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Steuerrecht
13.12.2013
Steuerrecht
FG Köln: Arbeitslohn eines in Deutschland wohnenden Piloten einer irischen Fluggesellschaft bleibt steuerfrei

FG Köln, Beschluss vom 18.10.2013 - 1 V 1635/13


Sachverhalt


Der Antragsteller hat seinen Wohnsitz in Deutschland. Er ist bei einer irischen Fluggesellschaft als Pilot angestellt und erzielt aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In Irland wurde der Antragsteller im Streitjahr 2009 nur mit dem Arbeitslohn besteuert, der auf Arbeitstage entfiel, an denen irische Flughäfen angeflogen wurden. Der zunächst vom gesamten Lohn vorgenommene Steuerabzug wurde dem Antragsteller erstattet, soweit er auf die nicht der Besteuerung in Irland unterliegenden Arbeitstage entfiel. Der Antragsgegner unterwarf diesen Arbeitslohn in H. v. 72.542,- € unter Hinweis auf § 50 d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) der deutschen Besteuerung und setzte mit Steuerbescheid vom 06.03.2013 die Einkommensteuer für das Jahr 2009 auf 20.378,- € fest.


Im Rahmen des hiergegen geführten Einspruchsverfahrens vertritt der Antragsgegner die Auffassung, das vom Antragsteller in Bezug genommene Urteil des Bundesfinanzhof (BFH) vom 11.01.2012 (I R 27/11), der in einem gleich gelagerten Fall entschieden hatte, dass § 50 d Abs. 9 Nr. 2 EStG bei Konstellationen wie der vorliegenden nicht anzuwenden sei, da § 50 d Abs. 8 EStG für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit eine Spezialregelung enthalte, mit der der einseitige Besteuerungsverzicht eines anderen Staates akzeptiert werde, sei über den Einzelfall hinaus nicht anwendbar. Die Verwaltung bleibe bei der Auffassung, dass § 50 d Abs. 9 Nr. 2 EStG in Fällen wie dem vorliegenden die Freistellung von der inländischen Besteuerung versage.


Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber in Reaktion auf das oben bezeichnete Urteil des BFH § 50 d Abs. 9 Satz 3 EStG, der ausdrücklich angeordnet hatte, dass § 50 d Abs. 8 EStG unberührt bleibt, mit Gesetz vom 26.06.2013 (Bundesgesetzblatt I 2013, 1809) dergestalt geändert, dass § 50 d Abs. 8 EStG nur mehr insoweit unberührt bleibt, als er die Freistellung von Einkünften in einem weitergehenden Umfang einschränkt. Gleichzeitig wurde die Anwendung der Gesetzesänderung auch rückwirkend auf alle Fälle ausgedehnt, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist (§ 52 Abs. 59 a EStG i.d.F. des Gesetzes vom 26.06.2013, Bundesgesetzblatt I 2013, 1809).


Nach Ablehnung eines beim Antragsgegner gestellten Antrages auf Aussetzung der Vollziehung im Rahmen des dort anhängigen Einspruchsverfahrens - eine Einspruchsentscheidung ist bisher nicht ergangen -, begehrt der Antragssteller nunmehr die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2009 im Rahmen des gerichtlichen Aussetzungsverfahrens. Er verweist auf das BFH-Urteil v. 11.01.2012 (I R 27/11, BFHE 236, 327) und trägt vor, die im Rahmen der Gesetzesänderung angeordneten Rückwirkung auf vergangene Veranlagungszeiträume sei unzulässig.


Der Antragsteller beantragt,


die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides für 2009 vom 06.03.2013 auszusetzen,


ferner die Verwirkung von Säumniszuschlägen bis zur gerichtlichen Entscheidung über den Aussetzungsantrag aufzuheben, ebenso bereits verwirkte Säumniszuschläge aufzuheben.


Der Antragsgegner beantragt,


den Antrag abzulehnen.


Er führt aus, mit dem Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz, Bundesgesetzblatt I, 2013, 1809) sei § 50 d Abs. 9 Satz 3 EStG neu gefasst worden. Danach blieben bei Anwendung des § 50 d Abs. 9 EStG Bestimmungen eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sowie § 50 d Abs. 8 EStG und § 20 Abs. 2 a EStG unberührt, soweit sie jeweils die Freistellung von Einkünften in einem weitergehenden Umfang einschränkten. Der Gesetzgeber regele damit klarstellend, dass § 50 d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht von den anderen genannten Vorschriften verdrängt werde. Die gesetzliche Änderung verfolge die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers - die Sicherung einer Einmalbesteuerung - bei Einführung des § 50 d Abs. 9 EStG durch das Jahressteuergesetz 2007. Sie sei in allen offenen Fällen anzuwenden (§ 52 Abs. 59 a Satz 9 EStG n.F.). Im Hinblick auf die Besteuerung von in Deutschland ansässigem Flugpersonal britischer und irischer Fluggesellschaften sei im Streitjahr gemäß § 50 d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG eine abkommensrechtliche Freistellung von der Besteuerung nicht zu gewähren, wenn die Einkünfte im anderen Staat nur deshalb nicht steuerpflichtig seien, weil sie von einer dort nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Person bezogen würden.


Aus den Gründen


II. Der Antrag ist zulässig und begründet.


Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung eines Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige Härte zur Folge hätte. Eine Aussetzung wegen unbilliger Härte haben die Antragsteller nicht begehrt.


Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen vor, wenn bei der summarischen Überprüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren in rechtlicher oder in tatsächlicher Hinsicht neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (BFH-Beschluss vom 10. 02.1967 III B 9/66, BStBl III 1967, 182). Dabei genügt es, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs in dem summarischen Verfahren ebenso wenig auszuschließen ist, wie sein Misserfolg (vgl. BFH-Beschluss vom 14.11.1989 VII B 124/89, BFH/NV 1990, 279).


Vorliegend ist bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung ernstlich zweifelhaft, ob die Einkünfte des Antragstellers aus nichtselbständiger Arbeit als Pilot einer irischen Fluggesellschaft zu Recht der inländischen Besteuerung unterworfen wurden.


1. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist § 50 d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung, wonach eine abkommensrechtliche Freistellung von der Besteuerung nicht zu gewähren ist, wenn die Einkünfte im anderen Staat nur deshalb nicht steuerpflichtig sind, weil sie von einer dort nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Person bezogen werden, in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem es um die Besteuerung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geht, nicht anwendbar. § 50 d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG wird in diesen Fällen durch die insoweit vorrangige Vorschrift des § 50 d Abs. 8 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung, der die Freistellung nur davon abhängig macht, dass der Steuerpflichtige nachweist, dass der Staat, dem nach dem Abkommen das Besteuerungsrecht zusteht, auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat, verdrängt.


Der Antragsteller hatte im Streitjahr seinen Wohnsitz in Deutschland. Er unterfällt deswegen gem. § 1 Abs. 1 EStG hier mit seinem Welteinkommen, d.h. auch mit den Einnahmen, die er als Pilot der irischen Fluggesellschaft erzielt hat, der unbeschränkten Steuerpflicht, soweit nicht in einem Doppelbesteuerungsabkommen etwas anderes geregelt ist. Hierzu macht der BFH in seinem Urteil v. 11.01.2012 I R 27/11 (BFHE 236, 327), dessen Gegenstand ebenfalls Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit eines wegen seines Wohnsitzes in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Piloten sind, die dieser als Arbeitnehmer einer irischen Fluggesellschaft erzielt, folgende Ausführungen, die sich der beschließende Senat zu eigen macht:


„...


2. Das Besteuerungsrecht für diesen Arbeitslohn ist in Deutschland allerdings nach Art. XII Abs. 3 i.V.m. Art. XXII Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Irland von der Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer auszunehmen, weil es sich hierbei um Einkünfte aus Quellen innerhalb Irlands handelt, die in Übereinstimmung mit dem Abkommen in Irland besteuert werden können: Dass es sich um Einkünfte aus Quellen innerhalb Irlands handelt, ergibt sich aus Art. XXII Abs. 3 DBA-Irland; Dienstleistungen, die eine natürliche Person ganz oder überwiegend an Bord von Luftfahrzeugen erbringt, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person betreibt, gelten danach als in diesem Vertragsstaat erbracht. Und die Vergütungen für solche Dienstleistungen können nach Art. XII Abs. 3 DBA-Irland in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet, im Streitfall also in Irland. In Deutschland verbleibt nach Art. XXII Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 2 DBA-Irland lediglich die Möglichkeit, die Einkünfte gemäß § 32b EStG 2002 dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen.


3. Jedoch wird die Freistellung jener Einkünfte nach Maßgabe des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002/2007 ungeachtet des Abkommens nicht gewährt, wenn die Einkünfte in dem anderen Staat nur deshalb nicht steuerpflichtig sind, weil sie von einer Person bezogen werden, die in diesem Staat nicht aufgrund ihres Wohnsitzes, ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung, des Sitzes oder eines ähnlichen Merkmals unbeschränkt steuerpflichtig ist. Mit dieser Formulierung will das Gesetz erreichen, dass das Besteuerungsrecht an Deutschland zurückfällt, falls der andere Vertragsstaat als Quellenstaat von dem ihm abkommensrechtlich zugestandenen Besteuerungsrecht an bestimmten Einkünften im Rahmen seiner beschränkten Steuerpflicht rechtlich keinen Gebrauch macht.


Eine derartige Situation ist im Streitfall nach den tatrichterlichen und den Senat bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG zu der irischen Rechtslage gegeben: Irland gebührt nach Art. XII Abs. 3 DBA-Irland das Besteuerungsrecht für die in Rede stehenden Vergütungen des Klägers. Irland verzichtet nach seinem Steuerrecht aber auf die Einkommensbesteuerung. Zwar ist der leistende Arbeitgeber --hier die Fluggesellschaft-- verpflichtet, die auf den Arbeitslohn anfallende Steuer als Quellensteuer einzubehalten und an die Finanzbehörden abzuführen. Dem beschränkt Steuerpflichtigen steht indes ein Erstattungsrecht zu. Von diesem Recht hat im Streitfall auch der Kläger Gebrauch gemacht. Dass die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs antragsgebunden ist, muss an der Regelungslage ebenso wenig ändern wie der Umstand, dass die Quellensteuerabzugspflicht temporär oder --bei unterbleibendem Erstattungsantrag-- final eine doppelte Besteuerung eines und desselben Sachverhalts in Irland und in Deutschland zur Folge haben kann. Es verbleibt ungeachtet dessen und ungeachtet des notwendigen Erstattungsantrags dabei, dass die Einkünfte nach materiellem Recht in Irland abstrakt nicht beschränkt steuerpflichtig sind und der dort einbehaltenen Quellensteuer (Lohnsteuer) sonach auch keine abgeltende Wirkung zukommt. Der Tatbestand des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002/2007 ist damit als solcher erfüllt.


4. Die Anwendbarkeit von § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002/2007 wird indessen ihrerseits durch Abs. 8 der Vorschrift ausgeschlossen. Diese Vorschrift ordnet in einer mit Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 vergleichbaren Weise den Rückfall des Besteuerungsrechts an Deutschland unbeschadet einer völkerrechtlich vereinbarten Freistellung von Einkünften an, dies aber --erstens-- nur für Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus nichtselbständiger Arbeit und --zweitens--, soweit der Steuerpflichtige nicht nachweist, dass der andere Vertragsstaat, dem nach dem Abkommen das Besteuerungsrecht zusteht, auf dieses Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass die in diesem Staat auf die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet wurden. Im Streitfall steht nach den beschriebenen tatrichterlichen Feststellungen fest, dass Irland die in Rede stehenden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Flugpersonals nicht in den Katalog beschränkt steuerpflichtiger Einkünfte aufgenommen und insofern auf den ihm eingeräumten Besteuerungszugriff nach seinem innerstaatlichen Recht verzichtet hat; der (vorübergehende) Lohnsteuereinbehalt widerspricht dem (auch hier) nicht. Das erhellt zugleich, dass der Kläger den erforderlichen Nachweis über den irischen Besteuerungsverzicht erbracht hat: Was ohnehin feststeht, muss nicht gesondert nachgewiesen werden.


Es verbleibt deswegen bei der Einkommensfreistellung. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002/2007 ändert daran unilateral nichts. Dass die tatbestandlichen Voraussetzungen (auch) der letzteren Vorschrift erfüllt sind, ist unbeachtlich. Denn § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG 2002/2007 ordnet ausdrücklich an, dass (u.a.) "Abs. 8 ... unberührt (bleibt)". Das Gesetz akzeptiert insofern mit § 50d Abs. 8 EStG 2002/2004 den --einseitigen-- Besteuerungsverzicht des anderen Staates (zu den Verzichtsmotiven s. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, DBA, MA Art. 15 Rz 181) als Ausübung der zwischenstaatlich vereinbarten Besteuerungszuordnung. Es ist nichts (auch nicht aus der amtlichen Gesetzesbegründung, vgl. BTDrucks 16/2712, S. 61 f.) dafür ersichtlich, dass diese Akzeptanz durch Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 im Verhältnis zu der Regelung in Abs. 8 der Vorschrift für die Situation der (nicht im Ausland erfassten) beschränkten Steuerpflicht wieder zurückgenommen werden soll. Vielmehr hat umgekehrt § 50d Abs. 8 EStG 2002/2004 als die speziellere Vorschrift sowohl inhaltlich als auch in seiner gesetzessystematischen Stellung gegenüber Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 Vorrang und steht demzufolge seinerseits auch nicht unter einem entsprechenden, gegenläufigen Anwendungsvorbehalt zugunsten von § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002/2007. Bestätigt wird das dadurch, dass der Vorbehalt in Abs. 9 Satz 3 zum "Unberührtbleiben" von § 50d Abs. 8 EStG 2002/2004 sich auf beide dort rückfallauslösenden Tatbestandsalternativen --nicht nachgewiesener Besteuerungsverzicht einerseits oder nicht nachgewiesene Steuerzahlung andererseits-- erstreckt und damit allgemein und unbedingt wirkt, anders als insoweit der nur eingeschränkte Vorrang einschlägiger DBA-Rückfallklauseln, der in § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG 2002/2007 zwar ebenfalls angeordnet wird, das aber nur für den Fall, dass die jeweilige DBA-Rückfallklausel die Freistellung von Einkünften in einem "weitergehenden Umfang" (als § 50d Abs. 9 EStG 2002/2007) einschränkt (vgl. demgegenüber allerdings die Denkschriften zu dem neu verhandelten DBA-Großbritannien sowie dem ebenfalls neu verhandelten DBA-Irland, jeweils vom 30. März 2011, BTDrucks 17/2254, S. 38, und 17/6258, S. 36, wo auch insoweit ein Spezialitätenvorrang gegenüber Abs. 9 angenommen wird). § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002/2007, der allein auf das Fehlen einer spezifischen beschränkten Steuerpflicht in dem anderen Staat abhebt, läuft damit für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Ergebnis weitgehend leer. Ein Anwendungsbereich bleibt --ohne dass darüber abschließend entschieden werden müsste-- allenfalls für jenen (hier nicht einschlägigen) Fall, in welchem der Besteuerungsverzicht des anderen Staates nur einen Teil der betreffenden Einkünfte erfasst. Denn § 50d Abs. 8 EStG 2002/2004 schränkt den Besteuerungsrückfall entsprechend ein ("soweit"), während § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002/2007 die Rechtsfolge des Besteuerungsrückfalls davon abweichend mit dem auslösenden Verzicht konditional verknüpft ("wenn") und insoweit eine partielle Doppelbesteuerung in Kauf zu nehmen scheint. Ansonsten reduziert sich der verbleibende Anwendungsbereich von § 50d Abs. 9 EStG 2002/2007 gegenüber Abs. 8 auf Abs. 9 Satz 1 Nr. 1, der im Streitfall aber ebenfalls --und unter den Beteiligten auch unstreitig-- nicht einschlägig ist.


..."


2. Ferner ist ernstlich zweifelhaft, ob die mit Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26.06.2013 (Bundesgesetzblatt I 2013, 1809) erfolgte Änderung in § 50 d Abs. 9 Satz 3 EStG vorliegend zu einer Versagung der sich aus dem DBA-Irland ergebenden Freistellung führt.


a) Nach § 50 d Abs. 9 Satz 3 EStG in der Fassung des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes (a.a.O.) bleiben die Bestimmungen eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sowie Abs. 8 und § 20 Abs. 2 des AStG unberührt, soweit sie jeweils die Freistellung von Einkünften in einem weitergehenden Umfang einschränken. Insoweit sieht die Regelung in § 50 d Abs. 9 Satz 3 EStG neue Fassung vor, dass Abs. 8 nicht wie in der vorhergehenden Fassung generell unberührt bleibt, sondern nur soweit er die Freistellung von Einkünften in einem weitergehenden Umfang einschränkt. Hierbei kann dahinstehen, ob diese Gesetzesänderung tatsächlich geeignet ist, das von der Verwaltung gewünschte Ergebnis herbeizuführen, denn § 50 d Abs. 9 Satz 3 EStG in der Fassung des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes (a.a.O.) ist erst nach Ablauf des Streitjahres in Kraft getreten. Nach § 52 Abs. 59 a EStG i.d.F. des Gesetzes vom 26.06.2013 (Bundesgesetzblatt I 2013, 1809) ist § 50 d Abs. 9 Satz 3 EStG n.F. zwar für alle Veranlagungszeiträume anzuwenden, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Bei summarischer Prüfung ist allerdings ernstlich zweifelhaft, ob die hiernach vorgesehene Anwendung auf den Streitfall mit dem Grundgesetz vereinbar ist.


b) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bedarf es vor dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Insbesondere ist eine steuerbegründende oder steuererhöhende Bestimmung in der Regel mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar, wenn und soweit sie für einen Veranlagungszeitraum gelten soll, der im Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes bereits abgeschlossen war (sog. „echte" Rückwirkung, BVerfG v. 19.12.1961  2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261; v. 15.10.2008 1 BvR 1138/06, HFR 2009, 187). Das gilt auch im Zusammenhang mit Rechtsänderungen im Bereich der DBA (BVerfG v. 10.3.1971  2 BvL 3/68, BStBl II 1973, 431; v. 14.5.1986  2 BvL 2/83, BStBl II 1986, 628, BFH-Beschluss v. 19.5.2010  I B 191/09, BStBl II 2011, 156).


Das BVerfG hat im Laufe der Zeit Fallgruppen herausgebildet, in denen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot zulässigerweise durchbrochen werden darf (BVerfG v. 15.10.2008 1 BvR 1138/06, HFR 2009, 187). Dies ist bspw. dann der Fall, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen des Bürgers auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte, weil die Rechtslage unklar und verworren oder lückenhaft war und durch eine eindeutige Regelung ersetzt wird (BVerfG v. 19.12.1961 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261 (272); v. 23.03.1971 2 BvL 2/66 u.a., BVerfGE 30, 367 (388 f.); Nichtannahmebeschluss vom 15.10.2008 1 BvR 1138/06, HFR 2009, 187). Ferner wird eine zulässige Ausnahme vom Rückwirkungsverbot dann bejaht, wenn eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zu einer bestimmten Steuerrechtsfrage nach Änderung derRechtsanwendungspraxis rückwirkend gesetzlich festgeschrieben wird (BVerfG v. 23.01.1990 1 BvL 4/87 u.a., BVerfGE 81, 228; v. 15.10.2008 1 BvR 1138/06, a.a.O.; v. 21.7.2010 1 BvL 12/06 u.a., BVerfGE 126, 369; BFH v. 19.04.2012 VI R 74/10, BStBl II 2012, 577).


c) § 52 Abs. 59 a EStG i.d.F. des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 26.06.2013 (a.a.O.) entfaltet, soweit er eine Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG n.F. für das Streitjahr anordnet, bei summarischer Prüfung eine "echte" Rückwirkung in diesem Sinne, da die Regelung mit Wirkung für abgelaufene Veranlagungszeiträume eine Steuerbefreiung ausschließt, die sich vor ihrer Geltung aus dem DBA-Irland in der im Streitjahr geltenden Fassung ergeben hat (s.o.). Für eine Rechtfertigung der Durchbrechung des Rückwirkungsverbots finden sich im Streitfall bei summarischer Prüfung keine Anhaltspunkte. Dass die Rechtslage vor In-Kraft-Treten des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes nicht unklar, verworren oder lückenhaft war, ergibt sich aus dem oben zitierten Urteil des BFH vom 11.01.2012 I R 27/11 (a.a.O.). Hiernach war die Behandlung der streitgegenständlichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit durch § 50 d Abs. 8 EStG und dessen Verhältnis zu § 50 d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG durch § 50 d Abs. 9 Satz 3 EStG klar und eindeutig geregelt. Auch der zweite Ausnahmefall ist nicht gegeben, da durch das BFH-Urteil vom 11.01.2012 I R 27/11 (a.a.O.) keine langjährige höchstrichterliche Rechtsprechung geändert wurde, die durch die Gesetzesänderung hätte korrigiert werden müssen.


d) Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist die Neuregelung auch nicht nur klarstellender und damit rein deklaratorischer Natur.


Rein deklaratorisch und nicht konstitutiv ist eine gesetzliche Regelung nur dann, wenn sich das nunmehr ausdrücklich Geregelte auch schon bisher unter Anwendung der herkömmlichen Auslegungsregeln aus dem Gesetz hat ableiten lassen. Dies ist hier nicht der Fall. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners hat § 50 d Abs. 9 Satz 3 EStG a.F. ausdrücklich angeordnet, dass § 50 d Abs. 8 EStG unberührt bleibt (BFH v. 11.01.2012  I R 27/11, a.a.O.). Nach § 50 d Abs. 9 Satz 3 EStG in der Fassung des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes gilt dies nur noch eingeschränkt. Hierin liegt keine Klarstellung sondern eine Änderung der Regelung.


In einem eventuellen Hauptsacheverfahren wird ernstlich zu erwägen sein, den Fall dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.


Hinsichtlich der bereits verwirkten Säumniszuschläge war die Vollziehung ab Fälligkeit aufzuheben (BFH-Urteil vom 30.03.1993  VII R 37/92, BFH/NV 1994, 4)


Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


Die Beschwerde war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.



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