nichtig, wenn er entweder an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (§ 125 Abs. 1 AO) oder wenn ein Fall des § 125 Abs. 2 AO vorliegt. Für Letzteres bestehen keine Anhaltspunkte. Auch ein besonders schwerwiegender Fehler liegt im Streitfall nicht vor. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist sie gewerbesteuerpflichtig (vgl. dazu unter IV.1) und die vom Beklagten vorgenommene Schätzung mag zwar überhöht gewesen sein (vgl. dazu unter IV.2), doch sind wesentliche Teile des Sachverhalts erst nach dem Erlass der vorgenannten Feststellungsbescheide bekannt geworden.

b) Die Änderung der angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide 2009 und 2010 ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin deren Aufhebung beantragt hat. Zwar hat die Klägerin vorrangig geltend gemacht, die Bescheide seien aufzuheben, weil sie nicht gewerbesteuerpflichtig sei. Unter Berücksichtigung ihres Vorbringens in der mündlichen Verhandlung ist dieser Antrag aber dahingehend auszulegen, dass sie hilfsweise eine Aufhebung oder Änderung der Gewerbesteuermessbescheide 2009 und 2010 auch deshalb begehrt, weil sie keine Gewinne erzielt habe.

IV. Die Anfechtungsklage ist hinsichtlich des Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheides 2011 sowie des Bescheides betreffend den Gewerbesteuermessbetrag für Vorauszahlungszwecke 2011 ebenfalls im Wesentlichen begründet.

1. Die Körperschaftsteuervorauszahlungen 2011 sind mit 0 € festzusetzen.

Die Vorauszahlungen bemessen sich grundsätzlich nach den Werten der letzten Veranlagung (§ 31 KStG i.V.m. § 37 Abs. 3 Satz 2 EStG). Im Streitfall lag im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheides 2011 am 12.05.2011 die angefochtene Körperschaftsteuerveranlagung 2009 vom 29.03.2009 vor, die aus den dargelegten Gründen (vgl. unter III.3) die Körperschaftsteuer 2009 richtigerweise mit 0 € hätte festsetzen müssen.

Im Streitfall besteht keine Veranlassung, die Vorauszahlungen 2011 abweichend von den Körperschaftsteuerfestsetzungen 2009 und 2010 festzusetzen. Zwar kann das Finanzamt bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden 15. Kalendermonats die Vorauszahlungen an die Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer anpassen, die sich für den Veranlagungszeitraum voraussichtlich ergeben wird (§ 31 KStG i.V.m. § 37 Abs. 3 Satz 3 EStG). Eine derartige Anpassung steht im Ermessen des Finanzamts (vgl. Ettlich in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 37 EStG Rz. 131), wobei allerdings streitig ist, ob das Ermessen sich auch auf das Merkmal „der Einkommensteuer, die sich für den Veranlagungszeitraum voraussichtlich ergeben wird“ bezieht (bejahend BFH-Urteil vom 22.10.1981 IV R 132/79, BStBl II 1982, 131; a.A. Ettlich, a.a.O.). Im Streitfall sind eigenständige Erwägungen des Beklagten zum Streitjahr 2011 jedoch nur insoweit ersichtlich, als für Zwecke der Vorauszahlungen 2011 die Besteuerungsgrundlagen des Jahres 2009 auf einen Jahresbetrag hochgerechnet werden sollten bzw. die für das Vorjahr 2010 ermittelten Vorauszahlungen für das Jahr 2011 übernommen werden sollten.

Entgegen der ursprünglichen Auffassung der Klägerin ist der angefochtene Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheid 2011 nicht nichtig, d.h. aus diesem Grund ist seine Aufhebung nicht geboten. Die Ausführungen zu den Körperschaftsteuerbescheiden 2009 und 2010 gelten insoweit entsprechend. Darüber hinaus kann die Klägerin die Aufhebung des Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheides 2011 auch nicht mit der Begründung verlangen, sie sei im Jahr 2011 weder unbeschränkt noch beschränkt körperschaftsteuerpflichtig gewesen. Zwar mag die Klägerin im Laufe des Jahres 2011 Veränderungen ihres Geschäftsbetriebs vorgenommen und versucht haben, ihre Betätigung stärker von Polen aus auszuüben. Dies betrifft jedoch vorrangig den Zeitraum ab 01.04.2011 (Vertrag mit der Firma O2), während zuvor anscheinend die bisherige Tätigkeit fortgeführt wurde. Im Hinblick darauf, dass eine Vorauszahlungsfestsetzung abweichend von der früheren Veranlagung im Ermessen des Beklagten steht, die seitens des Gerichts mit 0 € festgesetzten Vorauszahlungen für die Klägerin keine Belastung darstellen und eine gerichtliche Entscheidung über die Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen keine Bindungswirkung für den späteren Jahressteuerbescheid hat (BFH-Urteil vom 09.04.1987 IV R 308/84, BFH/NV 1987, 622) bedarf es vorliegend keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung zu den Verhältnissen des Jahres 2011.

2. Der Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Gewerbesteuervorauszahlungen 2011 wird in Höhe von 0 € festgesetzt.

Die Gewerbesteuer-Vorauszahlungen bemessen sich grundsätzlich nach der letzten Veranlagung (§ 19 Abs. 2 GewStG). Gemäß § 19 Abs. 3 Satz 3 GewStG kann das Finanzamt bis zum Ende des 15. auf den Erhebungszeitraum folgenden Kalendermonats für Zwecke der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen den Steuermessbetrag festsetzen, der sich voraussichtlich ergeben wird.

Im Streitfall besteht keine Veranlassung, den Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen 2011 abweichend von den hier festgesetzten Gewerbesteuermessbeträgen für die Jahre 2009 und 2010 festzusetzen. Denn auch für Zwecke der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen 2011 beabsichtigte der Beklagte an die für die Jahre 2009 und 2010 (unzutreffend) geschätzten Besteuerungsgrundlagen anzuknüpfen. Im Übrigen geltend die Ausführungen zu den Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen 2011 (vgl. unter IV. 2) entsprechend.

V. Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der angefochtenen Bescheide ist unbegründet. Wie bereits zu den Anfechtungsklagen dargelegt, waren die angefochtenen Bescheide nicht nichtig.

VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

Die Klägerin ist nur zu einem geringen Teil unterlegen. Da der Streitwert sich nicht verdoppelt, wenn – wie hier – Gegenstand des Verfahrens eine Nichtigkeitsfeststellungsklage und eine Anfechtungsklage mit weitgehend identischen Begehren sind (Rechtsgedanke des § 45 Abs. 1 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes – GKG –), kann es für die Kostenentscheidung nicht entscheidend darauf ankommen, ob ein Kläger mit seinem Haupt- oder Hilfsantrag obsiegt, wenn diese inhaltlich weitgehend übereinstimmen (vgl. BFH-Entscheidungen vom 08.03.1973 IV B 18/69, BStBl II 1973, 505; vom 28.04.1998 VII R 83/96, BFH/NV 1998, 1400; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 136 FGO Rz. 3, 9).

VII. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen, da die vorliegende Entscheidung von dem Urteil des FG Köln vom 07.05.2015 10 K 73/13 (EFG 2015, 1558, Rev. I R 50/15) abweicht.

VIII. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3, § 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

IX. Der Tenor des Urteils wurde wegen der offenbar unrichtigen Bezeichnung eines Bescheides gem. § 107 FGO berichtigt. Die Worte „…des Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheides 2011 vom 12.05.2011 und des Vorauszahlungsbescheides zur Körperschaftsteuer für das Jahr 2011 vom 05.05.2011 …“ in dem an die Geschäftsstelle übergebenen Tenor wurden durch die Worte „des Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheides 2011 vom 12.05.2011 und des Bescheides über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags für Vorauszahlungszwecke für das Jahr 2011 vom 05.05.2011 …“ ersetzt.

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