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Steuerrecht
20.10.2016
Steuerrecht
FG Münster: Aufrundung des Prozentsatzes für die Vorsteueraufteilung nach der wirtschaftlichen Zuordnung

FG Münster, Urteil vom 13.9.2016 – 15 K 2390/12 U

Sachverhalt

Streitig ist, ob die Rundungsregel des Art. 175 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28.11.2006 - Mehrwertsteuersystemrichtlinie - MwStSystRL (ABL EU Nr. L 347 S.1) bei der Ermittlung des Pro-rata-Satzes anzuwenden ist, wenn der Pro-rata-Satz nicht gemäß Art. 173 Abs. 1 Unterabs. 2 der MwStSystRL nach der Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt wird, und ob eine Rundung des Pro-rata-Satzes auf 2 Nachkommastellen beschränkt ist, sofern die Rundungsregel des Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL nicht anzuwenden ist.

Die Klägerin (Klin.) betreibt ein Kreditinstitut. Für ihre Umsätze im gewerblichen Kundengeschäft (Darlehen, Kontoführung, Avale, usw.) verzichtete sie ab dem 01.01.2008 auf die in § 4 Nr. 8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) normierte Steuerfreiheit und tätigte in den Streitjahren 2009 und 2010 in diesem Geschäftsbereich steuerpflichtige Umsätze. Darüber hinaus führte sie andere steuerpflichtige, aber auch steuerfreie Umsätze aus. Auf der Basis von Margen ermittelte die Klin. die abzugsfähigen Vorsteuerbeträge für 2009 mit 13,55 % und für 2010 mit 13,18 %, die sie in den Umsatzsteuer(USt)-Erklärungen für 2009 und 2010 jeweils auf 14,00 % aufrundete. Die durch den Verzicht auf die Steuerfreiheit ihrer Umsätze an gewerbliche Kunden nach § 15a UStG ausgeführten Korrekturen der in den Vorjahren zu ihren Umsätzen an gewerbliche Kunden erklärten Vorsteuerbeträge rundete die Klin. zu ihren Gunsten auf 14,00 % auf.

Eine für die Streitjahre durchgeführte Außenprüfung (Ap, Bericht des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung C vom 21.11.2011) stellte fest: Soweit angesichts des Verzichts der Klin. auf die Steuerbefreiung ihrer Umsätze im gewerblichen Kundengeschäft eine direkte Zuordnung der Vorbezüge zu bestimmten Ausgangsumsätzen nicht möglich sei, bestehe eine mittels sachgerechter Schätzung zu ermittelnde Abzugsmöglichkeit. Nach dem von der Klin. verwendeten, an das BMF-Schreiben vom 12.04.2004 IV A5 – S 7306a – 3/05 („neues Konzept für die Vorsteueraufteilung bei Kreditinstituten“, UR 2005, 574) angelehnte Berechnungsschema des sog. Margenschlüssels betrage die abzugsfähige Vorsteuer für 2009 13,55 % und für 2010 13,18 % der Umsätze. Bei der Ermittlung des Vorsteuerabzugs habe die Klin. unter Hinweis auf Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL einen auf 14,00 % aufgerundeten Prozentsatz angesetzt. Laut dem Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 24.09.2009 2 K 1061/06 (EFG 2010, 89) bestehe kein Anspruch auf Aufrundung des für den Vorsteuerabzug errechneten Pro-rata-Satzes auf einen vollen Prozentsatz. Gemäß einer Vergleichsrechnung mit einem nicht gerundeten Margenschlüssel seien im Verhältnis zu einer Vorsteuerberechnung mit dem gerundeten Margenschlüssel die für 2009 und 2010 erklärten Vorsteuerbeträge aus den laufenden Kosten um xxx € und um xxx € sowie aus den Anschaffungs- und Herstellungskosten um xxx € und um xxx € zu kürzen und die Vorsteuerbeträge für 2009 um xxx € und für 2010 um xxx € zu mindern (Tz. 2.2). Aufgrund des Verzichtes der Klin. auf die Steuerfreiheit ihrer Umsätze an Gewerbekunden seien für die Streitjahre Vorsteuerkorrekturen nach § 15a UStG erforderlich. Für die Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG sei der von der Klin. angewandte gerundete Schlüssel nicht zu berücksichtigen, so dass zusätzliche Vorsteuerkorrekturen für 2009 von xxx € bzw. für 2010 von xxx € geboten seien (Tz. 2.3).

Gemäß diesen Feststellungen erließ der Beklagte (Bekl.) am 03.01.2012 geänderte USt-Bescheide für 2009 und für 2010. Gegen die Bescheide legte die Klin. Einspruch ein, den der Bekl. durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 13.06.2012 als unbegründet zurückwies.

Mit ihrer hiergegen am 16.07.2012 erhobenen Klage begehrt die Klin. in den Streitpunkten erklärungsgemäße Veranlagungen: Vorab ordne sie die Vorbezüge den voll steuerpflichtigen bzw. den voll steuerfreien Ausgangsumsätzen zu. Vom verbleibenden Restbetrag sei nur der Teil der USt als Vorsteuer abzugsfähig, der wirtschaftlich den steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen zuzurechnen sei. Diesen Teil ermittle sie mit einer sachgerechten Schätzung über einen gerundeten Prozentsatz. Das UStG enthalte keine Rundungsregel. Es fehlten gesetzliche Vorschriften, wie bei Anwendung des Margenschlüssels zu runden und mit wie vielen Nachkommastellen zu rechnen sei. Der deutsche Gesetzgeber habe die Regelung des Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL nicht in das nationale Recht übernommen. Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL schreibe vor, dass der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs auf Jahresbasis in Prozent festgesetzt und auf einen vollen Prozentsatz aufgerundet werde.

Mit Beschluss vom 17.03.2015 (EFG 2015, 1237) setzte der erkennende Senat das vorliegende Verfahren nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aus und legte dem EuGH folgende Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vor:

 „1. Sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Rundungsregel des Art. 175 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem anzuwenden, wenn der Pro-rata-Satz nach einer der besonderen Methoden des Art. 173 Abs. 2 Buchst. a, b, c oder d dieser Richtlinie berechnet wird?

2. Sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Rundungsregel des Art. 175 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem im Falle der Vorsteuerberichtigung nach den Art. 184 ff der Richtlinie 2006/112/EG anzuwenden, wenn der Pro-Rata-Satz im Sinne des Art. 175 Abs. 1 der Richtlinie nach einer der besonderen Methoden des Art. 173 Abs. 2 Buchst. a, b, c oder d dieser Richtlinie bzw. nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. a, b, c oder d der 6. Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage - berechnet wird?

3. Sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach den Art. 184 ff  der Richtlinie 2006/112/EG unter Anwendung der Rundungsregel - 2. Frage - dergestalt durchzuführen, dass der zu berichtigende Vorsteuerbetrag zu Gunsten des Steuerpflichtigen auf einen vollen Prozentsatz auf- oder abgerundet wird?“

Auf dieses Ersuchen entschied der EuGH mit Urteil vom 16.06.2016 C-186/15 (EU:C:2016:452, UR 2016, 553):

 „1. Art. 175 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedsstaaten nicht verpflichtet sind, die in dieser Bestimmung vorgesehene Rundungsregel anzuwenden, wenn der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs nach einer der abweichenden Methoden des Art. 173 Abs. 2 dieser Richtlinie berechnet wird.

2. Die Art. 184 ff der Richtlinie 2006/112 sind dahin auszulegen, dass die Mitgliedsstaaten in dem Fall, dass der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs nach innerstaatlichem Recht nach einer der in Art. 173 Abs. 2 dieser Richtlinie oder in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage vorgesehenen Methoden berechnet wurde, nur dann verpflichtet sind, die Rundungsregel des Art. 175 Abs. 1 der erstgenannten Richtlinie im Falle der Vorsteuerberechtigung anzuwenden, wenn diese Rundungsregel zur Bestimmung des ursprünglichen Vorsteuerabzugsbetrags angewandt wurde.“

Nach Erlass des Urteils EuGH vom 16.06.2016 C-186/15 (EU:C:2016:452, UR 2016, 553):) nahm der erkennende Senat das vorliegende Verfahren wieder auf. Die Klin. trägt nun vor: Der Klage sei angesichts des Urteils des EuGH vom 16.06.2016 C-186/15 (EU:C:2016:452, UR 2016, 553) stattzugeben, weil der von ihr zur Vorsteueraufteilung verwendete Margenschlüssel ein Umsatzschlüssel im Sinne des Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL sei. Wie Hahne (in MwStR 2015, 661) zutreffend dargelegt habe, sei die Rundungsregel des Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL mindestens analog zu Gunsten eines Unternehmers anzuwenden, der - wie sie - die Vorsteuer nach dem Margenschlüssel aufteile. Der EuGH habe im Urteil vom 16.06.2016 C-186/15 (EU:C:2016:452, UR 2016, 553) nicht geklärt, auf wie viele Nachkommastellen der abzugsfähige Vorsteuerbetrag zu runden sei. Im Gegensatz zum Gewerbesteuerrecht, das in § 11 Abs. 1 Satz 3 der Gewerbesteuergesetzes eine Abrundung des Gewerbeertrags auf volle 100 EURO vorschreibe, und im Gegensatz zum Einkommensteuerrecht, das in § 36 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes eine Aufrundung der anzurechnenden Einkommen-steuer auf volle EURO und das außerdem die Abrundung der Einkommensteuer auf den nächsten vollen EURO anordne, fehle im UStG eine vergleichbare Vorschrift. Im Urteil vom 04.05.2010 16 K 329/07 (EFG 2010, 1939) habe das FG Niedersachsen eine Rundung auf 2 Nachkommastellen stillschweigend als zutreffend unterstellt, ohne diese Frage klären zu müssen, weil diese Berechnungsweise nicht problematisiert worden sei.

Die Klin. beantragt,

unter Änderung der Bescheide vom 03.01.2012 und der EE vom 13.06.2012 die USt-Festsetzungen dahin zu ändern, dass die abzugsfähigen Vorsteuerbeträge für 2009 um xxx € und für 2010 um xxx € erhöht und die Vorsteuerkorrekturen für 2009 um xxx € und für 2010 um xxx € gemindert werden und die USt für 2009 um xxx € sowie die USt für 2010 um xxx € herabgesetzt werden,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er verweist auf seine Verwaltungsentscheidungen. Im Urteil vom 16.06.2016 C-186/15 (EU:C:2016:452, UR 2016, 553) habe der EuGH seine Rechtsauffassung bestätigt, dass die Rundungsregel des Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL nicht anwendbar sei, sofern der Unternehmer wie im Streitfall die Vorsteueraufteilung nach einem vom Umsatzschlüssel abweichenden Margenschlüssel durchführe. Die Rundung der Vorsteuerbeträge auf 2 Nachkommastellen sei insbesondere bei der Ap übliche Verwaltungspraxis.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte einschließlich des Urteils des EuGH vom 16.06.2016 C-186/15 (EU:C:2016:452, UR 2016, 553) sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage ist nicht begründet.

Die USt-Bescheide für 2009 und für 2010 vom 03.01.2012 und die EE vom 13.06.2012 sind rechtmäßig und verletzen die Klin. nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Bekl. hat die USt für 2009 und für 2010 zutreffend festgesetzt, in dem er zur Ermittlung des Pro-Rata-Satzes der abzugsfähigen Vorsteuerbeträge die Rundungsregel des Art. 175 Abs.1 der MwStSystRL nicht anwandte und den Pro-rata-Satz unter Berücksichtigung von 2 Nachkommastellen bestimmte.

Verwendet – wie im Streitfall unstreitig die Klin. - ein Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so bestimmt für die Streitjahre § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG, dass zur Ermittlung des Pro-rata-Satzes der abziehbaren Vorsteuerbeträge in der Regel eine Aufteilung nach dem Grundsatz der „wirtschaftlichen Zurechnung“ erfolgt. Nur dann, wenn keine „wirtschaftliche Zurechnung“ möglich ist, erlaubt § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG ausnahmsweise die Vorsteueraufteilung nach dem Umsatzsatzschlüssel (vgl. dazu EuGH-Urteil vom 08.11.2012 C-511/10 „BLC Baumarkt“, UR 2012, 968, DStR 2012, 2333; fortgeführt durch EuGH-Urteil vom 10.07.2014 C-183/13 „Banco Mais“, UR 2014, 630, MwStR 2014, 508; BFH, Urteil vom 03.07.2014 V R 2/10, BFHE 245, 571, BFH/NV 2014, 1699; Beschluss vom 05.06.2014 XI R 31/09, BFHE 245, 447, BFH/NV 2014, 1438). Der Aufteilungsschlüssel der „wirtschaftlichen Zurechnung“ im Sinne des Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. Richtlinie ermöglicht eine präzisere Bestimmung des Pro-rata-Satzes als der Umsatzschlüssel laut Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 der 6. Richtlinie, weshalb der Aufteilungsschlüssel der „wirtschaftlichen Zuordnung“ grundsätzlich dem unpräziseren Umsatzschlüssel vorgeht und dessen Anwendung ausschließt, es sei denn, dass der Unternehmer belegt, dass die Anwendung des Umsatzschlüssels ausnahmsweise eine präzisere Ermittlung des Pro-rata-Satzes ermöglicht. Auch unter der Geltung der MwStSystRL geht der präzisere Aufteilungsschlüssel der „wirtschaftlichen Zurechnung“ dem unpräziseren Umsatzschlüssel vor, es sei denn der Unternehmer belegt auch unter der Geltung der MwStSystRL, dass die Anwendung des Umsatzschlüssels eine präzisiere Ermittlung des Pro-rata-Satzes ermöglicht. Hinsichtlich dieses Fragenkomplexes stimmen laut dem Urteil des EuGH vom 16.06.2016 C-186/15 (EU:C:2016:452, UR 2016, 3) die Vorschriften der MwStSystRL mit den Regelungen der 6. Richtlinie inhaltlich überein, d.h. die Vorschriften der MwStSystRL schaffen zu diesen Fragen keine abweichende Rechtslage von der unter der Herrschaft der 6. Richtlinie geltenden Rechtslage.

Der Senat folgt nicht der im Nachgang zum Urteil des EuGH vom 16.06.2016 C-186/15 (EU:C:2016:452, UR 2016, 553) von der Klin. nunmehr (erstmalig) vertretenen Auffassung, der von ihr zur Ermittlung des Pro-rata-Satzes verwendete, an Margen orientierte Aufteilungsschlüssel stelle einen Umsatzschlüssel im Sinne des Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL dar. Wie der Senat in seinem Vorlagebeschluss vom 17.03.2015 ausgeführt hat, verdrängt der von der Klin. verwendete Margenschlüssel als besondere Form des Aufteilungsschlüssels der „wirtschaftlichen Zuordnung“ im Sinne des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG den von der Klin. favorisierten Aufteilungsschlüssel nach Umsätzen (vgl. dazu auch BMF, Schreiben vom 12.04.2004 IV A 5 – S 7306 5/05, UR 2005, 574). An seiner Rechtsauffassung hält der Senat unter Beachtung des Urteils des EuGH vom 16.06.2016 C-185/15 (EU:C:2016:452, UR 2016, 553) sowie trotz des diesem Urteil nachfolgenden Vorbringens der Klin. fest. Zur Begründung nimmt der Senat auch auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 24.09.2009 2 K 1061/06 (EFG 2010, 89) Bezug.

Verwendet ein Unternehmer zur Ermittlung des Pro-rata-Satzes der ihm in Rechnung gestellten abzugsfähigen Vorsteuerbeträge nicht den Umsatzschlüssel, sondern den im Vergleich zum Umsatzschlüssel präzisieren Schlüssel der „wirtschaftlichen Zuordnung“ in Form des Margenschlüssels, ist angesichts des Urteils des EuGH vom 16.06.2016 C-185/15 (EU:C:2016:452, UR 2016, 553) § 15 Abs. 4 UStG dahin unionsrechtskonform auszulegen, dass die Rundungsregel des Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL auf einen solchen Fall gerade keine Anwendung findet. Im Fall der vom Unternehmer durchgeführten Vorsteueraufteilung nach dem Schlüssel der „wirtschaftlichen Zuordnung“ kommt auch keine analoge Anwendung der Rundungsregel des Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL zu Gunsten des Unternehmers in Betracht. Die analoge Anwendung der Rundungsregel zu Gunsten des Unternehmers widerspräche der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung des § 15 Abs. 4 UStG, der eine möglichst präzise Ermittlung des Pro-rata-Satzes, d.h. der abzugsfähigen Vorsteuerbeträge erreichen will und der bei Anwendung des unpräziseren Umsatzschlüssels dieses Ziel gerade nicht erreichen kann. Aus diesen Grundsätzen folgt angesichts der von der Klin. nach dem Schlüssel der „wirtschaftlichen Zuordnung“ durchgeführten Aufteilung der Vorsteuerbeträge, dass keine Aufrundung des Pro-rata-Satzes auf den nächsthöheren vollen Prozentsatz durchzuführen ist. Dass im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung die Anwendung des Umsatzschlüssels im Streitfall im Vergleich zur Anwendung des Schlüssels der „wirtschaftlichen Zuordnung“ zu einer präziseren Ermittlung des Pro-Rata-Satzes führt, hat die Klin. weder nachvollziehbar vorgetragen noch belegt.

Jedenfalls für den Streitfall hat der Senat keine Bedenken gegen die unter Ansatz von 2 Nachkommastellen in den streitigen USt-Bescheiden erfolgte Ermittlung des Pro-rata-Satzes. Sowohl der europäische Richtliniengeber wie auch der nationale Gesetzgeber haben nur rudimentär die Frage geregelt, ob und nach welchen Regeln eine Rundung des Pro-rata-Satzes zu erfolgen hat. Mit Ausnahme des Falles, dass die Vorsteuerbeträge nach dem Umsatzschlüssel im Sinne des § 15 Abs. 4 UStG in Verbindung mit Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL ermittelt werden, kennen weder die MwStSystRL noch das UStG Rundungsregeln für die Ermittlung des Pro-rata-Satzes. Angesichts der fehlenden gesetzlichen Regelungen zu der Frage, wie viele Nachkommastellen bei der Ermittlung des Pro-rata-Satzes anzusetzen sind, ist nach der Auffassung des Senats jedenfalls im Streitfall für diesen Teilbereich der Ermittlung des Pro-rata-Satzes eine schätzweise Bestimmung im Sinne des § 162 der Abgabenordnung (AO) geboten. Zwar ist es der Sinn und der Zweck, d.h. die Funktion des im Vergleich zum Umsatzschlüssel präziseren Aufteilungsschlüssels nach Margen als besonderer Form des Schlüssels der „wirtschaftlichen Zuordnung“, den Pro-rata-Satz und damit den jeweils abzugsfähigen Vorsteuerbetrag möglichst genau zu ermitteln. Auf eine schätzweise Ermittlung im Bereich der Nachkommastellen nach Maßgabe des § 162 AO kann aber nicht verzichtet werden, weil nicht zu übersehen ist, dass systembedingt der Aufteilungsschlüssel nach Margen den Pro-rata-Satz auch nur annäherungsweise genau bestimmt. Auch der im Vergleich zum Umsatzschlüssel präzisere Margenschlüssel führt in Bezug auf den gedachten Verbrauch der mit Vorsteuer belasteten gemischt verwendeten Eingangsleistungen nicht zu genauen Ergebnissen bei der Ermittlung des Pro-rata-Satzes, so dass auf eine schätzweise Ermittlung der Nachkommastellen nicht verzichtet werden kann.

Dazu vertritt der BMF im Schreiben vom 15.12.1998 12-15 IV A 3 (alt)-S 1904-229/98, Tz. 5.2 „Rundungsregeln“ (in BStBl I 1998, 1625) auch für den Fall der Anwendung des Aufteilungsschlüssels der „wirtschaftlichen Zuordnung“ unter Tz. 5.2.1 folgende Auffassung: „Bei Umrechnungen von DM in EURO sind die jeweiligen Ergebnisse auf den nächsthöheren Cent auf- oder abzurunden. Bei Umrechnungen von EURO in DM ist auf den nächsthöheren Pfennig auf- oder abzurunden. Hierfür gilt: 3. Stelle nach dem Komma ab 5 = Aufrundung, bis 4 = Abrundung“. Das BMF-Schreiben entspricht der Norm DIN 1333, die für das kaufmännische Rechnen generell folgende Rundungsregeln vorgibt: „Ist die Zahl an der ersten wegfallenden Dezimalstelle eine 0,1,2,3 oder 4 wird abgerundet, ist die Zahl an der ersten wegfallenden Dezimalstelle eine 5,6,7,8 oder 9 wird aufgerundet.“ Zwar binden weder die Verwaltungsanweisungen im BFM-Schreiben vom 15.12.1998 12-15 IV A 3 (alt)-S 1904-229/98 (in BStBl I 1998, 1635) noch die DIN-Normen das Gericht bei der Gesetzesauslegung und Gesetzesanwendung, insbesondere der MwStSystRL und des UStG (zur fehlenden Bindung der Finanzgerichte an Verwaltungsvorschriften vgl. BFH, Urteil vom 16.09.2015 XI R 27/13, BFH/NV 2016, 252, Ziffer II 1 d bb). Jedenfalls im Streitfall hält der Senat die vorgenannten Rundungsmethode für sachgerecht und ihre Anwendung im Rahmen der nach § 162 AO gebotenen Schätzung für zutreffend und geboten. Ziel einer Schätzung ist es, im Wege des Schlussfolgerns aus verschiedenen Anhaltspunkten diejenigen Tatsachen zu ermitteln, die die größtmögliche erreichbare Wahrscheinlichkeit für sich haben. Das Schätzungsergebnis soll dem wahren Sachverhalt möglichst nahe kommen (vgl. BFH, Urteile vom 25.03.2015 X R 20/13 BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743; vom 11.03.1999 V R 78/98, BFHE 188, 160, BFH/NV BFH/R 1999, 1178). Ausweislich der Art. 399 der MwStSystRL sowie des § 16 Abs. 6 UStG ist die USt auf EURO und CENT d.h. mit 2 Nachkommastellen festzusetzen. Dieser Umstand muss bei der Ermittlung des Pro-rata-Satzes beachtet werden, wenn wie im Streitfall gesetzliche Bestimmungen zu dessen Ermittlung fehlen. Angesichts dieser Sach- und Rechtslage hält der Senat bei der Ermittlung des Pro-rata-Satzes eine Berücksichtigung von 2 Nachkommastellen und damit eine Rundung des Pro-rata-Satzes auf 2 Nachkommastellen im Rahmen der ihm obliegenden Schätzung für sachdienlich. In Bezug auf das damit verfolgte Ziel einer hinreichend präzisen Ermittlung des Pro-rata-Satzes kann sich die vom Senat angewendete Schätzmethode auf gesicherte gesetzliche Grundlagen stützen. Denn die Verordnung EG Nr. 1103/97 des Rates vom 17.06.1997 (ABl. L 162, S. 1-3) bestimmt in Art. 5: „Zu zahlende oder zu verbuchende Geldbeträge werden bei einer Rundung, die nach einer Umrechnung in die Euro-Einheit gemäß Art. 4 erfolgt, auf den nächsthöheren CENT auf- oder abgerundet. Zu zahlende oder zu verbuchende Geldbeträge, die in einer nationalen Währungseinheit umgerechnet werden, werden auf die nächstliegende Untereinheit oder gibt es keine Untereinheit, auf die nächstliegende Einheit oder entsprechend den nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten auf ein Vielfaches oder einen Bruchteil der Untereinheit der nationalen Währungseinheit auf- oder abgerundet. Führt die Anwendung des Umrechnungskurses zu einem Resultat genau in der Mitte, so wird der Betrag aufgerundet.“ Der Verordnung ist zu entnehmen, dass nach Auffassung des Verordnungsgebers gerade nicht auf den nächsthöheren vollen EURO-Betrag, sondern stattdessen auf 2 Nachkommastellen genau ab- bzw. aufzurunden ist. Ist die festzusetzende USt nach diesen Grundsätzen zu ermitteln, spricht nichts dagegen, den im Rahmen der Ermittlung der festzusetzenden USt zu berücksichtigenden Pro-rata-Satz nach denselben Grundsätzen zu bestimmen. Der Grundsatz des Ansatzes von 2 Nachkommastellen zur Ermittlung des Pro-rata-Satzes ist, wie das FG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 24.09.2009 2 K 1061/06 (EFG 2010, 89) ausgeführt hat, jedenfalls dann geboten, wenn im Vergleich dazu die Aufrundung des abziehbaren Vorsteuerbetrags auf den nächsthöheren vollen Prozentsatz zu erheblichen Auswirkungen zu Lasten des Fiskus führt. Im Streitfall liegt eine solche Fallgestaltung vor. Das von der Klin. verfolgte Ergebnis führt nämlich allein bezogen auf die beiden Streitjahre 2009 und 2010 zu ihrer steuerlichen Begünstigung in Höhe von xxx € (xxx € + xxx €). Diese Ergebnis zeigt, dass bei Anwendung des Schlüssels der Rundung auf den nächsthöheren vollen EURO-Betrag im Rahmen der Ermittlung des Pro-rata-Satzes nach dem Schlüssel der „wirtschaftlichen Zuordnung“ das Ziel der größtmöglichen erreichbaren Wahrscheinlichkeit bei der Ermittlung des Pro-rata-Satzes gerade verfehlt wird, so dass mangels eines anderen präziseren Maßstabs zu Ermittlung des der Wahrscheinlichkeit möglichst nahekommenden Pro-rata-Satzes die vorgenannte Rundung auf 2 Nachkommastellen geboten ist.

Dass der Bekl. im Streitfall die erforderliche Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG ohne Anwendung des von der Klin. begehrten Rundungsschlüssel und unter Rundung der abzugsfähigen Vorsteuerbeträge auf Nachkommastellen durchgeführt hat, ist aus den vorgenannten Gründen ebenfalls rechtmäßig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

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