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Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
26.11.2015
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
FG München: Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten wegen möglicher Schadensersatzansprüche

FG München, Urteil vom 29.6.2015 – 7 K 3135/13, rkr.

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2015-2994-1

unter www.betriebs-berater.de

Nicht amtlicher Leitsatz

Rückstellungen für Schadensersatzansprüche können nicht gebildet werden, wenn es bereits an einer vertraglichen Vereinbarung fehlt und auch gesetzliche Ansprüche, etwa wegen strafbarer Handlung, ausgeschlossen sind.

EStG § 5 Abs. 1; HGB § 249 Abs. 1

Sachverhalt

I.

Streitig ist, ob zum 31. Dezember 2008 und 31. Dezember 2009 jeweils eine gewinnmindernde Rückstellung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) in den Steuerbilanzen der Klägerin zu berücksichtigen ist.

Die Klägerin ist eine GmbH und wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 10. August 1989 von T mit einem Stammkapital von 50.000 DM gegründet. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Großhandel mit medizinischen und orthopädischen Artikeln, Dental- und Laborbedarf. T ist seit 1998 Alleingesellschafter und seit dem 2. Mai 1990 der alleinige Geschäftsführer der Klägerin. Die Bilanzen der Klägerin für die Streitjahre wurden am 11. Dezember 2009 (zum 31. Dezember 2008) bzw. am 17. Januar 2011 (zum 31. Dezember 2009) von ihrem damaligen Steuerberater M erstellt.

Den - vorliegend nicht streitigen - Feststellungen einer Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 2005 bis 2009 (vgl. BP-Bericht vom 20. Dezember 2011) folgend erließ das Finanzamt am 2. Februar 2012 gemäß § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderte Bescheide zur Körperschaftsteuer 2008 und 2009, über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2009, zum Gewebesteuermessbetrag 2008 und 2009 sowie über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2009.

Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 1. März 2013 erstmals, zum 31. Dezember 2008 und zum 31. Dezember 2009 jeweils eine Rückstellung gemäß § 249 Handelsgesetzbuch (HGB) i.V.m. § 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG in der Steuerbilanz wegen drohender Schadensersatzforderungen der Firma A GmbH an die Firma D mit Sitz in Dubai zu berücksichtigen. Die A GmbH habe den Schaden erstmals im Jahr 2008 festgestellt und die Lieferungen an die D eingestellt. Außerdem habe sie mit Klage gedroht. In der Bilanz der Klägerin zum 31. Dezember 2008 hätte wegen der Ankündigung der D, den Schaden weiterzureichen, eine entsprechende Rückstellung in Höhe von 3,46 Mio. € gebildet werden müssen. Die erhobenen Schadensersatzforderungen seien im Zeitpunkt der Bilanzerstellung zwar der Geschäftsführung der Klägerin, nicht jedoch ihrem steuerlichen Vertreter, der mit der Erstellung der Bilanz beauftragt worden sei, bekannt gewesen. Die Konkretisierung der Schadenshöhe im Strafverfahren sei als wertaufhellende Tatsache zu verstehen und die Rückstellung daher im Jahr 2008 mit dem im Strafverfahren genannten Schadensbetrag einzustellen. Die Ansätze seien in den Folgejahren fortzuführen. Die Dauer des Verfahrens werde ausgehend vom Bilanzstichtag 31. Dezember 2008 auf fünf Jahre geschätzt.

Das Finanzamt traf daraufhin aufgrund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft (vgl. Anklageschrift vom 11. Januar 2012) folgende Feststellungen:

T war neben seiner Funktion als Alleingeschäftsführer der Klägerin auch „Managing Director“ der D, deren gesetzlicher Vertreter war S. Im Zeitraum August 2005 bis Mai 2008 bestellte T namens der D bei der A GmbH pharmazeutische Artikel für die angebliche Lieferung nach Dubai. Die Mitarbeiter der A GmbH kommissionierten sodann die Ware, erledigten die Zollabwicklung, schickten eine Auftragsbestätigung an die D und stellten die Artikel zur Abholung bereit. Bis April 2008 wurden die Pharmazeutika nach Eingang des Rechnungsbetrages durch die von der D beauftragten Speditionen bei der A GmbH abgeholt. Die Speditionen lagerten die Ware zunächst in Lagerräumen im Inland zwischen, sortierten und verpackten sie auf Wunsch neu und stellten sie zum Zwecke der Selbstabholung bereit. Die D verkaufte die Artikel an die Klägerin, diese wiederum an Unternehmen im Inland. Zwischen der A GmbH und der Klägerin wurden keine Verträge abgeschlossen. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hätte die A GmbH bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände niemals eine Produktlieferung ausgeführt. Da der A GmbH seitens der D versichert worden sei, dass die Waren für den Export in Drittländer bestimmt seien, hatte die A GmbH der D Exportrabatte in Höhe von 1.378.712,28 € gewährt. Am 7. Dezember 2009 erstattete die A GmbH Strafanzeige gegen T.

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2008 wurde die A GmbH von ihren anwaltlichen Vertretern über „ohne Zweifel“ bestehende Haftungsansprüche in Höhe von circa 3,46 Mio. € gegen die D und deren „Gesellschaftergeschäftsführer“ T informiert. Der A GmbH wurde angeraten, sowohl zivilrechtliche Haftungsansprüche geltend zu machen als auch Strafanzeige zu stellen. Die D kündigte daraufhin mit Schreiben vom 31. Oktober 2008 gegenüber der Klägerin an, die geforderten Schadensersatzansprüche an die Klägerin weiterzureichen.

Mit Beschluss des Landgerichts vom 10. April 2013 wurde die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen T abgelehnt. Eine zivilrechtliche Klage gegen T oder die Klägerin wurde von der A GmbH nicht erhoben.

Das Finanzamt berücksichtigte daraufhin keine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten in den Steuerbilanzen zum 31. Dezember 2008 und 31. Dezember 2009 (vgl. Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2013).

Mit der hiergegen eingelegten Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass das Finanzamt die Bildung der Rückstellungen zu Unrecht abgelehnt habe. Entgegen der Ausführungen in der Einspruchsentscheidung handle es sich bei dem Schreiben der von der A GmbH beauftragten Kanzlei vom 16. Oktober 2008 nicht nur um ein internes Papier, vielmehr hätten es auch die Klägerin und die D erhalten, um ihnen die bevorstehende Haftungsinanspruchnahme zu verdeutlichen. Gleiches gelte auch für das im Klageverfahren vorgelegte Schreiben des anwaltlichen Vertreters der A GmbH vom 19. Oktober 2009, das an Steuerberater M, die D sowie an T und S gerichtet war. T und die D seien unter Androhung rechtlicher Schritte ausdrücklich aufgefordert worden, den mit 3.776.471,14 € bezifferten Schaden bis 2. November 2009 zu begleichen. Dem Schreiben seien die den rechtlichen Vertretern erteilten Vollmachten beigefügt gewesen. Außerdem sei T mit e-mail vom 21. Oktober 2008 aufgefordert worden, die aufgrund der fehlenden Ausfuhrbescheinigungen nachgeforderte Umsatzsteuer zu erstatten.

Aufgrund der Schadensersatzforderungen habe die Klägerin daraufhin zu den Bilanzstichtagen 31. Dezember 2008 und 31. Dezember 2009 Rückstellungen gebildet. Entgegen der Ansicht des Finanzamts handle es sich nicht nur um eine ungewisse Verbindlichkeit. Vielmehr sei das Schadensersatzverlangen der A GmbH nicht nur wegen der Fristsetzung ernstlich gemeint gewesen. Die gerichtliche Inanspruchnahme sei nicht nur wahrscheinlich, sondern sicher gewesen. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch keine Zivilklage erhoben worden sei, habe kein Grund für die Annahme bestanden, dass keine entsprechenden rechtlichen Schritte eingeleitet werden würden. Das Finanzamt habe sich im Jahr 2012 angemaßt, aus der Tatsache, dass letztlich eine Zivilklage nicht erhoben worden sei, den Schluss zu ziehen, dass eine Klage ohnehin aussichtslos gewesen wäre, da es zweifelhaft gewesen sei, ob der A GmbH überhaupt ein Schaden entstanden sei. Das Finanzamt nehme eine unzulässige Betrachtungsweise vor, weil es nicht die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung und der damals gegebenen Kenntnisse beurteile, sondern die heute bekannten Umstände auf den Zeitpunkt der Bilanzerstellung zurückbeziehe und als damals bekannt unterstelle.

Eine gerichtliche Geltendmachung der Schadensersatzansprüche sei zwar nicht erfolgt, weil das Landgericht die Eröffnung des Verfahrens abgelehnt habe und die A GmbH den Schaden deshalb nicht beweisen habe können. Nichtsdestotrotz sei dem Schreiben der Rechtsanwälte der A GmbH vom 19. Oktober 2009 eine Anlage mit der Aufstellung des Margenschadens beigefügt gewesen.

Im Übrigen sei der Geschäftsverkehr zwischen der Klägerin und der D auf der Grundlage mündlicher Vereinbarungen abgewickelt und vollzogen worden. Es existiere lediglich ein sogenannter „Letter of intent and confidentiality agreement“ vom 21. März 1995. Zu berücksichtigen sei auch, dass T entgegen der Annahme des Finanzamts stets und ausschließlich als Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der Klägerin und nicht als gesetzlicher Vertreter der D gehandelt habe. Verantwortlich Handelnder der D sei vielmehr S gewesen.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung der Bescheide zur Körperschaftsteuer 2008 und 2009, über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2009, zum Gewebesteuermessbetrag 2008 und 2009 sowie über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. 12. 2009 jeweils vom 2. Februar 2012 sowie der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2013 im Jahr 2008 eine Rückstellung in Höhe von 1.378.712,28 € anzusetzen und den Gewinn im Jahr 2008 um 1.054.714,90 € sowie im Jahr 2009 um 57.905,91 € zu mindern. Hilfsweise regt sie an, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt es vor, dass die erst im Klageverfahren erfolgte Vorlage des Schreibens vom 19. Oktober 2009 der A GmbH nichts daran ändere, dass zu den Bilanzstichtagen 31. Dezember 2008 und 31. Dezember 2009 keine ausreichende Wahrscheinlichkeit für das Entstehen oder Bestehen einer Verbindlichkeit und für die Inanspruchnahme aus einer Verbindlichkeit bestanden habe. Die Klägerin habe zu den Zeitpunkten der Bilanzerstellung (31. Dezember 2009 und 17. Januar 2011) nicht mit einer Inanspruchnahme aus einer Schadensersatzforderung rechnen müssen, da keine Einstellung der Rückstellung in den Bilanzen erfolgt sei, obwohl der Klägerin und ihrem Steuerberater der Sachverhalt aufgrund des Schreibens vom 19. Oktober 2009 vollumfänglich bekannt gewesen sei. Die Klägerin habe bis zum heutigen Tag offensichtlich keine Schadensersatzzahlungen an die A GmbH geleistet. Da das Strafverfahren gegen T eingestellt worden sei, müsse die Klägerin auch nicht mehr mit Schadensersatzansprüchen rechnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Aus den Gründen

II.

Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin zum 31. Dezember 2008 bzw. 31. Dezember 2009 steuerrechtlich keine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten wegen möglicher Schadensersatzansprüche der A GmbH bilden durfte.

1. Verbindlichkeiten, die nach Grund und Höhe gewiss sind, müssen nach den für die Klägerin geltenden Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (§§ 247, 266 Handelsgesetzbuch – HGB – i.V.m. § 5 Abs. 1 EStG) passiviert werden, es sei denn, sie müssten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH - vom 25. April 2006 VIII R 40/04, BStBl II 2006, 749 m.w.N.). Hingegen dürfen Rückstellungen für nach Grund und/oder Höhe ungewisse Verbindlichkeiten steuerrechtlich nur unter folgenden Voraussetzungen gebildet werden (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG; grundlegend BFH-Urteil vom 19. Oktober 1993 VIII R 14/92, BStBl II 1993, 891, mit umfangreichen Nachweisen):

- Bestehen oder die Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit. Auch wenn nur die Höhe einer bereits bestehenden Verbindlichkeit noch ungewiss ist, so ist sie unter den Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten auszuweisen (BFH-Urteile vom 19. November 2003 I R 77/01, BFHE 204, 135 und vom 19. Oktober 2005 XI R 64/04, BStBl II 2006, 371, jeweils m.w.N.).

- Wirtschaftliche Verursachung der Verbindlichkeit in der Zeit vor dem Bilanzstichtag (BFHUrteil in BFH/NV 2006, 866) und

- der Schuldner muss ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen. Die bloße Möglichkeit des Bestehens oder Entstehens einer Verbindlichkeit reicht nicht für die Rückstellungsbildung aus (BFH-Urteile vom 30. April 1998 III R 40/95, BFH/NV 1998, 1217 betreffend die künftige Inanspruchnahme auf Garantieleistungen; in BStBl II 2006, 371, m.w.N.).

2. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Rechtsgrundsätze hat das Finanzamt das Vorliegen der Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung zum 31. Dezember 2008 und 31. Dezember 2009 wegen drohender Inanspruchnahme der Klägerin auf Schadensersatz zu Recht verneint.

a) Im Streitfall sind keine Schadensersatzansprüche der A GmbH gegen die Klägerin ersichtlich. Nach den unwidersprochenen Feststellungen der Staatsanwaltschaft bestanden zwischen der Klägerin und der A GmbH keine vertraglichen Vereinbarungen. Die streitigen Kaufverträge wurden von der A GmbH ausschließlich mit der D, vertreten durch ihren Verantwortlichen T, nicht jedoch mit der Klägerin, vertreten durch ihren Gesellschafter- Geschäftsführer T, abgeschlossen. Eine Verpflichtung der Klägerin gegenüber der A GmbH wurde nicht eingegangen, daraus resultierende Schadensersatzpflichten aufgrund einer etwaigen Verletzung von vertraglichen Pflichten (Verpflichtung zum Export der Waren) bestehen nicht.

Auch unter dem Gesichtspunkt des Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) könnte die A GmbH gegenüber der Klägerin keine Ansprüche auf Erstattung des von der D verursachten Schadens geltend machen. Voraussetzung für einen Gesamtschuldnerausgleich ist, dass zwischen mehreren Mangelverursachern ein Gesamtschuldnerverhältnis besteht. Ein solches wird angenommen, wenn die Verpflichtungen der jeweiligen Schuldner nach der maßgeblichen Interessenlage des Gläubigers grundsätzlich inhaltsgleich sind. Das ist in der Regel dann anzunehmen, wenn die Schuld demselben Zweck dient, wenn also jeder der Schuldner auf seine Art für die Beseitigung des Schadens einzustehen hat, den der Gläubiger dadurch erleidet, dass jeder von ihnen seine vertraglich geschuldeten Pflichten mangelhaft erfüllt hat. Vorliegend scheidet ein Gesamtschuldnerverhältnis aus, da zwischen der A GmbH und der Klägerin keine vertraglichen Verpflichtungen geschlossen worden sind. Der Senat geht auch davon aus, dass der A GmbH beim Verkauf der Waren an die D der Weiterverkauf durch die Klägerin nicht bekannt war. Dies zeigt der Umstand, dass die Anwälte der A GmbH in den Schreiben vom 16. Oktober 2008 und 19. Oktober 2009 lediglich die Inhaftungnahme der D, des S sowie des T als Gesellschaftergeschäftsführer der D angekündigt haben. Entgegen des Vortrags der Klägerin werden die Klägerin selbst bzw. T als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin nicht genannt. Etwaige Ansprüche der A GmbH aufgrund Vertragsverletzungen bzw. strafbarer Handlungen kommen daher allenfalls gegen die D und T persönlich, nicht jedoch gegen die Klägerin in Betracht.

b) Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass die D ihr gegenüber Schadensersatzansprüche geltend gemacht hat, ist nicht ersichtlich, auf welcher rechtlichen Grundlage diese beruhen sollten. Schriftliche Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der D, deren Verletzung etwaige Schadensersatzansprüche auslösen können, wurden nicht getroffen. Auch der im Klageverfahren vorgelegte „Letter of intent and confidentiality agreement“ vom 21. März 1995 enthält keine diesbezüglichen Verpflichtungen.

Die Bildung der streitigen Rückstellungen kann auch nicht darauf gestützt werden, dass die D mit Schreiben vom 31.Oktober 2008 gegenüber der Klägerin angekündigt hatte, die angedrohten Schadensersatzansprüche der A GmbH an die Klägerin weiterzureichen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, auf welcher Grundlage die D bei der Klägerin Regressansprüche durchsetzen hätte können. Sowohl eigene Schadensersatzansprüche der D gegen die Klägerin aufgrund strafbarer Handlungen als auch eine vertragliche Regelung im Zusammenhang mit einer Abwälzung der gegen die D geltend gemachten Schadensersatzansprüche der A GmbH gegen die Klägerin wurden von der Klägerin, die insoweit die Feststellungslast für die Rechtfertigung der von ihr begehrten Rückstellung trägt, nicht vorgetragen und sind im Übrigen auch nicht ersichtlich (BFH-Urteil in BFH/NV 1998, 1217). Die Tatsache, dass die D gegen die mit der A GmbH getroffene Vereinbarung einer „Exportpflicht“ verstoßen hat, indem sie die Waren an die Klägerin weiterverkauft hat, war T bekannt, da er sowohl für die D als auch für die Klägerin als Verantwortlicher gehandelt hat. Insbesondere bildeten die erlangten Exportrabatte und der damit verbundene Wettbewerbsvorteil offensichtlich den maßgeblichen Anreiz für den Weiterverkauf der Waren durch die D an die Klägerin. Ein Verstoß der Klägerin gegen vertragliche Vereinbarungen mit der D sowie daraus resultierende Schadensersatzverpflichtungen liegen – wie oben ausgeführt - nicht vor.

c) Davon abgesehen liegen im Streitfall auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin am Bilanzstichtag ernsthaft mit einer Inanspruchnahme rechnen musste. Aufgrund des im Klageverfahren vorgelegten Schreibens der Rechtsanwälte der A GmbH vom 19. Oktober 2009 ist belegt, dass die – mögliche - Geltendmachung von Haftungsansprüchen der A GmbH gegenüber der D auch dem damaligen steuerlichen Vertreter der Klägerin, Steuerberater M, bereits vor Erstellung der Bilanz zum 31. 12. 2008 am 11. Dezember 2009 bekannt gewesen ist. Der Umstand, dass gleichwohl keine Rückstellung bilanziert worden ist, zeigt, dass der steuerliche Vertreter nicht ernsthaft mit einer Inanspruchnahme gerechnet hat und seiner Ansicht nach keine inhaltlich und zeitlich hinreichend konkretisierte wirtschaftliche Last der Klägerin bestanden hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe ersichtlich ist.

 

 

 

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