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Steuerrecht
17.11.2016
Steuerrecht
FG Münster: : Ablehnung des Finanzamts betr. Annahme einer Barzahlung

FG Münster, Urteil vom 1.10.2016 – 7 V 2897/15 AO

Volltext: BB-ONLINE BBL2016-2838-3

unter www.betriebs-berater.de

Leitsätze der Redaktion

1. Soweit eine Gefährdung der Steueransprüche nicht zu befürchten ist, sind Vollstreckungsschuldner auf den Weg der unbaren Einzahlung bzw. der Einzahlung bei einem ermächtigten Kreditinstitut zu verweisen.

2. Ob die Finanzbehörde zuvor schon einmal eine Barzahlung des Steuerschuldners in ähnlicher Höhe angenommen hat, ist unerheblich.

3. Eine Bareinzahlung an die Finanzkasse ist nicht möglich, da die Finanzkasse geschlossen ist. Zahlungen an die Finanzbehörden sind nach § 224 Abs. 1 S. 1 FGO an die zuständige Kasse zu entrichten. Nach § 224 Abs. 4 S. 1 AO kann die zuständige Kasse für die Übergabe von Zahlungsmitteln gegen Quittung geschlossen werden.

Aus den Gründen

2          I.

3          Zu entscheiden ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, ob den Antragstellern Vollstreckungsschutz zu gewähren ist.

4          Die Antragsteller wollten am 09.09.2015 eine fällige Einkommensteuervorauszahlung an den Antragsgegner in Höhe von 140.000 € in den Räumen des Finanzamts B-Stadt durch Barzahlung begleichen. Die zuständigen Bearbeiter des Antragsgegners lehnten die Annahme des Bargeldes mit dem Hinweis, dass die Kasse des Finanzamts geschlossen sei, ab.

5          Mit Schreiben vom 10.09.2015 forderte der Antragsgegner die Antragsteller auf, das Bargeld bei der Deutschen Bundesbank in Dortmund einzuzahlen. Diese akzeptiere Bargeldeinzahlungen auf das Konto des Antragsgegners.

6          Die Antragsteller lehnten dies mit Schreiben vom 10.09.2015 unter Verweis auf § 224 Abs. 4 Abgabenordnung (AO) ab. Aus der AO gehe hervor, dass der Antragsgegner ein örtliches Kreditinstitut zur Annahme von Barzahlungen ermächtigen müsse. Die Bundesbank in Dortmund stelle kein solches örtliches Kreditinstitut dar.

7          Der Antragsgegner verwies die Antragsteller auf die Sparkasse B-Stadt als örtliches Kreditinstitut, bei dem ebenfalls grundsätzlich eine Bareinzahlung möglich sei. Die Sparkasse sei auch vom Antragsgegner ermächtigt worden, für den Antragsgegner Zahlungsmittel gegen Quittung entgegenzunehmen.

8          Die Sparkasse verweigerte die Annahme des Bargeldes jedoch trotz der vom Antragsgegner erteilten Ermächtigung.

9          In der Folgezeit telefonierten die Bearbeiter des Antragsgegners mehrfach mit dem zuständigen Mitarbeiter der Bundesbank in Dortmund, Herrn F.. Dieser teilte den Bearbeitern des Antragsgegners mit, dass die Antragsteller das Bargeld bei der Bundesbank auf das Konto des Antragsgegners einzahlen könnten. Voraussetzung sei, dass die Antragsteller den Steuerbescheid sowie ihre Ausweise vorlegen könnten. Allerdings seien bei einer solchen Summe Maßnahmen nach dem Geldwäschegesetz erforderlich. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Telefonvermerke des Antragsgegners vom 10.09.2015, vom 14.09.2015 und vom 16.09.2015 (Bl. 94, Bl.110 und Bl. 113/21 der Erhebungsakte) verwiesen.

10        Mit ihrem am 14.09.2015 beim Finanzgericht eingegangenen Eilantrag begehren die Antragsteller Vollstreckungsschutz. Es sei zu befürchten, dass der Antragsgegner Kontopfändungen durchführen werde. Der Antragsgegner befinde sich jedoch in Annahmeverzug. Durch die drohende Kontopfändung werde ihre finanzielle Existenz bedroht, da in diesem Falle eine Kündigung ihrer Konten durch die Kreditinstitute drohe. Eine Anfrage bei der Deutschen Bundesbank in Dortmund habe ergeben, dass keine Ermächtigung des Antragsgegners zur Entgegennahme von Zahlungsmitteln vorliege. Im Übrigen habe der Antragsgegner am 10.06.2015 ebenfalls eine Barzahlung in ähnlicher Höhe angenommen.

11        Die Antragsteller beantragen sinngemäß,

12        ihnen im Wege der einstweiligen Anordnung Vollstreckungsschutz zu gewähren.

13        Der Antragsgegner beantragt,

14        den Antrag abzulehnen.

15        Die Weigerung des Antragsgegners, Bargeld zur Begleichung von Steuerschulden anzunehmen, führe nicht zur Unbilligkeit einer künftigen Vollstreckung. Bei der einmaligen Annahme von Bargeld in der Vergangenheit habe es sich um ein Versehen gehandelt. Der Antragsgegner habe alles Erforderliche veranlasst, um die Zahlung zu ermöglichen. Insbesondere sei die örtliche Sparkasse ermächtigt worden, Barzahlungen gegen Quittung anzunehmen. Die Sparkasse, auf deren Entscheidungen der Antragsgegner als Landesbehörde keinen Einfluss habe, habe die Annahme des Bargeldes lediglich wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Geldwäschegesetz verweigert. Es fehle überdies an einem Anordnungsgrund, da keine Existenzgefährdung der Antragsteller vorliege. Diesen sei es ohne weiteres möglich, die Zahlung auf eines der Konten des Antragsgegners vorzunehmen. Zum einen sei eine Bareinzahlung bei der Bundesbank möglich und zum anderen könnten die Antragsteller eine Überweisung über ihre Bankkonten vornehmen. Das öffentliche Interesse des Antragsgegners an einem schnellen, sicheren bargeldlosen Geldverkehr überwiege das nicht nachvollziehbare Interesse der Antragsteller an einer Barzahlung im Finanzamt.

16        II.

17        Der Antrag hat keinen Erfolg.

18        Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

19        Dazu ist es erforderlich, dass gem. § 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund dargelegt und glaubhaft gemacht werden.

20        Wird im Vollstreckungsverfahren nach der AO als vorläufiger Rechtsschutz durch ein Finanzgericht die Verpflichtung der Behörde zur Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung verlangt, so kommt als Rechtsgrundlage allein die nach § 258 AO in das Ermessen der Behörde gestellte Befugnis zur Gewährung einer vorläufigen Vollstreckungsaussetzung in Betracht (BFH, Beschluss vom 10.08.1991 – VII S 40/91, BFH/NV 1992, 317 m.w.N.). Der Senat folgt der für die Antragsteller günstigsten Auffassung, wonach das Gericht befugt ist, die einstweilige Anordnung in Ausübung eigenen Ermessens (Interimsermessen) zu treffen.

21        1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet, weil es im Streitfall bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs fehlt.

22        Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist die Vollstreckung nur dann unbillig im Sinne des § 258 AO, wenn die Vollstreckung oder einzelne Vollstreckungsmaßnahmen dem Schuldner einen unangemessenen Nachteil bringen würden und dieser Nachteil durch kurzfristiges Zuwarten oder durch eine andere Vollstreckungsmaßnahme vermieden werden könnte (vgl. BFH, Beschluss vom 21.04.2009 – I B 178/08, BFH/NV 2009, 1596 m.w.N.). Es müssen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Steuerschulden in absehbarer Zeit durch freiwillige Leistung des Schuldners zurückgeführt werden können (BFH, Urt. vom 31.05.2005 – VII R 62/04, BFH/NV 2005, 1743). Nachteile, die üblicherweise mit der Vollstreckung oder einzelnen Vollstreckungsmaßnahmen verbunden sind, begründen hingegen keine Unbilligkeit. Vielmehr muss es sich um vorübergehende Umstände handeln, die eine Vollstreckung unbillig erscheinen lassen.

23        Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen sich der Senat anschließt, ist im konkreten Fall nicht ersichtlich, dass die Vollstreckung den Antragstellern einen unangemessenen Nachteil bringen würde, der durch kurzfristiges Zuwarten vermieden werden könnte.

24        Es ist nicht davon auszugehen, dass die Steuerschulden in absehbarer Zeit durch freiwillige Leistung der Antragsteller zurückgeführt werden können. Die Antragsteller vertreten die Auffassung, dass sie berechtigt seien, die Steuerschuld in bar zu erbringen und dass der Antragsgegner sich aufgrund der Verweigerung der Annahme des angebotenen Bargeldes bereits in „Annahmeverzug“ befinde.

25        Dem folgt der Senat nicht. Der Antragsgegner ist berechtigt, die fälligen Steuerschulden im Wege der Vollstreckung beizutreiben.

26        a) Eine Bareinzahlung an die Finanzkasse ist nicht möglich, da die Finanzkasse geschlossen ist.

27        Zahlungen an die Finanzbehörden sind gem. § 224 Abs. 1 Satz 1 FGO an die zuständige Kasse zu entrichten. Nach § 224 Abs. 4 Satz 1 AO kann die zuständige Kasse für die Übergabe von Zahlungsmitteln gegen Quittung geschlossen werden. Von dieser Möglichkeit hat der Antragsgegner Gebrauch gemacht (vgl. Schreiben des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26.07.1980 – H 2103 – 2 – II B 3).

28        Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner am 10.06.2015 eine Barzahlung der Antragsteller in ähnlicher Höhe angenommen hat. Hierin liegt insbesondere keine Wiederöffnung der Finanzkasse. Nach Punkt 4. des Schreibens des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26.07.1980 ist die Annahme von Zahlungen durch den Vollstreckungsinnendienst auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Soweit eine Gefährdung der Steueransprüche nicht zu befürchten ist, sind auch Vollstreckungsschuldner auf den Weg der unbaren Einzahlung bzw. der Einzahlung bei einem ermächtigten Kreditinstitut zu verweisen. Diesen Regelungen folgend hatte der Antragsgegner die Antragsteller mit Schreiben des Vorstehers vom 27.09.2015 darauf hingewiesen, dass zukünftig die Annahme von Bargeld verweigert werde.

29        b) Auch hat der Antragsgegner hinreichend dafür Sorge getragen, dass Kreditinstitute zur Ersatzannahme von Bargeld bereit sind.

30        Die Vorschrift des § 224 Abs. 4 Satz 2 AO gewährleistet, dass am Ort der Steuerkasse weiterhin Bareinzahlungen oder Scheckhingaben gegen Quittung möglich sind. Danach können am Ort der Kasse „Zweiganstalten“ der Deutschen Bundesbank ermächtigt werden, für die Kasse Zahlungsmittel gegen Quittung anzunehmen. Falls am Ort der Kasse keine Filiale der Deutschen Bundesbank besteht, kann auch ein anderes Kreditinstitut zur Entgegennahme von Bareinzahlungen oder Schecks gegen Quittung ermächtigt werden (Schindler, in: Beermann/Gosch, AO, 117. Lfg, § 224 Rdn. 25). Damit dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit von Bareinzahlungen durch die Schließung der Kasse nicht gänzlich genommen wird, ist das Ermessen der Finanzbehörde dergestalt reduziert, dass die Ermächtigung im Regelfall auszusprechen ist (Loose, in: Tipke/Kruse, AO, § 224 Rdn. 15; Schindler, in: Beermann/Gosch, AO, 117. Lfg, § 224 Rdn. 25; Fritsch, in: Koenig, AO, § 224 Rdn. 21).

31        Der Antragsgegner hat der Sparkasse B-Stadt eine solche Ermächtigung zur Entgegennahme von Bareinzahlungen gegen Quittung erteilt. Auf die Entscheidung der Sparkasse, die Bareinzahlung im konkreten Einzelfall nicht anzunehmen, hat der Antragsgegner keinen Einfluss. Der Bundesbank in Dortmund hat der Antragsgegner zwar nach Aktenlage bislang keine solche Ermächtigung erteilt, der zuständige Mitarbeiter, Herr F., hat jedoch in mehreren Telefonaten mitgeteilt, dass eine Einzahlung auch ohne eine solche Ermächtigung möglich sei. Damit hat der Antragsgegner alle notwendigen und ihm gesetzlich obliegenden Maßnahmen ergriffen, um den Antragstellern die Bareinzahlung auf seine Konten zu ermöglichen. Soweit die Bundesbank mitgeteilt hat, dass sie das Geld zwar annehmen werde, aber Maßnahmen nach dem Geldwäschegesetz erforderlich sein werden, ist dies nicht zu beanstanden. Die Bank handelt insoweit nur im Rahmen ihrer gesetzlichen Verpflichtungen.

32        2. Im Übrigen fehlt es auch an der Darlegung und Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes.

33        Die in § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO ausdrücklich genannten Gründe „wesentliche Nachteile“ und „drohende Gewalt“ setzen Maßstäbe für die im Gesetz genannten „anderen Gründe“ zum Erlass einer einstweiligen Anordnung. Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, müssen die Gründe so schwerwiegend sein, dass sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen, was im Allgemeinen nur dann der Fall ist, wenn die wirtschaftliche und persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar – im Kern – bedroht wäre (BFH, Beschluss vom 19.09.1993 – VII B 139/91, BFH/NV 1992, 321 und BFH, Beschluss vom 20.04.1993 – VII B 210/92). Den Antragstellern müssen daher Nachteile drohen, die über den allgemeinen Nachteil der Steuerzahlung hinausreichen. Hierbei ist davon auszugehen, dass das Finanzamt im Interesse der Allgemeinheit grundsätzlich die Pflicht hat, Steueransprüche auch im Zwangswege durchzusetzen (vgl. BFH, Beschluss vom 25.06.1985 -  VI B 54, 62/84, BFH/NV 1986, 138).

34        Solche Nachteile haben die Antragsteller nicht dargelegt bzw. glaubhaft gemacht. Insbesondere sind die Antragsteller nach eigenem Vortrag zahlungsfähig. Es bestehen keine nachvollziehbaren Gründe dafür, warum die Antragsteller das vorhandene Bargeld nicht auf eines ihrer Bankkonten einzahlen und ihre Steuerschuld per Banküberweisung begleichen bzw. alternativ das Geld in bar bei der Bundesbank auf das Konto des Antragsgegners einzahlen.

35        Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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