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Steuerrecht
20.06.2016
Steuerrecht
Erbschaftsteuer: Erbschaftsteuerreform beschlossen

Eineinhalb Jahre haben Union und SPD um eine Reform der Erbschaftsteuer, einen Kompromiss, gerungen. Firmenerben sollen auch künftig großzügig steuerlich begünstigt werden, wenn sie das Unternehmen über eine längere Zeit fortführen und außerdem Arbeitsplätze erhalten. Allerdings sollen von Juli an schärfere Vorgaben für die Verschonung gelten. Das hatte das BVerfG vor eineinhalb Jahren gefordert.

Die erste parlamentarische Hürde hat der Gesetzentwurf der Koalition bereits genommen: Am Mittwoch hat der Finanzausschuss des BT die Gesetzespläne gebilligt – ohne Änderungen. Am Freitag (nach Redaktionsschluss dieser Zeitschrift) sollte der Bundestag über die Reform abstimmen. Während hier ein positives Ergebnis zu erwarten war, ist das noch ausstehende Länder-Votum relativ offen. Widerstand kommt nicht nur von den Grünen, sondern auch von Landespolitikern der SPD. Nach bisherigem Plan soll der BR am 8.7.2016 abstimmen – also kurz vor der parlamentarischen Sommerpause.

Die Reaktionen aus der Wirtschaft auf die geplante Reform sind gemischt. BStBK-Präsident Dr. Raoul Riedlinger zeigte sich „erleichtert“, dass man sich kurz vor Auslaufen der vom BVerfG gesetzten Frist geeinigt hat. Besonders positiv sei, dass die Lohnsummenprüfung für Unternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten entfalle – das sei gerade für kleine Betriebe eine deutliche Entlastung. Weiter begrüßte die BStBK die Regelungen zur Unternehmensbewertung und zu den Zahlungsmodalitäten der Erbschaftsteuer, sowie die überarbeitete Stundung im Erbfall. Durch die Abkehr vom Hauptzweckbegriff werde nun bei der Bestimmung des begünstigten Vermögens die Abgrenzung über das Verwaltungsvermögen beibehalten. „In der praktischen Arbeit der Steuerberater, Unternehmen und der Finanzverwaltung haben sich die Regelungen zum Verwaltungsvermögen etabliert. Die Abgrenzung über den Hauptzweckbegriff hätte alle Beteiligten verunsichert und im Ergebnis für mehr Streitanfälligkeit gesorgt“, betonte Riedlinger. Dennoch bleibe nach Auffassung der BStBK das neue Erbschaftsteuergesetz hoch komplex. Es erscheine daher fraglich, ob der Verwaltungs- und Bürokratieaufwand im Verhältnis zum Erbschaftsteueraufkommen stehe.

Nach Auffassung der Stiftung Familienunternehmen wird sich für eine „große Anzahl von Familienunternehmen“ die Erbschaftsteuer-Belastung deutlich erhöhen. Bei nicht wenigen großen Unternehmen drohe eine starke Erhöhung, so „dass dies die Tendenz und Überlegungen der Familienunternehmen zu Abwanderung und zu Verkauf befördern“ werde. Auch beim Industrieverband BDI befürchtet man Beeinträchtigungen für Unternehmen: „Der bisher geltende Kompromiss wurde zum Nachteil des industriellen Mittelstandes aufgeweicht. Durch viel zu hohen bürokratischen und finanziellen Aufwand drohen eigentümer- und familiengeführten Unternehmen deutliche Mehrbelastungen“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Dr. Markus Kerber. Im Ringen um die Reform der Erbschaftsteuer sei der kleinste gemeinsame Nenner erzielt worden. Damit seien die Unternehmen „nicht glücklich“. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sieht die Ziele des Koalitionsvertrags konterkariert. DIHK-Präsident Dr. Eric Schweitzer brauch es auf die Formel hinunter: „Die Unternehmen zahlen die Rechtssicherheit mit höheren Belastungen.“

Die geplanten Verschonungsregeln im Überblick:

Familienunternehmen

Für Familienunternehmen mit Kapitalbindung beziehungsweise Verfügungsbeschränkung ist ein Steuerabschlag auf den Unternehmenswert geplant. Dieser darf maximal 30 Prozent betragen. Die Verfügungsbeschränkungen müssen zwei Jahre vor und 20 Jahre nach dem Tod des Erblassers bzw. dem Schenkungszeitpunkt vorliegen.

Große Unternehmen

Ab einem begünstigten Betriebsvermögen von 26 Millionen Euro je Erbfall ist eine „individuelle Verschonungsbedarfsprüfung“ vorgesehen. Alternativ: ein Verschonungsabschlagsmodell. Der Erbe muss nachweisen, dass ihn die Zahlung der Erbschaftsteuer überfordern würde. Folge ist auch, dass der Erbe sein Privatvermögen offenlegen muss.

Kleine Unternehmen

Betriebe mit bis zu fünf Mitarbeitern werden von der Nachweispflicht des Arbeitsplatzerhalts ausgenommen.

Erweiterte Stundungsregelung

Wird die Steuer aus dem Privatvermögen gezahlt, kann sie zehn Jahre lang zinslos gestundet werden. Unabhängig vom Wert des begünstigten Vermögens.

Verwaltungsvermögen

Bis zu zehn Prozent des Verwaltungsvermögens bleiben steuerfrei. Begünstigt werden neben betrieblicher Altersvorsorge oder verpachtete Grundstücke sowie Firmenbeteiligungen außerhalb der EU.

Abschmelzmodell

Mit wachsendem Unternehmensvermögen muss ein größerer Teil des Betriebsvermögens versteuert werden.

Förderung von Investitionen (Investitionsklausel)

Diejenigen Mittel aus einem Erbe, die nach dem Willen des Erblassers innerhalb von zwei Jahren nach dessen Tod für Investitionen getätigt werden, werden steuerrechtlich begünstigt.

Einschränkung von Steuergestaltungen

Wenn das nicht begünstigte Verwaltungsvermögen 90 Prozent des gesamten Betriebsvermögens überschreitet, wird die Verschonung von der Erbschaft- und Schenkungsteuer ausgeschlossen.

Unternehmensvermögen

Das jetzige Verfahren führe angesichts der Niedrigzinsen zu unrealistisch hohen Firmenwerten. Für das vereinfachte Ertragswertverfahren wird daher eine neue Berechnungsmethode eingeführt. Der Kapitalisierungsfaktor, der multipliziert mit dem nachhaltig erzielbaren Jahresertrag den Unternehmenswert ergibt, wird von derzeit 17,86 auf einen Korridor von 10 bis maximal 12,5 abgesenkt.

(Einigung zur Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer - Gemeinsame Erklärung Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU); PM BStBK vom 20.6.2016; PM Stiftung Familienunternehmen vom 20.6.2016; PM BDI vom 20.6.2016)

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