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Steuerrecht
28.09.2012
Steuerrecht
EuGH: Abzug von Risikokapital - „fiktive Zinsen"/Schlussantrag

EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Paolo Mengozzi vom 19.9.2012 - Rs. C-350/11, Argenta Spaarbank NV

gegen

Belgische Staat

(Vorabentscheidungsersuchen der Rechtbank van eerste aanleg te Antwerpen [Belgien])

„Niederlassungsfreiheit - Steuerrecht - Körperschaftsteuer - Abzug für Risikokapital - Fiktive Zinsen - Einschränkung der Abzugsmöglichkeit für eine Gesellschaft, die in einem anderen Mitgliedstaat über eine Betriebsstätte verfügt, die Einkünfte erzielt, die in Belgien aufgrund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Steuer befreit sind - Beschränkung - Rechtfertigung - Kohärenz des Steuersystems - Ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten"

I - Einleitung

1.         Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen bittet die Rechtbank van eerste aanleg te Antwerpen (Belgien) den Gerichtshof um Klärung der Frage, ob die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 EG einer Steuermaßnahme entgegensteht, die einer in Belgien unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaft, die einen Abzug für Risikokapital vornehmen möchte, verbietet, die Aktiva, die auf ihre in einem anderen Mitgliedstaat gelegene Betriebsstätte entfallen, deren Einkünfte nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in Belgien von der Steuer befreit sind, zu berücksichtigen, während dies für die Aktiva einer in Belgien gelegenen Betriebsstätte möglich ist.

2.         Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Argenta Spaarbank NV (im Folgenden: Argenta) und den belgischen Steuerbehörden über die Frage, ob im Rahmen der Körperschaftsteuer für das Steuerjahr 2008 der Nettowert der Aktiva der Betriebsstätte, die Argenta in den Niederlanden besitzt, bei der Ermittlung des Risikokapitals berücksichtigt werden kann, das als Grundlage für den Abzug für Risikokapital dient.

3.         Diese Maßnahme wurde mit dem Gesetz vom 22. Juni 2005 zur Einführung eines Steuerabzugs für Risikokapital(2) eingeführt, mit dem u. a. die Art. 205bis bis 205nonies und 236 in das Einkommensteuergesetzbuch 1992 (im Folgenden: WIB 1992) eingefügt wurden.

4.         Der Begründung dieses Gesetzes ist zu entnehmen, dass es den Zweck verfolgt, die Unterschiede in der steuerlichen Behandlung zwischen der Finanzierung von Gesellschaften mittels Fremdkapital (dessen Vergütung steuerlich in vollem Umfang absetzbar ist) und der Finanzierung mittels Eigenkapital (Risikokapital), dessen Vergütung in vollem Umfang besteuert wird, abzuschwächen, die Liquiditätsquote der Gesellschaften zu erhöhen, wobei sich die Einführung des Abzugs für Risikokapital in den Rahmen des allgemeinen Ziels der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der belgischen Wirtschaft einfügt, und eine überzeugende Alternative zur Steuerregelung für die Koordinationszentren, die entfallen soll, zu schaffen(3).

5.         Der Abzug für Risikokapital - in Steuerfachkreisen auch Abzug fiktiver Zinsen genannt(4) - besteht darin, dass von der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer fiktiv die Zinsen abgezogen werden, die als Vergütung des Eigenkapitals der Gesellschaft gelten. Dieser Abzug entspricht dem gemäß Art. 205ter WIB 1992 festgelegten Risikokapital, multipliziert mit einem in Art.205quater §§ 2 ff. WIB 1992 festgelegten Satz(5).

6.         Nach Art. 205ter § 1 Abs. 1 WIB 1992 entspricht das zu berücksichtigende Risikokapital vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 2 bis 7 dem Betrag des Eigenkapitals der Gesellschaft am Ende des vorhergehenden Besteuerungszeitraums(6), das gemäß den Rechtsvorschriften über die Buchhaltung und den Jahresabschluss, bestimmt wird, so wie es in der Bilanz vorkommt. In Art. 205ter §§ 2 bis 7 sind die Fälle aufgezählt, in denen Berichtigungen des Eigenkapitals vorgenommen werden müssen, in deren Folge die Höhe des Abzugs für Risikokapital festgestellt wird.

7.         Insbesondere wird nach Art. 205ter § 2 WIB 1992 das Risikokapital um den Nettowert der Aktiva der Betriebsstätten verringert, deren Einkünfte in Belgien aufgrund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Steuer befreit sind.

8.         Nach Art. 7 Abs. 1 des Abkommens zwischen dem Königreich Belgien und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vom 5. Juni 2001(7) (im Folgenden: belgisch-niederländisches Abkommen) können Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, das Unternehmen übt seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte aus. Übt das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit auf diese Weise aus, so können seine Gewinne im anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können.

9.         Nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a des belgisch-niederländischen Abkommens wird die Doppelbesteuerung im Königreich Belgien dadurch vermieden, dass, wenn eine in Belgien ansässige Person Einkünfte bezieht - mit Ausnahme von Dividenden, Zinsen oder der in Art. 12 Abs. 5 dieses Abkommens genannten Lizenzgebühren - oder Vermögensteile besitzt und diese Einkünfte oder Vermögensteile nach dem Abkommen in den Niederlanden besteuert werden, Belgien diese Einkünfte oder Vermögensteile von der Besteuerung ausnimmt; es kann aber bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder Vermögen den Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn die betreffenden Einkünfte oder Vermögensteile nicht von der Besteuerung ausgenommen wären.

10.       Die belgischen Steuerbehörden lehnten gegenüber Argenta, einer in Belgien ansässigen und dort unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaft, gestützt auf Art. 205ter § 2 WIB 1992 die Berücksichtigung des Nettowerts der Aktiva ihrer in den Niederlanden gelegenen Betriebsstätte bei der Feststellung des Abzugs für Risikokapital ab.

11.       Da Argenta der Ansicht war, dass Art. 205ter § 2 WIB 1992 die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EG beschränke, erhob sie Klage gegen die Ablehnung bei der Rechtbank van eerste aanleg te Antwerpen, das die Entscheidung ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat:

Steht Art. 43 EG einer nationalen Steuerregelung entgegen, wonach eine in Belgien unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschaft bei der Ermittlung ihres steuerbaren Gewinns keinen Abzug für Risikokapital in Höhe der positiven Differenz zwischen einerseits dem Nettobuchwert der Aktiva der Niederlassungen, die der Steuerpflichtige in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union unterhält, und andererseits der Gesamtheit der Passiva, die auf diese Niederlassungen anrechenbar sind, vornehmen kann, während sie zu einem solchen Abzug berechtigt ist, wenn diese positive Differenz einer in Belgien gelegenen Betriebsstätte zugerechnet werden kann?

12.       Argenta, die belgische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen abgegeben. Diese Verfahrensbeteiligten haben auch innerhalb der vorgeschriebenen Fristen auf eine schriftliche Frage des Gerichtshofs geantwortet und sind in der Verhandlung vom 12. Juli 2012 angehört worden.

II - Würdigung

13.       Wie meinen einleitenden Ausführungen zu entnehmen ist, können der belgischen Körperschaftsteuer unterliegende Gesellschaften aufgrund des Abzugs für Risikokapital, der in der vorliegenden Rechtssache in Rede steht, von ihrem steuerbaren Einkommen fiktive Zinsen abziehen, die in der nationalen Regelung festgesetzt sind und anhand des Eigenkapitals (Nettovermögens) berechnet werden.

14.       In der Praxis erlaubt der Abzug für Risikokapital den belgischen Gesellschaften und den nichtansässigen Gesellschaften, die eine Betriebsstätte in Belgien haben, die zu entrichtende Körperschaftsteuer auf oft spektakuläre Weise zu vermindern, wenn sich diese Gesellschaften über Eigenkapital finanzieren.

15.       Meine Ausführungen können anhand des folgenden Beispiels, das einer Broschüre der belgischen Steuerbehörden(8) entnommen und an den in der vorliegenden Rechtssache fraglichen Besteuerungszeitraum angepasst wurde, veranschaulicht werden. Nehmen wir also eine Gesellschaft mit Sitz in Belgien, in deren Bilanz ein Betrag von 100 000 Euro Eigenkapital aufgeführt ist, das zur Finanzierung einer Unternehmensgruppe verwendet wird. Wenn diese belgische Gesellschaft einen konzerninternen Zinssatz von 4 % erhält, beträgt ihr Gewinn vor Abzug von Steuern 4 000 Euro. Mit Hilfe des Abzugs für Risikokapital, dessen Satz für 2008 sich auf 3,871 % belief, beträgt die Steuerbemessungsgrundlage 129 Euro (4 000-[100 000 x 3,871 %]). Die Körperschaftsteuer beträgt 33,99 %, so dass die Gesellschaft 43,85 Euro Steuern zahlt, was einen effektiven Steuersatz von 1,10 % anstelle des Satzes von 33,99 % ausmacht, der sich ohne den Abzug für Risikokapital ergäbe. Die nachfolgende Tabelle gibt dieses Beispiel im Überblick wieder.

Eigenkapital = 100 000

Konten                                                 Ohne Abzug für Risikokapital                             Mit Abzug für Risikokapital

Gewinn vor Abzug von               4 000                                                               4 000

Steuern (konzerninterner

Zinssatz 4 %)

Abzug für Risikokapital (3,871 %)           0                                                                     -3 871

Bemessungsgrundlage              4 000                                                               129

Körperschaftsteuer (33,99 %)                 1 360                                                               43,85

Effektiver Steuersatz                             33,99 %                                                           1,10 5

16.       Dieses Beispiel zeigt, dass sich die Höhe des Abzugs für Risikokapital nicht nach den zu vergütenden Kapitaleinlagen, sondern vorbehaltlich bestimmter Berichtigungen nach dem gesamten Eigenkapital der betreffenden Gesellschaft richtet(9).

17.       Das vorlegende Gericht fragt den Gerichtshof nicht nach der Rechtmäßigkeit des Verfahrens des Abzugs für Risikokapital als solchem, sondern nur nach der Rechtmäßigkeit einer seiner Anwendungsmodalitäten, nämlich einer der Berichtigungen, die nach Art. 205ter § 2 WIB 1992 bei der Ermittlung des Eigenkapitals vorzunehmen sind, das bei der Berechnung dieses Abzugs zu berücksichtigen ist.

18.       Es beschränkt sich nämlich auf die Frage, ob die Niederlassungsfreiheit verbietet, dass die Aktiva, die einer ausländischen Betriebsstätte einer in Belgien unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaft zugerechnet werden, und zwar einer Betriebsstätte, deren Einkünfte gemäß einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, das mit dem Mitgliedstaat geschlossen wurde, in dem die Betriebsstätte liegt, in Belgien nicht besteuert werden, bei der Berechnung des genannten Abzugs nicht berücksichtigt werden, während die einer belgischen Betriebsstätte einer solchen Gesellschaft zugerechneten Aktiva bei der Berechnungsgrundlage des Abzugs berücksichtigt werden.

19.       Nach den Informationen, die die belgische Regierung auf die Frage des Gerichtshofs hin vorgelegt hat, betrifft dieser Ausschluss der Aktiva der ausländischen Betriebsstätten belgischer Gesellschaften innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums alle Mitgliedstaaten sowie die Republik Island und das Königreich Norwegen, mit Ausnahme des Fürstentums Liechtenstein, das einzige Land, mit dem das Königreich Belgien kein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung geschlossen hat.

20.       Argenta und die Kommission schlagen vor, die Frage des vorlegenden Gerichts zu bejahen.

21.       Die belgische Regierung ist gegenteiliger Ansicht.

22.       Sie bestreitet zunächst, dass die Regelung in Art. 205ter § 2 WIB 1992 nachteilig sei. Nach ihrer Ansicht wirkt sich diese Regelung auf die belgische Gesellschaft nicht aus, da der Abzug für Risikokapital nicht auf die Gewinne dieser Gesellschaft anzuwenden sei, sondern auf diejenigen der Betriebsstätte, die in Belgien im vorliegenden Fall nach dem belgisch-niederländischen Abkommen von der Steuer befreit seien.

23.       Würde dem Antrag von Argenta stattgegeben, liefe dies nach Auffassung der belgischen Regierung den internationalen Steuerregeln zuwider, insbesondere dem Musterabkommen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), das eine Betriebsstätte als autonome steuerliche Einheit ansehe und für die Besteuerung ihrer Gewinne und die Behandlung ihrer Aufwendungen die ausschließliche Zuständigkeit des Mitgliedstaats anerkenne, in dem diese Betriebsstätte liege. Die Ausgaben, die zur Erzielung von Einkünften getätigt würden, die in dem Staat besteuert würden, in dem die Betriebsstätte liege, und in dem Staat, in dem die Gesellschaft ansässig sei, von der Steuer befreit seien, müssten in dem anderen Staat und nicht im Ansässigkeitsstaat in Abzug gebracht werden können, ebenso wie die Zinsen, die für die Schulden zu zahlen seien, die zum Erwerb von Aktiva einer Betriebsstätte eingegangen würden, von dem Gewinn abzuziehen, der dieser Betriebsstätte zuzurechnen sei.

24.       Weiter führt die belgische Regierung aus, dass, selbst wenn die Ablehnung des Königreichs Belgien, die Aktiva ausländischer Betriebsstätten zu berücksichtigen, dazu führen sollte, dass sich ein bestimmter Steuerpflichtiger gegenüber einem gleichen Steuerpflichtigen, der eine Betriebsstätte in Belgien errichtet habe, in einer weniger günstigen Situation befinde, dieser Umstand keine Behinderung des freien Niederlassungsverkehrs darstelle, da er die Folge der parallelen Anwendung der steuerlichen Befugnisse mehrerer Mitgliedstaaten und der Tatsache sei, dass es einen mit dem Abzug für Risikokapital vergleichbaren Vorteil in den meisten anderen Mitgliedstaaten nicht gebe. Das belgische System des Abzugs für Risikokapital an sich halte belgische Gesellschaften nicht davon ab, Betriebsstätten in anderen Mitgliedstaaten zu errichten.

25.       Schließlich macht die belgische Regierung geltend, eine eventuelle Beschränkung der Niederlassungsfreiheit sei jedenfalls durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Kohärenz des belgischen Steuersystems zu gewährleisten und eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten sicherzustellen.

26.       Wie Argenta in ihren schriftlichen Erklärungen zutreffend geltend macht, stellen diese Ausführungen im Wesentlichen Variationen ein und desselben Themas dar: Das Königreich Belgien hat aufgrund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung darauf verzichtet, die Gewinne einer in einem anderen Mitgliedstaat gelegenen Betriebsstätte zu besteuern, und lehnt es daher ab, dem belgischen Stammhaus dieser Betriebsstätte, das in Belgien unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist, den Abzug für Risikokapital in Höhe des für diese Betriebsstätte eingesetzten Eigenkapitals zu gewähren.

27.       Die Gewährung des Abzugs für Risikokapital unterliegt somit einem territorialen Erfordernis, nämlich dem, dass das Eigenkapital der belgischen Gesellschaft einer in Belgien steuerpflichtigen Einheit zugewiesen wird.

28.       Aus unionsrechtlicher Sicht hält ein solches Kriterium meines Erachtens einer Überprüfung nicht stand.

29.       Zunächst bestehen keine Zweifel daran, dass eine unterschiedliche steuerliche Behandlung in Abhängigkeit davon, ob belgische Gesellschaften eine Betriebsstätte in Belgien oder in einem anderen Mitgliedstaat besitzen, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt.

30.       Insoweit erinnere ich daran, dass der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, dass mit der Niederlassungsfreiheit für die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft haben, das Recht verbunden ist, ihre Tätigkeit in anderen Mitgliedstaaten durch eine Tochtergesellschaft, eine Zweigniederlassung oder eine Agentur auszuüben(10).

31.       Ebenfalls nach der Rechtsprechung verbieten die Bestimmungen des EG-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit, dass ein Mitgliedstaat die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat behindert(11).

32.       Diese Erwägungen gelten auch dann, wenn eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft über eine Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat tätig ist(12).

33.       Was die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Steuerregelung betrifft, stellt die Berücksichtigung von Eigenkapital, das für eine Betriebsstätte eingesetzt wird, bei der Ermittlung des Abzugs für Risikokapital einer belgischen Gesellschaft, die in Belgien der Körperschaftsteuer unterliegt, unbestreitbar einen Steuervorteil dar, weil eine solche Berücksichtigung dazu beiträgt, den effektiven Satz der Körperschaftsteuer, die von einer solchen Gesellschaft in diesem Mitgliedstaat zu entrichten ist, herabzusetzen.

34.       Nach derselben Steuerregelung wird jedoch einer belgischen Gesellschaft, die in Belgien der Körperschaftsteuer unterliegt, ein solcher Steuervorteil nicht gewährt, wenn sie eine Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat besitzt, deren Einkünfte nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen diesem Mitgliedstaat und dem Königreich Belgien von der Steuer befreit sind.

35.       Die steuerliche Situation der letztgenannten Gesellschaft ist somit weniger günstig, als sie es wäre, wenn die Gesellschaft eine Betriebsstätte in Belgien besäße.

36.       Diese Beurteilung wird nicht durch das Vorbringen der belgischen Regierung entkräftet, dass die Nichtberücksichtigung von Eigenkapital, das für eine in einem anderen Mitgliedstaat gelegene Betriebsstätte eingesetzt werde, keine Auswirkung auf die steuerliche Behandlung der belgischen Gesellschaft habe, da der Abzug für Risikokapital nicht auf die Gewinne Letzterer angewandt werde, sondern auf diejenigen der Betriebsstätte.

37.       Wäre dies der Fall, so wäre es zunächst einmal schwer, die Gründe zu verstehen, die das Königreich Belgien veranlasst haben, speziell das Eigenkapital der im Ausland gelegenen Betriebsstätten belgischer Stammhäuser, die in Belgien der Körperschaftsteuer unterliegen, bei der Berechnung des Abzugs für Risikokapital auszuschließen.

38.       Weiter ergibt sich aus dem belgischen Steuerrecht, insbesondere den Art. 205bis und 205ter WIB 1992, dass der Abzug für Risikokapital sich sehr wohl auf die steuerliche Behandlung der in Belgien ansässigen Gesellschaft bezieht und dass, wie die Kommission in ihrer Antwort auf die schriftliche Frage des Gerichtshofs hervorgehoben hat, nach Art. 185 WIB 1992 belgische Gesellschaften, die in Belgien unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind, dort mit ihren Gesamteinkünften veranlagt werden.

39.       Nach der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Abzugs für Risikokapital schreiben jedoch die belgischen Rechnungslegungsvorschriften selbst in dem Fall, dass eine Gesellschaft eine Betriebsstätte besitzt, deren Einkünfte gemäß einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in Belgien von der Steuer befreit sind, nicht vor, in der Gesellschaftsbilanz das Eigenkapital, das für eine ausländische Betriebsstätte eingesetzt wird, vom übrigen Eigenkapital dieser Gesellschaft zu unterscheiden(13).

40.       Somit kann, wie Argenta in ihrer Antwort auf die schriftliche Frage des Gerichtshofs betont hat, ohne dass die belgische Regierung ihr widersprochen hätte, eine belgische Gesellschaft, die über Eigenkapital verfügt, in den Genuss des Abzugs für Risikokapital kommen, auch wenn nur ihre ausländische Betriebsstätte, die selbst über kein Eigenkapital verfügt, Gewinne erzielt, die letzten Endes nach der belgischen Regelung zur Berechnung dieses Abzugs der genannten Gesellschaft zugerechnet werden.

41.       Folglich wird der Abzug für Risikokapital auf die Gesamtsituation der in Belgien unbeschränkt steuerpflichtigen belgischen Gesellschaft angewandt.

42.       Ich teile auch nicht den Standpunkt der belgischen Regierung, die im vorliegenden Fall fragliche unterschiedliche steuerliche Behandlung sei die Folge der parallelen Ausübung von steuerlichen Befugnissen durch den Mitgliedstaat, in dem die Gesellschaft ansässig sei, und den Mitgliedstaat, in dem die Betriebsstätte liege, da der Unterschied sich aus dem Umstand ergebe, dass es einen mit dem Abzug für Risikokapital vergleichbaren Vorteil in den anderen Mitgliedstaaten nicht oder zumindest noch nicht gebe oder dass in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Steuersätze für die Körperschaftsteuer gälten.

43.       Der Gerichtshof hat zwar bereits entschieden, dass die Nachteile, die sich aus der parallelen Ausübung der Besteuerungsbefugnisse der verschiedenen Mitgliedstaaten ergeben können, keine Beschränkungen der Verkehrsfreiheiten darstellen, sofern eine solche Ausübung nicht diskriminierend ist(14).

44.       Nach dieser Argumentation fallen Nachteile oder unterschiedliche Behandlungen, die allein Folge der Anwendung der unterschiedlichen steuerlichen Regelungen der Mitgliedstaaten sind, im Gegensatz zu denjenigen, die sich bei Anwendung ein und desselben Steuersystems ergeben, nicht in den Anwendungsbereich der genannten Freiheiten(15).

45.       Im vorliegenden Fall ist es aber letztlich allein eine Folge der Anwendung der belgischen Steuerregelung, dass Gesellschaften mit Sitz in Belgien, die dort unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind, unterschiedlich behandelt werden, je nachdem ob sie eine Betriebsstätte in Belgien besitzen oder nicht. Dieser Unterschied hängt weder davon ab, dass eine belgische Gesellschaft wie Argenta einen vergleichbaren Vorteil, den es in den Niederlanden nicht gibt, nicht erhalten kann, noch davon, dass eventuell ein anderer Satz für die Besteuerung der Einkünfte von Gesellschaften gilt als derjenige, der grundsätzlich in Belgien anwendbar ist. Im Übrigen ist es gerechtfertigt, die Stichhaltigkeit des letztgenannten Arguments in Zweifel zu ziehen. Es ist nämlich daran zu erinnern, dass das Eigenkapital, das für Betriebsstätten eingesetzt wird, die in Drittstaaten liegen, mit denen das Königreich Belgien kein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung geschlossen hat, und deren belgisches Stammhaus in Belgien unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist, unabhängig von dem in diesen Drittstaaten anwendbaren Steuersatz in die Berechnung des Abzugs für Risikokapital einbezogen wird.

46.       Meines Erachtens stellt somit der Ausschluss des Eigenkapitals, das für eine Betriebsstätte eingesetzt wird, deren Einkünfte in Belgien von der Steuer befreit sind und deren belgisches Stammhaus in Belgien unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist, von der Feststellung des Abzugs für Risikokapital nach Art. 205ter § 2 WIB 1992 grundsätzlich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar.

47.       Es ist deshalb in diesem Stadium zu prüfen, ob diese Beschränkung zumindest durch einen der beiden Gründe des Allgemeininteresses, die von der belgischen Regierung vorgetragen worden sind, nämlich zum einen die Gewährleistung der Kohärenz seines Steuersystems und zum anderen die Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten, gerechtfertigt werden kann.

48.       Bekanntlich ist jedes dieser beiden Erfordernisse des Allgemeininteresses als mögliche Rechtfertigung für Beschränkungen der Ausübung der Niederlassungsfreiheit angesehen worden(16).

49.       Die in Rede stehenden einschränkenden Maßnahmen müssen jedoch geeignet sein, die Erreichung der im Allgemeininteresse liegenden Ziele zu gewährleisten, und dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist(17).

50.       Im vorliegenden Fall kann meines Erachtens keines der beiden oben genannten Ziele als Rechtfertigungsgrund anerkannt werden.

51.       Das Ziel der Wahrung der Kohärenz der Steuersysteme kann nach der Rechtsprechung nur dann als Rechtfertigungsgrund anerkannt werden, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dem Ausgleich dieses Vorteils durch eine bestimmte steuerliche Belastung nachgewiesen ist(18).

52.       Unter Berufung auf diese Rechtsprechung trägt die belgische Regierung vor, dass im Rahmen der Regelung über den Abzug für Risikokapital vollkommene Ausgewogenheit zwischen der Gewährung des im Verhältnis zu den Aktiva berechneten Steuervorteils und dem Recht auf Besteuerung der durch diese Aktiva entstehenden Einkünfte bestehe.

53.       Dieses Vorbringen ist meines Erachtens nicht ausreichend, um einen unmittelbaren Zusammenhang im Sinne der Rechtsprechung nachzuweisen. Da nämlich der Steuervorteil anhand des Eigenkapitals der betroffenen Gesellschaften berechnet wird, genügt der Hinweis, dass es in Wirklichkeit keinen Ausgleich für diesen Steuervorteil gibt, der darin bestehen würde, dass die durch dieses Eigenkapital erzielten Erträge nachträglich besteuert werden, da das Ziel des Abzugs darin besteht, allgemein den effektiven Steuersatz der Gesellschaften, der von den unter das WIB 1992 fallenden Einheiten entrichtet wird, zu ermäßigen(19). In Wirklichkeit ist die Gewährung des Abzugs für Risikokapital nicht an die Erzielung von Gewinnen in Belgien gebunden, denn wenn die belgische Gesellschaft in einem bestimmten Jahr keinen Gewinn erzielt, könnte der Überschuss des für dieses Jahr gewährten Abzugs gemäß Art. 205quinquies WIB 1992 auf die sieben folgenden Jahre übertragen werden.

54.       Das Argument, das die belgische Regierung aus dem Urteil Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt ableitet, kann diese Beurteilung nicht in Frage stellen.

55.       In dieser Rechtssache hat der Gerichtshof entschieden, dass die in der deutschen Steuerregelung vorgesehene Hinzurechnung der Verluste einer in einem anderen Mitgliedstaat gelegenen Betriebsstätte einer deutschen Gesellschaft durch das Erfordernis gerechtfertigt war, die Kohärenz des deutschen Steuersystems zu gewährleisten, da die genannte Hinzurechnung „das logische Pendant zum vorher gewährten Abzug [von Verlusten]"(20) darstellte, weil nur die in Abzug gebrachten Verluste wieder hinzugerechnet wurden(21). Somit bestand „ein direkter, persönlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen den beiden Komponenten der ... Steuerregelung"(22), d. h. in einem ersten Schritt die Gewährung eines Steuervorteils, nämlich die Berücksichtigung von Verlusten, an das gebietansässige Stammhaus der in einem anderen Mitgliedstaat gelegenen Betriebsstätte - das im Übrigen in gleicher Weise behandelt wurde, wie wenn die Betriebsstätte in Deutschland gelegen hätte -(23) und in einem zweiten Schritt die Hinzurechnung der genannten Verluste.

56.       Im vorliegenden Fall aber - aus welchem Blickwinkel man den Abzug für Risikokapital auch untersucht - ist in der belgischen Regelung keine Abgabe vorgesehen, die diesen Steuervorteil so ausgleichen würde, dass diese beiden Komponenten einen direkten Zusammenhang von der Art aufwiesen, wie er im Urteil Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt beschrieben wurde.

57.       Jedenfalls scheint, wie Argenta und die Kommission geltend machen, die Kohärenz des Steuersystems, auf die sich das Königreich Belgien beruft, auf die Ebene der Gegenseitigkeit der anwendbaren Regelungen des belgisch-niederländischen Abkommens verlagert zu sein.

58.       Indem dieses Abkommen nämlich in Art. 7 Abs. 1 im Wesentlichen bestimmt, dass die Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat besteuert werden, wenn sie einer in diesem anderen Staat gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens zugerechnet werden können, schafft es eine steuerliche Gegenseitigkeit der in den Vertragsstaaten anwendbaren Regeln, die genau darauf abzielt, die steuerliche Kohärenz zu gewährleisten. Somit rechtfertigt der Umstand, dass das Königreich Belgien darauf verzichtet hat, die Gewinne belgischer Gesellschaften zu besteuern, die in den Niederlanden gelegenen Betriebsstätten zugerechnet werden, nicht, dass es einseitig den in Rede stehenden Steuervorteil verweigert. Ließe man die Gegenauffassung zu, liefe dies letztlich darauf hinaus, dass angenommen wird, dass das belgisch-niederländische Abkommen zu einer Inkohärenz führt, die dadurch beseitigt werden muss, dass der in Rede stehende Steuervorteil einseitig verweigert wird. Diese Auffassung wurde vom Gerichtshof jedoch bereits verworfen(24).

59.       Im Übrigen versucht meines Erachtens die belgische Regierung dadurch, dass sie die Gewährung des in Rede stehenden Steuervorteils unter dem Vorwand ablehnt, dass nur das Königreich der Niederlande die Gewinne besteuere, die den in ihrem Hoheitsgebiet gelegenen Betriebsstätten mit Stammhaus in Belgien zugerechnet würden, obwohl das Königreich der Niederlande keinen Steuervorteil gewähre, der mit dem in Belgien eingeführten vergleichbar wäre, sich ihren unionsrechtlichen Verpflichtungen zu entziehen, indem sie fordert, dass ein anderer Mitgliedstaat sein eigenes Steuersystem an das in Belgien geltende anpasst. Der Gerichtshof hat aber bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten keinesfalls nach dem EG-Vertrag verpflichtet sind, eine solche Anpassung vorzunehmen(25).

60.       Das zweite im Allgemeininteresse liegende Ziel, auf das sich die belgische Regierung beruft, nämlich die Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten, überschneidet sich mit dem soeben geprüften.

61.       Meines Erachtens sollte es genauso behandelt werden.

62.       Ich erinnere daran, dass nach der Rechtsprechung die Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten insbesondere dann anerkannt werden kann, wenn mit der betreffenden Regelung Verhaltensweisen verhindert werden sollen, die geeignet sind, das Recht eines Mitgliedstaats auf Ausübung seiner Steuerhoheit für die in seinem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten zu gefährden(26).

63.       Die belgischen Gesellschaften, die eine Betriebsstätte in einem Mitgliedstaat besitzen, mit dem das Königreich Belgien ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung geschlossen hat, und diejenigen, die eine solche Betriebsstätte in belgischem Hoheitsgebiet oder in einem Drittsaat besitzen, mit dem das Königreich Belgien kein solches Abkommen geschlossen hat, steuerlich gleichzubehandeln - d. h., sie in den Genuss des Abzugs für Risikokapital kommen zu lassen -, würde im vorliegenden Fall weder das Recht des Königreichs Belgien beeinträchtigen, gemäß dem belgisch-niederländischen Abkommen die Gesamtgewinne dieser Gesellschaften, die in seinem Hoheitsgebiet ansässig sind, zu besteuern, noch das Recht des Königreichs der Niederlande, gemäß diesem Abkommen die Gewinne zu besteuern, die den in ihrem Hoheitsgebiet gelegenen Betriebsstätten mit Stammhaus in Belgien zuzurechnen sind.

64.       Diese Beurteilung wird nicht durch das Vorbringen der belgischen Regierung in Frage gestellt, wonach die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten dennoch gefährdet wäre, würde man verlangen, dass das Königreich Belgien den Abzug für Risikokapital in einer Situation wie derjenigen des Ausgangsverfahrens gewährt, obwohl der steuerliche Abzug der Zinsen für Kredite, die zum Erwerb der Aktiva der ausländischen Betriebsstätten verwendet werden, nur von dem Mitgliedstaat gewährt werden könnte, in dessen Hoheitsgebiet sich die genannten Betriebsstätten befinden.

65.       Der Abzug für Risikokapital ist nämlich ein pauschaler Steuervorteil, der auf der Basis von fiktiven Kosten gewährt wird, und zwar der theoretischen Kosten für die Nutzung des Eigenkapitals, die, wie die Kommission ausgeführt hat, ohne dass die belgische Regierung widersprochen hätte, nicht von der belgischen Gesellschaft, sondern von ihren Aktionären getragen werden. Obwohl die belgische Regierung dies in der mündlichen Verhandlung bestritten hat, handelt es sich, um den Wortlaut der Begründung des Entwurfs des Gesetzes zur Einführung eines Abzugs für Risikokapital aufzugreifen, um einen Abzug sui generis(27), den das Königreich Belgien einseitig gewährt. Die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten hindert somit das Königreich Belgien nicht daran, die steuerliche Gleichbehandlung belgischer Gesellschaften zu gewährleisten, die über eine Betriebsstätte verfügen, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat diese Betriebsstätte liegt.

66.       Der Vollständigkeit halber sei festgestellt, dass auch die - von Natur aus hypothetische - Auslegung e contrario, die die belgische Regierung hinsichtlich der Urteile Jobra(28) und Tankreederei I(29) vornimmt, keinen Erfolg haben kann, weil der Gerichtshof die Geltendmachung der Notwendigkeit, die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, nicht zurückgewiesen hätte, wenn die Aktiva, hinsichtlich deren die Abzüge für Investitionen, um die es in den Rechtssachen, in denen die beiden Urteile ergangen sind, ging und die deshalb abgelehnt wurden, weil diese Investitionen nicht im nationalen Hoheitsgebiet ausgeführt worden waren, nur Gewinne erzeugt hätten, die in den betreffenden Mitgliedstaaten vollständig steuerbefreit gewesen wären.

67.       Somit kann die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, die sich aus der Anwendung von Art. 205 ter § 2 WIB 1992 ergibt, durch die beiden Gründe des Allgemeininteresses, auf die sich die belgische Regierung beruft, nicht gerechtfertigt werden.

68.       Ich schlage daher vor, für Recht zu erkennen, dass Art. 43 EG dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Steuervorschrift wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, wonach eine in einem Mitgliedstaat unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Gesellschaft bei der Ermittlung ihres steuerbaren Gewinns keinen Abzug für Risikokapital in Höhe der positiven Differenz zwischen dem Nettobuchwert der Aktiva und dem Gesamtbetrag der Passiva, die einer Betriebsstätte zugerechnet werden, die sie in einem anderen Mitgliedstaat besitzt und deren Einkünfte im ersten Staat nach einem zwischen den beiden Mitgliedstaaten geschlossenen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Steuer befreit sind, vornehmen kann, während sie einen solchen Abzug vornehmen kann, wenn die positive Differenz einer Betriebsstätte zugerechnet werden kann, die im ersten Mitgliedstaat liegt oder in einem Drittstaat, mit dem der erste Mitgliedstaat kein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung geschlossen hat.

III - Ergebnis

69.       Nach alledem schlage ich vor, auf die von der Rechtbank van eerste aanleg te Antwerpen vorgelegte Frage folgendermaßen zu antworten:

Art. 43 EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Steuervorschrift wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, wonach eine in einem Mitgliedstaat unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Gesellschaft bei der Ermittlung ihres steuerbaren Gewinns keinen Abzug für Risikokapital in Höhe der positiven Differenz zwischen dem Nettobuchwert der Aktiva und dem Gesamtbetrag der Passiva, die einer Betriebsstätte zugerechnet werden, die sie in einem anderen Mitgliedstaat besitzt und deren Einkünfte im ersten Staat nach einem zwischen den beiden Mitgliedstaaten geschlossenen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Steuer befreit sind, vornehmen kann, während sie einen solchen Abzug vornehmen kann, wenn die positive Differenz einer Betriebsstätte zugerechnet werden kann, die im ersten Mitgliedstaat liegt oder in einem Drittstaat, mit dem der erste Mitgliedstaat kein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung geschlossen hat.

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1 - Originalsprache: Französisch.

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2-        Moniteur belge vom 30. Juni 2005, S. 30077.

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3-        Die Koordinationszentren wurden durch die Königliche Verordnung Nr. 187 vom 30. Dezember 1982 (Moniteur belge vom 13. Januar 1983) geregelt, und ihnen wurde ursprünglich für die Dauer von zehn Jahren eine Steuerbefreiung für die Gewinne derjenigen unter ihnen gewährt, die zugunsten der Unternehmen der Gruppe, der sie angehörten, eine gewisse Anzahl von Verwaltungs-, Vorbereitungs- oder Nebenaufgaben sowie gewisse Tätigkeiten eines Finanzverbunds wahrnahmen. Im Jahr 1984 stellte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften fest, dass die Regelung keine Beihilfeelemente enthalte. Ein Bericht des Rates der Europäischen Union vom 29. Februar 2000 bezeichnete die belgischen Bestimmungen über die Koordinationszentren gleichwohl als schädliche steuerliche Maßnahmen, die zunächst zum 31. Dezember 2005, dann zum 31. Dezember 2010 abgeschafft werden sollten. Am 17. Februar 2003 erließ die Kommission die Entscheidung 2003/757/EG über die Beihilferegelung, die Belgien zugunsten von Koordinierungsstellen mit Sitz in Belgien durchgeführt hat (ABl. L 282, S. 25), die vorsah, dass die bestehende Beihilferegelung nach und nach bis spätestens 31. Dezember 2010 auslaufen müsse. Die Regelung für die Koordinationszentren, die mehrmals geändert worden war, aber weiterhin von der allgemeinen belgischen Steuerregelung abwich, lag mehreren Rechtsstreitigkeiten vor dem Gerichtshof zugrunde, darunter denjenigen, in denen die Urteile vom 22. Juni 2006, Kommission/Rat (C‑399/03, Slg. 2006, I‑5629), betreffend die dem Königreich Belgien im Juli 2003 vom Rat erteilte Genehmigung zur Gewährung der Beihilferegelung für bestimmte Koordinationszentren, deren Anerkennung spätestens am 31. Dezember 2005 auslief, sowie Belgien und Forum 187/Kommission (C‑182/03 und C‑217/03, Slg. 2006, I‑5479), betreffend die Rechtmäßigkeit der oben genannten Entscheidung der Kommission, ergangen sind. Die Regelung für die Koordinationszentren wurde Ende 2010 aufgehoben. Nach der teilweisen Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/757/EG durch den Gerichtshof erließ die Kommission am 13. November 2007 eine neue Entscheidung (Entscheidung 2008/283/EG über die von Belgien geschaffene Beihilferegelung zugunsten der in Belgien niedergelassenen Koordinierungszentren und zur Änderung der Entscheidung 2003/757/EG, ABl. 2008, L 90, S. 7), die Gegenstand von zwei Nichtigkeitsklagen war, die beim Gericht der Europäischen Union eingereicht und unter den Geschäftszeichen T‑94/08 und T‑189/08 registriert wurden. In seinen Urteilen vom 18. März 2010 (Centre de coordination Carrefour SNC/Kommission, Slg. 2010, II‑1015, und Forum 187/Kommission, Slg. 2010, II‑1039) hat das Gericht die Klagen als unzulässig abgewiesen. Mit Beschluss vom 3. März 2011 Centre de coordination Carrefour SNC/Kommission (C‑254/10 P), hat der Gerichtshof das Rechtsmittel zurückgewiesen.

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4 - Vgl. insoweit u. a. Parent, X., „La déduction pour capital à risque. Les intérêts notionnels", Revue de la faculté de droit de l'Université de Liège, 2006, Nr. 1‑2, S. 289; Colmant, B., Minne, P., und Vanwelkenhuyzen, Th., Les intérêts notionnels. Aspects juridiques, fiscaux et financiers de la déduction pour capital à risque, Larcier, Brüssel, 2006, S. 3; Traversa, E., und Lecocq, A., „La déduction des intérêts notionnels en Belgique: premier bilan", Droit fiscal, Nr. 9, 2009, S. 9, und Dassesse, M., „Les intérêts notionnels à l'épreuve du droit communautaire. Le législateur belge à la mémoire bien courte", Liber Amicorum Jacques Autenne, Bruylant, Brüssel 2010, S. 231.

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5 - Im Steuerjahr 2008 betrug dieser Satz 3,871 %. Für das Steuerjahr 2012 beträgt er 3,425 %. Der Satz wird jährlich auf der Grundlage des Durchschnitts der monatlichen Zinssätze für lineare Obligationen (OLO) mit zehnjähriger Laufzeit berechnet. Dieser Satz kann maximal um einen Prozentpunkt vom Prozentsatz des vorangegangenen Jahres abweichen. Der Höchstsatz beträgt 6,5 %.

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6 - Wird in einem Besteuerungszeitraum, für den ein Abzug für Risikokapital möglich ist, kein oder kein ausreichender Gewinn erzielt, kann der Abzug nach Art. 205 quinquies WIB 1992 schrittweise auf die Gewinne der folgenden sieben Jahre übertragen werden.

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7 - Moniteur belge vom 20. Dezember 2002, S. 57533.

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8 - Vgl. Föderaler öffentlicher Dienst, Finanzen, „La déduction d'intérêt notionnel: un incitant fiscal belge novateur - Exercice d'imposition 2013 - revenus 2012", S. 6 (http://minfin.fgov.be/portail2/belinvest/downloads/fr/publications/bro_notional_interest.pdf)

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9 - Vgl. in diesem Sinne u. a. Parent, X., oben in Fn. 4 angeführt, S. 298.

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10 - Vgl. Urteile vom 21. September 1999, Saint-Gobain ZN (C‑307/97, Slg. 1999, I‑6161, Randnr. 35), vom 14. Dezember 2000, AMID (C‑141/99, Slg. 2000, I‑11619, Randnr. 20), vom 23. Februar 2006, Keller Holding (C‑471/04, Slg. 2006, I‑2107, Randnr. 29), vom 29. März 2007, Rewe Zentralfinanz (C‑347/04, Slg. 2007, I‑2647, Randnr. 25), und vom 15. Mai 2008, Lidl Belgium (C‑414/06, Slg. 2008, I‑3601, Randnr. 18).

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11 - Vgl. u. a. Urteile vom 16. Juli 1998, ICI (C‑264/96, Slg. 1998, I‑4695, Randnr. 21), Rewe Zentralfinanz (Randnr. 26) und Lidl Belgium (Randnr. 19).

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12 - Urteile Lidl Belgium (Randnr. 20), und vom 23. Oktober 2008, Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt (C‑157/07, Slg. 2008, I‑8061, Randnr. 31). Vgl. auch Urteil vom 28. Februar 2008, Deutsche Shell (C‑293/06, Slg. 2008, I‑1129, Randnr. 29).

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13 - Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Steuerabzugs für Risikokapital, Belgische Abgeordnetenkammer, 11. Mai 2005, Dok. 51 1778/001, S. 12 (Anlage zu den Erklärungen von Argenta).

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14-       Vgl. u. a. Urteil vom 8. Dezember 2011, Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (C‑157/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

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15 - Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2011, Schulz-Delzers und Schulz (C‑240/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 40 bis 42).

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16 - Vgl. insbesondere hinsichtlich der Gewährleistung der Kohärenz des Steuersystems Urteil Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt (oben in Fn. 12 angeführt, Randnr. 43) und hinsichtlich der Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten Urteil vom 29. November 2011, National Grid Indus (C‑371/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

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17-       Vgl. u. a. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2012, Kommission/Spanien (C‑269/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

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18 - Vgl. u. a. Urteile vom 7. September 2004, Manninen (C‑319/02, Slg. 2004, I‑7477, Randnr. 42), vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (C‑524/04, Slg. 2007, I‑2107, Randnr. 68), und Kommission/Spanien (oben in Fn. 17 angeführt, Randnr. 85).

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19 - Es ist anzumerken, dass Colmant, B., u. a. in ihrem oben in Fn. 4 angeführten Werk im Kapitel, das den „Grundsätze des Abzugs für Risikokapital" gewidmet ist, ausführen, dass dieser Abzug „außerbuchhalterisch [ist], ... in der Steuererklärung der Gesellschaft vorgenommen und durch kein entsprechendes zu versteuerndes Einkommen ausgeglichen [wird]" (S. 19).

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20 - Urteil Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, oben in Fn. 12 angeführt (Randnr. 42).

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21-       Ebd., Randnr. 44.

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22-       Ebd., Randnr. 42.

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23 - Ebd., Randnr. 35.

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24-       Vgl. u. a. Urteil vom 15. Juli 2004, Weidert und Paulus (C‑242/03, Slg. 2004, I‑7379, Randnrn. 24 bis 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

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25 - Vgl. insbesondere Urteile vom 15. April 2010, CIBA (C‑96/08, Slg. 2010, I‑2911, Randnr. 28), und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (oben in Fn. 14 angeführt, Randnr. 39).

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26 - Vgl. Urteile vom 18. Juli 2007, Oy AA (C‑231/05, Slg. 2007, I‑6373, Randnr. 54), vom 8. November 2007, Amurta (C‑379/05, Slg. 2007, I‑9569, Randnr. 58), vom 18. Juni 2009, Aberdeen Property Fininvest Alpha (C‑303/07, Slg. 2009, I‑5145, Randnr. 66), vom 20. Oktober 2011, Kommission/Deutschland (C‑284/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 77), und vom 10. Mai 2012, FIM Santander Top 25 Euro Fi u. a. (C‑338/11 bis C‑347/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 47).

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27 - Nach der Erklärung in Art. 4 des Gesetzesentwurfs (S. 10 der Begründung) ist „der Abzug für Risikokapital ... ein Abzug sui generis, dessen sämtliche Anwendungsvoraussetzungen in den Bestimmungen im Entwurf festgelegt sind".

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28-       Urteil vom 4. Dezember 2008 (C‑330/07, Slg. 2008, I‑9099)

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29-       Urteil vom 22. Dezember 2010 (C‑287/10, Slg. 2010, I‑14233).

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