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Steuerrecht
31.07.2014
Steuerrecht
EuGH: Erhebung einer Zollschuld – Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte

Der EuGH hat mit Urteil vom 3.7.2014 - C‑129/13 (Kamino International Logistics BV) und C‑130/13 (Datema Hellmann Worldwide Logistics BV) - wie folgt entschieden:

1. Der Einzelne kann sich auf den Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte durch die Verwaltung und den daraus für jedermann folgenden Anspruch, vor Erlass jeder Entscheidung, die seine Interessen beeinträchtigen kann, gehört zu werden, so wie diese im Rahmen der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 geänderten Fassung vorgesehen sind, vor den nationalen Gerichten unmittelbar berufen.

2. Der Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte und insbesondere das Recht jeder Person, vor Erlass einer nachteiligen individuellen Maßnahme angehört zu werden, sind dahin auszulegen, dass in einem Fall, in dem der Adressat einer Zahlungsaufforderung im Rahmen eines Verfahrens zur Nacherhebung von Einfuhrabgaben gemäß der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung Nr. 2700/2000 geänderten Fassung vor Erlass dieser Entscheidung nicht von der Verwaltung angehört worden ist, seine Verteidigungsrechte verletzt sind, auch wenn er die Möglichkeit hat, seinen Standpunkt auf einer späteren Stufe in einem verwaltungsrechtlichen Einspruchsverfahren geltend zu machen, sofern es die nationale Regelung im Fall der fehlenden vorherigen Anhörung den Adressaten solcher Zahlungsaufforderungen nicht ermöglicht, die Aussetzung von deren Vollziehung bis zu ihrer etwaigen Abänderung zu erlangen. So verhält es sich jedenfalls, wenn das nationale Verwaltungsverfahren, das Art. 244 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung Nr. 2700/2000 geänderten Fassung durchführt, die Gewährung einer solchen Aussetzung in einem Fall einschränkt, in dem begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen oder dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte.

3. Die Bedingungen, unter denen die Wahrung der Verteidigungsrechte sichergestellt werden muss, und die Folgen der Missachtung dieser Rechte richten sich nach nationalem Recht, sofern die in diesem Sinne getroffenen Maßnahmen denen entsprechen, die für den Einzelnen in vergleichbaren unter das nationale Recht fallenden Situationen gelten (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Da das nationale Gericht verpflichtet ist, die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, muss es, wenn es die Folgen eines Verstoßes gegen die Verteidigungsrechte, insbesondere gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, würdigt, berücksichtigen, dass ein solcher Verstoß nur dann zur Nichtigerklärung der das Verwaltungsverfahren abschließenden Entscheidung führt, wenn ohne diese Unregelmäßigkeit dieses Verfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

 

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